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1720 FMHGelebte Qualitätstrans parenz der Ärzteschaft

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Schweizerische Ärztezeitung

SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch

51 –5 2 1 6. 12 . 2 02 0 1717 Editorial

von Ursina Pally Hofmann Das erste Jahr

1748 Tribüne

Chefärzte entlassen ist keine Lösung

1762 «Zu guter Letzt»

von Matthias Scholer Zeit, Bilanz zu ziehen

1720 FMH Gelebte

Qualitätstrans parenz

der Ärzteschaft

(2)

INHALTSVERZEICHNIS 1713

Redaktion

Dr. med. vet. Matthias Scholer, Chefredaktor;

Annette Eichholtz, M.A., Managing Editor;

Julia Rippstein, Redaktorin Print und Online;

Nina Abbühl, Junior Redaktorin;

Prof. Dr. med. Anne-Françoise Allaz, Mitglied FMH;

Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. oec. Urs Brügger;

Prof. Dr. med. Samia Hurst; Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH;

Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH;

Dr. med. Daniel Schröpfer, Mitglied FMH;

Charlotte Schweizer, Leitung Kommunikation der FMH;

Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH

Redaktion Ethik

Prof. Dr. theol. Christina Aus der Au;

Prof. Dr. phil., Dipl. Biol. Rouven Porz Redaktion Medizingeschichte

Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; Prof. Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Public Health, Epidemiologie, Biostatistik

Prof. Dr. med. Milo Puhan Redaktion Recht

Dr. iur. Ursina Pally, Leiterin Rechtsdienst FMH

FMH

EDITORIAL: Ursina Pally Hofmann 1717 Das erste Jahr 

RECHT: Caroline Hartmann

1718 Berufsausübungsbewilligung für die Gutachtertätigkeit

DDQ/SAQM: Esther Kraft, Michelle Gerber, Christoph Bosshard, Felix Roth

1720 Gelebte Qualitätstransparenz der Ärzteschaft  Aufgrund der Revision von Art. 58 KVG sind Ärztinnen und Ärzte ab 2022 gesetzlich verpflichtet, Qualitätsmassnahmen umzusetzen und

Qualitätsmessungen zu veröffentlichen. Die Rahmenbedingungen sollen gemeinsam von den Verbänden der Leistungserbringer und Verbänden der Versicherer in Qualitätsverträgen geregelt werden. Die SAQM/FMH zeigt nun gemeinsam mit santésuisse und curafutura in einem Pilot-

projekt auf, wie eine mögliche Umsetzung gelingen kann.

1722 Personalien

Weitere Organisationen und Institutionen

SGSPP: Malte Christian Claussen

1725 Gewalt und Missbrauch im Leistungssport

CAREUM: Gert Ulrich, Hermann Amstad, Olivier Glardon, Sylvia Kaap-Fröhlich 1730 Interprofessionalität will gelernt sein

SWISSMEDIC: Christoph Küng

1733 Zentrale Erfassung der Nebenwirkungen durch Swissmedic ab 2021

Briefe / Mitteilungen

1737 Briefe an die SÄZ 1739 Facharztprüfung

FMH Services

1740 Stellen und Praxen (nicht online)

(3)

2020 war in vieler Hinsicht ein anspruchsvolles Jahr.

Die Redaktion der Schweizerischen Ärztezeitung und der Schweizerische Ärzteverlag EMH wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern ein gesundes und ruhigeres neues Jahr. Wir freuen uns, Sie auch 2021 weiterhin mit interessantem, unabhängigem und fachlich hoch- stehendem Lesestoff zu unterstützen.

© Yanikap | Dreamstime.com

FELMY

INHALTSVERZEICHNIS 1714

Tribüne

STANDPUNKT: Beat Frauchiger, Markus Schmidli 1748 Chefärzte entlassen ist keine Lösung

STANDPUNKT: Simon Hölzer

1751 Bezahlbare Qualität im Gesundheitswesen braucht den Wettbewerb GRÜEZI SCHWEIZ: Nathalie Zeindler

1754 Komplementärmedizin im Fokus

Horizonte

STREIFLICHT: Jann Schwarzenbach 1756 Maskengeschichtliches Potpourri

BUCHBESPRECHUNGEN: Jean Martin 1758 Ces vies consacrées à une cause 1759 Preise und Auszeichnungen 1760 Buchbesprechungen

Zu guter Letzt

Matthias Scholer 1762 Zeit, Bilanz zu ziehen

Impressum

Schweizerische Ärztezeitung Offizielles Organ der FMH und der FMH Services

Redaktionsadresse: Nina Abbühl, Redaktionsassistentin SÄZ, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 72,

redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, www.emh.ch

Anzeigen:

Markus Süess,

Key Account Manager EMH Tel. +41 (0)61 467 85 04, markus.sueess@emh.ch

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:

Inserateannahme, Tel. +41 (0)61 467 86 08, stellenmarkt@emh.ch

«Stellenvermittlung»: FMH Consulting Services, Stellenvermittlung, Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41 (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86, mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder:

FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch Andere Abonnemente: EMH Schweize- rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,

Abonnementspreise: Jahresabonne- ment CHF 320.– zzgl. Porto.

ISSN: Printversion: 0036-7486 / elektronische Ausgabe: 1424-4004 Erscheint jeden Mittwoch

© FMH

Die Schweizerische Ärztezeitung ist aktuell eine Open-Access-Publikation.

FMH hat daher EMH bis auf Widerruf ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis der Creative-Commons-Lizenz

«Namens nennung – Nicht kommer- ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter- national» das zeitlich unbeschränkte Recht zu gewähren, das Werk zu ver- vielfältigen und zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

Der Name des Verfassers ist in jedem

ausdrück licher vorgängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu- blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die ange- gebenen Dosierungen, Indikationen und Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwende- ten Medikamente verglichen werden.

Druck: Vogt-Schild Druck AG, https://www.vsdruck.ch/

(4)

Das erste Jahr

Ursina Pally Hofmann

Dr. iur., Generalsekretärin der FMH

Sie werden wissen, was ich mit diesem Titel anspreche.

Wir werden bald das erste Jahr mit dem unwillkomme­

nen kleinen Gast, der sich erfolgreich in uns vermehrt und unter uns verbreitet, hinter uns haben.

Allenfalls erinnern Sie sich noch an mein Editorial vor einem Jahr betreffend Chancen und Risiken im Allge­

meinen. Danach verwirklichen sich Risiken ungefragt.

Wer hätte damals gedacht, dass uns allen so bald ein derart unerwünschtes Geschenk zugetragen würde?

Nicht, dass wir es nicht für möglich erachtet hätten oder nicht wenigstens teilweise darauf vorbereitet ge­

wesen wären. Wenn sich das Risiko dann aber verwirk­

licht, merkt man sehr schnell, wie wenig man darauf vorbereitet ist, weil vieles anders ist als gedacht. Es hat uns mehr oder weniger eiskalt erwischt.

Und das unter – im Vergleich zu anderen Regionen der Welt – fast schon perfekten Bedingungen. Den­

noch fühlt es sich nicht gut an, und auch wir sind schwer getroffen worden.

Was machen wir damit in persönlicher und gesell­

schaftlicher Hinsicht? Ist sich seit dieser Pandemie jede und jeder ständig bewusst, wie fragil unser Gleich­

gewicht hinsichtlich vieler Aspekte des menschlichen Daseins ist? Wie wenig es braucht, um uns aus der Bahn zu werfen, wie hilflos wir uns fühlen können?

Oder denken wir vielmehr, dass alles so weitergehen wird wie bis anhin, sobald der ungebetene Gast nicht mehr da ist oder wir ihn gezähmt haben? Ein verlo­

ckender Gedanke, der aber kaum gerechtfertigt sein dürfte.

Haben wir etwas daraus gelernt? Für uns persönlich vielleicht, weil uns bewusst wurde, welche Einschrän­

kungen und Ängste am meisten schmerzen, oder wir in unserer diesbezüglichen Selbstwahrnehmung be­

stätigt worden sind.

Zu hoffen ist, dass wir daraus nicht nur für uns persön­

lich etwas lernen können. Das Bewusstsein für Risiken,

die uns im Falle ihrer Verwirklichung plötzlich und hart treffen, wie auch immer sie geartet sein mögen, sollte eigentlich gewachsen sein. Damit meine ich nicht nur das Bewusstsein, eine nächste Pandemie könne wieder auftreten. Es gibt Risiken, die ganz an­

ders gelagert sind, aber einen mindestens ebenso gross en Schaden anrichten, wenn sie da sind. Was würde wohl passieren, wenn unsere virtuelle Welt, die wir in diesen letzten Monaten ausgebaut haben, nicht mehr existierte? Unter anderem darauf haben wir uns möglichst rasch und umfassend vorzubereiten. Dieses Jahr konnten wir alle am eigenen Leib erfahren, dass Risiken kein theoretisches Konstrukt irgendwelcher Pessimisten sind.

Diese Krise birgt auch Chancen. Wir Mitarbeitende des Generalsekretariats der FMH haben aufgrund der jüngsten Entwicklung innert kürzester Zeit eine virtu­

elle Ärztekammersitzung organisieren müssen, wel­

che komplexe rechtliche und technische Anforderun­

gen zu erfüllen hatte. Das geht nur mit Fachkompetenz, Flexibilität, gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Wie erfreulich, dass uns das gelungen ist und ich solch ein überzeugendes Team leiten darf.

Ich bin überzeugt: Viele unter Ihnen werden Ihre Chance ebenfalls genutzt haben oder dies noch tun können.

Es wird nicht das letzte Jahr mit diesem ungebetenen Gast sein. Und es wird nicht das letzte unwillkommene Geschenk sein, das wir so schnell nicht wieder los­

werden. Wir können aber das Beste daraus machen, nicht aufgeben, nach Lösungen suchen und umgehend damit beginnen, uns besser vorzubereiten. In der Hoffnung, dass wir die jeweiligen Herausforderungen meistern und irgendwann wieder – vermeintlich – Herr der Lage sein werden. L’espoir fait vivre.

Bald werden wir das erste Jahr mit dem unwill- kommenen kleinen Gast hinter uns haben.

Es wird nicht das letzte Jahr mit diesem ungebetenen Gast sein, aber wir können das Beste daraus machen.

FMH Editorial 1717

(5)

Berufsausübungsbewilligung für die Gutachtertätigkeit

Caroline Hartmann

Dr. iur., Rechtsanwältin, Co-Leiterin Gutachterstelle, FMH

In einem Arzthaftungsfall ist die Expertenmeinung für die Klärung des medizi­

nischen Sachverhalts unumgänglich. Die Experten und Expertinnen haben für die Gutachtertätigkeit verschiedene Kriterien zu erfüllen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob es für die reine Gutachtertätigkeit einer Berufsausübungsbewilligung bedarf.

Um für die FMH­Gutachterstelle als Gutachter oder Gutachterin tätig werden zu können, müssen verschie­

dene Voraussetzungen erfüllt sein. Hierbei ist zwi­

schen persönlichen und formellen Kriterien zu unter­

scheiden.

Persönliche und formelle Kriterien für die Ausübung der Gutachtertätigkeit

In persönlicher Hinsicht darf der Gutachter oder die Gutachterin in Bezug auf den zu beurteilenden Fall nicht befangen sein. Als weiteres persönliches Kriterium zählt die Fachkompetenz. Der Gutachter und die Gutachterin müssen kompetent sein, um die im Haftungsfall zur Diskussion stehende ärzt­

liche Behandlung gutachterlich beurteilen zu kön­

nen. Dies bedeutet, die Experten müssen dieselbe Fachkompetenz wie der zu beurteilende Arzt oder die zu beurteilende Ärztin ausweisen und mit der zu be­

urteilenden Behandlungsmethode vertraut sein.

In formeller Hinsicht bedarf es einerseits nicht nur für die ärztliche Behandlungstätigkeit, sondern auch für  die Gutachtertätigkeit einer Berufshaftpflichtver­

sicherung, da der Gutachter und die Gutachterin nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich für eine unsorgfältige Begutachtung haften können [1]. Ande­

rerseits stellt sich die Frage, ob für die Gutachtertätig­

keit als weitere formelle Voraussetzung eine Berufs­

ausübungsbewilligung notwendig ist.

Die Berufsausübungsbewilligung

Alle Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf in eigener fachlichen Verantwortung selbständig oder angestellt ausüben wollen, benötigen eine Berufsausübungsbewil­

ligung des Tätigkeitskantons (sogenannte Polizeierlaub­

nis) [2]. Das Medizinalberufegesetz verlangt als Voraus­

setzungen für die Bewilligung zur ärztlichen Tätigkeit in eigener fachlicher Verantwortung kumulativ:

– ein eidgenössisches oder anerkanntes ausländi­

sches Arztdiplom;

– einen eidgenössischen Weiterbildungstitel oder an­

erkannten ausländischen Weiterbildungstitel;

– Vertrauenswürdigkeit sowie physische und psychi­

sche Gewähr für eine einwandfreie Berufsaus­

übung;

– notwendige Kenntnisse einer Amtssprache des Kantons, für welchen die Bewilligung beantragt wird.

Wer diese gesamtschweizerisch festgelegten Voraus­

setzungen erfüllt, hat einen Rechtsanspruch auf die Er­

teilung der kantonalen Berufsausübungsbewilligung.

Vom Recht zur Berufsausübung ist das Recht zu unter­

scheiden, Patienten zulasten der obligatorischen Kran­

kenpflegeversicherung behandeln zu dürfen. Die Vor­

aussetzungen dafür sind im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) geregelt.

Für die Gutachtertätigkeit haben die Experten und Expertinnen verschiedene Kriterien zu erfüllen.

Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf in eigener fachlicher Verantwortung selbständig oder angestellt ausüben wollen, benötigen eine Polizeierlaubnis des Tätigkeitskantons.

FMH Recht 1718

(6)

Bundesgerichtsentscheid vom 3.  Dezember 2012 (BGE 8C_436/2012)

Ist die Gutachtertätigkeit auch Teil der ärztlichen Tä­

tigkeit und bedarf somit einer Polizeierlaubnis?

In einem vom Bundesgericht beurteilten Fall stellte eine Explorandin aufgrund eines Schleudertraumas einen Leistungsanspruch bei der Invalidenversiche­

rung. Der Rentenanspruch wurde auf der Grundlage ei­

ner Expertise der MEDAS verneint. Die Explorandin ge­

langte mit der Begründung an das Bundesgericht, das

MEDAS­Gutachten sei widerrechtlich zustande gekom­

men, da der Gutachter zum Zeitpunkt seiner Begutach­

tung nicht über die erforderliche Bewilligung zur Be­

rufsausübung verfügt habe. Das MEDAS­Gutachten wurde im Jahr 2009 erstellt, die Berufsausübungs­

bewilligung wurde dem Gutachter erst im Jahr 2011 er­

teilt.

Das Bundesgericht kam zu folgendem Schluss: «[…]

Auch wenn der Gutachter […] durch die im Zeitpunkt der Begutachtung im September 2009 fehlende Be­

rufsausübungsbewilligung formell gesetzwidrig seine Gutachtertätigkeit ausgeübt hatte, waren die materiel­

len Voraussetzungen zur Erteilung der die öffentliche Gesundheit schützenden Polizeibewilligung unstrittig bereits dannzumal erfüllt gewesen […]» [3]. Die feh­

lende Polizeierlaubnis des Gutachters führte somit nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

Daraus lässt sich schliessen, dass eine Gutachter­

tätigkeit, die ohne Berufsausübungsbewilligung aus­

geübt wird, formell gesetzwidrig ist.

Und wie ist die Haltung der Kantone?

Nur gerade der Kanton Thurgau kennt in seinem Ge­

sundheitsgesetz die Bewilligungspflicht für in eigener fachlicher Verantwortung tätige Gutachter [4].

Das Ergebnis einer schweizweiten Umfrage bei den zu­

ständigen kantonalen Gesundheitsdepartementen zeigt, dass gemäss kantonaler Praxis auch Gutachter über eine gültige Bewilligung für die fachlich eigenver­

antwortliche Berufsausübung verfügen müssen.

Es besteht die überwiegende Ansicht, dass jede fachli­

che eigenverantwortliche Tätigkeit als Arzt oder Ärztin bewilligungspflichtig ist. Auch die Tätigkeit als fach­

lich eigenverantwortlicher Gutachter oder fachlich ei­

genverantwortliche Gutachterin fällt unter die Bewilli­

gungspflicht.

Die Gesundheitsgesetze der Kantone erwähnen die Gutachter und Gutachterinnen zwar nicht ausdrück­

lich, nach ständiger Behördenpraxis wenden sie die Bestimmungen jedoch dahingehend an, dass auch ärzt liche Gutachter und Gutachterinnen, welche ihre ärztliche Tätigkeit aufgegeben haben, einer Berufsaus­

übungsbewilligung bedürfen.

Auch das ärztliche Gutachten wird somit letztlich als Teil der ärztlichen Tätigkeit interpretiert.

Schlussfolgerung

Gutachter bedürfen für ihre Gutachtertätigkeit einer Berufsausübungsbewilligung des Tätigkeitskantons.

Zu diesem Schluss kommt nicht nur das Bundesge­

richt, es entspricht auch der Praxis der meisten Kan­

tone.

Gutachter haben grundsätzlich immer die Aufgabe, einen bestimmten Sachverhalt detailliert zu prüfen, einzuordnen und eine Beurteilung abzugeben. Diese stützt sich auf medizinisches Fachwissen, bedingt eine objektive Befundung und – zumindest bei der FMH­

Gutachterstelle – eine persönliche Untersuchung des Patienten oder der Patientin. In diesem Sinne ist eine medizinische Tätigkeit festzustellen, womit es für die Gutachtertätigkeit einer Berufsausübungsbewilligung bedarf.

Eine Berufsausübungsbewilligung wird grundsätzlich unbefristet erteilt. Auch wenn bei einer Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit der Status im Medizinalberufe­

register auf inaktiv gesetzt wird, bleibt die Bewilligung bestehen. Die FMH­Gutachterstelle legt besonderen Wert auf die Unbefangenheit und Fachkompetenz der Gutachter und Gutachterinnen. Das Vorhandensein einer Berufsausübungsbewilligung liegt in der Eigen­

verantwortung des jeweiligen Experten oder der jewei­

ligen Expertin.

Literatur

1 Strafrechtliche Haftung gemäss Art. 307 und Art. 318 des Schweizerischen Strafgesetzbuches; Zivilrechtliche Haftung gemäss Art. 394ff des Schweizerischen Obligationenrechts.

2 Art. 34 des Schweizerischen Medizinalberufegesetzes.

3 BGE 8C_436/2012 E. 3.4.

4 § 8 und § 9 des Gesundheitsgesetzes Thurgau.

FMH

Dr. iur. Caroline Hartmann Nussbaumstrasse 29 CH­3000 Bern 15 Caroline.hartmann[at]

fmh.ch

Das Bundesgericht bestätigt, dass die Gutach- tertätigkeit, die ohne Berufsausübungsbewilli- gung ausgeübt wird, formell gesetzwidrig ist.

Gemäss der Praxis der meisten Kantone ist auch die Gutachtertätigkeit bewilligungspflichtig.

FMH Recht 1719

(7)

Erfolgreiches Pilotprojekt zu Qualitätsaktivitäten im (praxis-)ambulanten Bereich

Gelebte Qualitätstransparenz der Ärzteschaft

Esther Krafta, Michelle Gerberb, Christoph Bosshardc, Felix Rothd

a lic. rer. oec., Leiterin Abteilung DDQ; b lic. phil. hum., wissenschaftliche Mitarbeiterin DDQ/SAQM;

c Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher DDQ/SAQM; d Dr. PH, Qualitätsbeauftragter santésuisse

Aufgrund der Revision von Art. 58 KVG sind Ärztinnen und Ärzte ab 2022 gesetz- lich verpflichtet, Qualitätsmassnahmen umzusetzen und Qualitätsmessungen zu veröffentlichen. Die Rahmenbedingungen sollen gemeinsam von den Verbänden der Leistungserbringer und Verbänden der Versicherer in Qualitätsverträgen gere- gelt werden. Die SAQM/FMH zeigt nun gemeinsam mit santésuisse und curafutura in einem Pilotprojekt auf, wie eine mögliche Umsetzung gelingen kann.

Qualitätsmessungen und deren Veröffentlichung, Massnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie die Überprüfung der Verbesserungsmassnahmen gelten voraussichtlich ab dem 1.4.2021 als gesetzliche Pflicht für alle Ärztinnen und Ärzte bzw. für alle Leistungser- bringer. Dies hat das schweizerische Parlament mit der Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes KVG zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit [1]

und dem neuen Art. 58 KVG am 21.6.2019 beschlossen.

Die Rahmenbedingungen werden die Ver bände der

Leistungserbringer und die Verbände der Versicherer in nationalen Qualitätsverträgen regeln. Diese müssen dem Bundesrat ein Jahr nach Inkraft setzung des neuen Art. 58 KVG, also spätestens am 1.4.2022, zur Genehmi- gung vorgelegt werden, ansonsten kann der Bundesrat subsidiär eingreifen (siehe Kasten nächste Seite mit den zentralen Informationen zum neuen Art. 58 KVG).

Das Pilotprojekt

Um Wege der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe zu erproben, hat die FMH/SAQM gemeinsam mit san- tésuisse und curafutura das Pilotprojekt «Veröffentli- chung der Qualitätsaktivitäten der (praxis-)ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte» lanciert (www.saqm.ch).

Dieses ist bei den Ärzteorganisationen auf ein sehr grosses Interesse gestossen: Insgesamt sechs Fachge- sellschaften nehmen daran teil, welche rund 50% der ambulant tätigen Ärzteschaft abbilden. Diese haben für ihren Fachbereich in Absprache mit den Versiche- rern jeweils drei bis fünf Qualitätsaktivitäten für den ambulanten Bereich definiert (Tab. 1). Die Fachgesell- schaften haben ausserdem einen Prozess für die Über- prüfung der Angaben der Ärztinnen und Ärzte zu den Qualitätsaktivitäten festgelegt und testen diesen im Rahmen des Pilotprojekts.

Ärzteschaft und Versicherer schaffen Quali- tätstransparenz im ambulanten Bereich

Rund 3300 (praxis-)ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte machen transparent, welche Qualitätsaktivitä- ten sie für die Qualitätsentwicklung zum Nutzen der Tabelle 1: Die 17 Qualitätsaktivitäten im Pilotprojekt.

Qualitätsaktivitäten Fachgesellschaft

Critical Incident Reporting System (CIRS) SGAIM/mfe

Guidelines SGP, SGORL, SGU, SGPP

Hygienekonzept SGP, SGAIM/mfe

Klinische Studien SGMO

Notfallkonzept SGP

Patientenbefragung SGP

Patienteninformationen SGORL

Patient-reported outcome SGMO

Pharmakovigilanz SGMO

Qualität der Hörabklärungen / Audiometrie SGORL

Qualitätszirkel SGP, SGAIM/mfe, SGPP

Shared Decision Making SGPP

Smarter Medicine SGAIM/mfe, SGORL, SGU

Standardisierte Operationsaufklärungen SGU

Supervision SGPP

Swiss Cancer Network Zertifikat SGMO

Teilnahme an Tumorboard SGMO, SGORL

SGAIM: Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin; SGMO: Schweizerische Gesell- schaft für medizinische Onkologie; SGP: Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie; SGPP: Schweizeri- sche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie; SGU: Schweizerische Gesellschaft für Urologie;

SGORL: Schweizerische Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie; mfe:

Haus- und Kinderärzte Schweiz.

FMH DDQ /SAQM 1720

(8)

Patientinnen und Patienten umsetzen. Die Teilnahme- quote von 43% an der erstmaligen Durchführung eines freiwilligen Pilotprojekts ist ausserordentlich hoch und ein deutliches Zeichen der Ärzteschaft für ihr En- gagement im Qualitätsbereich. Aber nicht nur die Be- teiligung, sondern auch die Resultate machen sichtbar, dass die (praxis-)ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte bereit sind, im Interesse der Patientinnen und Patienten die Qualität weiterzuentwickeln und dies auch transparent zu machen. Mindestens zwei Drittel aller Befragten geben an, drei oder mehr der empfohle- nen Qualitätsaktivitäten umzusetzen. Die Umsetzung wird systematisch durch Stichproben überprüft, sei es  beispielsweise mittels Fachgesprächen oder eines transparenten Nachweises. In der Tabelle 2 sind die ag- gregierten Ergebnisse am Beispiel der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM)

dargestellt. Mit der Einführung des Art. 58 KVG wird die Qualitätsmessung und -transparenz für alle Leis- tungserbringer obligatorisch (siehe Kasten).

Ausblick

Die Angaben der Ärztinnen und Ärzte zu den Qua- litätsaktivitäten werden seit Dezember 2020 auf www.doctorfmh.ch veröffentlicht. Der Schlussbericht zum Pilotprojekt ist zurzeit in Erarbeitung. An dieser Stelle ein Dankeschön an die beteiligten Ärzteorgani- sationen für ihr zentrales, intensives und wichtiges Enga gement und an die Ärztinnen und Ärzte, welche am Pilotprojekt teilgenommen haben. Ihre Erfahrun- gen sowie die Erfahrungen der FMH/SAQM, der Ver- bände der Versicherer und der beteiligten Fachgesell- schaften sind essentiell, um die Herausforderungen bei der Umsetzung des neuen Art. 58 KVG gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Die FMH/SAQM wird über ihre Informationskanäle re- gelmässig über den aktuellen Stand der Umsetzung des Art. 58 KVG informieren.

Literatur

1 Bundesamt für Gesundheit. Änderung KVG und KVV: Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit. 2020. www.bag. admin.ch/

bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenver- sicherung-revisionsprojekte/netzwerk-qualitaet-

gesundheitsversorgung.html FMH/SAQM

Nussbaumstrasse 29 CH-3000 Bern 16 Tel. 031 359 11 11 saqm[at]fmh.ch

Tabelle 2: Ergebnisse der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin.

SGAIM/mfe – Umsetzung der empfohlenen Qualitätsaktivitäten

Angeschriebene Ärztinnen und Ärzte 4642

Befragungsteilnahme 49%

Qualitätszirkel 86%

Hygienekonzept 85%

Smarter Medicine 86%

Critical Incident Reporting System (CIRS) 56%

Anteil mit drei oder mehr Q-Aktivitäten 75%

Neuer Art. 58 KVG zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit

Verabschiedet am 21.6.2019 und tritt voraussichtlich am 1.4.2021 in Kraft. Anpassung KVV noch nicht abgeschlossen (www.bag. admin.

ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-revisionsprojekte/netzwerk-qualitaet-gesundheitsversor- gung.html)

Der neue Art. 58 KVG bringt folgende zentralen Änderungen mit sich:

Der Bundesrat legt – nach Anhörung der interessierten Organisationen – 4-Jahres-Ziele zur Sicherung und Förderung der Qualität fest.

Der Bundesrat setzt weiter eine Eidgenössische Qualitätskommission ein. Unter anderem beauftragt diese Dritte, nationale Pro- gramme zur Qualitätsentwicklung / systematische Studien durchzuführen, neue Qualitätsindikatoren zu entwickeln oder bestehende Indikatoren weiterzuentwickeln. Diese Qualitätskommission berät auch den Bundesrat, die Kantone, die Leistungserbringer und die Versicherer und kann Empfehlungen abgeben. Die Leistungserbringer – also auch die Ärztinnen und Ärzte – müssen die vertraglich festgelegten Regeln zur Qualitätsentwicklung einhalten, damit sie zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig sein können. Diese vertraglichen Regeln werden in gesamtschweizerisch geltenden Qualitätsverträgen festgehalten.

Qualitätsverträge

Die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer schliessen gesamtschweizerisch geltende Qualitätsverträge ab. Darin ist Fol- gendes zu regeln:

Die Qualitätsmessungen und die Massnahmen zur Qualitätsentwicklung

Die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der Festlegung von Verbesserungsmassnahmen Die Überprüfung der Einhaltung der Verbesserungsmassnahmen

Die Veröffentlichung der Qualitätsmessungen und der Verbesserungsmassnahmen Die Sanktionen bei Verletzungen des Vertrags

Das Erstellen eines Jahresberichts über den Stand der Qualitätsentwicklung zuhanden der Eidgenössischen Qualitätskommission und des Bundesrats

Der Bundesrat genehmigt die Qualitätsverträge. Können sich die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer nicht auf einen Qualitätsvertrag einigen, legt der Bundesrat die Regeln fest.

FMH DDQ /SAQM 1721

(9)

Todesfälle / Décès / Decessi M’hammed Hadj-Djilani (1933), † 27.5.2020, Spécialiste en neurochirurgie, 1066 Epalinges

Theodor Müller (1944), † 19.10.2020, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, 3095 Spiegel b. Bern

Ute Hopp (1953), † 4.11.2020, Praktische Ärztin, 8805 Richterswil

Friedrich Magerl (1931), † 14.11.2020, 9000 St. Gallen

Praxiseröffnung /

Nouveaux cabinets médicaux / Nuovi studi medici

FR

Jérôme Dällenbach, Spécialiste en médecine interne générale, Centre commercial gare de Fribourg, 1700 Fribourg

GE

Catherine Torriani, Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie, rue Charles-Sturm 20, 1206 Genève

TI

Fabrizio Guido Fasolini, Specialista in chirur- gia, corso San Gottardo 6 e 13, 6830 Chiasso, e via Giuseppe Motta 2, 6850 Mendrisio

Aargauischer Ärzteverband Zur Aufnahme in den Aargauischen Ärzteverband haben sich angemeldet:

Als ordentlich praktizierende Mitglieder:

Wolfgang Edele, 5210 Windisch, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für Kardiologie, FMH, Praxiseröffnung in Brugg per 2. November 2020

Nisha Erismann, 4663 Aarburg, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, FMH, Praxis- eröffnung in Praxisgemeinschaft in Rothrist per 1. Januar 2021

Isabel Grobauer, 5706 Boniswil, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psycho- therapie, FMH, Praxiseröffnung in Aarau per 17. September 2020

Marco Randazzo, 8404 Winterthur, Facharzt für Urologie, FMH, Praxiseröffnung in der Hirslanden Klinik Aarau per 1. Mai 2021

Mariann Szabό, D-79618 Rheinfelden, Fach ärztin für Allgemeine Innere Medizin und Fachärztin für Gastroenterologie, angestellt in Praxisgemeinschaft in Frick seit 1. August 2020

Als Chef- und Leitende Ärzte und Ärztinnen:

Fabio Conti, 6614 Brissago, Facharzt für Neurologie, FMH, Leitender Arzt in der Reha klinik Bellikon seit 1. Dezember 2019

Monika Mustak-Blagusz, 5212 Hausen bei Brugg, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Fachärztin für Rheumatologie, FMH, Chefärztin bei aarReha in Schinznach Bad seit 1. Dezember 2020

Katrin Scheinemann, 5023 Biberstein, Fach- ärztin für Kinder- und Jugendmedizin, FMH, Leitende Ärztin im Kantonsspital Aarau AG seit 1. November 2018

Diese Kandidaturen werden in Anwendung von Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzteverbandes veröffentlicht. Einsprachen müssen innert 14 Tagen seit der Bekannt- machung schriftlich und begründet der Geschäftsleitung des Aargauischen Ärzte- verbandes eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet die Ge- schäfts leitung über Gesuch und allfällige Einsprachen.

Ärztegesellschaft des Kantons Bern Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio Zur Aufnahme als ordentliches Mitglied hat sich angemeldet:

Martin Mair, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für Kardiologie, FMH, Localmed Ärztezentrum Bern, Schanzen- strasse 4A, 3008 Bern

Einsprachen gegen dieses Vorhaben müssen innerhalb 14 Tagen seit der Veröffentlichung schriftlich und begründet bei den Co-Präsi- denten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der Frist entscheidet der Vorstand über die Aufnahme der Gesuche und über allfällige Einsprachen.

Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz hat sich angemeldet:

Sharon Waisbrod, Facharzt für Urologie, FMH, ab 1.1.2021 angestellter Urologe in der Praxis

«Uroclinic» in Pfäffikon SZ

Einsprachen gegen diese Aufnahme richten Sie schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med. Uta Kliesch, Maria-Hilf-Strasse 9, 6430 Schwyz, oder per Mail an uta.kliesch[at]

hin.ch

Ärztegesellschaft Thurgau

Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau hat sich gemeldet:

Fabian Hauswirth, Facharzt für Chirurgie, FMH, Untere Bühlenstrasse 50, 8708 Männe- dorf

Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug als ordentliches Mitglied hat sich angemeldet:

Christian Peter, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, Poststrasse 22, 6300 Zug Einsprachen gegen diese Kandidatur müssen innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffent- lichung schriftlich und begründet beim Sekretariat der Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über Gesuch und allfällige Einsprachen.

FMH Personalien 1722

Personalien

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Stellungnahme der SGSPP

Gewalt und Missbrauch im  Leistungssport

Malte Christian Claussen*

Dr. med., Präsident Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Privatklinik Wyss AG, Psychiatrische Dienste Graubünden

Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psy- chotherapie SGSPP zu Gewalt und Missbrauch im Leistungssport und zur Bericht- erstattung «Die Magglingen Protokolle» im «Das Magazin» vom 1. November 2020:

Die SGSPP nimmt Anteil an dem Leid der Opfer von Gewalt und Missbrauch jedwe- der Form, im Leistungssport und in der Allgemeinbevölkerung.

* Im Namen des SGSPP-Vorstandes (Malte Christian Claussen, Carlos Gonzalez Hofmann, Christian Imboden, Erich Seifritz, Marcel I.

Raas, Ulrich Hemmeter) und unter Mitarbeit von Andres Schneeberger

All athletes have a right to engage in ‘safe sport’, defined as an athletic environment that is respectful, equitable and free from all forms of nonaccidental violence to ath­

letes. Yet, these issues represent a blind spot for many sport organisations through fear of reputational dam­

age, ignorance, silence or collusion.

All forms of harassment and abuse breach human rights and may constitute a criminal offence. Therefore, there is a legal and moral duty of care incumbent on those who organise sport, to ensure that risks of nonaccidental vio­

lence are identified and mitigated [1].

Die SGSPP unterstützt die Position im International Olympic Committee consensus statement: harassment and abuse (non­accidental violence) in sport [1]. Das Risiko von Gewalt und Missbrauch im Leistungssport bedarf Richtlinien und Verfahren, um Athletinnen und Athleten zu schützen [1, 2].

Gewalt und Missbrauch im Sport

Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen alle Athletin- nen und Athleten jeden Alters, in allen Sportarten und auf jedem Leistungsniveau [2]. Psychischer, körper licher

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP 1725

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und sexueller Missbrauch sowie Vernach lässigung treten im Sport allein oder in Kombination, einmalig, kontinuier lich und wiederholt auf, manifestieren sich durch verschiedene Mechanismen, direkt und indirekt,

und müssen immer auch im kulturellen Kontext be- trachtet werden [2]. Ein hohes Risiko, Opfer psychischen, körperlichen und sexuellen Missbrauchs und Gewalt zu werden, das mit dem Karriere- und Leistungsfortschritt zunimmt, wurde für alle Leistungssportlerinnen und Leistungssportler beschrieben sowie für minder jährige, Para- und LGBTQIA*-Athletinnen und -Athleten (lesbian, gay, bisexual, transgender/transexual, queer/questio­

ning, intersex, and allied/ asexual/aromantic/agender) [1–3]. Psychischer Missbrauch ist die häufigste Form von Gewalt im Leistungssport [2]. Stafford et al. berichte- ten eine Prävalenz von psychischem Missbrauch bei jungen Athletinnen und Athleten in der Grössen- ordnung von 75% [4]. Täterinnen und Täter von Gewalt im Sport können unter anderem Mitglied des ärztlichen und Trainerteams sowie Peers und Trai- nings- und Teamkolleginnen und -kollegen sein. Eine erhebliche Dunkelziffer von Gewalt und Missbrauch im Sport wird angenommen [2].

Die Folgen von Gewalt und Missbrauch für die psychi- sche Gesundheit sind verheerend, langjährig und kön- nen nach Reardon et al. im Sport einhergehen mit weni- ger Leistung und Erfolgen, frühem Ausscheiden aus dem Sport, Minderung des Selbstwertes, Störungen des Körperbildes, gestörtem Essverhalten und Essstörun- gen, Substanzgebrauchsstörungen, Depressionen, Ängs- ten, Selbstschädigungen und Suiziden [2]. Darüber hinaus ist die Bereitschaft, zu betrügen und zu dopen, im Zusammenhang mit Gewalt im Leistungssport erhöht; zudem korreliert psychischer Missbrauch im Kindes alter mit langjährigen, komplexen post- traumatischen und dissoziativen Symptomen [2].

Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen die Opfer und das Umfeld der Opfer genauso, wie die persönli- chen und sozialen Beziehungen der Opfer, auch ausser- halb des Sports [5].

Psychiatrisch-psychotherapeutische Expertise und interdisziplinäres Vorgehen

Die Möglichkeit der Gewalterfahrung, innerhalb und ausserhalb des Sports, sollte von Klinikerinnen und Klinikern, bei denen sich Athletinnen und Athleten mit psychischen Symptomen vorstellen, erwogen und erfragt werden [1]. Gewalt und die psychischen Folgen

von Gewalt und Missbrauch als solche zu erkennen, mit der Offenlegung durch die Betroff enen umgehen zu vermögen sowie die schwer wiegenden psychischen Folgen und Traumafolgestörungen bedürfen der psy- chiatrisch-psychotherapeutischen Expertise und eines interdisziplinären Vorgehens, das das Umfeld der Opfer mit einschliesst [2, 5].

Gewalt und Missbrauch im Sport erfordern die Ent- wicklung und Implementierung effektiver Massnah- men im Leistungssport [1]. Die vorliegende Evidenz zu Gewalt im Sport und entsprechende Empfehlungen werfen aber auch die Frage auf, warum wirksame Massnahmen, nicht nur durch die Verbände und Ver- eine, sondern aller Verantwortlichen im Schweizeri- schen Leistungssport und im gegenwärtigen Versor- gungsmodell, bisher nicht umgesetzt wurden oder gegriffen haben. Prävention ist zentrales Element in der Entwicklung und Implementierung effektiver

Massnahmen gegen Gewalt und Missbrauch, aber auch für die Erhaltung und Förderung der psychi- schen Gesundheit im Leistungssport. Prävention sollte integraler Bestandteil in den Versorgungskon- zepten sein, bedarf aber genauso wie Diagnostik, The- rapie und Nachsorge einer entsprechenden klinischen Expertise und Qualifikation. Den Risikogruppen für Gewalt und Missbrauch im Sport sollte in der Präven- tion eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

Die in den «Magglingen-Protokollen» beschriebenen Vorfälle müssen transparent aufgeklärt werden.

Ebenso wichtig ist die Erarbeitung und Implementie- rung präventiver Massnahmen zum Schutze aller

Athletinnen und Athleten, in allen Verbänden und Ver- einen, wie sie beispielsweise durch das International Olympic Committee consensus statement: harassment and abuse (non­accidental violence) in sport auf Ebene der Sportorganisationen, Athletinnen und Athleten, Sportmedizin und verwandten Fachgebiete sowie in der Forschung beschrieben wurde [1].

Ein systematischer, einrichtungsübergreifender Ansatz, der Athletinnen und Athleten, ihr Umfeld, medizini- sche und therapeutische Behandlerinnen und Behand- ler, Ausbildnerinnen und Ausbildner sowie Strafjustiz- behörden mit einschliesst, wird empfohlen [1].

Gewalt und Missbrauch im Sport betreffen alle Athletinnen und Athleten.

Die in den «Magglingen-Protokollen» beschriebe- nen Vorfälle müssen transparent aufgeklärt werden.

Ebenso wichtig ist die Erarbeitung und Imple- mentierung präventiver Massnahmen zum Schutze aller Athletinnen und Athleten.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP 1726

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Die Ethik-Charta von Swiss Olympic und der Verhal- tenskodex für Trainerinnen und Trainer sind verbind- lich einzuhalten [6]. Die, unter Leitung des International Centre Ethics in Sport proklamierten Prinzipien zum Schutz minderjähriger Athletinnen und Athleten, Qualität, Prävention und Gefahrenabwehrmassnah- men, sollten im Sinne der Transparenz ebenso ver- bindlicher Teil jeder Verbands- und Vereinsstruktur sein [7].

Sportmedizinische und sportpsychia- trische Untersuchung

Eine jährliche Überprüfung möglicher Grenzüber- schreitungen gegenüber Athletinnen und Athleten sollte in die sportmedizinische Untersuchung SPU in der Schweiz integriert werden. Bei Verdacht auf Gewalt und Missbrauch sollte stets eine niederschwellige, qualifizierte Anlaufstelle für Betroffene, wie auch für deren Umfeld und professionelle Helferinnen und Helfer gewährleistet sein und eingeschaltet werden, bevor erste Behandlungsschritte erfolgen.

Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsy- chiatrie und -psychotherapie und für Psychiatrie und Psychotherapie, mit einer Expertise im Bereich der Traumafolgestörungen und optional in Sportpsychiat- rie und -psychotherapie, sollten integraler Bestandteil, in einem interdisziplinären, medizinischen Umgang mit Gewalt und Missbrauch im Leistungssport und den schwerwiegenden psychischen Folgen sein; in Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Die

Belastungen und Risiken für die psychische Gesund- heit im Leistungssport bedürfen aber bereits unabhän- gig der beschriebenen Problematik der Gewalt und des Missbrauchs im Sport, der Integration einer qualifizier- ten medizinischen Fachdisziplin für die psychische Gesundheit in den Versorgungskonzepten im Leis- tungssport. In jedem grossen Verband und Verein be- darf es darüber hinaus einer entsprechenden Koordi- nationsstelle Sportpsychiatrie und -psychotherapie.

Die SGSPP ist bereit, einen substantiellen Beitrag zu leisten, und spricht sich für interdisziplinäre Präven- tions- und Behandlungskonzepte gegen Gewalt und Missbrauch sowie zur Förderung der psychischen Ge- sundheit im Leistungssport aus.

Bildnachweis

© Chelsdo | Dreamstime.com, Symbolbild

Literatur

1 Mountjoy M, Brackenridge C, Arrington M, Blauwet C, Carska- Sheppard A, Fasting K, et al. International Olympic Committee consensus statement: harassment and abuse (non-accidental violence) in sport. Br J Sports Med. 2016;50(17):1019–29.

2 Reardon CL, Hainline B, Aron CM, Baron D, Baum AL, Bindra A, et al. Mental health in elite athletes: International Olympic Commit- tee consensus statement. Br J Sports Med. 2019;53(11):667–99.

3 Schneeberger AR, Gupta R, Flütsch N, Recher A. LGBTQI and sports – future implications for sports psychiatry. Sport & Exercise Medicine Switzerland. 2020;68(3):28–9.

4 Stafford A, Alexander K, Fry D. ‘There was something that wasn’t right because that was the only place I ever got treated like that’:

Children and young people’s experiences of emotional harm in sport. Childhood. 2015;22:121–37.

5 Mountjoy M. ‘Only by speaking out can we create lasting change’:

what can we learn from the Dr Larry Nassar tragedy? British jour- nal of sports medicine. 2019;53(1):57–60.

6 Swiss Olympic [Internet]. Ethik-Charta – Neun Prinzipien für den Schweizer Sport; c2015 [cited 2020 Nov 12]. spiritofsport.ch/

verbaende/werte-ethik/ethik-charta

7 Safeguarding Youth Sport project consortium (International Cen- tre Ethics in Sport) [Internet]. Safeguarding Youth Sport – Stimulat- ing the individual empowerment of elite young athletes and a posi tive ethical climate in sport organisations; c2015 [cited 2020 Nov 12]. fis.dshs-koeln.de/portal/de/projects/safeguarding-youth- sport(6ced66d5-b3e7-4c05-a648-24682b35d021).html

Dr. med.

Malte Christian  Claussen Sportpsychiatrie und -psy- chotherapie, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Psychiatrische Universitäts klinik Zürich Lenggstrasse 31 CH-8032  Zürich malte.claussen[at]pukzh.ch

Das Wichtigste in Kürze

Die Aufarbeitung der Geschehnisse in Magglingen gebietet auch einen kritischen Umgang mit den Versorgungskonzep- ten im Leistungssport.

Fragen zur Qualifikation und Kompetenz der Verantwortli- chen im Erkennen von und Umgang mit Gewalt und Miss- brauch sind zu beantworten, wie auch, ob der Umgang mit den schwerwiegenden psychischen Folgen empirisch be- gründet und Leitlinien-konform erfolgte.

Die körperlichen und psychischen Folgen von Gewalt und Missbrauch gebieten eine nachweisliche klinische und medi- zinische Kompetenz, die eine psychiatrisch-psychotherapeu- tische und bei Minderjährigen eine kinder- und jugendmedi- zinische Expertise zwingend miteinschliesst. Die störungs- und erkrankungsspezifische Expertise sollte immer massgebend sein.

L’essentiel en bref

Pour analyser les événements survenus à Macolin, il est nécessaire d’adopter une approche critique face aux concepts de soutien dans le sport d’élite.

La qualification et la compétence des personnes chargées d’identifier et de faire face aux violences et abus doivent être clairement définies. Il convient aussi de déterminer si la ré- ponse face à des conséquences psychologiques graves avait un fondement empirique et était conforme aux directives.

Les conséquences physiques et psychologiques de violences et abus exigent d’être prises en charge par des compétences cliniques et médicales avérées. Cela inclut nécessairement une expertise psychiatrique et psychothérapeutique et, dans le cas de mineurs, une expertise médicale pédiatrique et adolescente. L’expertise spécifique à la maladie et au trouble devrait toujours être déterminante.

Es bedarf der Integration einer qualifizierten medizinischen Fachdisziplin für die psychische Gesundheit in den Versorgungskonzepten im Leistungssport.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SGSPP 1727

(13)

Ein Working Paper mit Standards und Handlungsempfehlungen

Interprofessionalität will gelernt sein

Gert Ulricha, Hermann Amstadb, Olivier Glardonc, Sylvia Kaap-Fröhlichd

a Dr. phil., M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Careum Stiftung, Abteilung Bildungsmanagement, Zürich; b Dr. med., MPH, amstad-kor, Basel;

c Dr. med. vet., Präsident der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, Bern; d Dr. rer. nat., MBA, Careum Stiftung, Leitung der Abteilung Bildungsmanagement, Zürich

In einem Working Paper hat die Careum Stiftung in Zürich die Merkmale einer ge- lungenen interprofessionellen Ausbildung im Gesundheitswesen zusammenge- stellt. Das Dokument stützt sich auf die internationale Literatur und auf Gespräche mit Fachleuten aus zahlreichen Ländern. Eine Roadmap zeigt zudem auf, mit wel- chen Massnahmen in der Schweiz weitere Verbesserungen erzielt werden könnten.

Das Gesundheitssystem der Schweiz zeigt Krankheits- symptome: Bedingt durch den demographischen Wan- del, die damit zusammenhängende Zunahme an chro- nischen Erkrankungen und akzentuiert durch immer komplexere Behandlungen, sind die Kosten massiv angestiegen [1]. Gleichzeitig besteht ein markanter Mangel an Gesundheitsfachleuten, der nur dank des Zuzugs ausländischer Spezialisten gemildert wird [2].

Als mögliche Therapie wird vielfach die interprofessio- nelle Zusammenarbeit der beteiligten Fachpersonen (z.B. Ärzte, Pflegende, Ernährungsberater, Physio- oder Ergotherapeuten) genannt. In Anlehnung an das Quadruple Aim-Konzept [3] wird dabei postuliert, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit erstens die

Gesundheit der Bevölkerung und zweitens die Patien- tenerfahrung verbessern, drittens die Gesundheits- kosten pro Kopf verringern sowie viertens die Zufrie- denheit der Gesundheitsfachleute steigern könne.

Interprofessionelle Zusammenarbeit entsteht jedoch nicht ohne entsprechenden Nährboden. Unter natio- nalen und internationalen Gesundheitsorganisationen und Fachgesellschaften besteht daher Konsens, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit nur dann funktioniert, wenn die Gesundheitsfachleute über in- terprofessionelle Kompetenzen verfügen, die sie be- reits in der Phase der Ausbildung erwerben sollten [4, 5].

Die Fortschritte, die in der Schweiz im Bereich der interprofessionellen Zusammenarbeit und Ausbildung

erzielt wurden, sind auch aus einer internationalen Per- spektive als bedeutsam einzustufen. Wichtige Player im Gefüge der Interprofessionalität sind das Bundesamt für Gesundheit BAG, die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW, die Bildungsins- titutionen sowie weitere Initiativen, wie etwa die Platt- form Interprofessionalität oder der Verein swiss IPE (Swiss Interprofessional Education Course). Aktuell befin- det sich das Förderprogramm Interprofessionalität des Bundes, durch das 18 interprofessionelle Forschungs- projekte mit insgesamt 3 Millionen Franken gefördert wurden, vor dem Abschluss [6]. Als Reaktion auf die Dy- namiken der letzten Jahre veröffentlichte die SAMW im Herbst 2020 die Charta 2.0 zur interprofessionellen Zu- sammenarbeit im Gesundheitswesen [7].

Ein Working Paper als Katalysator

Die Careum Stiftung in Zürich engagiert sich seit vie- len Jahren mit unterschiedlichen Massnahmen zum Thema Interprofessionalität. Vor kurzem hat sie ein Working Paper veröffentlicht, das weitere Akzente zur Zukunft der interprofessionellen Ausbildung in der Schweiz setzen soll [8]. Ausgehend vom Ist-Zustand der interprofessionellen Ausbildung in der Schweiz be- schreibt das Dokument auf der Basis einschlägiger Übersichtsarbeiten sowie Interviews mit international renommierten Expertinnen und Experten, aber auch Betroffenen die Merkmale einer gelungenen inter- professionellen Ausbildung. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen und Massnahmen wurden anschliessend in einem Expertenworkshop diskutiert und in Form einer Roadmap für die Schweiz konkreti- siert.

Die Schweizer Fortschritte bei der interprofessio- nellen Zusammenarbeit und Ausbildung sind auch international als bedeutsam einzustufen.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Careum 1730

(14)

Durch das Working Paper sollen im Sinne eines Kata- lysators Diskussionen über interprofessionelle Ausbil- dung in Forschungs-, Bildungs- und Praxisinstitutio- nen angestossen werden; im Idealfall entstehen daraus weiterführende Initiativen für die gesamte Schweiz.

Kennzeichen einer gelungenen interprofessionellen Ausbildung

Das Working Paper fasst in einem empirischen Teil die  Ergebnisse der relevanten Übersichtsarbeiten zur interprofessionellen Ausbildung sowie der Interviews

mit internationalen Expertinnen und Experten zu- sammen. Zwischen Literaturauswertung und Exper- tenbefragung bestand Übereinstimmung, dass den Rahmenbedingungen eine grosse Bedeutung zu- kommt: Beispielsweise müssen notwendige personelle und finanzielle Ressourcen zugesprochen und Facilita- toren1 als Vorbilder sowie Lernende und Studierende als aktive Mitgestalter der eigenen Ausbildung aner- kannt und gefördert werden. Als besonders wichtig wurde die Schulung von Facilitatoren für eine qualita- tiv hochwertige Implementierung von interprofessio- neller Ausbildung angesehen.

Tabelle 1: Roadmap zu den sechs Handlungsempfehlungen des Working Papers (Auszug).

Handlungsempfehlung Beispielhafte Massnahme Nächste Schritte Akteure Bis wann?

1. Bei der Entwicklung und Implementierung interprofessioneller Ausbildungsformate sind die Stakeholder in Bildung, Forschung, Praxis und Politik set- tingspezifisch einzubin- den.

Aufbau eines nationalen Netz- werks aus Forschungs-, Praxis- und Bildungsinstitutionen zu Interprofessionalität und Ver- netzung mit lokalen interinsti- tutionellen Netzwerken

– Gründung eines Komitees mit internationaler Beteiligung, das die Schaffung eines nationalen Netzwerks in die Wege leitet (Patronat: BAG, SBFI, SAMW, Careum Stiftung)

– Verantwortliche für ärzt- liche, pflegerische, thera- peutische und medizi- nisch-technische Bildungsgänge in Aus-, Weiter- und Fortbildung – Patientenvertretende – Vertretende von diversen

Versorgungssettings

Ende 2021

2. Erarbeiten eines ge- meinsamen Verständ- nisses von Lernzielen und Kompetenzen für eine interprofessionelle Patientenversorgung

Erstellung und Implementie- rung von landesweit gültigen interprofessionellen Lernzielen und Kompetenzen in allen Bildungsgängen

– Erstellen eines Inventars der bestehenden inter-

nationalen Lernziele und Kompetenzen – ggf. Careum Stiftung Mitte 2021 – Formulierung von landesweit gültigen Lern-

zielen und Kompetenzen im Kontext der inter- professionellen Versorgungssituation in der Schweiz

– nationales Netzwerk (siehe Massnahmen zu Handlungsempfehlung 1)

Ende 2022

3. In die Curricula sind interprofessionelle Bildungsinhalte auf- zunehmen.

Ausloten von Möglichkeiten zur nachhaltigen und integrati- ven curricularen Verankerung von multi- und interprofessio- nellen Ausbildungsinhalten, um durch theoretische und praktische Ausbildung einen Kulturwandel anzustossen

– Starten einer Stakeholderdiskussion (Patronat:

SAMW, BAG, SBFI, Careum Stiftung)

– Bildungsinstitutionen vor Ort

– bildungsstufenspezifische Interessensverbände

2020/21

4. Die Rolle des Facilita- tors1 wird von allen Gesundheits- und Medizinalberufen in der Bildungs- und Versor- gungspraxis aktiv gelebt.

Konzipierung und Umsetzung einer Facilitatoren-Toolbox zur Unterstützung der Ausbil- dungsqualität und Bildung einer Community of Practice

– Erstellung einer Publikation zur Begriffsklärung

des Facilitators inklusive Praxisbeispielen – Workshop-Teilnehmende Anfang 2021 – Konzipierung einer Facilitator-Toolbox als

Prototyp – Ggf. Careum Stiftung Mitte 2021

– Bildung einer Community of Practice der Facilitatoren

– Ggf. Careum Stiftung als Enabler

Ende 2021

5. Die interprofessio- nelle Ausbildung ist praxisrelevant und effizient zu gestalten.

Patient as Teacher bzw. Patien- ten/Betroffene bei der Durch- führung interprofessioneller Lehrveranstaltungen mitein- beziehen (ggf. unter Einbezug von Patientenorganisationen)

– Analyse und Identifikation bereits bestehender Settings und Schulungskonzepte zum Thema Patient as Teacher in der Schweiz

– Careum Stiftung 2021

– Professionalisierung bzw. Schaffung von Struk- turen zur Unterstützung von Patient as Teacher hinsichtlich Finanzierung, Schulung sowie Rollen- und Aufgabenklärung

– Bildungsinstitutionen – Patientenorganisation – Institut für Medizinische

Lehre der Universität Bern – Careum Stiftung

2022

6. Das Potenzial der Forschung im Bereich interprofessioneller Bildung ist zu nutzen.

Langfristige Etablierung multi- institutioneller, interprofessio- neller Forschungsgruppen

– Förderung innovativer multiinstitutioneller Settings zur Umsetzung interprofessioneller Forschungs projekte (z.B. Schwerpunkt der ambulatorischen Forschung) unter Klärung der Mitfinanzierung durch weitere Geldgeber (z.B. Versicherungen)

– EDI im Rahmen der Gesundheitsstrategie 2030

2023

BAG: Bundesamt für Gesundheit; EDI: Eidgenössisches Departement des Innern; SAMW: Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften; SBFI: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation.

1 In der einschlägigen Literatur hat sich zur interprofessionellen Begleitung von Auszubildenden neben den Begriffen

«Supervisor», «Coach»,

«Trainer» oder «Tutor» der Begriff des «Facilitators»

etabliert. Damit soll eher weniger die Rolle eines Lehrenden, sondern eher die eines Lernbegleiters verdeutlicht werden.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Careum 1731

(15)

Es muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, dass weder in der Literatur noch von den Experten eine einzelne konkrete Methode zur Vermittlung interprofessionel- ler Kompetenzen empfohlen wird. Die Heterogenität interprofessioneller Lehrformate ermöglicht nämlich

erst, in Abhängigkeit bestehender Rahmenbedingun- gen (Lernziele, Ausbildungsabschnitt, beteiligte Be- rufsgruppen), die Inhalte flexibel und variantenreich methodisch-didaktisch zu vermitteln. Wichtig ist je- doch, dass es sich dabei um realistische und praxisrele- vante Ausbildungsformate handelt – vor diesem Hin- tergrund nehmen die interprofessionellen klinischen Ausbildungsstationen eine wichtige Position ein.

Eine Roadmap als Zwischenschritt

Auf Basis der Literaturrecherche und der Interviews formuliert das Working Paper sechs Handlungsemp- fehlungen:

1. Bei der Entwicklung und Implementierung von in- terprofessionellen Ausbildungsformaten sind die Stakeholder in Bildung, Forschung, Praxis und Poli- tik einzubinden.

2. Es braucht ein gemeinsames Verständnis von inter- professionellen Lernzielen und Kompetenzen.

3. In die Curricula sind interprofessionelle Bildungs- inhalte aufzunehmen.

4. Der wichtigen Rolle der Facilitatoren für den Lern- erfolg der Auszubildenden ist Rechnung zu tragen.

5. Die interprofessionelle Ausbildung ist praxisrele- vant und effizient zu gestalten.

6. Das Potenzial der Forschung im Bereich interprofes- sioneller Bildung ist zu nutzen.

Die beschriebenen Handlungsempfehlungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und haben auch keinen «Rezeptcharakter»; sie verstehen sich vielmehr als Ideen und Denkanstösse.

Anfang Juli 2020 diskutierten auf Einladung der Ca- reum Stiftung 24 Schweizer Expertinnen und Experten im Bereich der Interprofessionalität die vorgeschlage- nen Handlungsempfehlungen und die jeweils zuge- ordneten Massnahmen. In drei deutsch- und einem französischsprachigen Workshop erstellten sie eine Roadmap zur Zukunft der interprofessionellen Ausbil- dung in der Schweiz. Tabelle 1 auf der vorangegange- nen Seite zeigt einen Ausschnitt aus dieser Roadmap;

zu jeder Handlungsempfehlung ist jeweils beispielhaft eine Massnahme (von mehreren) aufgeführt.

Die Careum Stiftung steht als Partnerin zur Verfügung

Interprofessionalität in der Schweiz ist ein äusserst dynamisches Feld mit vielfältigen Akteuren. Zwar wurde nun der Versuch unternommen, die aufgestell- ten Handlungsempfehlungen und Massnahmen in Form einer Roadmap zu konkretisieren und poten- zielle Akteure zu benennen. Die Arbeit ist jedoch nicht abgeschlossen, denn es kommt nun darauf an, die Roadmap umzusetzen. Die Careum Stiftung bietet sich als Partnerin an, um mit diversen Akteuren konkrete Projekte zu prüfen und zu lancieren.

Literatur

1 SAMW. Nachhaltige Entwicklung des Gesundheitssystems – Positionspapier der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Swiss Academies Communication. 2019;14(2).

2 Merçay C, Burla L, Widmer M. Gesundheitspersonal in der Schweiz.

Bestandsaufnahme und Prognosen bis 2030 (Obsan Bericht 71).

Neuenburg: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium; 2016.

3 Bodenheimer T, Sinsky C. From triple to quadruple aim: Care of the patient requires care of the provider. Ann Fam Med. 2014;12(6):573–6.

4 World Health Organization. Framework for action on interprofes- sional education and collaborative practice. 2010. http://apps.who.

int/iris/bitstream/10665/70185/1/WHO_HRH_HPN_10.3_eng.pdf 5 BAG. Bericht der Themengruppe «Interprofessionalität»; 2013.

www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/berufe-gesundheits- wesen/medizinalberufe/plattform-zukunft-aerztliche-bildung/

bericht-interprofessionalitaet-anhaenge.pdf.download.pdf/

bericht-interprofessionalitaet-anhaenge.pdf

6 BAG. Förderprogramm Interprofessionalität im Gesundheits- wesen – Jahresbericht 2019. 2020. www.bag.admin.ch/bag/de/

home/das-bag/publikationen/taetigkeitsberichte/jahresberichte- foerderprogramm-interprofessionalitaet-im-gesundh.html 7 SAMW. Charta 2.0 Interprofessionelle Zusammenarbeit im

Gesundheitswesen. 2020. doi.org/10.5281/zenodo.3865147 8 www.careum.ch/documents/20181/75972/Careum_Working_

Paper_9_de.pdf gert.ulrich[at]careum.ch

Bei interprofessionellen Ausbildungsformaten sind Stakeholder in Bildung, Forschung, Praxis und Politik einzubinden.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Careum 1732

(16)

Arzneimittelsicherheit

Zentrale Erfassung der Nebenwir- kungen durch Swissmedic ab 2021

Christoph Küng

Dr. pharm., Abteilungsleiter Arzneimittelsicherheit, Swissmedic, Bern

Das Schweizer Meldesystem für unerwünschte Arzneimittelwirkungen wird ab nächstem Jahr stärker zentralisiert und auf signalrelevante Meldungen ausgerichtet.

Medizinische Fachpersonen in der Schweiz sind ge- mäss Heilmittelgesetz (Art. 59 HMG [1]) und Arzneimit- telverordnung (Art. 63 VAM [2]) seit 2002 verpflichtet, das Auftreten einer schwerwiegenden oder bisher nicht bekannten unerwünschten Arzneimittelwir- kung (UAW) zu melden. Diese Meldepflicht wurde mit Inkrafttreten des revidierten Heilmittelgesetzes am 1. Januar 2019 noch erweitert: Neu sind nicht nur Perso- nen, welche Heilmittel an Menschen oder an Tieren ge- werbsmässig anwenden oder Heilmittel abgeben, melde- pflichtig, sondern auch alle Personen, welche als Medizinalperson dazu berechtigt sind. Damit sind z.B.

auch beratende Fachpersonen, die nicht selbst Arznei- mittel abgeben, zur Meldung von UAW verpflichtet.

Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesrevision somit die Bedeutung der Pharmacovigilance verstärkt.

Wer muss melden?

Meldepflichtig sind gemäss Medizinalberufegesetz Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren sowie Tierärztinnen und Tierärzte (Art. 2 MedBG [3]). Für weitere Personen wie Hebam- men, Pflegefachleute, Medizinische Praxisassistentin- nen und -assistenten oder auch Pharmaassistentinnen und -assistenten gilt die Meldepflicht, soweit sie zur

Anwendung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. Dabei sind auch die kantonalen Regelungen zu beachten sowie die indirekte Verpflichtung beispiels- weise gegenüber dem Arzt / der Ärztin resp. dem Apo- theker / der Apothekerin als Arbeitgeber.

Aktuelles System

Aktuell werden die UAW-Meldungen in der Regel bei ei- nem der sechs regionalen Pharmacovigilance- Zentren (RPVZ) eingereicht, oder medizinische Fachpersonen wenden sich bezüglich UAW an das betreffende phar- mazeutische Unternehmen (Zulassungsinhaberin), das seinerseits gegenüber Swissmedic meldepflichtig ist [4].

Swissmedic hat die Zusammenarbeit mit den RPVZ vertraglich geregelt. Diese nehmen die UAW-Meldun- gen entgegen, bearbeiten sie und geben diese in die Pharmacovigilance-Datenbank von Swissmedic ein.

Die Meldungen werden von den RPVZ und Swissmedic bei der Evaluation insbesondere auf deren Signalwert überprüft. Ziel des Pharmacovigilance-Systems ist nicht nur das Sammeln von Einzelmeldungen, sondern primär auf deren Grundlage das Entdecken von noch nicht oder zu wenig bekannten Sicherheitsrisiken und bei Bedarf das Einleiten von korrigierenden Massnah- men wie beispielsweise die Anpassung der Arzneimit- telinformation.

System ab 2021

Ab Januar 2021 werden die in der Regel elektronisch eingegebenen UAW-Meldungen anstatt an ein RPVZ neu direkt an Swissmedic geschickt oder wie bisher ebenfalls möglich an die zuständige Zulassungsinha- berin. Die Mitarbeitenden der Pharmacovigilance bei Swissmedic werden alle direkt eingehenden Meldun- gen begutachten (Triage) und entscheiden anhand de- finierter Kriterien, ob die Meldung zur vertieften Ab-

Das Wichtigste in Kürze

Medizinische Fachpersonen in der Schweiz sind gemäss Heilmittelgesetz und Arzneimit- telverordnung seit 2002 verpflichtet, das Auftreten einer schwerwiegenden oder bisher nicht bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) zu melden.

Ab Januar 2021 werden die in der Regel elektronisch eingegebenen UAW-Meldungen anstatt an ein Pharmacovigilance-Zentrum neu direkt an Swissmedic geschickt oder wie bisher ebenfalls möglich an die zuständige Zulassungsinhaberin.

Für die Meldung von unerwünschten Impfreaktionen in Zusammenhang mit den kom- menden COVID-19-Impfstoffen bereitet Swissmedic zurzeit einen adaptierten Meldepro- zess vor. Dieser wird wie die Meldung von UAW auf dem Meldetool ElViS basieren und den international üblichen Standards der Pharmacovigilance entsprechen.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Swissmedic 1733

Referenzen

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