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Eltern ziehen Bilanz Ein Trendbericht zu Schule und Bildungspolitik in Deutschland

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Academic year: 2022

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Eltern ziehen Bilanz

Ein Trendbericht zu Schule und Bildungspolitik in Deutschland

Dagmar Killus, Klaus-Jürgen Tillmann (Hrsg.)

in Kooperation mit TNS Emnid

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Dagmar Killus, Klaus-Jürgen Tillmann (Hrsg.) in Kooperation mit TNS Emnid

Eltern ziehen Bilanz

Ein Trendbericht zu Schule und Bildungspolitik in Deutschland

Die 2. JAKO-O Bildungsstudie

Waxmann 2012

Münster / New York / München / Berlin

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Bibliografi sche Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar.

ISBN 978-3-8309-2755-6

© Waxmann Verlag GmbH, 2012 Postfach 8603, 48046 Münster www.waxmann.com

info@waxmann.com

Umschlaggestaltung: Christian Averbeck, Münster Umschlagfoto: picture-alliance/Chevalier Virginie/Oredia Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, Münster

Druck: Hubert & Co., Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, säurefrei gemäß ISO 9706

Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Inhalt

Einführung

Bettina Peetz

Mit Nachdruck: Schule und Bildungspolitik aus Sicht der Eltern

Geleitwort von JAKO-O ... 7 Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann

Elternbefragung als kontinuierliche Forschung

Zur Einführung in die 2. JAKO-O Bildungsstudie ... 9 Klaus-Peter Schöppner

Die 2. JAKO-O Bildungsstudie: methodische Anlage

und Stichprobe ... 19

Ergebnisse

Klaus-Jürgen Tillmann

Stabilität und Veränderung – die Meinungen der Eltern

zur Bildungspolitik ... 25 Dagmar Killus

Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule:

Erfahrungen, Erwartungen und Enttäuschungen ... 49 Marianne Horstkemper

Arbeit, Familie und Kinder ... 69 Angelika Paseka

Die Arbeit der Lehrpersonen und die Rahmenbedingungen

von Unterricht aus Sicht der Eltern ... 89 Mechthild Gomolla/Carolin Rotter

Zugewanderte und einheimische Eltern: Gemeinsamkeiten

und Unterschiede in der Beurteilung von Schulpolitik und -praxis ... 113

1 2 3

4 5

6

7

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Jörg Nicht

Haben Eltern einen schulformspezifi schen Blick? ... 143

Bildungspolitische Perspektiven Renate Valtin Auf dem Weg zu einer besseren Schule – bildungspolitische Folgerungen aus der 2. JAKO-O Bildungsstudie ... 169

Dagmar Killus und Angelika Paseka im Gespräch mit Hans-Peter Vogeler, Vorsitzender des Bundeselternrats Eltern machen Schule – der Bundeselternrat ... 185

Hintergründe Werner Sacher Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus ... 193

Barbara Erbe Gutbürgerliche Eltern und Kinderkarrieren – bildungsorientierte Mittel- und Oberschichteltern und ihre Erwartungen ... 217

Jan von der Gathen Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule in benachteiligten Stadtteilen – das Beispiel Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund ... 225

Anhang Tabellenverzeichnis ... 235

Abbildungsverzeichnis ... 237

Autorinnen und Autoren ... 238

Wissenschaft licher Beirat ... 239

Über JAKO-O ... 240

9

10 11

12 13

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Bettina Peetz

Mit Nachdruck: Schule und

Bildungspolitik aus Sicht der Eltern Geleitwort von JAKO-O

Meckern allein hilft nicht! Das haben wir uns bei JAKO-O im Jahr 2010 gesagt und unsere erste Bildungsstudie in Auft rag gegeben. Um Fakten zu schaff en. Um her- auszufi nden, wie Eltern die Schule und das deutsche Bildungssystem bewerten. Um ihre Kritik verlässlich abzubilden. Und vor allem als Grundlage für mögliche und ge- wünschte Verbesserungen. Das ist nun zwei Jahre her. Wie Sie sehen, sind wir am Ball geblieben und haben unser bildungspolitisches Engagement fortgesetzt. Das Ergebnis halten Sie in Ihren Händen: Das Buch zur 2. JAKO-O Bildungsstudie. Denn für einen einmaligen Schnellschuss sind die Th emen Schule und Bildungspolitik nicht geeignet – weder für uns als familienorientiertes Unternehmen noch für unser Land, dessen „Rohstoff e“ vor allem das Wissen und die Kreativität seiner Menschen sind.

Das Sozialforschungsinstitut TNS Emnid hat in unserem Auft rag im Januar dieses Jahres erneut bundesweit insgesamt 3.000 Mütter und Väter schulpfl ichtiger Kinder im Alter von bis zu 16 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ. Wie in der ersten Studie wollten wir von den Eltern beispielsweise wissen, was sie von der Schule erwarten, wie sie zur Ganztagsschule stehen oder wie sie die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer beurteilen. Der Fragenkatalog ist darüber hinaus durch aktuelle Th emen ergänzt worden: Neue Schwerpunkte der 2. JAKO-O Bildungsstudie sind etwa der ge- meinsame Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder oder die Dauer der Schulzeit bis zum Abitur (G8/G9).

Die Antworten: Die Mehrheit der Eltern ist unzufrieden mit dem „Turbo- Abi“. Sie fordern weniger Leistungsdruck durch neue Lernkonzepte und eine Ent- rümpelung des Lehrplans. Und wenn G8, also das achtjährige Gymnasium, dann als Ganztagsschule. Die generelle Akzeptanz von Ganztagsschulen ist im Vergleich zur 1. JAKO-O Bildungsstudie von 2010 noch weiter angestiegen: Mehr als zwei Drittel der Eltern wünschen sich inzwischen den Ausbau der Ganztagsschulen. Doch diese Schulen dürfen kein Etikettenschwindel sein. Sie müssen gut ausgestattet sein, um die erweiterten pädagogischen Möglichkeiten auch mit Leben füllen zu können. Der ge- meinsame Unterricht behinderter und nicht behinderter Schüler – Experten sprechen von Inklusion – spaltet dagegen die Elternschaft : eine Hälft e ist dafür, eine dagegen.

Das Ergebnis zeigt vor allem eins: Eltern mangelt es an Wissen dazu. So können sie sich nur schwer vorstellen, wie geistig behinderte Kinder gemeinsam mit nicht behin- derten Kindern lernen sollen.

Bestätigt wurde das positive Bild, das die Eltern von den Lehrern haben.

Besonders die Lehrerinnen und (die wenigen) Lehrer an den Grundschulen werden gelobt. Anders sieht das dort aus, wo der Leistungsdruck besonders hoch ist: Lehrer an Gymnasien zeigen nach Ansicht der Eltern z. B. nur ein geringes Interesse am au- ßerschulischen Leben ihrer Schüler.

Was folgt aus diesen Ergebnissen, wie sind sie zu bewerten, welche Bedeutung haben sie in der aktuellen Bildungsdiskussion? Das sind die Fragen, die wir bei

1

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Bettina Peetz 8

JAKO-O nicht beantworten können. Unser besonderer Dank gilt daher dem ge- samten Autorenteam, das sich unter der Leitung von Prof. Dr. Dagmar Killus von der Universität Hamburg und Prof. em. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, Universität Bielefeld, daran gemacht hat, die unglaubliche Menge an Daten zu sichten, die Ergebnisse mit großem Fachverstand einzuordnen und wissenschaft lich begründete Handlungsempfehlungen aus ihnen abzuleiten. Die JAKO-O Bildungsstudie sorgt so dafür, dass die Sichtweisen der Eltern in der öff entlichen Debatte, aber auch in der erziehungswissenschaft lichen und bildungspolitischen Diskussion verstärkt beachtet werden.

Bedanken möchten wir uns auch beim Wissenschaft lichen Beirat der JAKO-O Bildungsstudie, der im vergangenen Jahr gegründet wurde. Ich freue mich, dass wir für die Mitarbeit im Beirat den bekannten Hirnforscher und Lernexperten Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer von der Universitätsklinik Ulm, den Schulrat und Schulamtsdirektor Wolfgang Blos, Ursula Walther vom Bundeselternrat sowie die Bildungsforscherinnen Prof. Dr. Mechthild Gomolla, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, und Prof. em. Dr. Renate Valtin, Humboldt-Universität zu Berlin, gewin- nen konnten. Der Beirat wacht darüber, dass die Th emen dieser und der in den kom- menden Jahren folgenden Studien aktuellen wissenschaft lichen und bildungspoliti- schen Ansprüchen gerecht werden.

Ich verspreche Ihnen: JAKO-O wird nicht locker lassen. In zwei Jahren wer- den wir die Eltern schulpfl ichtiger Kinder erneut befragen. Nicht nur, weil wir bei JAKO-O selbst Mütter, Väter, Töchter, Söhne und Großeltern sind, die hautnah mit- erleben, was in der Schule klappt – und was nicht. Vor allem, weil Familien unsere Kunden sind, für die wir uns einsetzen und denen wir in Politik und Gesellschaft eine Stimme geben wollen. Mit den Ergebnissen der 2. JAKO-O Bildungsstudie und dem hier vorliegenden Buch liegt der Ball nun aber zunächst wieder bei den Fachleuten, den Bildungspolitikern, Erziehungswissenschaft lern und allen anderen, die sich hauptberufl ich mit den Th emen Schule und Bildung beschäft igen. Hoff en wir, dass die Meinungen und Wünsche der Eltern bei ihnen Gehör fi nden und den Weg zu ei- nem besseren und familienfreundlichen Bildungssystem weisen. Ein Bildungssystem, in dem Kinder nicht nur Schüler sind, sondern auch Kinder sein dürfen. In dem sie sich ausprobieren können und mit Freude lernen, damit so jedes Kind seine persön- lichen Talente – auf welchem Gebiet auch immer – ausschöpfen kann. Das würde uns allen zugute kommen.

Bettina Peetz

Geschäft sleitung JAKO-O

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Wenn im öff entlichen Raum über Schule und Bildungspolitik diskutiert wird, be- ziehen sich die Akteure immer gern auch auf die Meinungen, Sichtweisen und Verhaltensweisen von Eltern:

– So behaupten alle Parteien von sich, die Wünsche und Forderungen der Eltern zu ken nen, wenn sie bestimmte Maßnahmen (z. B. Verkürzung der Gymnasialzeit) beschlie ßen.

– So treten unterschiedliche Elternorganisationen auf, die jeweils spezielle Schul- modelle einfordern (z. B. Beibehaltung der vierjährigen Grundschule oder Ausbau der Privatschulen) und zugleich behaupten, mit diesen Forderungen die Mehrheit aller Eltern zu vertreten.

– Und wir stoßen immer wieder auf Presseartikel, in der die Arbeit der Schule und der Lehrkräft e äußerst kritisch beschrieben wird – und zwar unter Berufung auf angeblich weit verbreitete Elternerfahrungen.

Elternmeinungen im öffentlichen Diskurs

Diese Beispiele machen deutlich, dass die Meinungen von Eltern im pädagogischen und im bildungspolitischen Diskurs eine wichtige Rolle spielen – und dass ganz un- terschiedliche Akteure sich gern darauf berufen. Denn wer glaubhaft darlegen kann, dass er sich in seinen Sichtweisen in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Eltern befi ndet, hat einen wichtigen Argumentationsvorsprung gewonnen. Das gilt für die Kritik an der pädagogischen Arbeit der Schulen genauso wie für bildungspolitische Forderungen. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass Schülereltern einen nicht unerheblichen Teil der Wählerschaft ausmachen, der von der Politik nicht einfach ignoriert werden kann.

Das Problem bei diesem gern und häufi g vorgenommenen Rekurs auf „die“ Eltern und ihre Sichtweisen und Wünsche ist nur: Es gibt bisher nur ganz wenig gesicher- te Informationen darüber, was denn Schülereltern in Deutschland meinen, fordern und wünschen. Denn die Sichtweisen der Eltern auf Erziehungsprobleme, auf die schulische Praxis, auf bildungspolitische Th emen sind bisher nur höchst dürft ig er- forscht. Und dies führt dazu, dass fast alle, die sich dazu öff entlich äußern, ihr ei- genes „Elternbild“ entwerfen: Die Schulminister/innen sehen eine Elternschaft , die wohlwollend auf die Bemühungen und Erfolge der jeweiligen Regierung blickt; die Lehrergewerkschaft en hingegen zeichnen eine Elternschaft , die das Be- mühen der Lehrer/innen lobt und zugleich ihre schlechten Arbeitsbedingungen (Klassenfrequenzen etc.) massiv geißelt; und von Elternvertreter/inne/n werden im- mer wieder die alltäglichen Defi zite (z. B. Unterrichtsaufall), aber auch die mangeln- de Verantwortlichkeit und Zuwendung der Lehrer/innen beklagt (vgl. z. B. Hendricks 2006).

2

Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann

Elternbefragung als kontinuierliche Forschung

Zur Einführung in die 2. JAKO-O Bildungsstudie

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Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann 10

Damit wird deutlich, wo das entscheidende Defi zit liegt: Wir benötigen weit mehr gesicherte und wissenschaft lich belastbare Aussagen darüber, wie Eltern ihre eigene Erziehungssituation, wie sie die Situation der Schule sehen, welche Kritik sie mehr- heitlich üben, welche Veränderungen sie wünschen. Und wir müssen wissen, welche Elterngruppen eher die eine, welche eher die andere Position vertreten (z. B. pro oder contra Ganztagsschule). Die JAKO-O Bildungsstudie ist ins Leben gerufen worden, um genau solche Erkenntnisse in methodisch gesicherter Weise zu gewinnen und dann in die öff entliche Diskussion einzuspeisen. Indem alle zwei Jahre Schülereltern in Deutschland repräsentativ befragt werden, gibt es jetzt und fortlaufend einen Kern an gesicherten empirischen Befunden über die Sichtweise der Eltern. Das bedeutet:

Die Zeit ist vorbei, in der sich jeder Akteur ein beliebiges Elternbild passend zurecht- legen konnte. Künft ig wird man seine eigenen Positionen in Beziehung setzen müs- sen zu den gesicherten – und immer wieder aktualisierten – Ergebnissen der JAKO-O Elternbefra gung.

Die JAKO-O Bildungsstudie

Die JAKO-O Bildungsstudie ist eine repräsentative Befragung von Eltern zu pä- dagogischen und bildungs politi schen Aspekten unseres Schulsystems – und zur Erziehungssituation der Eltern. Sie fi ndet alle zwei Jahre statt und erfasst jeweils etwa 3.000 Schülereltern bundesweit.1 Dabei wird die Erhebung und Auswertung der Daten von einem kompetenten Meinungs forschungsinstitut (TNS Emnid) durchgeführt. Die wiederholte Befra gung im Abstand von zwei Jahren erlaubt es, Veränderungen im Meinungsbild nachzuzeichnen und Trendaussagen zu machen.

Die relativ große Stichprobe macht es möglich, diff erenzierte Subgruppen-Verglei- che vorzu nehmen und damit zu diff erenzierten Analysen zu gelangen. Das inhaltliche Konzept der Studie wird (in Kooperation mit Emnid) von einer Gruppe von empi- risch ausgerichteten Erziehungs wissenschaft ler/innen gestaltet, die Federführung liegt bei Dagmar Killus (Universität Hamburg) und Klaus-Jürgen Tillmann (Universität Bielefeld). Dabei wacht ein prominent besetzter Wissenschaft licher Beirat über die Solidität von Erhebung und Auswertung. Die Ergebnisse sind darauf aus ge richtet, in der öff entlichen Debatte die Elternpositionen verstärkt zum Tragen zu brin gen. Dem diente z. B. die Presse konferenz, mit der Anfang September 2012 die Ergebnisse der 2. JAKO-O Bildungsstudie bekannt gemacht wurden. Zugleich ist es aber ausdrück- lich beab sichtigt, die Ergebnisse auch so aufzubereiten, dass sie im Fachdiskurs von Praktiker/inne/n, Wis sen schaft ler/inne/n und Bildungspoliti ker/inne/n zur Kenntnis genommen werden. Dieses Buch ist aus unserer Sicht das angemessene Medium, um diese Fachdiskurse zu bereichern.

Die Repräsentativbefragung fand das erste Mal 2010 und das zweite Mal jetzt 2012 statt. Diese Studie zielt auf eine Analyse von Entwicklungen im zeitlichen Verlauf, in- dem sie empirisch gesicherte Trendaussagen von Elternmeinungen präsentiert. Es ist 1 Die Grundgesamtheit der aktuellen Studie aus 2012 besteht aus Eltern von schulpfl ichtigen Kindern im Alter von bis zu 16 Jahren. Demgegenüber bestand die Grundgesamtheit der Studie aus 2010 aus Eltern mit Kindern im Alter zwischen 3 und 16 Jahren. Hier gingen auch Eltern ein (n=477), deren Kinder noch nicht im schulpfl ichtigen Alter waren (vgl. hier- zu methodische Anlage und Stichprobe der Studie, Kap. 3).

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Elternbefragung als kontinuierliche Forschung 11

geplant, diese Erhebung alle zwei Jahre zu wiederholen (die 3. Studie würde also 2014 durchgeführt), um auf diese Weise ein System der Dauerbeobachtung zu installie- ren. Damit besteht die Absicht der JAKO-O Bildungsstudie darin, die Sichtweisen der Eltern kontinuierlich und systematisch in den Blick zu nehmen, um sie – viel stärker als bisher – zu einem gesicherten Bestandteil der erzi ehungswissenschaft lichen wie der bildungspolitischen Diskussion zu machen.

In diesem Band geht es vor allem darum, die Ergebnisse der 2. Befragung (2012) zu präsentieren und inhaltlich einzuordnen. Dabei ist es uns erstmals möglich, über einen (allerdings kurzen) Zeitraum Trendaussagen zu machen. Als Beispiele:

Welche Veränderun gen hat es zwischen 2010 und 2012 bei der Bewertung des Bildungssystems, bei dem Wunsch nach Ganztagsschulen, bei der eigenen häuslichen Belastung gegeben? Es geht aber auch darum, zu Fragen, die wir 2012 erstmals gestellt haben (z. B. zur Dauer der Gymnasialzeit oder zur Inklusion), die Sichtweisen der Eltern zu präsentieren. Damit wird deutlich: Die Befragung 2012 setzt einerseits die Th emenstellungen der Befragung 2010 fort und ermöglicht dadurch Trendaussagen.

Sie wendet sich aber auch neuen Th emen zu und erweitert damit das inhaltliche Spektrum. Diese beiden „Zugriff e“ der 2. Bildungsstudie 2012 – Trendaussagen und thematische Neuerschließungen – sollen im Folgenden an zwei Fragen beispielhaft verdeutlicht werden.

Beispiel 1: Kinderfreundlichkeit als Trend

2010 wie 2012 wurde den Eltern die Frage vorgelegt „Ist Deutschland für Sie eher ein kinderfreundliches oder ein kinderfeindliches Land?“ Abbildung 2.1 zeigt die Ergebnisse der beiden zeitlich versetzten Befragungen:

kinderfreundlich

53 %

kinderfeindlich

40 % 7 %

Abb. 2.1 Deutschland – ein kinderfreundliches Land? (2010 und 2012)

Frage: Ist Deutschland für Sie eher ein kinderfreundliches oder kinderfeindliches Land?

N=3.000 Befragte weiß nicht, k. A.

weiß nicht, k. A.

Trend 2010

45 % 49 %

6 %

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Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann 12

Im Jahr 2012 – also bei der zweiten Befragung – hält eine knappe Mehrheit der Eltern (53 %) Deutschland eher für ein kinderfreundliches Land, eine Minderheit von 40 % votiert hingegen für die Bezeichnung „kinderfeindlich“. Weil die gleiche Frage auch 2010 schon gestellt wurde, lässt sich erkennen, ob es in diesen zwei Jahren Meinungsverschiebungen gegeben hat. Wir können hier einen leichten Trend hin zu einer besseren Bewertung erkennen: Während 2010 nur 49 % für „kinderfreundlich“

votierten, ist dieser Anteil in zwei Jahren um vier Prozentpunkte auf 53 % gestiegen.

Auf der anderen Seite ist die Bewertung als „kinderfeindlich“ um fünf Prozentpunkte auf 40 % zurückgegangen.

Nun ist es allerdings schwierig, die Ursachen für einen solchen Trend auszuma- chen: Was bewirkt die leichten Veränderungen bei den Elterneinschätzungen? Ist Deutschland wirklich kinderfreundlicher geworden? Zu diesen Fragen sagen unsere Daten leider wenig aus.

Allerdings sind wir in der Lage aufzuzeigen, in welchen Elterngruppen beson- ders positive, in welchen hingegen eher negative Einschätzungen abgegeben werden.

Dabei ist zunächst auff ällig, dass 2010 wie 2012 ein deutlicher Ost-West-Unterschied besteht: Im Westen wird das Land deutlich häufi ger als kinderfreundlich bewer- tet als im Osten (2010: 50 % zu 35 %). In beiden Regionen hat sich die Bewertung 2012 positiv verschoben, im Osten aber stärker (von 50 % auf 55 % im Westen, von 35 % zu 43 % im Osten). Ein weiterer und recht massiver Unterschied besteht zwi- schen Eltern deutscher und nicht deutscher Herkunft : Während 2012 die deutschen Eltern das Land nur zu 50 % als kinderfreundlich bezeichnen, halten die Eltern mit russischem Migrationshintergrund Deutschland zu 72 % für kinder freund lich, bei den Eltern mit türkischem Hintergrund sind es sogar 77 %. Möglicher weise verglei- chen Eltern mit Migrationshintergrund die Situation in Deutschland mit der in ih- rem Herkunft sland – und kommen dabei zu einer positiven Bewertung der deut- schen Situation. Schließlich wird erneut der Zusammenhang mit bildungspolitischen Grundeinstellun gen der Eltern deutlich: Wer die Bildungschancen als eher unge- recht ansieht und wer für eine längere Grundschulzeit (mindestens 6 Jahre) ein- tritt, der hält 2010 wie 2012 Deutschland auch eher für ein kinderfeindliches Land.

Diese kompakte Ergebnisdarstellung macht sehr gut die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen einer solchen Umfrageforschung deutlich: Wir können die Antworten der Eltern numerisch präzise erfassen – und wir können einen Meinungstrend über die Jahre quantitativ abbilden. Parallel dazu können wir sagen, in welchen Sub- gruppen es besonders starke Meinungsausschläge gibt. Dies ermöglicht es, die Faktoren zu bestimmen, die auf die Einschätzung der „Kinderfreundlichkeit“ Ein- fl uss nehmen. Zu nennen sind vor allem der Ost-West-Unterschied, der Migra- tionshintergrund und die bildungspolitische Grundposition. Solche Analysen las- sen sich mit Verfahren multivariater Statistik vertiefen, die den Einfl uss mehrerer Faktoren simultan berechnen und somit zu verlässlicheren Ergebnissen führen.

Allerdings bietet uns die Studie selbst kaum Hinweise, um die Ursachen dieser Trends zu identifi zieren. Um die Frage zu beantworten, warum die Eltern unser Land im Jahr 2012 ein Stück kinderfreundlicher einschätzen, können wir lediglich vorsichti- ge Vermutungen äußern: Urteilen die Eltern inzwischen weniger kritisch? Haben sich zurückgehende Schülerzahlen positiv ausgewirkt? Mit diesen off enen Fragen werden auch die Grenzen unseres Untersuchungsansatzes markiert.

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Elternbefragung als kontinuierliche Forschung 13

Beispiel 2: Frühförderung als neues Thema

Nun werden bei solchen wiederholten Befragungen nicht alle Fragen der ers- ten Erhebung bei der zweiten erneut gestellt. Vielmehr wird in einem diff erenzier- ten Prozess der Fragebogenentwicklung festgelegt, auf welche Items beim nächs- ten Mal verzichtet werden kann. Dafür können inhaltliche Gründe (z. B. mangelnde Aktualität), aber auch methodische Gründe (z. B. eine zu hohe Verweigerungsquote bei der Erstbefragung) sprechen. In der Regel bleibt bei einer solchen Befragung (auch aus Kostengründen) der Gesamtumfang gleich. Weil einerseits Trendaussagen möglich sein sollen, andererseits aber auch neue Aspekte aufgenommen werden können, wird meist ein Anteil von zwei Dritteln „alter“ Fragen und einem Drittel

„neuer“ Fragen angestrebt. Einen solchen Anteil haben wir auch bei der 2. JAKO-O Befragung 2012 angestrebt und weitgehend realisiert: Etwa 60 Fragen wurden wieder- holt, etwa 30 kamen neu hinzu.

Neu aufgenommen wurden 2012 nicht nur Fragen zu aktuellen bildungspoliti- schen Th emen (z. B. Ganztagsschule, Inklusion, gymnasiale Schulzeit), sondern auch zur diff erenzierten Bewertung der Kompetenzen von Lehrkräft en durch die Eltern oder zu den Kommunikationswegen zwischen Elternhaus und Schule. Und schließ- lich haben wir eine Frage zur Frühförderung von Vorschulkindern aufgenom- men, die wir jetzt in Ansatz und Ergebnis beispielhaft präsentieren wollen: Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um den Bildungsauft rag des Kindergartens und die Vorverlagerung der Einschulung schien es uns wichtig, hierzu die Bewertung der Eltern abzufragen. Bei der Formulierung des Items hat dann eine Rolle gespielt, dass in den letzten Jahren immer mehr Trainingsprogramme auf den Markt gekom- men sind, um schulisches Lernen bereits im Vorschulalter zu praktizieren (vgl. hierzu den Beitrag von Valtin, Kap. 10). Das darauf bezogene Item hat dazu eine deutliche Gegenposition formuliert: „Vorschulkinder brauchen nicht noch mehr Frühförderung, sie brauchen vor allen Dingen Zeit und Gelegenheit zum Spielen als Grundlage der Persönlichkeits- und Lernentwicklung“.

Das Ergebnis ist überraschend eindeutig: 82 % der Eltern stimmen diesem Item zu (davon 42 % „sehr“). Nur 17 % lehnen es ab. Das Ergebnis erlaubt damit die Ein- schätzung, dass die große Mehrheit der Eltern die Kinder im Vorschulalter nicht mehr „Lerntrainings“ aussetzen will. Schaut man sich nun die Ergebnisse in den verschiedenen Subgruppen an – vom Alter der Befragten über die Berufstätigkeit bis hin zum Bundesland – so fi nden sich kaum Abweichungen. Anders formuliert:

Diese Einstellung zur Frühförderung ist in allen Untergruppen unserer Stichprobe sehr weit verbreitet, es handelt sich um eine Art „common sense“. Wir fi nden nur zwei Merkmale, die eine abweichende Meinungsbildung befördern: Zum einen fi ndet sich erneut ein Ost-West-Unterschied. Während im Westen 44 % der Befragten dem Item „sehr“ zustimmen, sind es im Osten nur 33 %. Zugleich ist die Ablehnungsquote („lehne eher ab“ bzw. „lehne ganz ab“) mit 20 % im Osten um 4 Prozentpunkte hö- her als im Westen. Die stärkere Leistungsorientierung, die von den Eltern in den neu- en Bundesländern durchgängig vertreten wird, macht somit auch vor der Vorschulzeit nicht halt. Eine noch stärkere Leistungsorientierung vertreten hier die Eltern rus- sischer Herkunft : Nur 23 % von ihnen stimmen diesem Item „sehr“ zu, 31 % leh- nen es mehr oder weniger stark ab. Hier tritt also ein relevanter Teil der Eltern für eine schulbezogene Frühförderung im Vorschulalter ein. Dies mag unter ande- rem mit den Erfahrungen zusammenhängen, die diese Eltern in den russischen

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Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann 14

Kindergärten gesammelt haben, in denen „die traditionell fest umrissene Aufgabe der Schulvorbereitung“ (vgl. Schmidt 2002, S. 437) von großer Bedeutung ist.

Insgesamt erlauben die Ergebnisse zu diesem Item eine klare Verortung der Mehrheit der Elternschaft : Sie plädiert für eine Vorschulzeit, in der in spiele- rischer Weise die Persönlichkeits- und Lernentwicklung gefördert werden soll.

Allerdings ist wegen des durchgängig hohen Zustimmungswertes zu diesem Item eine Diff erenzierung des Meinungsbildes kaum möglich – sieht man von den zwei genann- ten Subgruppen ab. Damit zeigt dieses Beispiel, dass mit der JAKO-O Bildungsstudie sehr schnell zu aktuellen Problemen des Bildungssystems ein Meinungsbild ermittelt werden kann. Es zeigt aber auch, dass man mit einem einzigen Item nur schwer zu diff erenzierteren Erkenntnissen gelangen kann.

Der Aufbau des vorliegenden Bandes

Der vorliegende Band informiert über die Ergebnisse der 2. JAKO-O Bildungsstudie – und somit vor allem über die Erhebung des Jahres 2012. Dabei werden, wann immer es möglich ist, Bezüge zur Erhebung 2010 hergestellt und entsprechende Trendaussagen getroff en. In welcher Weise in der aktuellen Studie ein Kernbestand von Fragen mit Fragen zu aktuellen Th emen der Schul- und Bildungspolitik kom- biniert werden, wurde bereits ausführlich dargelegt. Auch dass die Grundgesamtheit nun ausschließlich aus Eltern mit schulpfl ichtigen Kindern besteht, wurde schon be-

42 %

40 % 13 %

4 %

■ stimme sehr zu

stimme eher zu

lehne eher ab

lehne ganz ab

weiß nicht, k. A.

1 %

Frage: Inwieweit stimmen Sie der folgenden Aussage zu? Stimmen Sie sehr zu, eher zu oder lehnen Sie die Aussage eher oder ganz ab?

N=3.000 Befragte

Abb. 2.2 Bewertung der Frühförderung

Vorschulkinder brauchen nicht noch mehr Frühförderung, sie brauchen vor allen Dingen Zeit und Gelegenheit zum Spielen als Grundlage zur Persönlichkeits- und Lernentwicklung

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Elternbefragung als kontinuierliche Forschung 15

richtet. Was ist noch neu? Anders als in der Studie aus 2010 sind die Eltern dieses Mal bei den Fragen zur Lehrerarbeit und zu den schulischen Rahmenbedingungen gebeten worden, die Situation des jeweils ältesten schulpfl ichtigen Kindes als Bezugs- punkt zu nehmen. Erst dadurch ist es möglich, z. B. die von dem Kind besuch- te Schulform mit Erfahrungen von Eltern und Schüler/inne/n in der Schule in Ver- bindung zu bringen.

Wie gliedert sich nun das vorliegende Buch? Nach einer Einführung in die Studie, die im ersten Teil des Buches (Kap. 1 bis 3) gegeben wird, stehen die Präsentationen und Interpretationen der empirischen Ergebnisse im Zentrum. Dies geschieht in ins- gesamt sechs Kapitel im zweiten Teil des Bandes:

Kapitel 4 befasst sich mit den bildungspolitischen Positionen der Eltern (Autor:

Klaus-Jürgen Tillmann). Dabei geht es um die Präferenzen bei bildungspolitischen Zielen und um die Einstellung zu bestimmten Programmen und ihrer Umsetzung − z. B. bei Ganztagsschulen, gymnasialer Schulzeitverkürzung und Inklusion. Zu eini- gen dieser Th emen lassen sich sehr interessante Trendaussagen machen.

In Kapitel 5 geht es um die Zusammenarbeit zwischen der Schule und dem Elternhaus (Autorin: Dagmar Killus): Welche Kontakte zwischen Lehrkräft en und Eltern gibt es, wie zufrieden sind die Beteiligten damit? Welche Unterschiede zwi- schen Schulstufen, die sich möglicherweise durch altersbedingte Erfordernisse der Schüler/innen ergeben, lassen sich feststellen? Und: Welche Faktoren führen zu einer Belastung des Verhältnisses zwischen Eltern und Lehrkräft en? Dieser Beitrag bietet zu all diesen Fragen diff erenzierte Erkenntnisse.

Kapitel 6 befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen unterschiedliche Familienmodelle (gemessen an der elterlichen Erwerbstätigkeit) auf die häusliche Erziehungssituation und auf die Wahrnehmung von Schule haben (Autorin: Marianne Horstkemper). Unter anderem zeigt sich, dass vor allem das Ausmaß der weiblichen Erwerbstätigkeit (Vollzeit, Teilzeit, nicht berufstätig) für das schulische Engagement von großer Bedeutung ist.

Kapitel 7 stellt die Frage, wie die Eltern die Arbeit der Lehrer/innen und die Situation ihres Kindes in der Schule bewerten (Autorin: Angelika Paseka). Dabei zeigt sich zunächst eine insgesamt überraschend positive Bewertung der Lehrerarbeit, aber auch der schulischen Rahmenbedingungen. Dennoch kristallisieren sich Bereiche heraus, die sich als „Baustellen“ des deutschen Schulwesens bezeichnen lassen (z. B.

Aufb au einer umfassenden Förderkultur).

Kapitel 8 untersucht, ob Eltern mit Migrationshintergrund andere Sichtweisen und Prioritäten vertreten als „einheimische“ Eltern (Autorinnen: Mechthild Gomolla und Carolin Rotter). Dabei werden die Eltern mit türkischer und russischer Herkunft (als die beiden größten Migrantengruppen) gesondert betrachtet. Alles in al- lem weisen die Elterngruppen im Hinblick auf Sichtweisen und Prioritäten recht große Gemeinsamkeiten auf. Stellenweise zeigen sich aber auch beachtenswerte Unterschiede.

Kapitel 9 ist das letzte Ergebniskapitel – es stellt systematisch die Frage nach den Schulformunterschieden (Autor: Jörg Nicht). Dabei wird deutlich, dass es sehr wohl eine schulformspezifi sche Sicht von Eltern auf Erziehungs- und Bildungsprobleme gibt: In vielen Bereichen erweisen sich die Grundschuleltern als eher zufrieden, die Gymnasialeltern hingen als vergleichsweise unzufrieden und kritisch.

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Dagmar Killus/Klaus-Jürgen Tillmann 16

Nun beschränkt sich dieser Band nicht darauf, lediglich die empirischen Ergebnisse der Umfrage zu analysieren und zu erläutern. Es geht auch darum, diese Ergebnisse – und damit die Sichtweisen der Eltern – in einen umfassenderen Kontext zu stellen: Dies geschieht im dritten und vierten Teil des Buches. Der dritte Teil stellt die Frage nach den bildungspolitischen Konsequenzen der Ergebnisse aus der JAKO-O Bildungsstudie und präsentiert dazu zwei Antworten: Renate Valtin, Mit glied des Wissenschaft lichen Beirats, stellt die soziale Ungleichheit unseres Bildungssystems in den Mittelpunkt und befasst sich davon ausgehend mit den bildungspolitischen Forderungen der Eltern (z. B. mehr Ganztagsschulen, spätere Auslese, Realisierung der Inklusion). Hans-Peter Vogeler, Vorsitzender des Bundeselternrats, stellt in einem Interview dar, welche Einfl ussmöglichkeiten Eltern haben (können) – und welche Kooperationen zwischen Eltern und Schule angestrebt werden sollten.

Der abschließende vierte Teil trägt die Überschrift „Hintergründe“. Hier geht es zunächst darum, die gesamte Diskussion um Elternbeteiligung in einen übergreifen- den wissenschaft lichen Kontext zu stellen. Werner Sacher referiert dazu den natio- nalen und den internationalen Forschungsstand. Sein Beitrag macht deutlich, welche Rolle in diesem Diskurs die JAKO-O Bildungsstudie zu spielen vermag. Das Buch schließt mit zwei praxisnahen Berichten über ganz unterschiedliche Elternmilieus:

Barbara Erbe beschreibt die gutbürgerlichen Eltern und ihre dauernde Sorge, ob ihr Kind im Konkurrenzkampf mithalten wird. Jan von der Gathen stellt am Beispiel ei- ner „Brennpunktschule“ dar, wie Eltern aus benachteiligten sozialen Milieus für eine Unterstützung ihrer Kinder gewonnen werden können. Mit diesen beiden Artikeln wird abschließend noch einmal deutlich, dass es „die“ Eltern nicht gibt – son- dern nur Familien in je spezifi schen sozialen Lagen, die sich mit ihren jeweiligen Möglichkeiten um das Wohl ihres Kindes bemühen.

Danksagung

Die Arbeit an dieser 2. JAKO-O Bildungsstudie beschäft igt uns – Herausgeberin und Herausgeber – seit Frühjahr 2011 intensiv: Es begann mit einer kritischen Bewertung der 1. JAKO-O Bildungsstudie im Kreis der Autoren/innen und im Wissen- schaft lichen Beirat, um daran eine ausführliche Diskussion mit allen Beteiligten über die Schwerpunkte der 2. Studie anzuschließen. Nach Festlegung der Schwerpunkte begann die mühevolle Überarbeitung und Neukonzipierung des Fragebogens. Im Januar 2012 fand dann die Erhebung statt, schon im Februar legte TNS Emnid die Auswertungstabellen vor. Daran anschließend begannen die Buchautor/innen ihre themenbezogenen Analysen, indem sie auf die Tabellen zurückgriff en oder in den Datensätzen selbst Berechnungen vornahmen. Die Monate April und Mai 2012 waren geprägt durch die Textproduktion, durch wechselseitige Absprachen der Autor/innen und durch Korrekturvor schläge der Herausgeber. Mitte Mai lagen dann die (meisten) Texte fertig vor, sodass das Herausgeberteam die abschließende Bearbeitung vorneh- men und die Texte an das Unternehmen MasterMedia übergeben konnten, das sich dann um die Buchproduktion gekümmert hat. Das Buch wurde im Waxmann Verlag produziert und liegt nun – im Sommer 2012 – vor.

Diese kurze Skizzierung des Arbeitsprozesses macht deutlich, dass die JAKO-O Bildungs studie ein Gemeinschaft swerk ist, an dem viele Menschen mit arbeiten.

Wie schon bei der 1. Studie hatten wir es auch in dem zweiten (durchaus komple- xer angelegten) Durchgang mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern zu tun,

(16)

Elternbefragung als kontinuierliche Forschung 17

die uns alle durch ihre Kompetenz und Professionalität, durch ihre Freundlichkeit und Verlässlichkeit beeindruckt haben. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich vor allem bei Bettina Peetz und Anne Marie Tusche (JAKO-O), bei Volker Clément (MasterMedia) und Klaus-Peter Schöppner (TNS Emnid), bei den zehn Autorinnen und Autoren dieses Bandes sowie bei Doris Wittek, die mit großer Sorgfalt die Endredaktion des vorliegenden Bandes durchgeführt hat. Schließlich gilt unser Dank den Mitgliedern des Wissenschaft lichen Beirats, die sich intensiv und äußerst hilf- reich mit der Konzipierung dieser Studie befasst haben. In gemeinsamer Arbeit ha- ben all diese Akteure die Basis, die 2010 mit der 1. JAKO-O Bildungsstudie gelegt wurde, jetzt wesentlich ausbauen und diff erenzieren können. Damit sind wir dem Ziel, ein System der Dauerbeobachtung von Elternmeinungen zu installieren, das für die öff entlichen Debatte genauso wichtig ist wie für die erziehungswissenschaft liche Analyse, ein ganzes Stück näher gekommen. Es wird Freude machen, in diesem Team auch die dritte Erhebung (2014) zu gestalten.

Literatur

Hendricks, R. (2006): Schicksal Schule: Eine Elternschrift im Interesse der Kinder. Seelze- Velber: Klett Kallmeyer.

Schmidt, G. (2002): Russische Föderation. In: Döbert, H./Hörner, W./v. Kopp, B./Mitter, W.

(Hrsg.): Die Schulsysteme Europas. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 430-449.

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Im Folgenden wird zunächst die methodische Anlage der Untersuchung dargelegt.

In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Grundgesamtheit, die Auswahl der Befragten sowie die Durchführung der Untersuchung eingegangen. Vor diesem Hintergrund wird dann die realisierte Stichprobe näher beschrieben. Neben sozio- demografi schen Merkmalen der befragten Elternteile fl ießen hier auch Angaben zur Schulform ein, die das jeweils älteste schulpfl ichtige Kind besucht.

3.1 Methodische Anlage der Untersuchung

Grundgesamtheit

Die Grundgesamtheit besteht aus Eltern von schulpfl ichtigen Kindern im Alter bis zu 16 Jahren in Privathaushalten der Bundesrepublik Deutschland. Auswahlgesamtheit sind jene Privathaushalte in der Bundesrepublik mit mindestens einem telefoni- schen Festnetzanschluss. Im Fokus stehen bei der zweiten Befragung (aber auch bei künft igen Befragungen) folglich ausschließlich Eltern mit schulpfl ichtigen Kindern.

Demgegenüber bestand die Grundgesamtheit der Studie aus 2010 aus Eltern mit Kindern im Alter zwischen 3 und 16 Jahre und berücksichtigte somit auch Familien, deren Kinder noch nicht im schulpfl ichtigen Alter waren.

Stichprobe

Für diese Studie wurden insgesamt 3.000 Interviews durchgeführt.

Auswahlverfahren

Die Telefonnummern wurden per „Random Last Two Digits − RL(2)D-Verfahren“ in Anlehnung an das sogenannte Gabler/Häder-Verfahren generiert.

Dazu werden im ersten Schritt aus den verfügbaren Telefonnummern durch

„Abschneiden“ der letzten beiden Stellen Nummernstämme gebildet. Im zweiten Schritt wird das Universum der möglichen Telefonnummern für diese Stämme ge- neriert, indem jeder vorkommende Nummernstamm mit allen Ziff ernkombinationen ergänzt wird. Aus diesem Universum wird im dritten Schritt eine Zufallsstichprobe proportional zur Haushaltsverteilung nach Regierungsbezirken und Gemeindegrößen gezogen. Die Auswahlgrundlage bildet das ADM-MasterSample für generierte Telefonnummern. Innerhalb der Haushalte wurde jeweils ein Elternteil befragt.

Durchführung der Untersuchung

Die Telefonbefragung wurde zentral von Emnitel, Bielefeld, durchgeführt. Es han- delt sich dabei um computergestützte Telefoninterviews (CATI). Die allgemeinen Arbeitsanweisungen, nach denen alle Interviewer/innen von Emnitel verfahren, re- gelten die einheitliche Durchführung der Interviews. Deren Kontrolle erfolgte direkt

3

Klaus-Peter Schöppner

Die 2. JAKO-O Bildungsstudie:

methodische Anlage und Stichprobe

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Klaus-Peter Schöppner 20

durch den Einsatzleiter im Telefonstudio. Der Fragebogen war als Protokollgrundlage in Bezug auf Reihenfolge und Wortlaut der Fragen für die Interviewer verbindlich.

Befragungszeitraum 09.01.2012 bis 25.01.2012 Gewichtung

Die Stichprobe wurde auf Grundlage verfügbarer Bevölkerungsstatistiken hin- sichtlich der Merkmale Bundesland, Schulbildung und Berufstätigkeit des Befragten, Alleinerziehung sowie Anzahl und Alter der Kinder gewichtet.

Die Gewichtung stellt sicher, dass die der Auswertung zugrunde liegen- de Stichprobe in ihrer Zusammensetzung der Struktur der Grundgesamtheit ent- spricht. Damit sind die Untersuchungsergebnisse – für die genannten Merkmale – repräsentativ und können im Rahmen der statistischen Fehlertoleranzen auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden.

Bei einer Stichprobe von 3.000 Befragten und einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 95 % betragen die statistischen Fehlertoleranzen zwischen 1,1 und 2,5 %.

Struktur der Stichprobe

Die Zusammensetzung der Stichprobe im Hinblick auf ausgewählte Merkmale lässt sich Tabelle 3.1 entnehmen. Betrachtet man zunächst das Lebensalter der Befragten, so zeigt sich, dass sich die Hälft e – mit 35 bis 44 Jahren – im mittleren Lebensalter befi ndet. Recht stark vertreten sind auch die Eltern, die älter als 45 Jahre sind (41,4 %), wogegen jüngere Eltern, also Personen bis 34 Jahre, eher schwach vertre- ten sind. Eine deutliche Mehrheit bilden dabei die Mütter: Auf sie entfallen 69,8 %, auf die Väter dagegen nur 30,2 %. Hier schlägt sich nieder, dass Mütter zu Hause eher zu erreichen sind als die Väter. Mütter bilden auch die Mehrheit unter den in die Stichprobe eingehenden Alleinerziehenden: Insgesamt 18,5 % der befragten Elternteile geben an, dass sie alleinerziehend sind. Von diesen Eltern (n=555) sind 90,3 % weib- lich und 9,7 % männlich.

Als Nächstes sollen Merkmale der sozialen Schicht betrachtet werden. Rück- schlüsse auf das familiäre kulturelle Kapital lässt der Bildungsabschluss der Befragten zu. Hier zeigt sich, dass Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss am stärks- ten vertreten sind (48,0 %). Dagegen hat ein Drittel einen Volks- bzw. Haupt- schulabschluss und gut ein Fünft el Abitur oder einen Hochschulabschluss. Zur öko- nomischen Situation geben 8,3 % der Befragten ein Haushaltsnettoeinkommen bis zu 1.000 Euro an. Die Einkommenslage dieser Familien stellt sich also als ausge- sprochen prekär dar. Auf alle weiteren Einkommensklassen entfallen Prozentwerte, die mehr oder weniger deutlich über der 20-Prozent-Marke liegen: der mit 32,8 % höchste Prozentwert bezieht sich auf die Einkommensklasse mit einem Haushalts- nettoeinkommen zwischen 2.000 und 3.000 Euro.

Das Haushaltseinkommen steht im Zusammenhang mit dem Umfang der Berufstätigkeit. Von den befragten Elternteilen geben jeweils 40 % an, Vollzeit oder Teilzeit beschäft igt zu sein. Dagegen ist die Gruppe der Befragten, die nach eigenen Aussagen nicht berufstätig sind, mit 19,1 % relativ klein. Während der Anteil von Vollzeit- und Teilzeitbeschäft igten unter den befragten Elternteilen gleich ausfällt, er- geben sich deutliche Verteilungsunterschiede, wenn der Umfang der Berufstätigkeit

(19)

Die 2. JAKO-O Bildungsstudie: methodische Anlage und Stichprobe 21

Tab. 3.1 Soziodemografi sche Merkmale der befragten Elternteile und Angaben zur Schulform, die das älteste schulpfl ichtige Kind besucht

Merkmale absolut Prozent a)

Alter bis 34 Jahre 35 bis 44 Jahre mehr als 45 Jahre

Geschlecht weiblich männlich

Bildungsabschluss Volks-/Hauptschule mittlerer Bildungsabschluss Abitur, Uni

keine Angaben

Alleinerziehung ja

nein

keine Angaben

Berufstätigkeit Vollzeit Teilzeit nicht berufstätig keine Angaben

Berufstätigkeit (Ehe-)Partner Vollzeit

Teilzeit nicht berufstätig keine Angaben

Haushaltsnettoeinkommen bis 1.000 Euro

1.000 bis 2.000 Euro 2.000 bis 3.000 Euro mehr als 3.000 Euro keine Angaben Migrationshintergrund türkisch

russisch Sonstige c)

ohne Migrationshintergrund

N=3.000

255 1.511 1.234 N=3.000

2.094 906 N=3.000

875 1.440 624 61 N=3.000

555 2.439 6 N=3.000

1.207 1.208 573 12 n=2.445 b)

1.631 515 288 11 N=3.000

24 9

710 985 824 233 N=3.000

130 123 442 2.302

=100 %

8,5 % 50,4 % 41,4 %

=100 %

69,8 % 30,2 %

=100 %

29,2 % 48,0 % 20,8 % 2,0 %

=100 %

18,5 % 81,3 % 0,2 %

=100 %

40,2 % 40,3 % 19,1 % 0,4 %

=100 %

66,7 % 21,1 % 11,8 % 0,5 %

=100 %

8,3 % 23,7 % 32,8 % 27,5 % 7,8 %

=100 %

4,3 % 4,1 % 14,7 % 76,9 %

(20)

Klaus-Peter Schöppner 22

N=3.000

2.572 428 N=3.000

490 427 208 216 684 477 214 191 92 N=3.000

1.774 996 193 34 3 N=3.000

891 198 572 199 757 242 103 36 2 Bundesland/Region

West Ost

Bundeslandd) Bayern

Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz/Saarland Hessen

Nordrhein-Westfalen Nordwesten Nordosten Südosten Berlin

Anzahl schulpfl ichtiger Kinder im Alter von bis zu 16 Jahren 1 Kind

2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder 5 und mehr Kinder

Schulform, die das älteste schulpfl ichtige Kind besucht Grundschule

Hauptschule Realschule

Integrierte Haupt- und Realschule e) Gymnasium

Gesamtschule

Sonstige Schule (Klasse 1–13) Berufsbildende Schule keine Angaben

=100 %

85,7 % 14,3 %

=100 %

16,3 % 14,2 % 6,9 % 7,2 % 22,8 % 15,9 % 7,1 % 6,4 % 3,1 %

=100 %

59,1 % 33,2 % 6,4 % 1,1 % 0,1 %

=100 %

29,7 % 6,6 % 19,1 % 6,6 % 25,2 % 8,1 % 3,4 % 1,2 % 0,1 % Fortsetzung Tab. 3.1

Merkmale absolut Prozent a)

a) Aufgrund von Rundungsfehlern sind Abweichungen von 100 % möglich. Weil in der Tabelle „keine Angaben“ aufgeführt werden, die teilweise nur für sehr wenige Befragte stehen, werden die Prozentwerte mit einer Dezimalstelle ausgewiesen. In den weiteren Beiträgen in diesem Buch werden die berichteten Prozentwerte – im Interesse besserer Lesbarkeit – ab- bzw.

aufgerundet.

b) Alleinerziehende Elternteile (n=555) gehen nicht ein.

c) Die Kategorie „Sonstige“ steht für Personen, die einen anderen Migrationshintergrund haben. Diese Gruppe ist ausgespro- chen heterogen, weshalb die Bildung weiterer Kategorien aus methodischer Sicht nicht sinnvoll ist.

d) „Nordwesten“ steht für Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. „Nordosten“ steht für Mecklenburg-Vor- pommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. „Südosten“ steht für Thüringen und Sachsen.

e) Schließt z. B. Regionale Schule, Mittelschule, Sekundarschule, Stadtteilschule oder Oberschule mit ein.

(21)

Die 2. JAKO-O Bildungsstudie: methodische Anlage und Stichprobe 23

der (Ehe-)Partner betrachtet wird. Dabei hängt es mit der großen Anzahl von Müttern in der Stichprobe zusammen, dass der Anteil der (Ehe-)Partner, die vollzeit- beschäft igt sind, deutlich höher ist als der Anteil derjenigen, die teilzeitbeschäft igt sind (66,7 % bzw. 21,1 %).

Im Rahmen der Interviews waren die Befragten auch um Informationen ge- beten worden, die Rückschlüsse auf einen Migrationshintergrund der Familie zu- lassen. Hierbei handelt es sich um ein komplexes, keineswegs eindeutig defi nier- tes Konstrukt. In der vorliegenden Studie wurde der Migrationshintergrund – in Anlehnung an das Vorgehen in der PISA-Studie – anhand von Informationen über die Muttersprache des Kindes, die Staatsangehörigkeit der Eltern sowie deren Geburtsland gebildet. Ermittelt wurden Familien mit einem türkischen und mit einem russischen Migrationshintergrund. Es handelt sich hierbei um die in Deutschland größten Migrantengruppen. Ein türkischer Migrationshintergrund liegt vor, wenn das Kind Türkisch als Muttersprache gelernt hat oder mindestens ein Elternteil die türki- sche Staatsangehörigkeit besitzt oder mindestens ein Elternteil in der Türkei geboren ist. Für einen türkischen Migrationshintergrund muss folglich nur eines dieser drei Merkmale erfüllt sein. Ein russischer Migrationshintergrund wurde auf dieselbe Art und Weise bestimmt. Alle Familien mit einem anderen Migrationshintergrund wur- den in der Kategorie „Sonstige“ zusammengefasst. Angesichts der komplexen ethni- schen Struktur der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund handelt es sich hier um eine sehr heterogene Gruppe, die bei der Datenanalyse nicht weiter berücksichtigt wurde. Familien mit Migrationshintergrund werden mit Familien ohne Migrationshintergrund verglichen, d. h. Familien, in denen das Kind Deutsch als Muttersprache gelernt hat, beide Elternteile die deutsche Staats- angehörigkeit besitzen und kein Elternteil im Ausland geboren ist. Hier müssen folg- lich alle drei Merkmale erfüllt sein. Wie der Tabelle zu entnehmen ist, weisen je- weils 4 % der Befragten einen türkischen oder russischen Migrationshintergrund und 14,7 % einen anderen Migrationshintergrund auf.

Die realisierte Stichprobe lässt sich schließlich danach beschreiben, wie vie- le schulpfl ichtige Kinder im Haushalt leben und welche Schulform diese besuchen.

Danach lebt in den meisten Haushalten nur ein schulpfl ichtiges Kind (59,1 %), recht groß ist aber auch der Anteil von Haushalten mit zwei schulpfl ichtigen Kindern (33,2 %). Dagegen sind Haushalte mit drei oder mit mehr schulpfl ichtigen Kindern eher selten (zusammen 7,6 %). Von all diesen Kindern besucht ein Drittel die Grundschule und zwei Drittel die weiterführende Schule. Die diff erenzierte Struktur des Schulsystems in Deutschland bringt es mit sich, dass die Eltern eine große Zahl weiterführender Schulformen angeben. Deutlich ins Gewicht fallen das Gymnasium und die Realschule, vor der Gesamtschule und der Hauptschule bzw. der integrierten Haupt- und Realschule.

(22)

Zentrale Ergebnisse im Überblick

• Die Eltern beklagen massiv (wie 2010) die fehlende Chancengleichheit im deut- schen Bildungssystem.

• Noch mehr Eltern als 2010 (jetzt insgesamt 75 %) sprechen sich dafür aus, den Übergang nach der Grundschule nicht nach der 4., sondern frühestens nach der 6. Klasse zu vollziehen.

• Der Wunsch der Eltern, für ihr eigenes Kind einen Ganztagsplatz in der Schu- le zu erhalten, ist erneut kräft ig gestiegen. Von 59 % (2010) auf nunmehr 70 % (2012). Inzwischen fordert in allen Bundesländern eine Mehrheit der Eltern für ihr Kind die Ganztagsschule.

• Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit bis zum Abitur von neun (G9) auf acht Jahre (G8) stößt auf massive Kritik der Eltern: 79 % der Eltern fordern eine Rücknahme dieser Reform.

• Zur gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen (In- klusion) fi nden wir bei den Eltern ein diff erenziertes Meinungsbild. Bei körper- lich beeinträchtigten Kindern und bei Kindern mit Lernschwierigkeiten fi ndet der gemeinsame Unterricht eine große Unterstützung. Die unterrichtliche Inte- gration von Kindern mit geistigen Behinderungen und solchen mit Verhaltens- auff älligkeiten wird von den Eltern hingegen skeptisch gesehen.

In der 1. JAKO-O Bildungsstudie wurden im Jahr 2010 die Meinungen, Einstellungen und Erwartungen der Eltern zu zentralen Problemen der Bildungspolitik erhoben (Tillmann 2011). Diese Repräsentativerhebung wurde 2012 wiederholt. Dabei wurden sehr häufi g die gleichen Fragen gestellt, sodass es möglich ist, über diese zwei Jahre den Wandel der Einstellungen nachzuzeichnen. Dies gilt insbesondere für die

• bildungspolitischen Zielsetzungen und ihre Realisierung,

• den Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe I und

• die Ausbreitung von Ganztagsschulen.

Zusätzlich zu dieser Längsschnittbetrachtung wurden zwei weitere bildungspolitische Th emen neu in unsere Befragung aufgenommen:

• die Dauer der Gymnasialzeit (G8/G9) und

• die integrative Beschulung von Kindern mit Behinderungen (Inklusion).

Zu diesen beiden Th emen liefert die Befragung 2012 erstmals repräsentative Er geb- nisse, sodass hier noch keine Trendaussagen möglich sind. Die Ergebnisse zu diesen fünf Th emen werden wir im Folgenden diff erenziert darstellen und in den bildungs- politischen Kontext einordnen.

4

Klaus-Jürgen Tillmann

Stabilität und Veränderung

– die Meinungen der Eltern zur Bildungspolitik

(23)

Klaus-Jürgen Tillmann 26

4.1 Ziele der Bildungspolitik

An welchen Zielen soll sich die Bildungspolitik ausrichten? Und wie sieht es mit der Realisierung dieser Ziele aus? Hierzu wurden in der JAKO-O Bildungsstudie 2010 und 2012 den Eltern drei komplexe Fragebatterien vorgelegt. Sie werden im Folgenden präsentiert, dabei werden „Wichtigkeit“ und „Realisierungsgrad“ einander gegenübergestellt.

4.1.1 Welche bildungspolitischen Ziele sind wichtig?

Bei der Befragung 2012 wurde den Eltern ein Katalog von neun bildungspolitischen Zielen vorgelegt. Sieben davon waren auch schon in der Befragung 2010 enthalten, zwei weitere wurden hinzugefügt. Die Befragten wurden zunächst aufgefordert, auf einer Viererskala („sehr wichtig“, „wichtig“, „weniger wichtig“, „unwichtig“) anzuge- ben, für wie wichtig sie das jeweilige Ziel halten. Abbildung 4.1 zeigt, wie hoch der Anteil der Eltern ist, die 2012 das jeweilige Ziel für „sehr wichtig“ halten. Außerdem wird abgebildet, ob sich die Elterneinschätzungen gegenüber der Befragung 2010 ver- ändert haben.

Frage: Sagen Sie mir bitte, für wie wichtig Sie die folgenden Ziele der Bildungspolitik halten.

N=3.000 Befragte

Abb. 4.1 Wichtigkeit bildungspolitischer Ziele (2010 und 2012) Anteile „sehr wichtig“

nicht erhoben dass viel Wert auf soziales

Verhalten gelegt wird dass alle die gleichen Bildungschancen haben

dass umfassende Allgemeinbildung vermittelt wird

dass lernschwache Schüler besser gefördert werden dass in allen Bundesländern die glei- chen Bedingungen herrschen dass besonders Begabte besonders gefördert werden

dass die Schule berufsbezogen ausbildet dass alle Kinder, auch die mit geistigen und körperlichen Beein - träch tigungen, gemeinsam lernen dass Leistung im Vordergrund steht

84 % 84 % 80 % 79 % 74 % 52 % 44 % 37 % 28 %

Trend 2010 – +

-3 %

nicht erhoben 0 %

0 % -2 %

-2 %

-4 %

-4 %

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Stabilität und Veränderung 27

Die Grafi k zeigt bei den bildungspolitischen Zielsetzungen vier „Spitzenreiter“: Die Eltern fi nden es „sehr wichtig“, dass gleiche Bildungschancen realisiert werden (84 %) und dass lernschwache Schüler/innen besser gefördert werden (79 %). Sie möchten, dass ihre Kinder eine umfassende Allgemeinbildung (80 %) erhalten, dass aber auch Wert auf soziales Verhalten gelegt wird (84 %). Damit fi nden wir in diesen hervorge- hobenen Positionen die gleichen Ziele wie 2010 („soziales Verhalten“ ist neu hinzu- gekommen). Die leichten Veränderungen von zwei oder drei Prozentpunkten liegen innerhalb der Zufallsgrenzen. Hier muss die Erhebung 2014 abgewartet werden, be- vor defi nitive Trendaussagen getroff en werden können. Auff ällig ist damit, dass die Eltern erneut eine egalitäre Ausrichtung der Bildungs politik einfordern: „Umfassende Bildung für alle“ – so könnte man diese Aussagen zusammenfassen.

Demgegenüber werden Ziele wie „Förderung besonders Begabter“ (52 %), „berufs- bezogen ausbilden“ (44 %) und „Leistung in den Vordergrund stellen“ (28 %) deut- lich schwächer bewertet. Bei den beiden zuletzt genannten Zielen fi ndet sich gegen- über 2010 sogar ein Rückgang von vier Prozentpunkten. Eine solche Präferenz – also eine Betonung von Leistung und Berufsverwertung – fi ndet sich bei Gymnasialeltern deutlich seltener als bei Hauptschuleltern, bei gut verdienenden Eltern deutlich sel- tener als bei Familien mit bescheidenem Einkommen. Off ensichtlich verlieren diese eher leistungs- und outputorientierten Ziel vorstellungen ins besondere bei sozial gut gestellten Eltern zunehmend an Boden.

Auf einer relativ hohen Position behauptet hat sich hingegen die Ziel vorstellung, dass „in allen Bundesländern die gleichen Bedingungen“ herrschen sollen (74 %).

Hier fi ndet sich – wie auch schon 2010 – ein deutlicher Ost-West-Unterschied:

Während westdeutsche Eltern dieses Ziel zu 72 % für „sehr wichtig“ halten, sind es in den neuen Bundesländern 85 %. Ob sich dahinter der Eindruck einer besonderen Benachteiligung im Ländervergleich verbirgt, müsste gesondert analysiert werden.

Relativ geringe Zustimmungswerte (37 % „sehr wichtig“) erhält das 2012 neu aufge- nommene Item „dass alle Kinder, auch die mit geistigen und körperlichen Beein- trächtigungen, gemeinsam lernen“. Hier werden Vorbehalte vieler Eltern gegenüber der „Inklusion“ deutlich, auf die wir weiter unten noch zu sprechen kommen.

Insgesamt fi ndet sich damit – wie bereits 2010 – eine klare Priorisierung der bildungs politischen Ziele: Gleiche Bildungschancen, umfassende Allgemeinbildung und gleiche Bedingungen in den Bundesländern – das sind die Haupterwartungen der Eltern. Eine Förderung besonders Begabter, eine Dominanz der Leistungs- orientierung, eine unmittelbar berufsbezogene Ausbildung, aber auch ein Einbezug

„behinderter“ Kinder wird von den Eltern hingegen weit seltener erwartet.

4.1.2 Welche bildungspolitischen Ziele wurden realisiert?

Im nächsten Schritt wurden die Eltern gefragt: „Und wie sind diese Ziele derzeit in Deutschland verwirklicht?“ Vorgelegt wurde den Eltern dazu eine Liste mit den glei- chen neun Zielsetzungen. Auch hier konnten sie auf einer Viererskala (von „sehr stark“ bis „sehr schwach“) ihre Einschätzung mitteilen. Abbildung 4.2 zeigt, wie hoch der Anteil der Eltern ist, die das jeweilige Ziel für realisiert ansehen („sehr stark“ und

„eher stark“).

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