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Archiv "Betriebsärztliche Dienste — Vehikel für das „integrierte Gesundheitswesen“?: Unabhängigkeit nach allen Seiten gewährleisten" (10.07.1980)

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Nemesis der Medizin

praktischen Vernunft walten und nicht mehr Utopien der reinen Ver- nunft.

Rentabilität mehr als fraglich Noch in unserer Zeit gibt es Men- schen, die, verführt durch die trüge- rische Allmächtigkeit der Wissen- schaft, in dem Glauben leben, eines Tages sei der Tod ganz beseitigt, sprich abgeschafft. Dieser unter- schwellige Glaube, diese unkritische Haltung haben dazu geführt, daß im Gesundheitswesen immer größere Investitionen gemacht werden, de- ren Rentabilität in puncto Gesund- heit mehr als fraglich ist.

Eine andere Frage, in der Illich recht hat, ist die der Einstellung des mo- dernen Menschen dem Leiden und dem Schmerz gegenüber. Der Mensch im Abendland hat das Lei- den absolut verlernt. Aber je mehr man das Leiden und den Schmerz hat verbannen wollen, desto mehr hat man sie bestärkt. Es sind ja Emo- tionen! . . . Und nun leidet der heuti- ge Mensch bei Geringfügigkeit viel- leicht mehr als früher sein Vorfahre unter größeren Belastungen.

Nur unter der Betrachtung der Tat- sache, daß man durch eine verabso- lutierte hedonistische Lebensein- stellung eben das Gegenteil von dem, was man erreichen wollte, er- reicht, läßt sich die „Hochspielung"

der Jatrogenese bei Illich verstehen und selbstverständlich widerlegen.

Jatrogenese ist nur denkbar in der Arzt-Patient-Beziehung, das heißt in der Medizin i. e. S. und, statistisch betrachtet, unvermeidbar. Es kann lediglich versucht werden, die Zahl der Arzt-Fehler, der Jatrogenese, so gering wie möglich zu halten. Die Nicht-Differenzierung zwischen Me- dizin i. e. S. und Gesundheitswesen mit Sozialmedizin, Präventivmedi- zin, Institutionen usw. ... erklärt Vorwürfe, die nicht für die Medizin i. e. S. gelten, sondern für das Ge- sundheitswesen im allgemeinen.

Aber die Krankmachungseigen- schaft des Systems kann nicht als Jatrogenese bezeichnet werden und

darf der Medizin nicht angelastet werden; es sei denn, daß man nach belletristischer Art einen Begriff aus der Medizin nimmt — wie das so oft der Fall gewesen ist: z. B. Schizo- phrenie, Hysterie usw. ... , in die- sem Fall Jatrogenese — und seine Bedeutung in unzulässiger Weise ausdehnt und ihm eine Wertung ver- leiht.

Aus den obigen Betrachtungen läßt sich folgern, daß weder im Osten noch im Westen Patentlösungen zu finden sind. Einige Anregungen von Autoren verdienen aber anhand der hier hervorgehobenen Dichotomie zwischen Individualmedizin und Ge- sundheitswesen berücksichtigt zu werden. Die medizinische Ausbil- dung ist Conditio sine qua non für jeden, der als Partner in der Arzt-

Patient-Beziehung einen Menschen wissenschaftlich behandeln will. Es gibt jedoch Aufgaben, die nur im weiteren Sinne medizinisch, aber sehr wichtig sind und von anderen Berufen wahrgenommen werden können. Zurückgreifend auf 30 Jah- re Erfahrung mit Gesundheitserzie- hern in den USA (Public Health Edu- cators), plädiert Gebhard (13) für diesen Beruf in Europa. In diese Richtung weist auch Moritzen (20), wenn er die Rolle des Sozialarbei- ters im Gesundheitsamt in einer so- zialmedizinischen Tätigkeit sieht.

Dieses sind unverkennbare Zei- chen! ...

Entfremdungskrankheiten

Manche heutigen Krankheiten sind Entfremdungskrankheiten, die auf die Brutalität der Industriegesell- schaft zurückzuführen sind. Um die- ser Nemesis des Individualismus entgegenzutreten, mehren sich seit langem Arztstimmen, die sich für ei- ne Wiedergeburt des Gemein- schaftsgefühles einsetzen und längst die Wichtigkeit der sozialen Verhältnisse in Krankheits- und Ge- sundheitsfragen erkannt haben (Sheps [26]). Es scheint, als ob man es wieder mit einer Konstante unse- rer Kultur: der Spannung Individua- lismus/Transpersonalismus zu tun hat. In diesem Sinne läßt sich die

Arbeit von Rhodes (23) verstehen, wenn er von „Konflikt zwischen An- sprüchen des Individuums und der Gesellschaft" spricht.

Es gibt viele Tabus, die nicht so neu sind und unter die Lupe genom- men werden müssen, um einen Zer- fall nicht nur der Medizin, sondern auch unserer Kultur zu verhindern.

Die Nemesis der Medizin, vielmehr die Nemesis unserer Kultur, ist das Schicksal, das jedes soziale Phänomen, das Erfolg hat, erleiden muß.

Gelingt der betroffenen Institution, ja Kultur, eine Analyse, dann besteht die Möglichkeit einer Reform. Die Geschichte des Abendlandes ist voll von solchen Aktionen und Reaktio- nen und den daraus folgenden Syn- thesen, die die These vom Unter- gang des Abendlandes Lügen stra- fen, solange die Fähigkeit zur Selbstanalyse und Selbstkritik ge- währleistet ist und der Bezug zur Realität — Husserl würde sagen: zur Sache — das heißt die Praxisnähe gepflegt wird.

Wir wissen, daß es mit Ärzten und ärztlichen Institutionen manchmal schlecht geht; wir wissen aber auch, daß es ohne Ärzte und ohne ärztli- che Institutionen überhaupt nicht geht. Seit Jahrzehnten werden die Mediziner mit Vorwürfen überschüt- tet (Harkess, u. a. [16]), die mehr oder weniger begründet sind.

Hier könnte man vielleicht abschlie- ßend ähnlich fragen wie einmal der Figaro den Grafen Almaviva: Ausge- hend von den Qualitäten, die man von einem Arzt erwartet, wie viele Nichtärzte wären überhaupt würdig, Arzt zu sein?

Literatur im Sonderdruck

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Joseph Garcia Friedensweg 26 4450 Unger.

1774 Heft 28 vom 10. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen FORUM

Betriebsärztliche Dienste —

Vehikel für das

„integrierte

Gesundheitswesen"?

Fortsetzung von Heft 27/1980, Seite 1731 ff., und Schluß

Unabhängigkeit nach allen Seiten gewährleisten

Im Vordergrund der arbeitsmedizini- schen Versorgung der Arbeitnehmer steht die absolute Unabhängigkeit des Betriebsarztes sowohl von Ar- beitnehmern als auch von Arbeitge- bern. Wenn jetzt die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Bestellung eines Betriebsarztes festgeschrie- ben ist, so hat dieses seinen guten Grund. Er ist darin zu suchen, daß die Unabhängigkeit des Betriebsarz- tes sichergestellt sein muß. Falls nur der Arbeitgeber über die Bestellung eines Betriebsarztes entscheidet, ist eine weitgehende Abhängigkeit von diesem nicht zu vermeiden. Wenn beide Teile der durch das Arbeitssi- cherheitsgesetz zur Mitarbeit an der arbeitsmedizinischen Versorgung des Betriebes Verpflichteten ge- meinsam den Betriebsarzt bestellen, so ist gewährleistet, daß nicht auf der einen Seite bekanntschaftliche oder sonstige Interessen zum Tra- gen kommen, auf der anderen Seite nicht einseitige Absichten aus- schlaggebend sein können. Es wird ferner sichergestellt, daß nicht, wie bereits vorgekommen, durch gegen- seitiges Unterbieten der Bewerber auf Kosten der Qualität der Arbeit Fehlbesetzungen im Sinne der Ar- beitsmedizin möglich sind. Keines- falls kann man aber sprechen von paritätisch von Gewerkschaft und Arbeitgebern getragenen arbeitsme- dizinischen Zentren der Berufsge- nossenschaften.

Die Unabhängigkeit der Arbeitsme- diziner und Sicherheitsfachkräfte ist

auch dadurch möglich gemacht, daß sie keine Entscheidungs-, sondern nur eine Beratungsbefugnis haben.

Ob die vorgeschlagenen Maßnah- men durchgeführt werden, ist der Entscheidung des Arbeitgebers nach Absprache mit Sicherheits- fachkraft und Betriebsrat vorbehal- ten. Selbstverständlich kann hier je- der der Beteiligten, sowohl Ge- schäftsleitung als auch Sicherheits- fachkraft oder Betriebsrat den Be- triebsarzt jederzeit bezüglich ar- beitsmedizinischer Probleme um Rat fragen oder Anregungen geben.

Daß der Betriebsrat den Betriebsarzt zur Berichterstattung zitieren kann, entspricht schlichtweg nicht den Gepflogenheiten.

Wenn im DGB-Aktionsprogramm vom 13. Juni 79 gefordert wird, über- betriebliche arbeitsmedizinische Zentren weiter auszubauen, so ist dieses auch unter dem Gesichts- punkt der Gewährleistung der Unab- hängigkeit des Betriebsarztes nach allen Seiten zu sehen. Von einer Ver- pflichtung der Unternehmer zum An- schluß an überbetriebliche Dienste kann gar keine Rede sein (außer Bau und Bergbau). Es besteht nach wie vor die Wahlmöglichkeit zwischen Bestellung des Freiberuflers, der An- stellung eines hauptamtlichen Be- triebsarztes oder dem Anschluß an ein Zentrum. In allen Fällen sollte die Qualität der geleisteten arbeitsmedi- zinischen Arbeit Voraussetzung sein, da die Bedingung für die Tätig- keit als Betriebsarzt von zwei Dingen abhängig ist, nämlich erstens von der Ermächtigung zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge- untersuchungen auf Grund stattge- habter Ausbildung und zweitens durch das Vorhandensein der erfor- derlichen medizinischen Ausstat- tung.

Es ist auch die Formulierung, daß mittels Mitbestimmung ein Vertrau- ensverhältnis zwischen Arbeitneh- mern und Betriebsärzten entstehen soll, nicht als merkwürdig anzuse- hen. Es besteht ja nicht für die Be- triebsräte ein Vetorecht gegenüber der Entscheidung des Arbeitgebers, einen bestimmten Betriebsarzt ein- zustellen, vielmehr müssen schon

beide Seiten, nämlich Arbeitnehmer und Betriebsräte sich zusammen- raufen und gemeinsam die Entschei- dung fällen, wer als Betriebsarzt das beiderseitige Vertrauen hat.

Nach meiner Meinung sind nach wie vor drei Punkte unabdingbar für den Betriebsarzt und auch existenzwich- tig für seine Tätigkeit:

1. Es muß die absolute Unabhängig- keit des Betriebsarztes gewährlei- stet sein.

2. An dem absoluten Therapiever- bot des Betriebsarztes ist unbedingt festzuhalten.

Die Behandlung hat nach wie vor nichts mit der Arbeitsmedizin zu tun.

3. Es ist seitens der Betriebsärzte, egal, welcher Sparte sie angehören, also auch seitens der Zentren unbe- dingt dafür Sorge zu tragen, daß ei- ne gute, kollegiale Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärzten und Arbeitsmedizinern gewährleistet und erhalten bleibt.

Dr. med. Schmid-Keiner

Leitender Arzt, Zentrum Esslingen des Berufsgenossenschaftlichen arbeitsmedizinischen Dienstes Fritz-Müller-Straße 143 7300 Esslingen

Ständiger Dialog

Der Grundtenor des Artikels richtet sich zum einen gegen die überbe- trieblichen arbeitsmedizinischen Zentren der Berufsgenossenschaf- ten, zum anderen gegen die Mitbe- stimmung der Arbeitnehmer im Be- trieb. Das Ganze wird eingebettet in ein Schreckensgemälde, das die Freiheit des Betriebsarztes durch gewerkschaftliche Funktionäre be- droht darstellt, die unter anderem

„ihre Betriebsräte zu Spitzeldien- sten" auffordern, wenn sie versu- chen, mittels eines Fragebogens herauszufinden, wieweit die im Ar- beitssicherheitsgesetz vorgeschrie- benen Aufgaben in einzelnen Betrie- ben verwirklicht worden sind.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 10. Juli 1980 1775

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Aufsätze • Notizen

Betriebsärztliche Dienste

Zu den oben genannten drei Punk- ten möchte ich aus meiner Sicht fol- gendes klarstellen:

1. Die Berufsgenossenschaften be- treiben überbetriebliche Zentren, wie es im Prinzip jedermann frei- steht. Daß diese Zentren allerdings — wie behauptet — auf die Unfallverhü- tungsvorschriften der Einzelberufs- genossenschaften zur näheren Aus- führung des Arbeitssicherheitsge- setzes in ihren Bereichen „ge- trimmt" sind, läßt die Unkenntnis des Autors über die Zusammenhän- ge erkennen, handelt es sich bei den genannten UVVen doch lediglich um die Festlegung der Einsatzzeiten der Betriebsärzte, die sich wiederum nach den besonderen Gesundheits- risiken in den einzelnen Betriebsbe- reichen richten. Sollte er aber der Meinung sein, daß die berufsgenos- senschaftlichen Zentren auch alle anderen Unfallverhütungsvorschrif- ten, die sich u. a. auch mit dem Ge- sundheitsschutz im Betrieb befas- sen, bei ihrer Arbeit berücksichti- gen, so hätte eigentlich seine Forde- rung nur lauten können, daß auch alle anderen im betrieblichen Ge- sundheitsschutz tätigen Mediziner entsprechend verfahren müßten, da es sich hierbei um in Ausführungs- bestimmungen mit Gesetzeskraft geronnene Erkenntnisse des Ar- beits- und Gesundheitsschutzes handelt. In diesem Zusammenhang muß auch noch einmal ganz klar die Tatsache herausgehoben werden, daß ein Betrieb von einer Berufsge- nossenschaft in keinem Fall ge- zwungen werden kann, sich einem überbetrieblichen arbeitsmedizini- schen Dienst anzuschließen, wenn er die Aufgaben des Arbeitssicher- heitsgesetzes anderweitig (etwa durch Bestellung eines freiberuflich tätigen Arztes) erfüllt hat.

2. Wichtiger als der zunächst ge- nannte Punkt scheint mir allerdings die Auffassung des Autors über die Mitbestimmung im Betrieb, die seine Zustimmung nicht finden kann. Als persönliche Meinung in jedem Falle hinzunehmen, sollte eine solche Haltung dennoch nicht Grundtenor eines wichtigen Beitrags des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES (mit Titel- bild) sein.

Die Mitbestimmung im Betrieb ist im Betriebsverfassungsgesetz nieder- gelegt, und alle juristischen Ent- scheidungen in dieser Frage haben sich an diesem Gesetz zu orientie- ren.

Gerade dies tut das Urteil des Bun- desarbeitsgerichtes vom 10. April 1979, das den Arbeitnehmern eines Betriebes aufgrund des obenge- nannten Betriebsverfassungsgeset- zes u. a. die Möglichkeit einräumt, mitzubestimmen, welche Form der betriebsärztlichen Versorgung (an- gestellter Arzt, freiberuflich tätiger Arzt, Betriebsärztliches Zentrum) für das jeweilige Unternehmen gewählt werden soll. Warum diese Form der Auswahl schlechter sein soll als die bisher geübte Praxis, in der „Die Un- ternehmer . . . bislang immer noch die Freiheit zu wählen (hatten), in welcher Form sie ihre Betriebe be- triebsärztlich versorgen wollten", bleibt Geheimnis des Autors, es sei denn, daß er zu fürchten scheint, daß in Zukunft weniger freiberuflich tätige Ärzte betriebsärztlich tätig sein werden. Dies sollte dann aller- dings Anlaß zur Frage geben, warum das so ist.

3. Was die Freiheit des Betriebsarz- tes bei der Ausübung seiner Tätig- keit angeht, so wird beklagt, daß der Betriebsarzt „seit dem Arbeitssi- cherheitsgesetz seine unglückliche Position zwischen Arbeitgeber und Betriebsarzt einnimmt". Wenn der Autor damit meinen sollte, daß der Arzt im Betrieb sich in einem ver- zweigten Geflecht der unterschied- lichsten und zum Teil gegensätzli- chen Interessen befindet, so hätte er mit einer solchen Aussage zweifel- los recht. Wenn er aber meinen soll- te, daß die Unabhängigkeit des Be- triebsarztes durch diese Einbindung in den Betrieb gefährdet ist, dann sollte er noch einmal den § 8 des Arbeitssicherheitsgesetzes nachle- sen, in dem es heißt, 'daß Betriebs- ärzte bei der Anwendung ihrer ar- beitsmedizinischen Fachkunde wei- sungsfrei und nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Daran ändert sich auch durch keinerlei

„Anbindung" an irgendwelche Betriebsteile etwas.

Abschließen möchte ich mit einigen Bemerkungen über die Rolle des Arztes im Betrieb: Ein Arzt, der im Betrieb für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer tätig wird, tut dies wohl nicht (oder sollte es zumindest nicht tun) in der Rolle des Unterneh- mensberaters, der zufällig Medizin studiert hat; sollte er doch sein En- gagement aus seinem Einsatz für die ihm anvertrauten Arbeitnehmer be- ziehen, für deren Gesundheits- schutz am Arbeitsplatz er einzutre- ten hat.

Um aber hierbei ein optimales Er- gebnis zu erzielen, ist es notwendig, daß alle Beteiligten im Betrieb sich in einem ständigen Dialog befinden.

An diesem Punkt greifen u. a. auch die Mitbestimmungsregeln des _Be- triebsverfassungsgesetzes an, die es ja unter anderem den Vertretern der Arbeitnehmer im Betrieb ermögli- chen, etwa zu Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die sie für bedeutsam oder problematisch

halten, initiativ zu werden.

Ich kann mir eigentlich eine wir- kungsvolle Arbeit in einem Betrieb ohne die vertrauensvolle Zusam- menarbeit auch mit dem Betriebsrat überhaupt nicht vorstellen.

Im Gegensatz zur Tendenz Ihres Ar- tikels halte ich Mitbestimmung im Betrieb auf allen Ebenen für einen wesentlichen Schritt in Richtung auf eine Humanisierung der Arbeitswelt, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß sie nicht unwesentlich auch zur Per- sönlichkeitsentfaltung des einzel- nen beitragen kann.

Was die Darstellung gewerkschaftli- cher Positionen zu dem genannten Themenkomplex angeht, so scheint mir diese nicht gründlich genug recherchiert (es fehlt etwa die Dar- stellung der Position der IG-Metall, die als größte Einzelgewerkschaft sich intensiv um Fragen des Ge- sundheitsschutzes am Arbeitsplatz kümmert). Einzelne Zitate gewerk- schaftlicher Positionen haben ledig- lich Antragscharakter und sind da- her nicht verbindliche Meinung ge- werkschaftlicher Organe. Mehr In- formation und weniger Polemik wä-

1776 Heft 28 vom 10. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen

Betriebsärztliche Dienste

re einer sachlichen Auseinanderset- zung auch in diesem Punkt dienli- cher gewesen.

Dr. med. Kurt Schrader

Vereinigte Flugtechnische Werke Fokker GmbH

Werksärztliche Dienststelle Hünefeldstraße 1-5 2800 Bremen 1

Gesunder Wettbewerb

Auch wir verfolgen mit Aufmerksam- keit Bestrebungen, die betriebsärzt- liche Betreuung zu einer quasi staat- lichen Institution werden zu lassen.

Diese Bestrebungen sind um so be- dauerlicher, als ja gerade freier Wettbewerb auch im Gesundheits- dienst Garant für eine hohe Leistung ist.

Noch bedauerlicher erscheinen je- doch die Reaktionen der Bundesärz- tekammer und Landesärztekam- mern auf diese Bestrebungen, die sich im wesentlichen durch Konzep- tionslosigkeit auszeichnen. Es wer- den nicht einmal im Ansatz Ideen oder Vorstellungen unterbreitet, wie man diesen Bestrebungen entge- gentreten kann. Dafür wird pauschal gegen den überbetrieblichen Dienst Stellung bezogen, obwohl doch je- dem Insider klar ist, daß für die ar- beitsmedizinisch-betriebsärztliche Betreuung von Klein- und Mittelbe- trieben diese Dienste die optimalen Voraussetzungen bieten.

Zweifellos gibt es sehr viele nieder- gelassene Ärzte, die eine qualifizier- te nebenberufliche betriebsärztliche Tätigkeit ausüben.

Wir glauben jedoch, daß die überbe- trieblichen Dienste tatsächlich über die größere arbeitsmedizinische Qualifikation verfügen, eine bessere medizinisch-technische Ausstattung besitzen und ihre Ärzte wirtschaft- lich weniger stark vom Arbeitgeber abhängig sind.

Der niedergelassene nebenberufli- che Betriebsarzt wird auch nur in

seltenen Fällen in der Lage sein, die für eine ordentliche arbeitsmedizini- sche betriebsärztliche Tätigkeit not- wendige Qualifikation in Form der Zusatz- oder Gebietsbezeichnung zu erlangen. Wenn in der Vergangen- heit die arbeitsmedizinische „Fach- kunde" schon durch den Besuch von zwei 24stündigen Lehrgängen erreicht werden konnte, so war dies in erster Linie eine Herabwürdigung des Faches Arbeitsmedizin. Gerade diese sogenannte kleine Fachkunde lieferte immer wieder Vorwände, die Qualität der betriebsärztlichen Be- treuung von Klein- und Mittelbetrie- ben zu kritisieren.

Es ist natürlich möglich, daß sich die Bundesärztekammer von der Vor- stellung leiten läßt, daß in Klein- und Mittelbetrieben eine Mini-Arbeitsme- dizin für die betriebsärztliche Be- treuung ausreicht. Wir sind gern be- reit, im Gegensatz dazu, die arbeits- medizinische Problematik in einigen solcher Klein- und Mittelbetriebe zu demonstrieren.

Gerade in Klein- und Mittelbetrieben ist es besonders notwendig, daß der Betriebsarzt kompetent und qualifi- ziert ist, weil er hier — im Gegen- satz zum Großbetrieb, wo unter Um- ständen ganze Abteilungen für Ge- sundheitsschutz und Sicherheits- technik vorhanden sind — häufig der einzige Fachkundige in den Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschut- zes ist.

Uns geht es jedoch nicht darum, die überbetrieblichen Dienste gegen- über den niedergelassenen Kollegen herauszustellen. Wir sind der Mei- nung, daß diese Kollegen, die bei mehr als 70 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe die betriebsärztliche Betreuung übernommen haben, bei ihrer Arbeit weiter unterstützt und gefördert werden müssen. Die Frage ist vielmehr, welche Vorstellungen entwickelt die Bundesärztekammer bezüglich der überbetrieblichen ar- beitsmedizinischen Dienste.

Wenn heute die Berufsgenossen- schaften „Marktführer" bei den überbetrieblichen arbeitsmedizini- schen Diensten sind, so ist dies im

Faust (im Nacken)

Habe nun, ach, Audiometrie, die Röntgerei und Medizin und weiter Toxikologie

durchaus studiert mit heißem Be- mühn.

Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!

Heiße Werksarzt, heiße Doktor gar und führe schon gar manches Jahr, herauf, herab und quer und krumm meine Nase in der Arbeitswelt rum und seh, daß wir nichts erreichen können.

Das will mir schier das Herz ver- brennen.

Betriebsrat heißt der ärgste Feind, der alles weiß, nein, alles besser.

Die Herrschsucht, die ihn so ver- eint, bedroht den Frieden mehr als Messer.

Er lügt, wenn's paßt, nützt jede List.

Intrige nennt man solches Han- deln.

Und wenn Betriebsversammlung ist, darf endlich er in Selbstlob wan- deln.

Gelassen hören's viele Hundert, die Direktoren, Chefs und Leiter.

Solch Narrenfreiheit, die ermun- tert, und hemmungsloser schreit er weiter.

Nicht Sachlichkeit, Gemeinsam- keit, wie seine Lippen oft bekennen, Haß, Zwietracht, Macht um jeden

Preis muß man als wahre Ziele nennen.

Darum, Kollegen, Vorsicht! Ach- tung!

Auch wenn Gesetze wörtlich schützen und „weisungsfreie Anwendung der Kunde in dem Fach" be-

nützen.

Geduldig war Papier schon immer.

Dieses System ist „fast" perfekt.

Doch Seelenfrieden gibt es nimmer für den, der mitten darin steckt.

Master Kuki

1778 Heft 28 vom 10. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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