A 746 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 17|
25. April 2014 Fazit: Eine längere Trendelenburg-Lagerung für die Prostatektomie kann zu bedenklichen Spitzen des intraokularen Drucks führen. Bei einer umfassenden Augenuntersu- chung einen Monat nach der Pro- statektomie wurde kein Schaden an den Ganglienzellen der Netzhaut in der bildgebenden Diagnostik fest- gestellt. Das deutet darauf hin, dass die IOD-Anstiege keine irreversible Schädigung verursachten. Patienten
mit einem bekannten Glaukom – solche Patienten waren von der Stu- dienteilnahme ausgeschlossen – ra- ten die japanischen Kollegen wegen der Komplikationsgefahr indes von der Anwendung dieser Operations- methode ab. Dr. med. Ronald D. Gerste
Hoshikawa Y, et al.: The effect of steep Tren- delenburg positioning on intraocular pressure and visual function during robotic-assisted radical prostatectomy. Br J Ophthalmol 2014;
98: 305–8.
Bei Patienten mit akutem Nieren- versagen (ANV) hängt die Ent- scheidung für oder gegen eine Dia- lyse von vielen Faktoren ab. Bisher wurde in Studien lediglich unter- sucht, welche Effekte die Dialyse bei Patienten mit akutem Nieren- versagen in Abhängigkeit von ver- schiedenen Patientencharakteristika hat. Um jedoch den Nutzen der Dia- lyse gut beurteilen zu können, sind Vergleiche mit nichtdialysierten Pa- tienten erforderlich. Der Frage, wel- che Patienten mit akutem Nieren- versagen von einer Dialyse profitie- ren, wurde nun in einer Propensity- gematchten Studie nachgegangen.
„Die Frage nach der Indikation für eine Dialyse bei einem akuten Nierenversagen ist in der Klinik von großer Relevanz“, so Prof. Dr.
med. Mark Dominik Alscher, Ärzt- licher Direktor, Robert-Bosch- Krankenhaus GmbH, Stuttgart.
„Finden sich eindeutige Zeichen der Urämie oder Komplikationen wie etwa Hyperkaliämie, Überwäs- serung oder Perikarditis, ist dies klinisch zu beantworten. Möchte der behandelnde Arzt aber bereits zuvor den Verlauf günstig beein- flussen, wird bei der Indikations- stellung zur Dialyse immer wieder Bezug auf Laborwerte genommen“, so Alscher weiter.
Die Hypothese zu dieser großen Kohortenstudie war, dass eine Dia- lyse nicht bei allen Untergruppen von Patienten mit akutem Nieren- versagen einen günstigen Effekt auf die Sterblichkeitsrate hat. In der Propensity-gematchten Kohorte von dialysierten und nichtdialysier- ten ANV-Patienten mit akutem Nie- renversagen wurde nach Faktoren gesucht, die die Sterblichkeit mo - difizieren. Aus der Gesamtkohorte von 6 119 Patienten wurden 602 (9,8 %) innerhalb von zwei Wochen nach Diagnose des ANV dialysiert. Alle Patienten wurden im Median 263 Tage (1 bis 2 429 Tage) nachbeobachtet. In der Gesamtko- horte betrug die Sterblichkeit im Krankenhaus 27 %, nach 90 Tagen 34 % und nach einem Jahr 41 %.
Bei den dialysierten Patienten lag sie bei 64 %, 67 % und 79 %. Die Dialyse ging also hier mit einer deutlich erhöhten Mortalität einher (nicht adjustierte Hazard-Ratio [HR] von 3,42 [p = 0,001]).
In der Propensity-Score-Analyse wurden die Daten von 545 dialy- sierten Patienten mit den Daten von AKUTES NIERENVERSAGEN
Effekte der Dialyse sind von Serumkreatinin abhängig
545 nicht dialysierten Patienten ge- matcht. Dabei verschwand das durch die Dialyse erhöhte Risiko mit einer HR = 1,01 (p = 0,89). Die- ses Ergebnis deutet darauf hin, dass die erhöhte Mortalität in der Dialy- segruppe der Gesamtkohorte auf patientenbedingte Faktoren zurück- zuführen war. Als einziger Faktor, der die Assoziation zwischen Dialy- se und Mortalität beeinflusste, wur- de das Serumkreatinin identifi - ziert: Mit jedem Anstieg des Ser- umkreatinins um 1 mg/dl besserte sich der Effekt der Dialyse auf das Überleben. Wurde die Dialyse bei einer Kreatinin-Konzentration von 3,8 mg/dl und höher begonnen, war der Nutzen größer als der Schaden.
Fazit: Patienten mit ANV und ho- hen Serumkreatinin-Konzentratio- nen, die eventuell auf hohe Muskel- masse hinweisen, profitieren von einer Dialyse, während sie bei Pa- tienten mit niedrigen Serumkrea - tinin-Konzentrationen – eventuell ein Hinweis auf Gebrechlichkeit – eher nachteilige Effekte hat.
Die Ergebnisse der hier vorge- stellten Arbeit sind nach Ansicht von Alscher sehr interessant, weil sie beispielsweise für den Harnstoff keine Korrelation mit einer vermin- derten Mortalität durch Dialyse zeigte. „Allerdings fand sich ab ei- nem Kreatinin-Serumspiegel von
≥ 3,8 mg/dl ein Vorteil der Dialyse- behandlung. Der absolute Kreati- ninwert ist natürlich nicht nur von der Nierenfunktion, sondern auch von der Muskelmasse abhängig, was entsprechend gewertet werden sollte“, kommentiert Alscher.
„Trotzdem haben wir sonst wenig gute Hinweise auf die Bedeutung der Retentionswerte bei der Indika- tion für eine Nierenersatztherapie bei Patienten mit akutem Nieren- versagen, insofern helfen die Daten dieser Arbeit. Bei einem akuten Nierenversagen und einem Kreati- nin von ≥ 3,8 mg % wäre dies jetzt ein starkes Argument für den Be- ginn eines Nierenersatzes.“
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Wilson FP, et al.: Dialysis versus nondialysis in patients with AKI: a propensity-matched cohort study. Clin J Am Soc Nephrol 2014; 9:
DOI: 10.2215/CJN.07630713.
GRAFIK
Sterblichkeit bei akutem Nierenversagen mit und ohne Dialyse in Abhängigkeit vom Serumkreatinin vor Beginn der Therapie
Gestorbene Patienten (in %)
Kreatinin < 2,8 mg/dl Kreatinin 2,8 – 4,2 mg/d Kreatinin > 4,2 mg/dl
■ ohne Dialyse
■ mit Dialyse p = 0,005
modifiziert nach: Clin J Am Soc Nephrol 2014; 9: doi: 10.2215/CJN.07630713.
p = 0,05 p = 0,21