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CHRISTINA DODD. Mein Herz in deinen Händen

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Academic year: 2022

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CHRISTINA DODD

Mein Herz in deinen Händen

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Buch

Als Pepper Prescotts Eltern verschwanden, war ihre sorglose Jugend für immer vorbei. Alle vier Geschwister wurden getrennt und auf ver- schiedene Pflegefamilien über das ganze Land verteilt. Heute ist sie eine erfolgreiche Landschaftsgärtnerin. Doch ihr Leben gerät aus den Fugen, als sie Zeugin eines Mordes wird. Nun fürchtet Pepper um ihr eigenes Leben und flieht an den einzigen Ort, an dem sie sich jemals si- cher gefühlt hat, die Ranch ihrer ehemaligen Pflegefamilie in Idaho. Zu ihrer Verblüffung trifft sie dort auf ihren Exfreund Dan Graham. Er ist inzwischen Undercover-Agent und sucht ebenfalls Unterschlupf auf der abgelegenen Ranch. Und nach anfänglicher Feindseligkeit ent- brennt das Feuer der Leidenschaft wieder lodernd zwischen Dan und

der heißblütigen Pepper …

Autorin

Christina Dodd wurde für ihre Romane bereits vielfach ausgezeich- net – u. a. mit dem »America’s Golden Heart« und dem »RITA Award«. Ihre Bücher stehen regelmäßig auf diversen amerikanischen Bestsellerlisten. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und den beiden Kin-

dern in Texas.

Als Blanvalet Taschenbuch lieferbar:

Rebellische Herzen (35524) – Widerspenstige Herzen (35362) – Betö- rende Küsse (35361) – Geliebte Betrügerin (35576) – Geraubte Herzen

(36196)

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Christina Dodd

Mein Herz

in deinen Händen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Gabi Langmack

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel

»Almost Like Being in Love« bei Pocket Books, New York.

Umwelthinweis:

Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2005 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2004 by Christina Dodd Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2005

by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagillustration: Agentur Schlück/Aime

Satz: DTP Service Apel, Hannover Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Verlagsnummer: 36355 Redaktion: Regine Kirtschig

LW ⋅Herstellung: NT Made in Germany ISBN-10: 3-442-36355-1 ISBN-13: 978-3-442-36355-1

www.blanvalet-verlag.de

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Für Bobbie,

eine außergewöhnliche Frau, die einfach alles kann.

Aber du bist eine so gute Freundin, ich mag dich trotzdem.

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Ein großes Dankeschön an TJ Oatman, der mir zu Hilfe gekommen ist, als ich Fragen zum Leben

eines Ranchers hatte.

Ich hätte mir eine Rinderherde nie wie eine Horde junger Hunde vorgestellt.

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Prolog

Als die achtjährige Pepper Prescott aufwachte, fiel von der Küche aus Licht in den Gang. Sie blinzelte und schaute gäh- nend auf die Uhr. Die Leuchtziffern zeigten halb drei. Sie triumphierte, denn sie wusste, dass sie mitten in der Nacht nicht wach sein durfte.

Das Licht bedeutete, dass Daddy und Mama endlich zu Hause waren. Was sie nicht waren, als Pepper aus der Schule gekommen war. Das Haus war leer gewesen, und solange Pepper denken konnte, war das nur ein paar Mal passiert, und zwar immer dann, wenn ein Mitglied der Kir- chengemeinde nach einem Unfall im Sterben lag und eine Familie Hilfe beim Umgang mit dem Tod brauchte. Nor- malerweise legte Mama dann eine Notiz auf den Tisch, aber diesmal nicht. Pepper hatte sogar auf dem Boden nachgese- hen, ob die Klimaanlage den Zettel vielleicht weggeblasen hatte.

Dann tat sie, was Mama gewollt hätte. Sie suchte sich eine Kleinigkeit zu essen. Also nicht gerade das, was Mama im Sinn gehabt hätte, Cookies statt eines Apfels, außerdem aß sie vor dem Fernseher und schaute sich Sendungen an, die sie eigentlich nicht sehen durfte. Sie hatte jedenfalls eine Menge Spaß, bis Hope nach Hause kam.

Hope stellte den Fernseher aus und ließ Pepper am Kü- chentisch Hausaufgaben machen. Hope, mit ihren sechzehn Jahren, machte immer alles richtig. Ständig sagten die Lehrer

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in der Schule zu Pepper: »Ich hatte deine Schwester Hope, sie hat nicht die ganze Zeit geschwätzt.« Oder: »Ich hatte deine Schwester Hope in der Klasse, und sie hat immer nur Einsen gehabt.« Pepper hatte genug davon, permanent von der wundervollen, perfekten Hope zu hören, wütend trat sie die ganze Zeit gegen das Tischbein, während Hope das Baby aus der Kindertagesstätte der Kirche abholte.

Hope kehrte mit einer Stirnfalte zwischen den Brauen zu- rück, wollte Pepper aber nicht sagen, warum. Als Gabriel vom Fußballspielen heimkam, zog sie ihn in eine Ecke, und die beiden flüsterten besorgt.

Daddy und Mama kamen den ganzen Abend lang nicht heim und riefen auch nicht an.

Pepper ging ins Bett und hatte das Gefühl, dass es ihre Schuld war, weil sie diese Cookies gegessen hatte, aber jetzt hörte sie in der Küche Stimmen und das hieß, dass sie zu Hause waren. Sie warf die Decke zurück und tapste durch den Gang auf das Licht zu.

Sie erkannte Hopes Stimme wieder und Gabriels auch, aber sie flüsterten, als würge sie irgendwer. Pepper hörte ei- nen Mann reden, der nicht Daddy war, und blieb kurz vor der Tür stehen. Sie hatte nur ihr Nachthemd an. Mama hatte gesagt, dass ein Mädchen von acht Jahren sich fremden Leu- ten nicht im Nachthemd zeigte.

Pepper linste um die Tür und sah zwei Fremde in der Kü- che, einen texanischen Streifenpolizisten und eine texani- sche Streifenpolizistin.

Hope saß am Tisch. Gabriel stand hinter ihr und hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt.

Daddy und Mama waren nicht da.

Die Frau sagte: »… dass sich der Wagen fünfmal über- schlagen hat. Um circa drei Uhr gestern Nachmittag auf ei-

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ner abgelegenen Straße in der Nähe der mexikanischen Grenze –«

Wen meinte sie? Warum war sie da?

»– wo er erst um kurz vor acht Uhr von einem Officer, der die Stelle passiert hat, entdeckt worden ist. Beide Insassen waren in einem Maße zerschmettert, dass –«

Der Polizeibeamte stieß sie mit dem Ellenbogen in die Rippen.

»– sie auf der Stelle tot gewesen sein müssen«, kam die Po- lizistin zum Ende.

Tot, wer war tot? Von wem sprachen die da?

»Es tut mir so Leid, euch eine solche Nachricht überbrin- gen zu müssen.« Die Frau sah aus, als meinte sie es auch.

Aber Pepper verstand immer noch nichts. Wer war auf der Stelle tot gewesen?

Der Mann fragte: »Habt ihr Kinder irgendjemanden, der bei euch bleiben kann? Eine Tante? Einen Onkel?«

»Nein. Meine Eltern hatten keine Angehörigen. Sie haben sich im … sie waren beide Waisen …« Hope ließ den Kopf in die Hände sinken und schluchzte.

Warum machte sie das?

Von wem redeten sie? In der Tiefe ihres Herzens wusste sie es, aber sie konnte es nicht glauben.

Gabriel, der große vierzehn Jahre alte Gabriel, gab einen Laut von sich, wie Pepper ihn noch nie gehört hatte, etwas zwischen Jammern und Ächzen.

Und Pepper … sie gab auch Geräusche von sich. Sie selber merkte es gar nicht, bis alle sich umdrehten und sie ansahen.

Sie wich nach hinten zurück, aber der Ton, der aus ihrer Kehle drang, war dünn und hoch und wurde immer lauter.

Hope kam auf die Füße und stürzte auf Pepper zu.

Gabriel folgte ihr, blieb aber hinter Hope zurück und hat-

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te den gleichen Blick wie damals, bevor Mama ihn in die Fa- milie geholt hatte.

Pepper in die Arme schließend sagte Hope: »Leise, du weckst das Baby. Leise, Pepper, du machst dich noch selber krank. Leise …« Sie wiegte Pepper in den Armen.

Aber Pepper stand stocksteif da, einen Fuß auf den ande- ren gestellt, das dünne Nachthemd auf der klammen Haut klebend, und musste einfach heulen. Ihre Mama … sie hat- ten gesagt, dass ihre Mama tot war. Ihr Daddy … nein! Sie hatte ihn heute Morgen doch gesehen. Er hatte müde ausge- sehen, aber er hatte ihr einen Kuss gegeben und gesagt, sie solle brav sein. Das sagte er jeden Morgen, wenn sie zur Schule ging, und sie war es nie. Jetzt war er … jetzt sollte er tot sein? Ihre Mama? Zerschmettert? Fort? Tot?

Hope hob sie hoch, brachte sie in ihr Schlafzimmer und sagte die ganze Zeit: »Leise, leise, meine Süße, du weckst das Baby, du machst dich noch selber krank, nicht weinen, nicht weinen.«

Pepper war nicht der Ansicht, dass sie weinte. Sie hatte schon öfters geweint, aber so hatte es sich nicht angefühlt.

Dieser reißende Schmerz in der Magengegend, das Häm- mern in ihrem Kopf und überall … Leere.

Die beiden Mädchen saßen auf Peppers Bett.

Gabriel stand unter der Tür. »Kann ich euch helfen?«, fragte er, doch er wirkte unbeholfen und irgendwie deplat- ziert.

Natürlich. Er lebte erst seit ein paar Jahren hier. Daddy und Mama waren nicht seine richtigen Eltern. Er wusste nicht, was er tun sollte.

Pepper schluchzte heftiger. Gabriel war ihr Bruder, er war derjenige, der sie verstand, wenn niemand sonst sie verstand.

Doch jetzt war alles anders, in Auflösung, zerstört.

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Ihr Leben war zerstört.

Hope nahm Pepper bei den Schultern und hielt sie fest.

Sie beugte sich hinab, bis sie auf Peppers Augenhöhe war, sah sie an und sagte: »Hör zu, Pepper. Hör zu. Hör zu.«

Pepper beruhigte sich ein bisschen. Nur ein bisschen. Der Schmerz im Bauch war immer noch da. Sie wusste, das war nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Aber sie hielt den Atem an und hörte zu.

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Georgetown, Washington, D.C.

Anfang Juni

Siebzehn Jahre später

Jackie Porter hoffte, dass sie sich nicht lächerlich machen und vor ihrem Idol auf die Knie fallen würde, um den Saum ihres Gewandes zu küssen. Die Möglichkeit bestand, und Jackie begegnete ihr mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung, aber was sollte sie machen? General Jennifer Napier war genau, wie Jackie in zwanzig Jahren sein wollte – eine Frau, die aus eigener Kraft erfolgreich war.

Jackie wäre gleichfalls aus eigener Kraft erfolgreich.

Während sie sich Stück für Stück mit der Schlange nach vorne schob, die sich durch den schicken Buchladen in Georgetown wand, umklammerte sie die abgegriffene Autobiographie der Generalin und eine Ausgabe ihrer neu- esten Veröffentlichung, ein Buch, in dem General Napier exakt erläuterte, welche Prinzipien sie zum Erfolg geführt hatten. Jackie hatte sich immer an den Hoffnungsstrahl ge- klammert, den General Jennifer Napier ihr geschenkt hatte.

General Napier hatte ihre Eltern unter schrecklichen Umständen verloren – genau wie Jackie. Sie war in den ver- schiedensten Pflegefamilien groß geworden – genau wie Ja- ckie. Sie hatte in ihrer Jugend Fehler begangen; Fehler, die so schrecklich waren, dass sie nicht mehr glaubte, sich je von

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der Schmach und der Schande zu erholen – genau wie Jackie.

Doch sie hatte ihr Leben geändert, war nach West Point ge- gangen, den Streitkräften beigetreten, und jetzt war sie der ranghöchste weibliche General der U.S. Army.

Jackie sah zu dem großen Foto über dem Tisch auf, an dem General Napier die Bücher signierte.

General Jennifer Napier war fünfundfünfzig, eine attrak- tive Frau mit stechend blauen Augen und ergrauendem Haar, das sie unter der Uniformmütze hochgesteckt trug. Sie trainierte jeden Morgen und hielt ihren Körper eisern in Bestform. Sie war eine ausgezeichnete Scharfschützin. Sie lebte nach den Grundsätzen der Selbstdisziplin, die sie in ih- rem Buch erläuterte.

Inzwischen lebte auch Jackie danach. Sie trainierte jeden Tag. Sie übte Schießen und Selbstverteidigung. Sie hatte den Blick auf das Ziel gerichtet, und nichts – keine Freundschaft, kein Vergnügen, keine Romanze – konnte sich ihr in den Weg stellen.

General Napier hatte niemals geheiratet, sondern ihr Le- ben der Karriere gewidmet. Jackie strebte eine andere Kar- riere an – im Gartenbau – sie widmete ihr Leben dem Auf- bau einer erfolgreichen Gartenbaufirma im Gebiet um Wa- shington, D.C. Für ein armes Waisenkind aus Texas stellte sie sich ganz gut an. Wenn sie des Nachts manchmal die Ein- samkeit schmerzte und sie sich etwas zu liebevoll an ihren einen, schrecklichen Fehler erinnerte … dann gab es bei Ta- geslicht immer noch das Leben, das sie sich selbst aufgebaut hatte, das war genug.

Jetzt wartete Jackie jedenfalls darauf, sich bei General Na- pier für deren Anleitung zu bedanken. Sie reckte den Kopf, um an den anderen Frauen vorbeizusehen, die vor ihr stan- den, und erheischte einen ersten Blick auf ihre Heldin.

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Die Generalin sah älter und abgekämpfter aus als auf dem Foto. Jackie dachte an Weichzeichner.

Dann schalt sie sich für ihren Zynismus. Die Generalin war schließlich auf einer ausgedehnten Lesereise. Sie wurde fürs Radio und im Fernsehen interviewt. Sie war vermutlich müde. Sie war in jeder anderen Hinsicht genau, wie Jackie sie sich vorgestellt hatte. Die Schlange rückte zentimeter- weise vorwärts, und Jackies Herz pochte heftiger, je näher sie kam.

Jackie hatte ihre Kleider sorgsam ausgesucht. Sie trug ei- nen dunkelblauen Rock, dessen Schnitt aus ihren knapp ein Meter siebzig optisch mehr machte, einen adretten Gürtel um die Taille und eine weiße Bluse, die ihren ausladenden Busen möglichst klein erscheinen ließ. Ihre Sandalen waren dunkelblau und weiß, flach und konservativ. Wie die Genera- lin es propagierte, trug sie klassischen, aber teuren Schmuck:

goldene Ohrringe, eine Goldkette und eine schlichte Arm- banduhr mit schwarzem Lederband.

Die Frauen, die vor General Napier traten, stammelten alle, wie sehr sie die Generalin bewunderten. Das waren in etwa die Worte, die auch Jackie sich zurechtgelegt hatte, doch als Jackie an den Tisch trat, hatte sie die vorbereitete Rede vergessen. Ihre Finger zitterten, als sie der Generalin die Bücher reichte.

General Napier fixierte sie. »Wie heißen Sie?«

»Pep –« Sie fing sich. »Jackie. Jackie Porter.« Sie war wirklich durcheinander, sie hätte der Generalin fast ihren richtigen Namen genannt.

»Wie schreiben Sie sich, Jackie?«

»J-a-c-k-i-e P-o-r-t-e-r.«

»Möchten Sie, dass ich etwas Spezielles schreibe? Alles Gute zum Geburtstag? Oder …?«

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»Nein. Nein, ich wollte Ihnen nur sagen …« Oh, du mei- ne Güte, sie war dabei, vor ihrem Idol auf die Knie zu fallen und der Generalin den Saum zu küssen. General Napier schlug das Buch auf und fing an zu schreiben. »Ja?«

»Ich wollte … ich wollte …« – Na los, Jackie, spuck es aus – »Ich wollte Ihnen sagen, wie sehr Sie mich inspirieren.

Ich bin … ich war … ich bin aus Texas und ich bin, genau wie Sie, in Pflegefamilien aufgewachsen. Nur dass ich … ich habe eine Menge Dummheiten gemacht, und als ich Ihre Autobiographie gelesen habe, da hat es sich für mich ange- fühlt, als seien wir seelenverwandt.«

Die Generalin nickte, während sie mit der Autobiogra- phie fortfuhr und erneut signierte. »Es freut mich, dass ich helfen konnte. Aus diesem Grund habe ich die Bücher ge- schrieben. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.« Sie sah Jackie wieder direkt an und verschränkte ihre Hände vor sich auf dem Tisch. »Es ist wichtig, niemals aufzugeben, gleich welche Hindernisse sich Ihnen in den Weg stellen.«

»Ich weiß!« Das Sprechen fiel ihr jetzt leichter. »Wie Sie in Ihrem Buch geschrieben haben: ›Ich habe Menschen ent- täuscht, die an mich geglaubt haben, und ich schulde es die- sen Menschen, aber vor allem mir selbst, erfolgreich zu wer- den.‹ Das hat etwas in mir wachgerüttelt.«

»Tatsächlich?« General Napiers Blick wurde wärmer. »Es schmeichelt mir sehr, dass Sie sich meine Worte gemerkt ha- ben.«

»Ich kann alle Ihre Lehrsätze auswendig. Wissen Sie, mein Vater war Pfarrer, ich war acht Jahre alt, als die Polizei zu uns kam und uns sagte, dass er und meine Mutter ums Leben gekommen seien, nachdem sie vorher die Spenden- kasse ihrer Kirche unterschlagen hätten. Die Behörden ha- ben mich von meiner Schwester und meinem Adoptivbru-

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der getrennt, und meine Schwester war ihnen auch noch da- bei behilflich. Ich war so wütend, dass ich den Rest der Welt für meinen Kummer bezahlen lassen wollte.« Die Leute, die hinter Jackie in der Schlange standen, wurden langsam unru- hig, und die Dame, die der Generalin die Bücher reichte, machte den Eindruck, als werde sie jeden Moment dazwi- schengehen, also sprach Jackie schneller. »Ich bekam Tob- suchtsanfälle, ich habe mir Tätowierungen machen lassen, ich bin davongelaufen, ich habe Ladendiebstähle began- gen –«

»Ich habe mir zwar nie eine Tätowierung machen lassen«, sagte die Generalin nachdenklich, »aber der Rest kommt mir bekannt vor.«

»Einmal hatte ich eine Pflegemutter, die versucht hat, mich auf den rechten Weg zu bringen, aber da war ich schon zu weit abgerutscht.«

Die Generalin nickte. »Sie mussten sich selber auf den rechten Weg zurückbringen.«

»Genau! Das habe ich auch, und eines Tages, als ich ein- sam und mutlos war, bin ich auf Ihr Buch gestoßen, und es war, als sprächen Sie zu mir persönlich.«

General Napiers Adjutant stand links von ihr – Jackie er- kannte ihn von einem Foto im Buch wieder, sein Name war Otto Bjerke – und er sah grimmig aus, als hätte er schon zu viele von diesen Geschichten gehört und glaube keine einzi- ge mehr.

Es war ihr egal. Die Generalin war interessiert, ihre Au- gen funkelten, während sie Jackie zuhörte. »Ich habe Ihnen für mehr als nur Rat und Inspiration zu danken. Sie schrei- ben, ohne Gottes Hilfe hätten Sie es nicht geschafft, und ich … nachdem meine Eltern gestorben sind und ich meine Geschwister verloren habe, habe ich mich geweigert, in die

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Kirche zu gehen. Mit Ihrer Hilfe habe ich zum Glauben zu- rückgefunden, und dafür kann ich Ihnen gar nicht genug danken.«

General Napier streckte Jackie die Hand hin, und als Ja- ckie einschlug, nahm die Generalin Jackies Hand zwischen ihre beiden. In ihren Wimpern funkelten die Tränen, und sie sagte: »Es sind Geschichten wie Ihre, die diese anstrengende Schreiberei der Mühe wert machen. Danke, dass Sie mir das gesagt haben. Ich weiß es wirklich zu schätzen.«

Auch in Jackies Augen funkelten die Tränen. »Nein, ich danke Ihnen.«

General Napier ließ Jackies Hand los. Jackie griff nach ih- ren Büchern.

Jetzt war ihr großer Augenblick vorüber.

Während sie sich vom Tisch entfernte, prickelte ihr Kör- per vor Aufregung. Die Begegnung war alles gewesen, was sie sich je erhofft hatte. Sie hatte der Generalin und sich selbst eine Freude gemacht. Das entsprach einem der Leitsätze der Generalin. Gehen Sie, da wo es angemessen ist, großzügig mit Lob um, und die Freude, die Sie Ihrem Gegenüber damit ma- chen, wird doppelt so groß zu Ihnen zurückkehren. Wieder einmal hatte die Generalin Recht gehabt.

Jackie lief durch die Buchhandlung, betrachtete den Sta- pel mit dem neuen Buch der Generalin – und begriff, dass sie ein Exemplar für Mrs Dreiss hätte kaufen sollen. Mrs Dreiss hatte in knapp zwei Wochen Geburtstag, und die beiden Frauen – Mrs Dreiss, die ein rebellisches Waisenkind aufge- nommen hatte, und die Generalin – hatten die strikten mo- ralischen Grundsätze und die bodenständigen Redensarten gemeinsam.

Und was noch wichtiger war, sie musste Mrs Dreiss gele- gentlich ein Zeichen der Zuneigung zukommen lassen. Sie

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war nie zurückgekehrt, um sie wiederzusehen. Sie war … einfach noch nicht hingefahren. Sie konnte sich den Erinne- rungen noch nicht stellen. Oder der Möglichkeit, ihn dort wiederzusehen. Also sagte sie sich, dass sie nächstes Jahr hinfahren würde, und in der Zwischenzeit schickte sie kleine Geschenke.

Es war das schlechte Gewissen, das Pepper antrieb.

Sie griff sich eines der Bücher, drehte sich um, um zum Tisch zurückzugehen – und blieb stehen. General Napier sprach mit jemand anderem, schrieb jemand anderem eine Widmung. Die Schlange zog sich durch den ganzen Buchla- den, und Jackie konnte sich keinesfalls wieder hinten anstel- len und bis zum Tisch vordringen, wenn sie pünktlich bei Mrs Maile sein wollte, um die Gartengestaltung zu bespre- chen.

Sie hielt einen der Angestellten an und fragte: »Wie lange ist General Napier noch da?«

»Bis alle ihre Widmungen haben.« Er grinste in Richtung der Schlange. »Wird eine Weile dauern. Ist sie nicht fantas- tisch? Normalerweise bleiben Autoren nur ein oder zwei Stunden, aber sie sagt, wenn die Leute sich schon für sie an- stellen, dann kriegen sie ihre Bücher auch signiert.«

»Sie ist großartig«, pflichtete Jackie ihm inbrünstig bei.

»Wie lange, glauben Sie, wird das dauern?«

Er betrachtete die Schlange. »Zwei Stunden mindestens.«

Jackie sah auf die Uhr. Mrs Maile wohnte keine Meile ent- fernt, ihr Garten in Georgetown war klein und vornehm, und wenn Jackie das Buch jetzt kaufte und sich mit der Be- sprechung etwas beeilte, würde sie es vermutlich rechtzeitig zur Buchhandlung zurück schaffen. Sie griff sich ein Exem- plar und hielt es dem Angestellten hin. »Ich bezahle das jetzt gleich und komme, so schnell ich kann, wieder.«

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Mrs Maile bestand darauf, sich jeden Garten in jedem Gar- tenmagazin, das sie besaß, anzusehen, und sie besaß jede Menge solcher Magazine. Aus der einen Stunde, die Jackie im Sinn gehabt hatte, wurden zwei. Als sie entlang der Hauptstraße durch Georgetown zurückhetzte, ging in der Frühlingsdämmerung eine Straßenlaterne nach der ande- ren an. Sie kam gerade rechtzeitig, um einen Angestellten das »Geschlossen«-Schild umdrehen zu sehen. Unter einem Arm hielt sie die drei Bücher, mit dem anderen ihre stechen- de Seite und starrte verzweifelt vor sich hin. Sie hatte sich noch ein paar Dinge überlegt, die sie General Napier sagen wollte, wichtige Dinge, die sie in der kurzen Zeitspanne, die die Generalin brauchte, um Mrs Dreiss’ Exemplar zu signie- ren, hätte sagen können.

Aber das ging nun nicht.

General Napier war zur letzten Station ihrer Rundreise unterwegs. Nach New York City, wo sie ihr Verleger feiern würde, wie es ihr gebührte, Göttin die sie war.

Jackie atmete schwer und kämpfte gegen die Enttäu- schung an. Dann fiel es ihr wieder ein: Hindernisse waren da, um überwunden zu werden, sagte General Napier. Das hier war kein Desaster, sondern ein Hindernis, und Jackie würde es mit ein wenig Scharfsinn überwinden. Der Him- mel wusste, dass sie schnell denken konnte. Es hatte ihr in früheren Zeiten vermutlich das Leben gerettet. Verglichen mit jenen Augenblicken, war das hier einfach.

Sie drehte sich um und ging auf die Tiefgarage unterhalb des Gebäudes zu. Vielleicht parkte General Napiers Wagen noch dort. Jackie würde ihr einen Stift und das Buch für Mrs Dreiss geben, und die Generalin würde es unterschreiben, während Jackie nichts weiter sagen würde, denn damit hätte sie einen Glücksfall besudelt – so nannte es General Napier,

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Christina Dodd

Mein Herz in deinen Händen Roman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 384 Seiten, 12,5 x 18,3 cm ISBN: 978-3-442-36355-1

Blanvalet

Erscheinungstermin: November 2005

Pepper Prescott ist nach unglücklicher Kindheit eine erfolgreiche Landschaftsgärtnerin geworden. Da wird sie Zeugin eines Mordes und flieht auf die abgelegene Ranch ihrer

Pflegeeltern. Sie ist zunächst entrüstet, als sie dort auf ihren Ex-Freund Dan Graham trifft. Auch er sucht Unterschlupf, denn als Agent wird er von einem internationalen Verbrecher verfolgt.

Doch schon bald lodert erneut das Feuer der Leidenschaft in den beiden Gejagten ...

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