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Rezension „Nationalsozialismus in Vorarlberg. Opfer – Täter – Gegner“

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Academic year: 2022

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Rezension „Nationalsozialismus in Vorarlberg.

Opfer – Täter – Gegner“

Johannes Spies

Die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus stellte in den vergangenen Jahrzehnten eine der markantesten Konfliktlinien in Vorarlberg dar. In der Gegenwart ist die Bedeutung von Aufklärungs- und Bildungsarbeit in Bezug auf den verbrecherischen und menschenverachtenden Charakter des NS-Regimes weitestgehend gesellschaftlicher Konsens geworden. Dies ist jedoch nicht ausschließlich politischen Entscheidungsträgern zu verdanken. Besonders ist es der Verdienst jener oft als „jung und kritisch“ bezeichneten Historiker, die sich als Schrittmacher und Wegbereiter einer differenzierten Auseinander- setzung mit der Zeit des Nationalsozialismus verdient machten.

Meinrad Pichler, einer der bekanntesten Vertreter dieser Historikergeneration, ist der Autor einer bemerkenswerten Überblicksdarstellung zur Geschichte des Nationalsozialismus in Vorarlberg. Erschienen ist das Werk in einer Buchreihe von erinnern.at, deren Ziel es ist, die wesentlichen Bereiche der nationalsozialistischen Geschichte in den österreichischen Bundesländern anschaulich und gut lesbar darzustellen. Herausgegeben wird die Buchreihe von Univ.-Doz. Dr. Horst Schreiber, der 2007 den Band für Tirol und Südtirol vorlegte.

Die von Pichler erarbeiteten Kapitel ergänzen sich trefflich und ermöglichen einen breit- gefächerten Überblick. Die Bandbreite der Themen umfasst unter anderem eine grund- legende Analyse des Faschismusbegriffs sowie der nationalsozialistischen Ideologie, den so genannten „Anschluss“ 1938 und die Geschichte der austrofaschistischen Diktatur.

Kriegsalltag, Jugend und Schule als auch Antisemitismus zählen ebenso zu den Schwer- punkten wie die Rolle des Widerstands und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen.

Ein abschließendes Kapitel behandelt das Ende der NS-Herrschaft und den Neustart nach 1945. Die einzelnen Kapitel werden jeweils durch Fragestellungen eingeleitet. Diese bie- ten LeserInnen die Möglichkeit, sich schnell zu orientieren und Informationen zu einem Teilaspekt zu recherchieren.

Der 416 Seiten starke Band eröffnet unterschiedliche Zugänge. Zunächst fällt der narra- tive Ansatz auf. Die Inhalte erschließen sich aufgrund der verwendeten Sprache gut. Bei Bedarf kann im bestens aufbereiteten Sach- und Personenlexikon nachgeschlagen werden.

Auffallend ist auch der optische Zugang. Der mit 280, teilweise noch nicht publizierten Fotos bebilderte Band lädt in Verbindung mit den Texten zur kritischen Betrachtung ein.

Durch die gesamte Darstellung hindurch lässt sich ein ideologiekritischer Ansatz erkennen, der die Elemente der nationalsozialistischen Weltanschauung verständlich dekonstruiert wiedergibt. Schließlich soll noch auf die biographische Annäherung verwiesen werden.

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Die Beschäftigung mit „Menschengeschichten“, wie dieser jeweils am Ende der einzelnen Kapitel angeführte Schwerpunkt genannt wird, gibt Beispiele für individuelles Handeln und ermöglicht eine Betrachtung der Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven.

Insgesamt 43 Biographien zeigen einerseits gläubige und treue Karrieristen, wie den bereits in der Illegalität für den Nationalsozialismus agitierenden Hans Wilhelm Hammerbacher, unter anderem in der Funktion des Kreisleiters von Bludenz und Bregenz aktiv. Anderer- seits werden Widerstandskämpfer wie Johann August Malin, 1942 wegen „Hochverrates“

hingerichtet, portraitiert. Gerade in der Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten von widerständigen Personen werden Handlungsspielräume ersichtlich, die couragierte Menschen genützt haben, um sich dem NS-Regime entgegenzustellen. Gleichermaßen beleuchtet Pichler Täter wie den Montafoner Josef Vallaster. Dieser war als „Oberbrenner“

in der zur Tötung psychisch kranker und körperlich behinderter Menschen errichteten Anstalt Schloss Hartheim in Oberösterreich tätig und in weiterer Folge im Vernichtungsla- ger Sobibór am Morden in führender Position beteiligt. Des Weiteren werden Biographien von Personen, die als ehemalige Nationalsozialisten nach Kriegsende einen „Neustart“

vornahmen, vorgestellt. Gerade das Thema „Elitenkontinuität“ hätte von Pichler umfang- reicher dargestellt werden können. Nach 1945 fanden sich ehemalige Nationalsozialisten vielfach in führenden Positionen wieder und wirkten tatkräftig bei der Neugestaltung des Landes mit. Gleichzeitig prägten sie für Jahrzehnte die Art und Weise, wie die Geschichte des Nationalsozialismus betrachtet, vermittelt und aufgearbeitet wurde.

Als Quellengrundlage diente dem Autor eine Vielzahl an regionalgeschichtlichen Publi- kationen auf dem aktuellen Forschungsstand, deren Darstellungen nur in einzelnen Fällen erweitert wurden.

Das Buch richtet sich zwar ausdrücklich an junge LeserInnen, ist aber für alle Interes- sierten, im Besonderen jedoch für im Bildungsbereich Tätige, eine Bereicherung und wertvolle Quelle.

Geschichte neu, ansprechend und vor allem verständlich darzustellen, ist jene methodisch herausfordernde Aufgabe, mit welcher sich HistorikerInnen heute mehr und mehr konfron- tiert sehen. Die letzten verbliebenen ZeitzeugInnen sind hochbetagt und werden in einigen Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen können. Der Nationalsozialismus entwickelt sich damit für nachkommende Generationen zusehends zu einer weit entfernten Vergangen- heit. Pichlers Buch ist eine wichtige Grundlage, um künftig dem Anspruch einer qualitativ hochwertigen, antirevisionistischen Aufklärung über den Nationalsozialismus und dessen Geschichte in Vorarlberg gerecht zu werden. Es bietet eine bewältigbare Möglichkeit zur Auseinandersetzung und überfordert LeserInnen nicht durch inflationär verwendete Sze- nen des Schreckens.

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Der bereits jetzt schon als Standardwerk zu bezeichnenden Publikation bleibt somit eine möglichst große Verbreitung und zahlreiche Leserschaft zu wünschen, besonders in Anbe- tracht der Attraktivität, die das nationalsozialistische Gedankengut auf Teile der Gesellschaft immer noch ausüben kann.

Meinrad Pichler, Nationalsozialismus in Vorarlberg. Opfer, Täter, Gegner (Nationalsozi- alismus in den österreichischen Bundesländern 3), Innsbruck 2012.

ISBN: 978-3-7065-5030-7

Weitere Informationen zur Buchreihe finden Sie unter:

www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/jugendsachbuchreihe-nationalsozialismus-in- den-oesterreichischen-bundeslaendern

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