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Grohé, Micaela: Lehrerfortbildung - "Da mach man nicht mehr hingehen!"

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Academic year: 2022

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Verschiedenes - Magazin

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26/2008

Lehrerfortbildung –

„Da mach man nicht mehr hingehen!“

Wie Schooltour statt der Schulmusik sich selbst rettet

Der Name ist Programm: Jürgen Starks Auftritte sind stark. Er ist überzeugt von seinem Pro- jekt und er ist entschlossen, erfolgreich zu sein. Der Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen gerät ins Hintertreffen. Schooltour springt in die Bresche. Alle sind begeistert.

Micaela Grohé

Foto: Micaela Grohé

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Verschiedenes - Magazin

ürgen Stark kommt fünf Tage mit ca.

sieben Mitarbeitern und jeder Men- ge Technik in die Schule und spielt mit zwei Schulklassen eine Produktion durch. Die Schüler bereiten in Gruppen (Moderation, Eventmanagement, Film, Musik, Tanz) eine Präsentation vor. Sie machen alles selbst. Das Ganze kostet die Schule bzw. die Schüler keinen Cent.

Die Geldgeber sehen in diesem Projekt eine Möglichkeit, gegen Internetpirate- rie vorzugehen: Wer selbst erfahren hat, wie viel Arbeit in einer Produktion steckt, versteht eher, dass das illegale Herunterladen Diebstahl ist, der den Künstlern und Produzenten schadet.

Damit die Botschaft ankommt, wird schließlich vor der Präsentation der Er- gebnisse ein Vortrag gehalten und ein Film gezeigt, die deutlich machen, wel- chen Schaden Internetpiraterie anrich- tet. Der Chef einer Firma, die eine Handvoll Mitarbeiter damit beschäftigt, besonders krasse Fälle aufzuspüren und diese an einen Rechtsanwalt weitergibt, spricht zu den Schülern.

Wer bei der Beantwortung eines Frage- bogens am Vortag am besten abge- schnitten hat, bekommt von einem Mit- arbeiter des Verbands der Medienwirt- schaft einen Stapel CDs geschenkt. Die Logos der Anbieter, bei denen man sich gegen Bezahlung Musik herunterladen kann, werden ausgiebig gezeigt. Die Repräsentanten der Sponsoren kommen kurz auf die Bühne, finden alles super.

Ein Geschäftsmann im schicken Jackett versucht sich in „Augenhöhe“, indem er auf die Bühne stürmt und „Hallo, Fans!“ ruft. Seine Begeisterung kann sich aber nicht auf die Arbeit der Schüler beziehen, denn die sieht er gar nicht. Er ist gleich wieder weg.

Motivierte Schüler

Die teilnehmenden Schüler waren be- reit, auch an zwei Abitur-freien Tagen zu kommen und arbeiteten eine Woche gut mit. Sie werden von jungen Män- nern angeleitet, die bei aller Coolness und Lockerheit auf ihren Forderungen bestehen („Jeder kann machen, was er will, aber am Ende muss alles erledigt sein.“), Filmkameras, Laptops, Dru- cker, VIP-Anhänger, Verstärker, Mikro-

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phone allerorten – das alles motiviert die Schüler.

Außerschulische Angebote gegen Werteverlust?

Am Abend vor der Abschluss-Vorstel- lung ging ich zu einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung, zu der mich Jürgen Stark eingeladen hatte. Die Be- zeichnung 7. Musikfachtagung – Dia- log? Integration? Musik! und die Be- setzung des Podiums (eine Staatsmini- sterin für Integration, zwei Sän- ger/Dozenten, der Intendant des roc Berlinund als Moderator MdB Kampe- ter/CDU) hatten mich neugierig ge- macht.

Schooltour und eine Konzertreihe mit klassischer deutscher und türkischer Musik wurden als vorbildliche Modelle vorgestellt, um mithilfe außerschuli- scher Angebote dem Werteverlust in der Schulmusik entgegenzuwirken.

Werteverlust? Ja, Jürgen Stark fand dafür starke Belege: fehlende Musik- lehrer, kaum Instrumentalisten unter den Schülern, verstaubte Xylophone auf Schulschränken. Dass zu einer Ver- anstaltung, in der vor allem über Mu- sikunterricht an allgemein bildenden Schulen und Integration von Schülern mit Migrationshintergrund debattiert – oder eher: geredet wurde, kein einziger Lehrer, geschweige denn Musiklehrer- verbände eingeladen waren, erschien mir nach und nach sinnvoll: So konnten sich die Redner ohne störende Skrupel gegenseitig versichern, wie wichtig ih- nen die Musik (vor allem „Klassik“!) sei und in welch „Furcht erregendem Zustand der Musikunterricht“ sei (Kampeter), dass die Schule es nicht schaffe, die Kinder (in musikalischer Hinsicht?) auf das Leben vorzubereiten […] Der Höhepunkt der Selbstverge- wisserung: „[…] so ein abschreckendes Wort wie ‚Lehrerfortbildung’ – da mach man nicht mehr hingehen!“ (Stark) Immerhin dürfen die Musiklehrer - nachdem außerschulische Anbieter Ta- lente zutage gefördert, Interesse ge- weckt und bewiesen haben, dass „es“

geht – die Notenkenntnisse ihrer Schüler pflegen. Jürgen Stark meinte, die Pädagogik verhalte sich zu defen- siv, man dürfe den Jugendlichen nicht

die Pop-Musik überlassen. BeiSchool- tourkönnten die Jugendlichen „abru- fen, was ihnen gefällt“. Dass das Er- gebnis unter Umständen zu tief und völlig schief singende Schüler auf der Bühne sind, löste im Publikum spürba- re Unruhe aus.

Dass das Geld aus den Töpfen, um die sich Anbieter wie Jürgen Stark drän- geln, in der Schule sinnvoll verwendet werden könnte, liegt auf der Hand.

Aber dann würde vielleicht solchen Po- dien der Gesprächsstoff ausgehen und das wäre irgendwie schade.

Fazit: Marshmellows gegen Butterstulle

Gerade im Fach Musik ist es sinnvoll, den Schülern eine große Bandbreite an Angeboten zu machen. Mir gefiel außerdem, dass die Schüler eine Woche an einer Sache arbeiten durften, und zwar ohne 45-Minuten-Takt, dass El- tern in die Schule kamen, um die Er- gebnisse anzusehen, dass die Kollegen Interesse zeigten. Mehrere Schüler ha- ben die Zeit genutzt, um ein Instrument zu lernen. Der Film der einen Gruppe lässt sich nicht nur sehen, sondern zeigt, dass die Schüler eine Menge über das Medium gelernt haben. Viele Schüler haben geübt, andere auf einer Bühne zu interviewen.

Dass Musikunterricht generell so lang- weilig ist wie der, unter dem Jürgen Stark gelitten hat, ist erstens falsch und zweitens taugt die Behauptung nicht, um die Qualität vonSchooltourzu be- weisen. Ein Vergleich zwischen einem solchen Workshop und den 45 oder 90 Minuten Musikunterricht pro Woche, die einem Lehrer mit 30 Schülern zur Verfügung stehen, heißt Marshmellows mit Butterstulle zu vergleichen. Von Süßigkeiten kann sich niemand auf Dauer ernähren. Auch nicht, wenn man das Einwickelpapier selbst bemalt hat.

Dass handfeste wirtschaftliche Interes- sen hinter diesem Projekt stehen, über- sehen vielleicht die Schüler. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack: Viel Anre- gung und Erfolgserlebnisse für die Schüler stehen einer öffentlichen Diffa- mierung des Musikunterrichts und der Musiklehrer gegenüber. Kooperation sieht anders aus.

J

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