Pflanzen sch utz
Pflanzenschutz mit dem Ziel einer hohen Blattbedeckung
Beim Pflanzenschutz kommt es darauf an, die Wirkstoffe gleichmäßig zum Beispiel auf das Laub aufzubringen. Eine He- rausforderung hierbei sind Raumkulturen. Was bringt die Luft-
u
nterstützu ng
im Pflanzenschutz bei Cewächshaustomaten?
Luftu nterstützte App I i kati on
i n Gewächshaustomaten?
nhand
eines Versuchsgerätesmit Luftunterstützung konnten
For- scher in der Schweiz zeigen, dass die Applikatlonsqualität beim Pflanzenschutz im Vergleich zur herkömmlichen Lanze ver- bessert werden kann. Die Blattbedeckungs-grade auf den Blattober- und Unterseiten sowie
die Wiederflndungsrate
konnten angehoben werden.Die
Entwicklungwird
zeigen,ob
neue, luftunterstützte Ceräte für vertikal wach- sende Cemüseartendie Marktreife
er-langen werden, oder ob sich eher Nach- rüstungen bestehender vertikaler Spritz-
balken in der Zukunft
durchsetzen werden.Fungizide, lnsektizide
und
Akarizide in Cewächshaus-Raumkulturen sollen biolo- gisch wirksam, zugleich auch sparsam und anwenderfreundlich angewendet werden.Damit sind zwei eng verknüpfte Bereiche angesprochen: Erstens soll die Dosierung der Pflanzenschutzmittel den wachsenden Blattflächen sinnvoll angepasst werden.
Zweitens ist die
Pflanzenschutzmittel-brühe möglichst gut verteilt auf
diese Zielflächenzu
bringen, und Verluste auf Boden, Wändeund
Decke sind zu mini- mieren.Auf Crund
eigener Versucheund
Beob- achtungen sowiedurch
Erfahrungsaus- tauschmit
niederländischen, belgischen, italienischen und spanischen Kollegen hat sich gezeigt, dass bei der Dosierung von Pflanzenschutzmittelnin vertikal
wach- senden Cewächshausbeständen (Curken, Tomaten, Cemüsepaprika, Auberginen)Unklarheiten bestehen.
Überdies liefern
die
bisher eingesetzten Cerätenicht in
allen Bereichen befriedi- gende Resultate. lnsbesondere die Blatt- unterseiten werdenvon
den bekannten Ceräten unzureichend besprüht.Die Verteilung der Spritzbrühe in
der ganzen Laubwandist nicht
immer opti-mal,
und estreten
Verlusteauf
(Boden,Luft, Cewächshauskonstruktion),
die weiter zu minimieren sind.Versuchsgerät mit Luftu nter- stützung in Tomaten getestet
lm
Rahmen gemeinsamer Applikations- versuche der Forschungsanstalt Changins- Wädenswil ACW, Zentru m vo n Cadenazzo, und der Applikationsgruppe von Syngenta Crop Protection AC wurde das Prinzip der Luftunterstützung in Cewächshaustoma- ten erstmals untersucht.Für
den
Vergleich zweier Applikations- techniken stand ein erdelos produzierter Abbildung1:
Hors-Sol-Tomaten, Reihen-abstand
1,8 m,mittlere
Laubwand- höhe(unterstes
bisoberstes
Blatt) 2127 m, Laubwandfläche 25.1 11 m2/ha, berechnet nach: (Laubwandhöhe m
x
2x
10.000 m'?)/ Reihenabstand m.Ermittelte Blattfläche
26.27I
m2/
ha16
Abbildung
2: Applikation mit
einer Lanze, versehenmit
zwei Birchmeier- Hohlkegeldüsen(Druck
10 bar, Durch-fluss pro
Düse 1,2 I pro Minute,Arbeitsbreite
0,9 m, Gehgeschwin-digkeit circa
1,7km/h,
appliziertes Brühevolumencirca
9aOl/ha).
t
§ o
b
( c
C
uC
Gemüse
10/2012Abbildung
3: ltalienischer Prototyp
eines Versuchsgerätes zum Testen von Applikationenmit
Luftunterstützung. Vertikal- balkenmit
zehn Flachstrahldüsen IDK 12O-O2 bei4
bar und IDK120-03 bei 3 bar,Arbeitsbreite
1,8 m, Fahrgeschwindigkeit circa 3,0km/h.
Appliziertes Volumen 99Ol/ha
und 1.300l/ha
Abbildung4:
Die Düsen befanden sich neben den Luf-taustrittsöffnungen, die lcm breit und
1Scm lang waren.Maximale Geschwindigkeit des
Luftstroms
10 cm nach denLuftaustrittsöffnungen
38m/s
beivoller
Gebläseleistung. An der dem Gerät zugewandten Peripherie der Laubwand betrug diemittlere Luftstromgeschwindigkeit
12m/s,
im Zentrum der Laubwand 5m/s
(gemessen bei stehendem Gerät).Pflanzenschutz
Abbildung 5:
Düsen undLuftstrommündungstrichter waren in
Bezugzur Fahrtrichtung im
rechtenWinkel
mon-tiert, in
Bezugzur
Horizontalenjedoch
um 20 Grad nach obenangewinkelt.
Daserst für
Versuchszwecke zur Ver-fügung
stehende Gerätwies im obersten
Balkenabschnittzwei
Düsen ohneLuftunterstützung aut was
inder
Folgenachgerüstet werden
soll.Abbildung 6:
DieApplikation mit rückwärtsfahrendem
Gerät, sodass dieAnwendergefährdung minimiert
wurde.Die beiden Aggregate
für
Gebläse und Raupenantrieb erzeugen einenrecht
hohen Schallpegel, sodass nur einArbeiten mit
Gehörschutz zulässigist.
Tomatenbestand
(Hors-Sol-Anbau)
der Sorte 'Comet', veredelt auf der UnterlageMaxifort mit
lockerer Laubwand zur Yer-fügung
(Abbildung 1).Als Standardapplikationstechnik, die teil- weise in der Schweiz und vorwiegend in Italien und Spanien
im
Einsatz ist, wurdeeine Lanze mit zwei
Birchmeier-Hohl- kegeldüsen eingesetzt (Abbildung 2).Das applizierte Brühevolumen betrug
940 I / ha, was etwadem in derSchweiz häu-fig
eingesetzten Standardbrühevolumenvon 1.000 l/ha mit
einfacher Produkte-konzentration gemäß der
Cebrauchs- anweisung entsprach.Umgerechnet
auf einen Hektar
wurden 1.000 I Wasser 0,5 Liter Slick SC (Difeno-conazol) und 150 ml
Markiersubstanz (Helios SCvon
Syngenta) beigemischt.Die Applikation mit der Lanze wurde ver-
Gemüse
10/2012glichen mit jener durch ein
Versuchs- gerät, das aus einem Vertikalspritzbalkenmit
Flachstrahlinjektordüsenund Luft- unterstützung
bestand(Abbildungen
3 bis 5).Dieser
in ltalien
gebaute Prototyp eines mit Luftunterstützung arbeitenden Sprüh- gerätes fü r vertikale Cewächshausbestän- de befindet sich in der Testphase. Damit wurden 99O l/ha, also circa das Standard- brühevolumen von 1.000l/ha
appliziert"Laubwandfläche als Massstab für Dosisanpassung
ln Absprache mit der Pflanzenschutzmittel-
industrie wird zurzeit die
Laubwand- fläche/ha als Hilfsgröße für die Produktdo- sierung zugezogen, wobei es sich um ein Arbeitsmodell handelt, dasin
vertikalenBeständen in eingehenden Versuchen zu testen ist.
ln sbeson d e
re
we rden
noch
Dosis-Wirkungsversuche nötig sein.
Cemäß diesen Modells geht man davon aus, dass20.000 m2/ha Laubwandfläche der regis-
trierten vollen
Produktdosisvon
lOOoÄ entspricht.ln der
Schweiz errechnet sich diese ausder bewilligten
Anwendungskonzentra-tion
eines Produkts und 1.000 I Wasser/ha.
Fürdie im
Versuchermittelte
Laub-wandfläche von 25.111 m2/ha
ergab dies rechnerischeine
auf126%
erhöhte Produktdosis beziehungsweiseein
ein-fach
konzentriertes Brühevolumen von I .260 l/ha.Cemäß dieser
Berechnungwurde mit
dem Versuchsgerät als Vergleichsvariante zum Standardbrühevolumen ein erhöhtes17
?flanzen sch utz
Brühevolumen
von
1.300l/ha
appliziert, was annähernd den berechneten 1 .2601/ha entsprach.
Was bringt die Luftunterstüt- zung bei Raumkulturen?
Der Einsatz der fluoreszierenden Markier- substanz, die sich
in
der Spritzbrühe wieein
Pflanzenschutzmittel verhält, erlaubtedie Anlagerung der
Spritzbrühean
der Laubwandan vier
Positionenzu
analy- sieren, nämlich oben außen, oben innen (oben,im
lnnernder
Laubwand), unten außen und unten innen.Mit
dem Versuchsgerät wurden vor allem im oberen Bereich der Laubwand sowie ins- gesamtauf den
Blättern höhere Anlage- rungswerte erzielt alsmit
der Lanze (Ab-bildung 7).
DieseWerte sind
normierteWerte,
das heißt, sie sind zu Vergleichs-zwecken auf
1 glha
ausgebrachte Mar- kiersubstanzmenge umgerechnet. Beim Versuchsgerät ist bei 1.000 und 1.3OO llhadie normierte Anlagerung etwa
gleich;die absolute Anlagerung ist bei '1.300 l/ha jedoch höher, da in diesem Falle auch eine
2,5 2,0 1,5 7,0 0,5 0,0
oben innen oben aussen unten innen unten aussen
Mittelwert
Tomaten BlätterI
Luftunterstützter Vertikalbalken 1O00 l/haI
Luftunterstützter Vertikalbalken 1.300 l/haI
Lanze mit Doppeldüse 1.000 L/haLängsdrähte
oberhalb
Boden,unterhalb
Boden zwischen denPflanzreihen Pflanzreihe
PflanzreihenI
Luftunterstützter Vertikalbalken 1O00 l/haI
Luftunterstützter Vertikalbalken 1.300 l/hI
Lanze mit Doppeldüse 1O00 L/haAbbildung
7:
Zur Erfassung vonSpritzbrühetröpfchen
auf Nicht-Zielflächenwurden
1 m lange und 2cm breite Filterpapierstreifen
alskünstliche
Kollektoren invierfacher
Wiederholung auf den Boden zwischen und unterdie
Pflanzreihen gelegt, sowie über denfflanzreihen
an Längsdrähtenmontiert.
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höhere Produktmenge pro Hektar ausge- bracht wird.
Auf den
Früchten gab es zwischen den Ceräten und den Applikationsvolumen kei- ne Unterschiede in derAnlagerung. Das Ni- veau der Rückständevon
Difenoconazol (Slick SC) auf den Tomaten lag unabhän-gig
vom Applikationsverfahren und dem Brühevolumen bei etwa 10% der geltenden Markttoleranz von 0,5 mglkg.Aus Abbildung 9 wird ersichtlich, dass bei Applikation
mit
der Lanze höhere Depo-sitionen von
Markiersubstanzauf
dem Boden gemessenwurden
als bei Appll- kationmit
dem Versuchsgerät. Über den Pflanzen wurdenfür
beide fechniken sehrgeringe Depositionen
gemessen. Die- se höheren Depositionenauf
Nicht-Ziel- flächen spiegelten sich auch in einer ins- gesamt tieferen Wiederfindungsrate von 48% bei Applikation mit der Lanze wider, während beim Versuchsgenit die Wieder- findungsrate bei 60% lag.Die Wiederfindungsrate
gibt
an, welcher Prozentsatz der insgesamt ausgebrachten Spritzmittelbrühe sich auf den Zielflächen, also auf den Blättern und Früchten der zu schützenden Pflanzenart gefunden werden.lnteressant ist schließlich der Vergleich der Applikationstechniken
in
Bezugauf
den Crad der Blattbedeckung, deraufden Blatt- oberseiten und -unterseiten erzielt wurde.Wie die
Tabellezeigt, wurden mit
dem Versuchsgerätund der der
Laubwand- fläche angepassten Brühemenge, und da-mit
Produktmenge,die
höchsten Blatt- bedeckungsgrade erzielt. lnsbesondere auf der Blattunterseite wurden markant höhe- re Bedeckungsgrade erreicht, als dies mit der Lanze möglich war (vergleiche Abbil- dungen 10 bis'13).Überdies waren die Bedeckungsgrade an den verschiedenen Positionen der Laub-
wand
sowohlauf der
Blattoberseite wieEroc
=^ äE
E; E= gE
'= b{. EE
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o3,0
2,O
t,o 0,0
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18
Gemüse
10/2012Tabelle: Bedeckungsgrad in o/" der Blattoberseiten und Blatt- unterseiten an vier Positionen der Laubwand
Position in der Laubwand
Luftu
nterstützter
Luftu nterstütztervertikatbatken v".t,r."iirit"i'
Lanzemit Doppeldüser.ooo
r/ha l.äöoiÄ;
1'ooo r/haBlatt-
Blatt-oberseite
unterseiteBlatt-
Blatt-oberseite
unterseiteBlatt-
Blatt'oberseite
unterseiteoben innen 39,1 0 19,38 53,88 22,12 19,09 5,87
oben außen 42,63 18,29 57,35 3 1,45
36,26
17,66unten innen 47,51 22,47 48,7 6
20,91
56,83 8,65unten außen 42,63 19,54 E1 11 18,20
80,00
20,21Mittelwert 42,97 19,92 54,44 23,17
48,04
13,10auf der Blattunterseite ausgeglichener als bei der Lanze.
Luftunterstützung ist bei der
Applika-tion von
Pflanzenschutzmittelnim
Obst- und Weinbau lange erfolgreich lm Einsatz, in Gemüseraumkulturen bisher kaum.Die
Autoren
gehen davon aus, dass das Applizierenmit
Luftunterstützung auch in Gemüseraumkultu ren Vorteile bieten könn-te.
Unklar ist zurzeit noch,ob
dazu kom-plett
neue Ceräte entwickelt und geprüft werden müssen, und ob sich solche Ceräte im Markt durchsetzen könnten. Möglicher- weise ist auch eine Entwicklung ins Auge zu fassen, bei der bestehende, vertikale Spritz- balkengeräte durch speziell entwickelte undgeprüfte Nachbausätze aufzurüsten wären, die gezielte und regulierbare Luftunterstüt- zung bieten könnten.
Ausblick Luftunterstützung gut, ist die Technil< machbar?
Ceräteverbesserungen
durch
Luftunter-stützung sollten nicht nur eine
sichere,hohe
biologischeWirkung bei
geringen Rückständen ermöglichen, sondern auchdie bisher gefundenen,
mittelmäßigen Wiederfindungsratenweiter
nach oben verbessern.Die Anpassung der Produktdosis an die Ziel- fläche, ob über das zurzeit diskutierte Laub-
Pflanzenschutz
wandmodell oder durch eine andere Hilfs- größe,
wird
umso mehr Sinn machen, je besser das Applikationsgerät die erwähn- ten Aufgaben erfüllt.DIE AUTOREN
Dr. Jacob Rüegg, ist Diplom-Agronom mit Studium an der ETH
Zürich/ Schweiz. Seit 15 Jahren bietet er die Applikationsberatung weltweit für Privatfirmen und für diverse Hilfswerke an.
jacob.rueegg@bluewin.ch
Mauro Jermini, ist
seit
I987 als For- scher im Pflanzenschutz Obstbau und Weinbau an der Forschungsstation Agroscope Changins-
Wädenswil tätig. Seit 2006 ist er Leiter der Forschungsgruppe Pflanzenschutz südlich der Alpen und Verantwortlicher des ACW Zentrums von Cadenazzo in der Südschweiz.
mauro.jermini@acw.admin.ch
Sebastiano Scettrini, ACW Changins-Wädens- wil- Cadenazzo/ Schweiz, ist diplomierter Meister- landwirt im Gemüsebau des Agrarinstitutes von Mezzana in der Süd- schweiz. Seit I994 ist er am ACW Zentrum Cadenazzo im Gemüsebau und insbeson- dere im Versuchswesen tätig.
sebastiano.scettrini@acs.admin.ch
Ronald Wohlhauser, ist seit 1 985 bei Syngen- ta Crop Protection (und Vorgängerfirmen) in ver- schiedenen Funktionen tätig. Er leitet seit dem Jahre 2000 die global tätige Gruppe Applikationstechnologie bei Syngenta Crop Protection AG.
Stefan Wolf, ist seit 25 Jahren in Syngenta's Gruppe,,Ap- plikationstech nologie"
weltweit tätig in Obst- bau, Weinbau, Ackerbau, Gemüsebau.
Abbildung
10:
Fotografie unter UV, weiße Spritztröpfchen auf dunkelblauer Blatt-oberseite. Lanzemit
Doppeldüse, 1.000l/ha;
oben außen an der LaubwandAbbildung
11:
Fotografie unter UV-Licht, Verfahren: Vertikalbalkenmit
Luft-un- terstützung, 1.300l/ha;
Position: oben außen an der Laubwand, BlattoberseiteAbbildung 12:
Fotografieunter
UV- Licht, Verfahren: Lanzemit
Doppeldü-se,
1.000l/ha;
Position: unten innen inder
Laubwand,Blattunterseite
Gemüse
1o/zo1zAbbildung
13:
Fotografie unter UV-Licht, Verfahren: Vertikalbalkenmit
Luftun- terstützung, 1.300l/ha;
Position: unten innen in der Laubwand, Blattunterseite19