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Archiv "Reanimations-Richtlinien: Herzdruckmassage hat – nicht erst jetzt – Priorität" (25.04.2008)

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A872 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1725. April 2008

M E D I Z I N R E P O R T

W

erden medizinische Laien auf der Straße oder im hei- mischen Umfeld Zeugen eines Herz-Kreislauf-Stillstands, besteht vielfach Unsicherheit darüber, wie und wann bei den Opfern Herzdruck- massage und Atemspende durchzu- führen sind. Um nichts Falsches zu machen, wartet man lieber auf das Eintreffen des geschulten Rettungs- dienstes. Der Patient verliert da- durch wertvolle Zeit, seine Progno- se im Hinblick auf neurologische Komplikationen beziehungsweise seine Überlebenschance verschlech- tert sich. Aber auch geübte Ersthel- fer müssen manchmal erst eine Bar- riere überwinden, bevor sie eine Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Na- se-Beatmung einleiten – aus Ekel oder aus Angst, sich mit Infektions- krankheiten anzustecken.

Angesichts dieser Umstände be- mühen sich internationale Fachgre- mien kontinuierlich um eine Verein- fachung der Reanimations-Empfeh- lungen für Laien. So hat die Ameri- can Heart Association (AHA) im Jahr 2005 die alleinige Herzdruck- massage ohne Atemspende (com- pressions-only CPR) allen Laien zugestanden, die bei Wiederbele- bungsversuchen keine Beatmung durchführen können oder wollen.

Dabei wurde allerdings betont, dass dies keineswegs ein gleichwertiger Ersatz zur kombinierten Herz-Lun- gen-Wiederbelebung sei (1). In ei- nem Advisory Statement der AHA vom 31. März 2008 wird aus dem damaligen Zugeständnis nun eine Regel (2).

So sollen Ersthelfer bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand von Erwachsenen zunächst einen Notruf absetzen und anschließend

mit einer „kräftigen und schnellen“

Herzdruckmassage in der „Mitte des Brustkorbs“ beginnen. Diese sollte so wenig wie möglich unter- brochen werden. Neu ist, dass sich der untrainierte Ersthelfer bis zum Einsatz eines halbautomatischen Defibrillators (AED) oder bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes ausschließlich auf die Herzdruck- massage konzentrieren soll (hands- only CPR).

Nur ausgebildete Ersthelfer, die sich eine sichere Beatmung mit

minimaler Unterbrechung der Herz- druckmassage zutrauen, können auch weiterhin im Verhältnis von 30 Tho- raxkompressionen zu zwei Atem- spenden reanimieren. Der wesentli- che Schwerpunkt liegt allerdings auch hierbei in der Sicherstellung einer ausreichend schnellen und tie- fen Herzdruckmassage.

Mit der Vereinfachung des Re- animations-Algorithmus wollen die US-Kardiologen erreichen, dass sich mehr Menschen als Laienhelfer für Wiederbelebungsmaßnahmen ein- setzen. Denn es steht fest, dass bei Erwachsenen das Outcome nach Thoraxkompressionen ohne Beat- mung (hands-only CPR) signifikant besser ist als ohne jegliche Reani- mationsmaßnahme.

„Diese aktuelle US-Empfehlung wird von vielen Ärzten und Notfall- helfern auf den ersten Blick als Neuausrichtung der Basisreanimati- on wahrgenommen werden, aber sie ist für Europa nicht neu“, sagte Dr.

rer. nat. Dr. med. Burkhard Dirks (Universitätsklinikum Ulm) als Vor- sitzender des German Resuscitation Council (GRC*) sowie als Mitglied des Executive Committee des Euro- pean Resuscitation Council (ERC) und verweist auf die 2005 erschiene- nen ERC-Leitlinien (3).

Danach „sollten Laienhelfer er- mutigt werden, die CPR ausschließ- lich mit Herzdruckmassage durch- zuführen, falls sie unfähig oder un- REANIMATIONS-RICHTLINIEN

Herzdruckmassage hat

– nicht erst jetzt – Priorität

Die American Heart Association empfiehlt, dass ungeübte Laien ausschließlich mit Herzdruckmassage reanimieren und auf Atemspende verzichten. Dieses Vorgehen ist bereits 2005 in den europäischen und deutschen Leitlinien berücksichtigt worden.

In Erste-Hilfe- Kursen muss wei- terhin eine kombi- nierte Herz-Lungen- Wiederbelebung ge- lehrt und trainiert werden.

Foto:Keystone

* Der German Resuscitation Council (GRC, Deut- scher Rat für Wiederbelebung) wurde im Dezember 2007 als nationale Organisation gegründet. Grün- dungsmitglieder sind die im Bereich der Reanima- tion aktiven medizinischen Fachgesellschaften (BAND, DGAI, DGIM, DKG, DGU, GNPI) und die deutschen Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, Die Johanniter, Malteser) sowie viele persönliche Mitglieder.

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A874 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1725. April 2008

M E D I Z I N R E P O R T

willig sind, eine künstliche Be- atmung anzuwenden – obwohl die Kombination von Thoraxkompres- sionen und Ventilation die bessere Reanimationsmethode darstellt“ (sie- he auch Bekanntgaben der Bundes- ärztekammer, Deutsches Ärzteblatt, Heft 34–35/2006) .

Unproblematisch ist diese Ver- allgemeinerung des Algorithmus allerdings nicht: Ist der Kreislauf- stillstand nämlich die Folge einer respiratorischen Insuffizienz – dies ist häufig bei Kindern und intoxi- kierten Patienten der Fall – ist nur eine Reanimation mit Beatmung sinnvoll. Dann dürfte auch bei der Wiederbelebung durch Laien nicht auf die Atemspende verzichtet wer- den. Das Gleiche gilt für die Re- animation von Personen nach einem Beinahe-Ertrinken. „Deshalb muss in Erste-Hilfe-Kursen weiterhin ei- ne kombinierte Herz-Lungen-Wie- derbelebung gelehrt und trainiert werden“, so Prof. Dr. med. Uwe Kreimeier (Klinik für Anästhesiolo- gie der Ludwig-Maximilians-Uni- versität München) als Vertreter des German Resuscitation Council.

Schon bei der Verabschiedung der letzten Leitlinien sei den Fach- gremien bewusst gewesen, dass eine Vielzahl von Fragen darin nicht eindeutig beantwortet werden konn- te. „Da Änderungen der Leitlinien den Kriterien der evidenzbasierten Medizin genügen müssen, ist es trotz neuer wissenschaftlicher Er- kenntnisse derzeit nicht vorgesehen, im deutschsprachigen Raum neue Empfehlungen oder Ergänzungen zu den ,Lebensrettenden Basismaß- nahmen für Erwachsene‘ zu geben“, teilte Kreimeier dem Deutschen Ärzteblatt mit.

„Erfahrungsstudien“

Die europäischen Leitlinien von 2005 basieren auf einer umfassen- den Bewertung wissenschaftlicher Daten, die zusammen mit der AHA erarbeitet und publiziert wurde. Die- se Bewertung schloss alle verfügba- ren Studien zur kardiopulmonalen Reanimation, Thoraxkompression, Mund-zu-Mund-Beatmung sowie zu den unterschiedlichen Kombinatio- nen von Thoraxkompressionen und Beatmungen ein.

Fast alle Reanimations-Organisa- tionen in Europa haben diese Leitli- nien übernommen, in ihre National- sprachen übersetzt und in Ausbil- dungsmaterialien eingearbeitet. Nach ihnen werden sowohl Laien als auch professionelle Helfer ausgebildet.

„Es ist nicht im Interesse der Qualität der kardiopulmonalen Reanimation und der Ausbildung Hunderttausen- der potenzieller Ersthelfer, Verände- rungen einzuführen, während die ak- tuellen Leitlinien noch implemen- tiert werden. Die resultierende Ver- wirrung wäre kontraproduktiv. Dies wäre nur vertretbar und im Interesse eines wissenschaftlichen evidenzba- sierten Erkenntnisgewinns, wenn überzeugende Belege aus kontrol- lierten klinischen Studien vorgelegt werden, die eine signifikante Verbes- serung belegen“, so der GRC. Bei den jüngsten Publikationen zur Lai- enreanimation ohne Atemspende handelte es sich jedoch um beobach- tende „Erfahrungsstudien“.

Dazu gehört die in Japan durchge- führten SOS-KANTO-Studie (4).

Ken Nagao vom Surugadai Nihon University Hospital in Tokio und Kollegen verglichen die Folgen der Wiederbelebung von mehr als 4 000 erwachsenen Patienten, die von Pas- santen entweder nur eine Herz- druckmassage erhalten hatten oder eine konventionelle Wiederbelebung.

Die Autoren stellten fest, dass eine allein auf Herzdruckmassage basie- rende Wiederbelebung in Bezug auf neurologische Aspekte, besonders bei Patienten mit Atemstillstand (6,2 verglichen mit 3,2 Prozent), Herz- rhythmusstörungen (19,4 verglichen mit 11,2 Prozent) oder kurzen, nicht behandelten Herzstillständen (wenn die Wiederbelebung innerhalb von vier Minuten nach dem Herzstill- stand beginnt; 10,1 verglichen mit 5,1 Prozent), bessere Resultate er- zielte als die konventionelle Wieder- belebung. Außerdem gab es keine Hinweise auf Vorteile durch Mund- zu-Mund-Beatmung bei irgendeiner Patientengruppe.

In einem Begleitkommentar er- klärt Gordon Ewy vom University of Arizona College of Medicine and Sarver Heart Center in Tucson:

„Dieses kritische und wichtige Er- gebnis sollten zu einer Änderung der

Richtlinien führen.“ Aber im Fol- genden sagt er auch: „Wir sollten je- doch auch weiterhin die Herz-Lun- gen-Wiederbelebung lehren für die ebenfalls wichtigen, jedoch weniger häufigen Fälle von Ertrinken und an- dere Arten des Atemstillstandes.“ Im Dezember 2007 erschienen in der Fachzeitschrift „Circulation“ zwei weitere Beobachtungsstudien aus Schweden und Japan, deren Autoren sich ebenfalls für den Verzicht auf die Atemspende aussprachen.

Vor Änderung der Leitlinien neue Evaluierung abwarten Nach Angaben des German Resus- citation Council wird „diese Studi- enform wissenschaftlich als nicht ausreichend angesehen, um definiti- ve Schlussfolgerungen zur Überle- genheit oder Gleichwertigkeit ir- gendeiner CPR-Technik ziehen zu können“. Zudem seien die Daten der SAS-KANTO-Studie in den Jahren 2002/2003 erhoben worden, also vor den jetzt gültigen Leitlinien von 2005.

Inzwischen sei man weltweit be- reits in den Prozess der Evaluierung aller Daten für einen neuen wissen- schaftlichen Konsens eingetreten, der 2010 veröffentlicht werde. Da- her halten der „German Resuscita- tion Council wie auch der European Resuscitation Council es für ange- bracht, das Ergebnis dieses Prozes- ses abzuwarten, bevor Veränderun- gen der aktuellen Leitlinien emp- fohlen werden“, heißt es in der Stel-

lungsnahme. I

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

LITERATUR

1. American Heart Association Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emer- gency Cardiovascular Care. Circulation 2005; 112: III–1–III–136.

2. Circulation online 2008; doi: 10.1161/

CIRCULATIONAHA.107.189380.

3. Handley AJ et al.: European Resuscitation Council guidelines for resuscitation 2005.

Section 2. Adult basic life support and use of automated external defibrillators. Resus- citation 67 Suppl 1: 7–23.

4. SOS-KANTO Study Group: Cardiopulmo- nary resuscitation by bystanders with chest compression only (SOS-KANTO): an obser- vational study. Lancet 2007; 369: 920–6.

Weiter Informationen im Internet unter: www.grc-org.de

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