• Keine Ergebnisse gefunden

Warum die Symphonie vier SÄtze hat

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Warum die Symphonie vier SÄtze hat"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Warum die Symphonie vier SÄtze hat

Es t€nt wohl ziemlich banal, wenn ich die Aussage mache, dass Menschen in ihrer Freizeit sich das anschauen oder anh€ren, was ihrem Lebensgef•hl entspricht. Und heute kann man das alles via Fernsehen. Der moderne Mensch ist der Zapper. Er kann solange von einem Sender zum andern springen, bis er das sieht, was ihn fas- ziniert. Es w‚re nun sehr verlockend, eine Typologie aufzustellen, wobei die ver- schiedenen Fernsehkonsumenten nach ihren Vorlieben eingeteilt w•rden. Ich bin mir fast sicher, dass die Marketingverantwortlichen der Sender dies l‚ngst getan haben und danach ihre Programme gestalten. Darum nimmt der Sport soviel Platz ein, w‚h- rend man nur selten eine Symphonie h€ren kann.

Die Sportler wollen ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Alle Regeln sind klar definiert aber man weiss bis zum Schlusspfiff nie, wer gewinnt. Dies ist die Lebenssituation, in der es Gewinner und Verlierer gibt. Dabei lautet die grundlegende Regel, dass das Spiel kein Spiel, sondern todernst ist.1 Dies macht das Leben zu einem Spiel ohne Ende, das eben nur der Pfiff des Schiedsrichters oder der Tod beendet. Die Gewin- ner eilen zum n‚chsten Spiel, die Verlierer glauben, dass die Schuld nur beim Schiedsrichter liege, und wollen darum eine n‚chste Chance. Aber haben wir noch eine zweite Chance, wenn der Schiedsrichter Tod das Spiel abpfeift? - Hier liegt die von Watzlawick angesprochene Paradoxie: „Die einzige Regel, die dieses todernste Spiel beenden k€nnte, ist nicht selbst eine seiner Regeln. F•r sie gibt es verschie- dene Namen, die an sich ein und dasselbe bedeuten: Fairness, Vertrauen, Toleranz.“

- Wenn dies die Grundlagen der Sportethik w‚ren, so w•rden wir gut daran tun, nicht nur den Fussball, sondern auch die Wettk‚mpfe der olympischen Spiele wie eine kultische Handlung zu zelebrieren, bei der die Mitglieder des olympischen Komitees als Hohepriester ihres Amtes walten.

Eine zweite Kategorie bilden die Krimifans. Was ist dabei so faszinierend? Man weiss doch, dass der gute Kommissar zum Schluss den Verbrecher fasst. Ist es die Eintei- lung in Gute und Schlechte, die eigentlich wie in den alten Western weisse und schwarze H•te tragen sollten, damit man sie von Weitem erkennt? - Wohl kaum!

(2)

Ich vermute, dass Krimis so beliebt sind, weil man immer wieder das Dramadreieck erkennen kann: Opfer, Verfolger, Retter. Dies sind die drei Rollen, die es schon in den antiken Trag€dien gab, und die wir in unserm Leben immer wieder durchspielen.

Bald sind wir Opfer, dann wechseln wir die Rolle und werden zum Verfolger; und der Kommissar ist nicht nur der Verfolger, er ist auch der Retter. Durch ihn kommt der T‚ter zur Einsicht. Auch da ist das Leben ein todernstes Spiel, das zwar nach neun- zig Minuten fertig sein muss und das Platz f•r einige Werbebl€cke braucht. Aber wie heisst es im Kriminaltango: „denn dieser Tango geht nie vorbei“. Ein Spiel ohne Ende, das erst beendet wird, wenn einer wagt, aus dem Spiel auszubrechen.

Wenn wir nun schon bei der Trag€die angelangt sind, so k€nnen wir auch dort einige Lebensregeln oder -gef•hle beobachten. Da sind die drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung, die nicht nur in der Antike, sondern auch bei der franz€sischen Klassik eine zentrale Bedeutung hatten, und die wir nun in der Sitcom wiederfinden. Das Drama findet hier und heute statt, es kann lustig oder traurig sein, je nach dem, wie man es betrachtet. Es kommt zur Krise und zur Aufl€sung, wobei es den Einakter, das Drama in drei Akten oder das erhebende Schauspiel in f•nf Akten gibt. Wir ken- nen alle diese Dramen und schauen sie doch immer wieder an. Was suchen wir? - Ist es die Katharsis, die Ersch•tterung und seelische L‚uterung, die wir in der griechi- schen Trag€die erfahren? - „Ihr im v‚terlichen Theben wohnend, schauet …dipus, der das grosse R‚tsel l€ste und gewaltig war vor uns. Was da sterblich ist, der preise keiner sein gesegnet Los, ehe er des Daseins Grenze •berschritten ohne Leid“, so der alles wissende Chor. - Oder ist es das Happy End vieler St•cke und Kom€dien, auf das wir sehnlichst warten? - „Das Leben ein Traum“ oder „Der Traum ein Leben“?

Nun haben wir immer noch nichts zur Symphonie und ihren vier S‚tzen gesagt. In der Zahlenmystik haben die ungeraden Zahlen die h€here Bedeutung als die Gera- den: die Drei der drei K€nige, der Schwurfinger und der Dreieinigkeit, die F•nf der f•nf weisen Jungfrauen und die Zahl der Finger an einer Hand. Die sieben Tage der Woche, wobei seit Anbeginn der Welt auf sechs Werktage ein Sonntag folgt. Was soll da die Vier? - Ich bitte um etwas Geduld, wie es auch etwas Geduld braucht, bis man am Fernsehen die †bertragung einer Symphonie geniessen kann.

(3)

Doch beginnen wir zuerst mit den drei S‚tzen des Konzerts: Das Klavierkonzert, das Violinkonzert, das Trompetenkonzert. Alle stellen den Wettstreit des Solisten mit dem Orchester dar. Meist beginnt es mit dem Allegro, dem das Andante folgt. Es endet im vers€hnlichen Rondo. Aber hier liegt der Unterschied zum Sport. Wir wissen das Re- sultat und es gibt keine Sieger und keine Besiegten. Das Konzert, die Musik ist das beste Beispiel daf•r, dass es im Leben auch Gewinner - Gewinner - L€sungen gibt.

Nach einem guten Konzert haben alle gewonnen, der Solist, das Orchester, der Diri- gent und das Publikum. Drei S‚tze braucht es dazu: Der erste dient zur Darlegung der unterschiedlichen Art des Musizierens und des sich gegenseitigen Akzeptierens.

Der zweite Satz zeigt die Suche nach L€sungen, wie die beiden Bed•rfnisse und Standpunkte, die des Teams und die des Solisten, ber•cksichtigt werden k€nnen. Es ist meist der feurigste und heftigste Satz. Der dritte Satz zeigt dann die kreative Pro- bleml€sungen, wobei alle in harmonischer Form zusammenwirken.

Hier sp‚testens kann man merken, dass dies nicht alles sein kann. Wir haben be- gonnen, einen einfachen morphologischen Kasten zu skizzieren und der hat vier Fel- der. So kann man zum Beispiel das Konfliktverhalten beschreiben. Da steht dann auf der einen Achse die Durchsetzung der eigenen Bed•rfnisse und auf der anderen die Akzeptanz der Bed•rfnisse anderer.

Dabei erf•llt der Sport das Bed•rfnis nach den Gewinner-Verlierer-L€sungen. Sie be- dingen stets die Verlierer-Gewinner-L€sungen, bei der sich eine Seite unterwerfen

Hoch

Tief

Tief Energie zur Durchsetzung Hoch eigener BedÅrfnisse

1,1 9,1

9,9 1,9

Anpassung Unterwerfung Verlierer/Gewinner

Modelle des menschlichen Konfliktverhaltens

Energie zur UnterstÅtzung des Partners bei

seinen BedÅrfnissen

Vermeidung VerdrÄngung Verlierer/Verlierer

Verhandlung Zusammenarbeit Gewinner/Gewinner

Kampf Verteidigung Gewinner/Verlierer

(4)

muss. Wir m€chten auf der Gewinner-Seite stehen und erkennen, dass wir am Schluss als Verlierer den Platz verlassen. Die Spiele des Lebens enden meistens in einer Verlierer-Verlierer-Situation, obwohl wir immer wieder glauben, das Spiel ge- winnen zu k€nnen. Nun haben wir im Konzert die Gewinner-Gewinner-L€sung ge- funden und d•rften so schon recht zufrieden sein. Wenn da nur nicht noch eine Symphonie mit vier S‚tzen daher kommen w•rde.

In der klassischen Symphonie gibt es keine Solisten und es gibt auch keine Ch€re.

Diese sind weitgehend den sakralen Werken vorbehalten. Zwischen „Kyrie“ und

„Dona nobis pacem“ spannt sich dort der Bogen alternierend zwischen Chor und So- listen. Hier begegnen wir der Vier: Vier Solisten, der Sopran, der Alt, der Tenor und der Bass und den vier Evangelien. Wir kennen die Regeln, das Ritual. Einzig die Pre- digt des Pfarrers stellt eine kleine Unbekannte dar. Es herrscht aber kein Wettstreit wie beim Konzert, es ist eine gegenseitige Erg‚nzung aller Beteiligten, die letztlich nur den Rahmen bildet zu etwas Tieferem, das sich als Mysterium vollzieht. Musik, die Schwester des Sakralen.

Doch zur•ck zur weltlichen Musik. Die klassische Symphonie ist das beste und le- bendigste Beispiel f•r gutes Teamwork. Wie in jedem Team braucht es einen Team- leader, einen Projektleiter oder einen Dirigenten. Er hat sein Team durch vier S‚tze zu f•hren und diese vier S‚tze braucht es zur guten Teamarbeit. Mozart - Sympho- nien sind etwa mit den Tempi „Allegro“, „Andante“, „Menuetto“ und „Finanle“ •ber- schrieben. Bei Beethoven wird der dritte Satz dann zum „Scherzo“.

Im ersten Satz, der streng die beiden Themen (das m‚nnliche und das weibliche) abhandelt, ist der Dirigent wirklich der Dirigent. Er strahlt Autorit‚t aus, gibt Anleitung und unterst•tzt das Orchester. Ohne ihn w‚ren Streicher, Horn und Trompete, Fl€te und Oboe, Fagott und Schlaginstrumente verloren. Sie w•rden f•hrungslos im Or- chesterraum sitzen und versuchen, sich selbst bemerkbar zu machen. Er f•hrt sie zur Thematik, gibt den Rhythmus an und erzeugt die Harmonie.

Im zweiten Satz wird die Aufgabe des Dirigenten wesentlich schwieriger. W‚hrend der erste Satz dem „Forming“ diente, so m•sste der zweite Satz aufgrund seiner An- lage mit „Storming“ •berschrieben sein. Das Team, das Orchester, muss sich in die-

(5)

ser Phase zusammenraufen. Hier kommen die unterschiedlichen Interpretationen der K•nstler zum Vorschein. Jeder Dirigent weiss, dass der zweite Satz am meisten Arbeit bei den Proben bedeutet. Hier braucht es das ganze K€nnen des Dirigenten, der nun zum Coach seiner Musiker geworden ist. Er muss sie kommen lassen, darf ihre Eigenart nicht unterdr•cken, darf aber sich nicht durch Launen seiner K•nstler das Heft aus den H‚nden nehmen lassen.

Der dritte Satz ist dann der liebliche. Die K‚mpfe und Rivalit‚ten sind •berwunden, sodass man zur gegenseitigen Unterst•tzung findet. Die Musiker und Zuh€rer freuen sich an T‚nzen und an Scherzen und so ist man in die Phase des „Norming“ gekom- men. Der Dirigent hat in diesem Satz nur noch die Aufgabe, die K•nstler zu ermun- tern, indem er ihnen zeigt, wie zufrieden er mit dem Gang der Dinge ist.

Der vierte und entscheidende Satz ist der des „Performings“. Jetzt arbeitet die Gruppe, das Orchester wirklich als Team. Hier entstehen Spitzenleistungen, nun wirkt die Synergie, wobei das Resultat mehr ist als die Summe der Beitr‚ge der einzelnen K•nstler. Eigentlich br‚uchte es den Dirigenten gar nicht und er macht seine Gesten mehr f•r das Publikum als f•r seine Musiker. Jetzt gilt f•r ihn nur noch eines, den Schlussapplaus sicherzustellen. Auch hier gibt es nur Sieger, wobei der Dirigent aber vorher die vier verschiedenen Phasen durchlaufen musste. Zuerst dirigierte er im eigentlichen Sinn des Wortes. Nachher wirkte er als Coach, sodass sich alle zusammenfinden konnten. Dann war er der Supporter, womit die Teamarbeit positiv verst‚rkt wurde. Der gute Dirigent zeigt sich dann darin, dass er im vierten Satz loslassen kann, sodass auch er ein Teil des Teams wird.

Doch was hat dies alles mit dem Zappen vor dem Fernsehapparat zu tun? Ist dies mehr als eine Unentschlossenheit oder eine Konsumsucht von Ungl•cklichen, die immer etwas noch Besseres finden wollen? - Ist es ein Lebensgef•hl f•r das „auf dem Weg sein“? - Ist es eine Hoffnung, sich an einem Spiel beteiligen zu k€nnen, das am Schluss nur Sieger kennt? - „Der Mensch ist ungl•cklich, weil er nicht weiss, dass er gl•cklich ist. Nur deshalb. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird gleich gl•cklich sein, sofort, im selben Augenblick... So hoffnungslos einfach ist die L€sung“, meint Watzlawick.

27. Dezember 1997

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

und Hoffbildhauern alda erscheint Hannss Georg Padring, Sohn eines Schneiders zu Kirchdorf, und wird auf 6 Jahre.. „dero Khunst der

Ich habe meinen Hund lieb.. Zeichne

Halm, Dame, Mikado, viele Autos, eine Rakete einen Kaufladen, einen Roboter und an der Tür eine Schaukel.. Wir werden den ganzen

Gegen die versammelte angelsächsische Politiker-, Journalisten- und Ökonomenzunft hat sich damit eine Haltung durchgesetzt, die es letzten Endes akzeptiert, dass nach dem

Aber was für den „kleinen Mann“ gilt, gilt nicht für die Vorstände der 30 DAX- Unternehmen und ihre Aktionäre – trotz Finanzkrise, düsteren Konjunkturaussichten,

Bei „wenn“ weist man auf einen Zusammenhang

Bei „wenn“ weist man auf einen Zusammenhang

Solche Sätze bekommt Nick Uhlmann manchmal zu hören, wenn er erzählt, dass er an der PHBern die Ausbildung für Vorschul- und Primarstufe mache und Kindergärtner werde..