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Archiv "Lokal weit fortgeschrittene Tumoren im weiblichen Becken — exenterative Operationen und Rekonstruktion" (12.03.2004)

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D

as lokal weit fortgeschrittene Tu- morleiden des kleinen Beckens be- deutet für den onkologisch verant- wortlichen Arzt eine hoch komplexe the- rapeutische Herausforderung. Es existie- ren keine Standardkonzepte und Leitli- nien für die Behandlung. Betroffene Pa- tientinnen mit vergleichbaren Befund- konstellationen werden unterschiedlich- sten Therapiestrategien unterzogen. Der eingeschlagene Weg orientiert sich an der Erfahrung und dem Kenntnisstand des behandelnden Arztes. Vielfach werden die Möglichkeiten der operativen Be- handlung stark unterschätzt oder zumin- dest nicht voll ausgeschöpft. Eine konse- quente operative Schule, operatives Ge- schick sowie langjährige Erfahrung in der Onkologie sind unabdingbare Vor- aussetzungen für eine erfolgreiche The- rapieplanung in der kurativen wie auch in der palliativen Situation. Hervorra- gende Kenntnisse in der Interpretation morphologischer Befunde und eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sind zwingend erforderlich. Neben der mög- lichst radikalen (R0-) Tumorentfernung

haben bestmöglicher Funktionserhalt beziehungsweise wenn möglich, -wieder- herstellung große Bedeutung. Im Ge- gensatz zum Beispiel zum Brustkrebs werden aber bei Patientinnen nach aus- gedehnten Eingriffen im kleinen Becken rekonstruktive Operationen (unter an- derem kontinenter Blasenersatz) bisher nur selten durchgeführt.

Daten auf der Basis

randomisierter Studien fehlen

In den letzten Jahren wurden Da- ten zahlreicher Studien zur Behand- lung fortgeschrittener Primärkarzino- me im kleinen Becken publiziert. So

wird beispielsweise eindrucksvoll die größere Effektivität einer auf Cispla- tin beruhenden Radio-/Chemothera- pie bei fortgeschrittenem Cervixkarzi- nom gegenüber der alleinigen Radio- therapie belegt (25, 40, 52). Allerdings finden sich keine prospektiv gewonne- nen Daten zur Bedeutung ausgedehn- ter Operationsverfahren bei weit fort- geschrittenen Genitalkarzinomen der Frau im Vergleich zu anderen Behand- lungsformen. Hier valide Daten zu ge- nerieren, stellt eine zukünftige we- sentliche wissenschaftliche Herausfor- derung in der chirurgischen Onkolo- gie dar. Um mit statistischen Metho- den in diesen Grenzsituationen den Übergang von „experimenteller zu ge- sicherter“ Medizin zu bestimmen, ist es entscheidend, in solche Studien nur Patientinnen aus hochspezialisierten Zentren mit einem hohen operativen Standard einzuschleusen. Der Bias in der Bewertung (auch unter Zuhilfe- nahme der apparativen Diagnostik) aufgrund unterschiedlichster diagno- stischer und operativer Erfahrung wä-

Lokal weit fortgeschrittene Tumoren im weiblichen Becken — exenterative Operationen und Rekonstruktion

Björn Lampe1, Christan Stief2, Herwig Egger3, Hans-Rudolf Raab4

Zusammenfassung

Fortschritte in der modernen Tumorchirurgie können die Lebensqualität und die Prognose auch bei weit fortgeschrittenen Karzinomen des Beckens in der potenziell kurativen, aber auch in der palliativen Situation deutlich ver- bessern. Die Voraussetzungen und die heute verfügbaren operativen Möglichkeiten der Tumorresektion und der funktionellen Rekon- struktion werden beschrieben. Ausgedehnte exenterative Eingriffe kommen in erster Linie in der potenziell kurativen Situation in Be- tracht. Die Komplexität von Diagnostik und Therapie erfordert gerade bei Rezidivtumoren stets individuelle Entscheidungen. Ganz we- sentlich erscheint das interdisziplinäre Zusam- menwirken zwischen Gynäkologie, Viszeral- chirurgie und Urologie, aber auch Anästhesie, Pathologie, Strahlentherapie, internistischen

Onkologie, gegebenenfalls plastischen Chirur- gie und nicht zuletzt mit Psychologen und der Pflege, um die hochkomplizierten Behand- lungsabläufe möglichst optimal zu gestalten.

Daher sollten die betroffenen Patientinnen nach Möglichkeit in Kliniken mit großer ein- schlägiger Erfahrung behandelt werden.

Schlüsselwörter: Krebstherapie, Exenteration, Ovarialkarzinom, Cervixkarzinom Pouch, Neo- blase, Neovagina

Summary

Cancer Surgery of the Pelvis

The latest advances in Cancer Surgery of the pelvis can improve quality of life and progno- sis in curative or palliative situations. The re- cent requirements and operative techniques

for resection of the tumour and for recon- structing functional organs are presented. Ex- tended exenterative procedures are mainly first choice in a potentially curative situation.

The management of recurrence of disease should be individualised due to the complex- ity of diagnosis and therapy. Of great im- portance is the multi-disciplinary cooperation between gynaecologists, visceral surgeons and urologists including anaesthetists, patho- logists, therapeutic radiologists, oncologists, plastic surgeons and not least psychology and the nursing team, to realize these very com- plex treatment plans in the best possible way.

The affected patients should therefore be treated in highly specialised centres with suf- ficient experience.

Key words: cancer, exenteration, ovarian cancer, cervical cancer, pouch, neoblader, neovagina

1Abteilung für Frauenheilkunde (Chefarzt: Prof. Dr. med.

Bijörn Lampe), Klinikum Leverkusen gGmbH

2Klinik für Urologie (Direktor: Prof. Dr. med. Udo Jonas) der Medizinischen Hochschule Hannover

3Abteilung für Frauenheilkunde (Chefarzt: Prof. Dr. med.

Herwig Egger), Klinikum Landkreis Neumarkt, Oberpfalz

4Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie (Chef- arzt: Prof. Dr. med. Hans-Rudolf Raab), Klinikum Olden- burg gGmbH

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re ansonsten zu groß. Hinzu kommt, dass das zu untersuchende Patienten- kollektiv sehr heterogen ist. Vielfach handelt es sich um unterschiedlich sy- stemisch vorbehandelte und auch mit sehr unterschiedlicher Radikalität vor- operierte Patientinnen.

In palliativen Situationen, die aus verschiedenen Gründen chirurgische Interventionen erfordern, können Da- ten auf der Basis randomisierter Studi- en, vor allem aus ethischen Gründen nicht gewonnen werden.

Spezifische Diagnostik

Vor ausgedehnten tumorchirurgischen Eingriffen im kleinen Becken ist eine subtile Diagnostik erforderlich. Die Basis hierfür ist eine Computertomo- graphie, als Spiral- oder Mehrzeilen- CT (55) des gesamten Thorax, des Ab- domens und des Beckens. Hierdurch lässt sich nicht nur die lokale Situa- tion beurteilen, sondern auch eine Fernmetastasierung bestmöglich aus- schließen. Eine Kernspintomographie des Beckens kann ergänzende, in man- cher Hinsicht bezüglich der lokalen Verhältnisse auch genauere Informa-

tionen liefern, jedoch wird die Tumorausdehnung da- bei auch gelegentlich über- schätzt. Im Gegensatz zu den Schnittbildverfahren hat die Endosonographie gerade bei großen Tumoren nur einen begrenzten Wert. Eine abdo- minale Sonographie ist je- doch obligat. Bei Verdacht auf Blaseninfiltration ist eine präoperative Zystoskopie an- gezeigt. Die Bestimmung der Tumormarker erfolgt organ- bezogen und dient vor allem als Ausgangswert für die postoperative Nachsorge. Al- lerdings sind Werte im drei- stelligen oder gar höher drei- stelligen Bereich dringend verdächtig auf eine Fernme-

tastasierung (SCC bereits im zweistel- ligen Bereich). Wenn diese mit den konventionellen Verfahren (CT, gege- benenfalls Kernspintomographie der Leber mit leberspezifischem Kontrast- mittel) nicht nachweisbar ist, kann auch eine Positronenemmissionstomo- graphie (PET) indiziert sein (12, 50).

Außer zum Nachweis von Fernmeta- stasen hat die PET auch Bedeutung bei der Differenzierung zwischen narbi- gen und tumorösen Formationen im kleinen Becken (67).

Anwendung der Prinzipien der onkologischen Chirurgie

Unabhängig von der Vorbehandlung sind bei kurativer operativer Intention die wesentlichen Prinzipien der onkolo- gischen Chirurgie zu berücksichtigen.

Analog zu der diesbezüglich gut unter- suchten Situation beim primären Rek- tumkarzinom (19, 27, 34, 65) ist davon auszugehen, dass der Operateur in der onkologischen Beckenchirurgie prinzi- piell der bedeutendste Prognosefaktor für die Patienten ist.

Wichtig für den Erfolg einer onkolo- gischen Operation ist eine vorausschau- ende, feine und schonende, an den Ge- websschichten orientierte Präparation ohne aggressive Manipulation des Tu- morblocks. Auch bei vielfach vorope- rierten und sogar bestrahlten Patientin- nen ist für den erfahrenen Operateur

vielfach noch eine differenzierte Präpa- ration möglich.

Das grundlegende Prinzip, dem sich alle übrigen Erwägungen unterzuord- nen haben, ist die Monobloc-Resek- tion des Tumors, das heißt, es ist unter allen Umständen anzustreben, dass nur ein einziges Operationspräparat ein- schließlich des Tumors resultiert. Dies bedeutet, dass alle auch nur fraglich in- filtrierten Nachbarorgane und Nach- barstrukturen en bloc mit dem Tumor reseziert werden müssen. Die Abbil- dungen 1 und 2 zeigen solche Opera- tionspräparate eines primären Rektum- beziehungsweise Zervixkarzinoms mit organüberschreitendem Wachstum. Es ist leicht vorstellbar, welche Folgen der Versuch einer Präparation zwischen Scheide und Rektum beziehungsweise Blase und Cervix uteri gehabt hätte.

Dies kann auch sehr anschaulich an ei- nem histologischen Großflächenschnitt eines ausgedehnt in die Zervix hinein- gewachsenen Korpuskarzinoms mit Infiltration von Blase und Rektum- schleimhaut dargestellt werden (Abbil- dung 3).

Darüber hinaus sollte auch intra- operativ ein direkter, palpatorischer Tumorkontakt zum Beispiel an Stellen, an denen der Tumor in Vagina, Uterus, Blase oder Rektum eingebrochen oder exulzeriert ist, möglichst vermieden werden (No-touch-Technik). Die Ge- fahr einer intraperitonealen Tumor- aussaat mit dem Risiko von Implanta- A

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Abbildung 1: Patientin mit breit in die Vagina eingebrochenem primären Rektumkarzinom (pT4), Ansicht des monobloc resezierten Präparates von vaginal und abdoral; gut er- kennbar der vaginale Tumor und das auch zir- kumferenziell vollständig entfernte Meso- rektum

Foto:Raab

Abbildung 2: Ganzes Exenterationspräparat (Sagittal- schnitt) von Blase, Uterus/Scheide und Rektum mit einem ausgedehnten organüberschreitend in die Blase infiltrativ wachsenden Cervixkarzinom (pT4). (Abbil- dung mit freundlicher Genehmigung aus: Lampe B, Zervixcarcinom Stadium IV: Ganze Exenteration mit funktioneller chirurgischer Rekonstruktion. Frauenarzt 2002; 43: 141.)

Foto:Lampe

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tionsmetastasen, wird dadurch herab- gesetzt. Trifft man intraoperativ über- raschend auf eine fortgeschrittene Tu- morsituation im kleinen Becken, die man unter den gegebenen lokalen Um- ständen nicht optimal beherrschen kann, so ist es besser den Eingriff als Exploration, gegebenenfalls mit Sto- maanlage zu beenden und die Patien- tin später an eine Klinik mit entspre- chender Erfahrung weiter zu verwei- sen, als unter suboptimalen Bedingun- gen eine Resektion zu versuchen, die dann unter Umständen als R1- oder R2-Operation endet.

Eviszeration im kleinen Becken

Wenn es um die technische Resektabi- lität von Tumoren unterschiedlicher Provenienz im kleinen Becken geht, wird oft der Begriff der „lateralen Beckenwand“ gebraucht, als sei dies eine einheitliche, einer Wand ver- gleichbare anatomische Struktur oder Barriere. Das Studium der Anatomie lehrt jedoch das Gegenteil. Auf eng- stem Raum verlaufen im kleinen Becken unterschiedliche anatomische Strukturen in sehr verschiedenen Raumebenen. Jede Beschreibung ei- ner „Präparationsebene“ ist daher not- wendig eine Vergröberung der tatsäch- lichen Verhältnisse. Richtig ist aber, dass die Präparation je nach Tumor- ausdehnung unterschiedlich weit late- ral erfolgen kann. Die Möglichkeiten reichen bis zur vollständigen Exenter- ation des kleinen Beckens.

Bei kurativer Intention und organüberschreitendem Tumorwachstum, muss die Indikation zur vollständigen Organentfernung im kleinen Becken großzügig gestellt werden. So haben beispiels- weise bei Zervixkarzinomen mit Blaseninfiltration einge- schränkte organerhaltende operative Maßnahmen (zum Beispiel Blasenbodenteilent- fernung) zu häufigeren Rezi- diven geführt. Ursächlich ist wahrscheinlich eine ausge- dehnte intraoperativ palpa- torisch und makroskopisch nicht fassbare Lymphangiosis carci- nomatosa. Bei zentral im kleinen Becken lokalisiertem Tumorblock, der die lateralen Strukturen nicht erreicht, erfolgt die Absetzung innerhalb des kleinen Beckens, medial der ausklei- denden Beckenmuskulatur (zum Bei- spiel M. obturatorius internus, M. leva- tor ani), gegebenenfalls unter Mitnah- me eines Teils oder der gesamten Ilia- ca-interna-Gefäße. Wesentlich ist eine gute Mobilität der tumortragenden/in- filtrierten Gewebestrukturen gegenü- ber der Umgebung. Ein ausreichend freier Resektionssrand sollte in allen Ebenen unbedingt angestrebt werden.

Bei ausgewählten Patientinnen mit kompaktem Tumorwachstum und Tu- morausläufern bis an die Beckenwand, lassen sich nur unter Mitnahme der Beckenmuskulatur tumorfreie Resek- tatränder erreichen. Klinische Hin- weiszeichen für eine solche Situation sind Beinödeme, Hydronephrose und neurologisch bedingte Bein- bezie- hungsweise Beckenschmerzen. Höckel entwickelte diese Form der Exentera- tionstechnik für die gynäkologischen Malignome systematisch nach topo- graphischer Lokalisation und bezeich- nete sie als lateral erweiterte endopel- vine Exenteration (21, 22). Bei 36 Pati- entinnen konnten mit dieser Operati- onstechnik in 34 Fällen mikroskopisch freie Tumorränder erreicht werden.

Die Fünfjahresüberlebensrate lag bei 49 Prozent (21). Interessant ist, dass die histologische Aufarbeitung der Operationspräparate in allen Fällen keine Infiltration in die quergestreifte Beckenmuskulatur zeigte.

Spezielle Problematik

Primäre Rektumkarzinome überschrei- ten nur selten die Hüllfaszien nach late- ral oder kaudal. Insbesondere eine knöcherne Infiltration der Beckenkno- chen oder des Os sacrum ist eine Ra- rität. Der häufig gebrauchte Begriff der „Ausmauerung“ des Beckens führt hier genauso wie der Begriff der

„Beckenwand“ zu falschen Assoziatio- nen. Häufig wird dadurch lediglich die Tatsache verschleiert, dass der Opera- teur nicht über die notwendigen Erfah- rungen oder sonstigen Voraussetzun- gen der Beckenchirurgie verfügt. Tat- sächlich gibt es, wenn auch nur selten, zwar Primärkarzinome, die auch lokal nur R1- oder sogar nur R2-resektabel sind. Dies lässt sich aber fast nie fest- stellen, ohne so weit zu präparieren, Abbildung 3: Histologischer Großflächenschnitt von ei-

nem ganzen Exenterationspräparat bei einem Corpus- karzinom mit ausgedehntem Cervixbefall und Infiltrati- on in Blase und Rektum.

Foto:Lampe

a

b

Abbildung 4: Patientin mit lokal weit fortge- schrittenem primären Rektumkarzinom, a) mit Infiltration des Uterus, beider Adnexen und des linken Ureters (pT4); b) Wiederher- stellung der intestinalen Kontinuität mit ei- nem Kolon-J-Pouch; c) Rekonstruktion des betroffenen linken Ureterabschnittes durch eine Boari-Plastik.

c

Fotos:Raab

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dass eine Umkehr ohnehin nicht mehr möglich ist. Für primäre Rektumkarzi- nome gilt also: Es gibt sicher Patienten, die aus allgemeinen Gründen nicht für einen ausgedehnten Eingriff im Becken operabel sind, und es gibt Situationen, in denen eine Resektion nicht sinnvoll erscheint, zum Beispiel bei diffuser, die Prognose kurzfristig limitierender Fern- metastasierung.Aber es gibt keine tech- nische Irresektabilität. Vielmehr sind erweiterte Resektionen in der Regel al- lein deshalb indiziert, weil die Kompli- kationen der Belassung des Tumors, na- mentlich eine Kloakenbildung, die Le- bensqualität sehr viel gravierender ein- schränken können als die Operation.

Ungeachtet dessen kann durch eine neoadjuvante Radio-Chemotherapie, wie sie in den Richtlinien der Deut- schen Krebsgesellschaft für T4-Karzi- nome (basierend auf den Empfehlun- gen der Konsensuskonferenz der onko- logischen Arbeitsgemeinschaften der Fachgesellschaften [1]) festgelegt ist, das operative Vorgehen erleichtert und das Rezidivrisiko vermindert werden.

Bei Rektumkarzinomrezidiven stellt sich die Situation grundlegend anders dar. Hier sind durch die Voroperation die Hüllfaszien und übrigen anatomischen Barrieren mehr oder weniger zerstört und die Tumoren können sich entspre- chend ungehindert ausbreiten. Je nach Lokalisation und Größe der Rezidive er- geben sich unterschiedliche Konstellatio- nen. Die Frage der Resektabilität bezie- hungsweise R0-Resektabilität kann nur

individuell und auf der Basis der Erfah- rung des Operateurs beurteilt werden.

Das Ziel einer R0-Resektion erfordert fast immer organüberschreitende Opera- tionen, häufig im Sinne einer subtotalen oder totalen Beckenexenteration und/

oder einer Os-sacrum-Resektion. Es gel- ten die folgenden Grundregeln:

>Je weiter kaudal und je weiter me- dial der Tumorsitz, desto eher ist Resek- tabilität gegeben.

>Rezidive nach anteriorer Resek- tion sind eher resektabel als nach Rek- tumexstirpation.

>Rezidive nach Voroperationen, die entsprechend den Regeln der standardi- sierten Radikaloperation einschließlich der totalen mesorektalen Exzision (TME) durchgeführt wurden, sind meist schwieriger zu operieren und weniger wahrscheinlich R0-resektabel als Rezi- dive nach nichtradikaler Voroperation.

Der wesentliche Prognosefaktor ist die chirurgische Radikalität. Daneben hat vor allem die Frage der Lymphkno- tenbeteiligung prognostische Bedeu- tung. Wenn eine R0-Resektion des Re- zidivs möglich ist, beträgt die 5-Jahres- Prognose etwa 30 Prozent. Die Operati- onssterblichkeit liegt zwischen fünf und zehn Prozent. (49, 62, 63, 71).

Funktionelle

Rekonstruktionsmöglichkeiten

Reservoirfunktion des Rektums

Auch bei multiviszeralen Resektionen im kleinen Becken ist es nicht selten möglich, namentlich bei primären Rek- tumkarzinomen, den Sphinkterapparat zu erhalten. Bei tiefstmöglicher Durch- trennung des Rektums in Höhe der Li- nea dentata resultiert eine so genannte intersphinktere Re- sektion, das heißt die oberen Anteile des inneren Sphink- ters werden mitreseziert. Die Rekonstruktion kann dann als gerade koloanale Anastomo- se erfolgen. Die so versorgten Patienten leiden jedoch meist unter Einschränkungen der differenzierten Kontinenzlei- stungen – Stuhlfrequenz, Vor- warnperiode, Diskrimations- vermögen et cetera – vor al- lem in den ersten zwei Jahren postoperativ. Dies kann zu ei- A

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Orthotope Neoblase: a) Zur häufig angewendeten Modifikation nach Studer werden 55 cm terminales Ileum ausgeschaltet. b) Die oralen ersten 15 cm werden als tubuläre Struktur zur refluxiven Ureterimplantation am oralen Ende intakt belassen und dienen als Refluxschutz. Die distalen 40 cm werden antimesenterial inzidiert und U- oder S-förmig vernäht. c) Nun wird die entstandene Darmplatte zu einem sphärischen Gebilde konfiguriert. d) Die urethrale Anastomose erfolgt am tiefsten Punkt der dorsalen Darmplatte. (Aus: Knapstein PG, Hawinghorst-Knapstein S, Stief C: Rehabilitation as an integrative model; surgical and psychological approaches. In: Hoskins WJ, Perez CA, Young RC (eds.): Principles and practice of gynecology. Philadelphia: Lippincott 2000; 600–610; mit freundlicher Genehmigung: Lippincott)

Grafik

a b c d

Abbildung 5: Ileocoecalpouch mit Selbstkatheterisierung des Pouches durch die Neourethra im Nabel

Foto:Lampe

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nem guten Teil vermieden werden durch die Bildung eines Kolon-Pouches als Neo-Reservoir (15, 30, 31, 56, 73).

Etabliert ist heute der J-Pouch, analog dem Ileum-J-Pouch bei der rekonstruk- tiven Prokto-Kolektomie. Allerdings soll der Kolon-Pouch eine Länge von 5 bis 6 cm nicht überschreiten, um Entlee- rungsprobleme zu vermeiden. Neben der verbesserten Kontinenzsituation füllt der Kolon-Pouch das Becken sehr viel besser aus als das gerade hinunter geführte Kolon. Dies vermeidet das Hinuntergleiten von Dünn-

darmanteilen, die bei spä- terer Bestrahlung oder bei einem Rezidiv beziehungs- weise Re-Rezidiv erheblich stärker gefährdet sind als das Kolon. Abbildung 4 zeigt das Beispiel einer Pa- tientin mit fortgeschritte- nem Rektumkarzinom (Ab- bildung 4 a), multiviszera- ler aber sphinktererhalten- der Resektion und Rekon- struktion mit einem Kolon- J-Pouch (Abbildung 4 b).

Der mitresezierte linke Ur- eter wurde durch eine Boa- ri-Plastik (Abbildung 4 c) ersetzt. Die Patientin ist in- zwischen mehr als sieben Jahre rezidivfrei bei voller Kontinenz.

Alternativ zum Kolon-J-Pouch wur- den auch andere Verfahren zur Bildung eines Neo-Reservoirs beschrieben. Un- ter diesen haben der Zökum-Pouch und die Koloplastik eine gewisse Be- deutung erlangt (33, 69). Mit beiden Verfahren fehlen aber noch Erfahrun- gen in ausreichend großen Patienten- kollektiven.

Harnableitung – grundsätzliche Überlegungen

Bei operativer Entfernung von fortge- schrittenen Karzinomen des kleinen Beckens kommt es in fünf bis zehn Prozent der Fälle zu einer Operations- ausweitung auf benachbarte Struktu- ren und Organe. Diese Rate steigt auf bis zu über 50 Prozent bei Patienten mit Tumorrezidiven.

Obwohl die Idee einer kontinenten Harnableitung für den Patienten at-

traktiv scheint, müssen die Nachteile einer deutlich komplexeren Chirurgie im Vergleich zu einem nassen Stoma sorgfältig gegen die psychologischen Vorteile abgewogen werden (6, 10, 11, 20, 32, 35, 37). Dies gilt insbesondere bei vorbestrahlten Patientinnen.

Da die Lebensqualität der Patien- ten wesentlich von der Vermeidung schwerwiegender Komplikationen ab- hängt, empfehlen die Autoren bei älte- ren, vorbestrahlten Patienten oder in der Erwartung einer langdauernden

ablativen Operationsphase von deut- lich über zehn Stunden primär die Anlage eines Ileum-Conduits mit der Option der Umwandlung in eine ka- theterisierbare Ableitung nach frühe- stens drei Monaten. Wünscht eine vor- bestrahlte Patientin eine kontinente Harnableitung, sollten möglichst nicht im Strahlenfeld gelegene Darmseg- mente zur Konstruktion gewählt wer- den (70). Im Folgenden sollen die For- men der Harnableitung beschrieben werden, die zurzeit am häufigsten bei diesen Patientinnen Anwendung fin- den.

Nichtkontinente Harnableitung Trotz seiner inhärenten Nachteile stellt das Ileum-Conduit auch heute noch den Goldstandard der Harnableitung dar, obwohl die rasante Entwicklung des orthotopen Blasenersatzes oder

der kontinenten Harnableitung das Ileum-Conduit in den meisten aktiven operativen Kliniken mit entsprechen- der Erfahrung verdrängt hat (43, 23, 7).

Die relativ kurze Operationszeit (etwa 50 bis 60 Minuten im Exenterations- szenario), die geringe Länge des benötigten Darms (12 bis 15 cm termi- nales Ileum) und die geringe periope- rative Komplikationsrate (37) lassen das Ileum-Conduit insbesondere in der palliativen Situation (Vermeidung einer Kloakenbildung) und bei älteren Patientinnen als Harnablei- tung der Wahl erscheinen.

Hierbei werden die Urete- ren in das orale Ende des ausgeschalteten Ileumseg- ments implantiert, das ab- orale Ende wird als Stoma normalerweise in den rech- ten Unterbauch platziert (3).

Kontinente Harnableitung Die wesentlich erweiterten Kenntnisse der autonomen und somatischen Innerva- tion des Sphinkterappa- rates sowie wichtige chirur- gische Neuerungen haben in den letzten beiden Jahr- zehnten die weite Ver- breitung der verschiedenen Formen der kontinenten Harnablei- tung ermöglicht. So gestattet die an- timesenteriale Inzision der verwen- deten Darmsegmente mit konsekuti- ven Darmplatten die Schaffung von großvolumigen Niederdruckreservoi- ren (16, 17, 38, 53, 59, 64)

Orthotope Neoblase

Obwohl zur Konstruktion einer ortho- topen Neoblase grundsätzlich Dünn- darmanteile und/oder Dickdarman- teile verwendet werden können, hat sich die alleinige Verwendung von Dünndarm im Wesentlichen durchge- setzt (16, 17, 59, 60, 61). Hierbei wer- den etwa 55 cm terminales Ileum aus- geschaltet. Die oralen 15 cm werden als tubuläre Struktur zur Ureterim- plantation am oralen Ende intakt be- lassen und dienen als Refluxschutz.

Die aboralen 40 cm werden antime- Abbildung 6: Patientin nach ganzer Exenteration mit Präparation einer

Kolonscheide (unten rechte Bildseite) sowie operative Formierung eines J-Pouches (oben Bildmitte)

Foto:Lampe

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senterial inzidiert und U-förmig oder S-förmig vernäht. Die urethrale Ana- stomose erfolgt am tiefsten Punkt der dorsalen Darmplatte (Grafik). Die Kontinenzrate tagsüber beträgt 67 Prozent nach sechs Monaten, 75 Pro- zent nach 12 Monaten und 90 Prozent nach 48 Monaten.

Nächtliche Inkontinenz wird bei et- wa 25 Prozent der Patienten beob- achtet und erfordert eine ein- bis zwei- malige nächtliche Miktion. Eine Hy- perkontinenz mit der Notwendigkeit des intermittierenden Selbstkathete- rismus tritt insbesondere bei bis zu 25 Prozent der Frauen auf. Mögliche me- tabolische Veränderungen lassen eine lebenslange regelmäßige Kontrolle der venösen Blutgase ratsam erschei- nen (38).

Katheterisierbarer Pouch

Zahlreiche Operationsverfahren (23, 26, 45, 53, 58, 70, 72) mit unterschied- lichen Modifikationen wurden ent- wickelt.

Hier hat sich die kombinierte Ver- wendung von Dünndarm und Dick- darm in den meisten Zentren durchge- setzt, da durch dieses Vorgehen eine antirefluxive Ureterimplantation, ein gutes initiales Volumen und ein effi- zienter efferenter Verschlussmecha- nismus erreicht werden können (10, 53). Je nach Modifikation werden 30 cm terminales Ileum und 15 cm Zö- kum und Colon ascendens (oder um- gekehrt) ausgeschaltet.

Nach der antimesenterialen Inzisi- on wird dann die entstehende Darm- platte S-förmig vernäht und die Ure- teren werden in die Dickdarmhin- terwand antirefluxiv implantiert. Als efferenter Anti-Refluxmechanismus dient entweder die Appendix oder ein rekonfiguriertes 5 cm langes Ileum- segment, welches nach dem Mitroffa- noff-Prinzip eingenäht wird (39, 74).

Als externes Stoma bietet sich zumeist der Nabel an (Abbildung 5). Die Kon- tinenzrate tagsüber beträgt mehr als 80 Prozent.

Auch in der palliativen Situation, beispielsweise zur Vermeidung einer Kloakenbildung, können diese Verfah- ren zu einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität führen (29).

Scheidenrekonstruktion

Zur Scheidenrekonstruktion wurden unterschiedliche Verfahren entwickelt (5, 13, 14, 24, 36, 44, 46, 47, 51, 68, 74).

Sie teilen sich in zwei Hauptgrup- pen: Zum einen wird ein Raum zwi- schen Harnblase und Rektum geschaf- fen, der mit Haut, Spalthaut oder Pe- ritoneum ausgekleidet wird (die Aus- kleidung wird über eine Prothese in loco gehalten wird, zum Teil alleinige Dehnung über Zugvorrichtung), zum anderen wird das Scheidenrohr durch ein ausgeschaltetes Darmsegment er- setzt. Diese Operationsmethoden wer- den vor allem bei organischen Fehl- bildungen wie beispielsweise dem Mayer-Rokitansky-Küster-Syndrom be- schrieben.

In der onkologischen Situation mit zum Teil ausgedehnten Beckenboden- defekten werden Scheidenrekonstruk- tionen mit muskulokutanen Lappen

und Darminterponaten durchgeführt.

Zur Bildung einer Neovagina mit mus- kulokutanen Lappen wurden meist Einzelfalldarstellungen (18, 41, 48, 57, 66) mit aufwendigen Lappenplastiken (unter anderem bilateraler Musculus- gracilis-Lappen) publiziert. Jedoch fehlen Daten zu funktionellen und anatomischen Resultaten von größe- ren Patientenkollektiven.

Als weiches Hohlorgan mit schei- denähnlichem Wandaufbau eignet sich das gestielte Darmsegment zur Schei- denneubildung. In einigen Kliniken (7, 8, 9) wird die Technik der 180-Grad- Kolonscheide nach exenterativen Ein- griffen seit Jahren konsequent durch- geführt.

Da das neu geschaffene Kohabitati- onsorgan im Wesentlichen von einer epithelialen und muskulären Wand ge- bildet wird, ist eine sekundäre Epithe- lisierung nicht erforderlich. Durch die gute Vaskularisation ist die Gefahr ei- ner Nekrose gering und somit auch bei ausgewählten vorbestrahlten Patien- tinnen die Bildung einer Neovagina oft möglich. Die Weite von Kolon und Sig- ma ermöglicht eine gute anatomische Rekonstruktion. Eine Schrumpfungs- tendenz, wie bei vagino-perinealen Verfahren mit Epidermislappen oder mit Peritoneum ausgekleideter Neova- gina, besteht nicht. Bis auf eine auf- grund der Schleimsekretion der Darm- mukosa anfänglich notwendige regel- mäßige Reinigung der Neovagina, ist eine weitere Nachbehandlung weitge- hend überflüssig.

Wesentlich ist es, den Kolonrahmen ausreichend zu mobilisieren, um bei exenterativen Eingriffen gleichzeitig eine spannungsfreie tiefe koloana- le Anastomose durchführen zu kön- nen. Mit der Eröffnung der Bursa omentalis und der Stielung eines Netz- schwenklappens an der großen Ma- genkurvatur wird so das ganze Kolon frei verfügbar und kann aus dem Ober- und Mittelbauch in den Unter- bauch und ins kleine Becken verlagert werden (7).

Nach einfacher Durchtrennung des distalen Kolonabschnittes ohne wei- tere Präparation des Mesenteriums un- ter Erhalt der Gefäßarkaden, wird das Darmsegment an den verbliebenen Scheidenanteil angenäht. Wichtig ist es, A

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a

Abbildung 7: Große a) perineale und b) sakrale Weichteildefekthöhlen nach Operation eines Vulva- beziehungsweise Rektumkarzinom-Re- zidivs

b

Fotos:Lampe/Raab

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das ausgeschaltete Darmsegment nicht zu groß zu wählen, um einen Prolaps der Neovagina zu vermeiden und um obere Abschnitte reinigen zu können, die sonst beim Geschlechtsverkehr nicht entfaltet werden. Einzelne Pati- entinnen klagen sonst über Abgang von Schleim oder Ejakulatresten (24).

Eine Länge von 10 bis 12 cm des ausgeschalteten Darmsegments ist völ- lig ausreichend, da durch Streckung eine weitere Verlängerung zu errei- chen ist. Mit kompletter Auslösung der linken Kolonflexur ist es auch mög- lich, gleichzeitig ein Reservoir (29), beispielsweise mit einen J-Pouch, zu formieren, um so die Kontinenz bei tiefer intersphinktärer koloanaler Anastomose zu verbessern (Abbil- dung 6). Durch den Kolon-J-Pouch und die Kolonscheide wird das kleine Becken ausgefüllt und ein Hinunter- gleiten und Verkleben von Dünn- darmschlingen mit dem Beckenboden vermieden.

Funktionelle Ergebnisse von Schei- denrekonstruktionen bei Vaginalapla- sien lassen sich nicht unmittelbar auf die onkologische Situation übertra- gen. Der subjektiv empfundene Erfolg einer Scheidenneubildung bei einer Frau mit primär nicht angelegter Vagi- na wird anders ausfallen als bei einer Patientin nach Kolpektomie im Rah- men eines großen onkologischen Ein- griffs, die in der Regel schon vaginalen Verkehr hatte.

Ausführlich publizierte Langzeiter- gebnisse von einem größeren einheit- lich chirurgisch durchgeführten Verfah- ren liegen für onkologische Erkrankun- gen nicht vor. Die Daten beziehen sich meist auf ein gemischtes Patientenkol-

lektiv, das sowohl onkologische Patien- tinnen und Frauen mit primärer Va- ginalaplasie umfasst (13, 24, 42, 54).

Während diese Daten zwar gute anato- mische Ergebnisse zeigen, werden die funktionellen Resultate unterschiedlich bewertet (13, 24, 42, 54, 76). Auch wenn die anatomische Rekonstruktion der Vagina gut gelungen ist, scheint bei Pa- tientinnen nach exenterativen Eingrif- fen mit Kolpektomie die psychologi- sche Schwelle hoch zu sein, wieder vagi- nalen Verkehr aufzunehmen (24). Eine psychologische Mitbetreuung sollte an- geboten werden.

Deckung großer Weichteildefekte

Vor allem beim Vulvakarzinom und beim Rektumkarzinom stellen ausge- dehnte Rezidive nach vielfachen Vor- operationen und Bestrahlungen eine große chirurgische Herausforderung dar. Die aus onkologischen Gründen großen Umschneidungsfiguren mit wei- ten Resektaträndern führen zu teils großen Defekthöhlen (Abbildung 7 a).

Ein primärer Wundverschluss ist meist aufgrund der entstehenden Spannung der zu vereinigenden Wundränder un- möglich. Selbst wenn sich die Haut- ränder vereinigen lassen, verbleibt im Inneren ein großer Hohlraum, in dem sich regelhaft Infekte ausbilden.

Hinzu kommt, dass es sich meist um äl- tere, vielfach auch multimorbide Pati- entinnen handelt. Die Gewebsverhält- nisse sind bradytroph mit schlechter Durchblutungssituation nach vorausge- gangener Bestrahlung und Operatio- nen. Kleinere lokale Lappenplastiken

in Form von Transpositions- oder Rota- tionslappen reichen in der Regel nicht aus. Große Defekthöhlen bei Patientin- nen mit Vulvakarzinom lassen sich gut durch einen umgekehrten M.-rectus- abdominis-Lappen decken (28). Dies ist auch eine der Möglichkeiten beim aus- gedehnten Rektumkarzinom-Rezidiv.

Methode der Wahl wäre hier jedoch der Glutäus-Verschiebelappen als große lo- kale in der Regel beidseitige Lappen- plastik (Abbildung 8 a).

Wenn dies nicht möglich ist, wegen zu starker Schädigung durch vorausge- gangene Radiatio oder weil der Stamm der A. iliaca interna beidseits oberhalb des Abgangs der Glutea superior Ge- fäße abgesetzt werden musste, hat sich als hervorragende, wenngleich aufwen- digere, Alternative der freie M.-latissi- mus-dorsi-Lappen bewährt (Abbildung 8 b).

Bei einigen ausgewählten Patientin- nen konnte in der eigenen Erfahrung mit dieser operativen Methode, die in- terdisziplinär mit der plastischen Chir- urgie durchgeführt wurde, gute Re- sultate erzielt werden (2). Bei nicht vor- bestrahlten Patientinnen ist es immer möglich gewesen einen vaskulären Ge- fäßanschluss in der Leiste durchzufüh- ren. Für vorbestrahlte Patientinnen, wie beispielsweise häufig nach Analkarzi- nom, eignet sich dieses Verfahren nicht.

Palliative Situation

In der palliativen Situation ist hinsicht- lich ausgedehnter gegebenenfalls exen- terativer Chirurgie im Becken größte Zurückhaltung angezeigt. Bei fast al- len Tumorrezidiven, ausgenommen das Abbildung 8: Deckung großer Beckenbodendefekte

durch a) M. gluteus Verschiebelappen, b) freies M. latis-

simus-dorsi-Transplantat Fotos:

Raab

a

b

(8)

A

A728 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004

Ovarialkarzinom, muss derzeit eine eingetretene Fernmetastasierung als Kontraindikation angesehen werden.

Dennoch kann auch in der palliativen Situation eine größere organübergrei- fende Operation individuell gerecht- fertigt sein. Im Wesentlichen geht es darum, die Lebensqualität zu verbes- sern. Häufig führen solche Operatio- nen zu einer deutlichen Lebensverlän- gerung und ermöglichen für andere Therapieoptionen eine bessere Aus- gangssituation.

Auch bei infauster Prognose kann es segensreich sein, einer Kloakenbildung vorzubeugen oder diese operativ zu be- seitigen. Ob in diesem Fall dann auch rekonstruktive Maßnahmen durchge- führt werden, muss individuell, vor al- lem in ausführlichen Vorgesprächen mit der Patientin und den Angehörigen der Patientin entschieden werden. Die Ent- scheidungsfindung in der palliativen Si- tuation ist noch mehr als beim kurati- ven Ansatz individuell geprägt. In der Regel ist der Leidensdruck der Patien- ten ausschlaggebend. Nicht selten wird der Hinweis auf die Operationsletalität von Patienten dahingehend beantwor- tet, dass alles – Tod bei der Operation eingeschlossen – besser sei als so weiter zu leben.

Manuskript eingereicht: 19. 5. 2003, revidierte Fassung angenommen: 10. 11. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 718–728 [Heft 11]

D

ie Einführung neuer Medikamen- te, beispielsweise zur Behandlung beim Colon irretable oder der Hepatitis-B-Infektion, sowie eine Viel- zahl von neu publizierten Multicenter- studien kennzeichnen den Fortschritt in der Gastroenterologie Diese Ent- wickungen wurden auf dem gastroen- terologischen Symposium am Univer- sitätsspital Zürich diskutiert.

Lebererkrankungen

Eine US-amerikanische Erhebung führ- te zu dem Ergebnis, dass aufgrund von nichtalkoholtoxischen Fettlebe- rerkrankungen 2,8 Prozent der allge- meinen Bevölkerung erhöhte Amino- transferasewerte aufweisen. Als wich- tigster Risikofaktor stellte sich dabei das Übergewicht heraus, welches von Hyperleptinämie und Hyperinsulin- ämie begleitet ist. Bei Patienten mit ei- ner nichtalkoholtoxischen Fettleber- erkrankung wird im Vergleich zu ge- sunden Kontrollpersonen häufiger ei- ne Insulinresistenz gefunden, was auf eine pathogenetische Bedeutung die- ser metabolischen Störung hinweist.

In einer offenen Pilotstudie mit Rosig- litazon verbesserte sich bei Patienten mit einer nichtalkoholtoxischen Fett- lebererkrankung die Insulinresistenz, und es wurden die Serumwerte der Aminotransferase gesenkt. Dies ging mit einer Verbesserung der Leberhi- stologie einher.

Das neue Nukleosidanalogon Ade- fovir führte in einer randomisierten Multicenterstudie bei chronischen He- patitis-B-Patienten zu einer signifikan- ten Verbesserung des histologischen Befundes im Vergleich zu einem Pla- cebo sowie zu einer vollständigen Viruselimination. Im Verlauf der Stu-

die trat keine Resistenzmutation im HBV-DNA-Polymerase-Gen auf. Wäh- rend für die Behandlung mit der nied- rigen Dosierung von Adefovir ein ähn- liches Verträglichkeitsprofil wie für ein Placebo gefunden wurde, traten bei höherer Dosierung von Adefovir häu- figer Nebenwirkungen, insbesondere Nierenfunktionsstörungen, auf.

Um die Progression von Varizen bei Patienten mit Leberzirrhose zu ermit- teln, sollte eine Kontrollendoskopie bei Patienten ohne Varizen nach drei Jahren und bei Patienten mit kleinen Varizen bereits nach einem Jahr durch- geführt werden. Dies ist das Ergebnis einer prospektiven Studie. Bei Zirrho- tikern mit einem akuten Leberversa- gen führte das Leberersatzverfahren

„molecular adsorbent recirculating sy- stem“ (MARS) in Kombination mit ei- ner Standardtherapie im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie nach 30 Tagen zu einer signifikant höheren Überlebensrate. Allerdings waren die Fallzahlen in dieser Studie sehr klein, und der Unterschied zwischen den bei- den Gruppen war nach sechs Monaten nicht mehr ersichtlich.

Akute und chronische Pankreatitis

Die seit langer Zeit bestehenden Be- denken, dass eine frühzeitige enterale Ernährung bei Patienten mit einer akuten Pankreatitis zu einer Verstär- kung der Erkrankung führen könnte, wurden durch die Resultate einer neu- en Studie widerlegt. So musste die na- sojejunale Ernährung bei den Studien- teilnehmern, bei denen sich nach einer anfänglichen 48-stündigen Fastenperi- ode die akute Pankreatitis nicht ge- bessert hatte, während einer signifi-

Kongressbericht

Neuentwicklungen in der Gastroenterologie

Christoph Beglinger, Thomas Rösch, Eberhard L. Renner, Rainer Schöfl, Peter Bauerfeind, Werner Schwizer, Hans-Peter Wirth, Michael Fried

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1104 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Björn Lampe Klinikum Leverkusen gGmbH Dhünnberg 60

51373 Leverkusen

E-Mail: lampe@Klinikum-lev.de

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