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Archiv "Zeitgeist: Sich glücklich preisen" (11.01.1988)

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ie nordrhein-westfälische Landesregierung hat ei- nen Versuchsballon ge- startet: Ohne öffentliche „Be- gleitmusik" hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und So- ziales des Landes (Minister:

Hermann Heinemann, SPD) den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Heilberufsge- setzes" erarbeitet und den Kammern der Heilberufe zuge- leitet, mit dem die Kammerar- beit eingeengt werden soll.

Der Casus belli: Künftig soll der gesetzlich fixierte Auftrag der Kammern nämlich, die „be- ruflichen Belange" der Kam- merangehörigen wahrzuneh- men, ersatzlos gestrichen wer- den. Das Ministerium, ganz im Fahrwasser der 1986 propagier- ten Wünsche der Arbeitsge- meinschaft der Sozialdemokra- ten im Gesundheitswesen (ASG), begründet dies ebenso lapidar wie durchsichtig: Die Grundkonzeption des Heilbe- rufsgesetzes sei es, durch Dele- gation staatlicher Aufgaben und

D

er englische Dramatiker Christopher Fry, vor Jahrzehnten der Stern am Theaterhimmel, wurde die- ser Tage, von der Welt fast ver- gessen, achtzig Jahre alt. Seine große Zeit waren die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: Nach dem Chaos pries er die Schön- heit des Lebens, die Hoffnung im Leid. In der Komödie „Ve- nus im Licht" (deutsch 1951), die Laurence Olivier auf den Leib geschrieben war, sinniert der Herzog, der im Herbst des Lebens steht, über das Glück.

An seinen Verwalter gewandt, monologisiert er:

„Und was uns noch alles erwar- tet, malen Sie sich's aus:

Kurzsichtigkeit, Kurzatmigkeit, Pulsflattern, knackende Ge- lenke,

Stiche, Hustenreiz, Hautjucken, Reißen in den Gliedern, das plötzliche Aufblühen eines Hexenschusses,

welch eine reiche Welt der Empfindungen,

„Heilberufsgesetze"

IRL Al■

Knebel für

Ärztekammern

Befugnisse auf Selbstverwal- tungskörperschaften ein Instru- ment der Beratung und Über- wachung der Kammerangehöri- gen zu schaffen. Die Rechte und Befugnisse der Kammern sollen enumerativ im Landesgesetz festgeschrieben und um zusätz- liche Aufgaben (Qualitätssiche- rung; Notfalldienst) erweitert werden. Alles, was über diesen Katalog hinausgeht, wäre dem- nach contra legem!

Dieser (erstmalige) Vorstoß einer Landesregierung könnte der Selbstverwaltung einen exi- stenzbedrohenden Stoß verset- zen; Weiterungen sind zu be- fürchten, falls sich das „Modell- NRW" und der ASG-Bazillus auch in anderen Länderregie-

Zeitgeist

Sich glücklich preisen

welche unendliche Mannigfal- tigkeit des Daseins.

Ist das nicht so?"

Georg Hensel, der in der Frankfurter Allgemeinen Fry ei- nen Geburtstagsartikel widme- te, vermerkt mit untergründi- gem Bedauern, Christopher Frys Zeit sei schon Mitte der fünfziger Jahre abgelaufen. Sa- muel Beckett, der große Pessi- mist, hatte ihn abgelöst. Sozial- kritik war an die Stelle der Fro- hen Botschaft getreten. Das Si- gnum der sechziger Jahre waren die blutigen Demonstrationen.

Das Signum der

sechziger

und siebziger Jahre war aber auch der „Fortschritt". Der me- dizinische zumal. Er ließ auf den

rungen festsetzen sollte. Die Kammern sollen lediglich zum verlängerten Arm der Staatsver- waltung gemacht werden. Die Autonomie der Kammern will man brechen und deren Ver- handlungskraft schwächen. Of- fenbar soll an Rhein und Ruhr das nicht mehr gelten, was das Bundesverfassungsgericht als Aufgaben der Selbstverwaltung in öffentlich-rechtlichen Kam- mern umrissen hat:

1. die vom Staat delegierten Ordnungsaufgaben und Auf- sichtsfunktionen gegenüber Ein- zelmitgliedern durchzuführen;

2. das Recht und die Pflicht, die Interessen aller Mitglieder ge- genüber Staat, Politik und Ge- sellschaft wahrzunehmen.

Würde man den demokra- tisch gewählten Organen der Selbstverwaltung das Recht ab- sprechen, sich zu Fragen der Gesundheits- und Sozialpolitik zu äußern, wäre die Selbstver- waltung zum Erfüllungsgehilfen omnipotenter staatlicher Mäch- te degradiert. HC

Sieg über Pulsflattern und knak- kende Gelenke hoffen. Die

„moderne Medizin" und ihre Hoffnungsträger — wir alle — ver- breiteten den Glauben an die Machbarkeit. Der Katzenjam- mer kam in den achtzigern, als offenbar wurde, was der Fort- schritt kostete, und als uns allen dämmerte, daß trotz des Auf- wandes und trotz der unver- kennbaren Erfolge in der Be- kämpfung von Krankheit nicht alles zu reparieren ist.

Von der Krankheit als Schicksal ist heute gelegentlich wieder die Rede. Gemeint ist nicht die tatenlose Hinnahme namenlosen Unglücks, sondern die gelassene Annahme dessen, was unabänderlich ist. Der Her- zog in Frys „Venus im Licht"

geht noch einen Schritt weiter;

über allen Beschwernissen kommt er zu dem

Schluß: „Im Namen des Daseins: ich will

mich glücklich preisen." Ist eine solche Lebenshaltung wirklich so überholt? NJ

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988 (1) A-1

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