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ie drei Jahre währende Baisse an den Aktien- märkten von März 2000 bis März 2003 hat in vielerlei Hinsicht zu einem Umden- ken geführt. Als ausgemach- te Sache galt es jahrzehnte- lang, dass Aktien die Anlei- hen langfristig in der Wertent- wicklung schlagen. Damit hat die Fondsbranche geworben, vor allem als Kontrastpro- gramm zu Lebensversiche- rungen, die fast ausschließlich in Anleihen investieren.Aber nach den drama- tischsten Kurseinbrüchen, die die Aktienbörsen seit dem Zweiten Weltkrieg erlebten, hat sich diese Relation umge- kehrt. Ein Anleger, der in den letzen zehn Jahren monat- lich 50 Euro in einen durch- schnittlichen deutschen Ak- tienfonds investierte, kann heute über eine Sparsumme von 6 429 Euro verfügen.
Derselbe monatliche Sparbe- trag in einen durchschnitt- lichen europäischen Renten- fonds investiert, brachte ei- nen Betrag von 7 599 Euro.
Die jährliche Rendite des Ak- tienfondssparplans betrug 1,4 Prozent, des Rentenfonds- sparplans 4,6 Prozent.
Langer Atem lohnt sich Zum Geldanlegen gehören vier „G“, hat der verstorbene Börsen-Philosoph André Ko- stolany immer wieder betont:
Gedanken, Geld, Glück und nicht zuletzt Geduld. Bei sehr langen Perioden gilt die alte Erfahrung, dass Aktienfonds eine überlegene Rendite brin- gen, immer noch: Wer die Ge- duld aufbrachte und 30 Jahre Monat für Monat umgerech- net 50 Euro in einen Aktien- fondssparplan steckte, erzielte eine Rendite von 7,7 Prozent (Endsumme: 67 420 Euro), mit einem Rentenfondssparplan 6,6 Prozent (54 619 Euro).
Den Lebensversicherun- gen, die in den letzten Jahren nicht gerade mit Erfolgsmel- dungen aufwarten können, kommen die jüngsten Zehn- jahreszahlen für Fondssparplä- ne gerade recht. Sie können auf eine Verzinsung der Kapi- talanlagen von jährlich 6,62
Prozent in den letzten zehn Jahren verweisen, erzielten al- so 5,2 Prozentpunkte mehr als die Aktienfonds und zwei Pro- zent mehr als die Rentenfonds – also Balsam auf die Wunden vieler Versicherungsnehmer, die in den letzten Jahren deut- liche Rückgänge der Über- schussbeteiligungen hinneh- men mussten.
Aber bei den Zahlen der Versicherungen ist zu berück- sichtigen: Die Zinsen, die die Lebensversicherungen aus- weisen, wurden nicht auf die Prämien erzielt, die der Versi- cherungsnehmer eingezahlt hat, sondern auf die reinen Kapitalanlagen. In den Prä- mien stecken aber auch Ko- sten für die Verwaltung, den Vertrieb und nicht zuletzt für den Todesausfallschutz der Hinterbliebenen.
Als der große Vorteil der Aktienfondssparpläne wurde immer (und in der Vergan- genheit durchaus zu Recht) der Cost-Average-Effekt her- ausgestellt. Rein rechnerisch lässt sich nachweisen, dass bei der regelmäßigen monatli- chen Anlage eines bestimm- ten Geldbetrags der durch- schnittliche Einstiegspreis un- ter dem Durchschnittspreis liegt. Notieren die Anteile zu den jeweiligen Einstiegszeit- punkten bei zehn, 20 und 25 Euro, können mit 50 Euro je- weils fünf, 2,5 und zwei Antei- le gekauft werden, insgesamt also 9,5 Anteile mit 150 Euro.
Diese 9,5 Anteile kosten den Anleger im Durchschnitt 15,78 Euro, während der Durch- schnittskurs dieser drei Ein- stiegszeitpunkte bei 16,6 Eu- ro liegt.
Doch jetzt, in der dreijähri- gen Baisse, hat sich dieser Cost- Average-Effekt umgekehrt.
Der Cost-Average-Effekt zeigt nur – wie in obigem Beispiel – seine segensreiche Wirkung, wenn man von per saldo stei- genden Kursen ausgeht. Dann werden Phasen zeitweise fal- lender Kurse durch die nach- folgenden Kursgewinne über- kompensiert. Heute steht der deutsche Aktienindex bei et- was über 3 800. Viele Anleger sind über diesem Indexstand in Aktien eingestiegen.
Zum Cost-Average-Effekt Von Juli 1997, als der DAX erstmals über 3 800 stieg, bis Juni 2002 hielt sich der DAX zeitweise deutlich (er kletter- te über 8 000) Monat für Mo- nat über dem heutigen Kurs- niveau, das heißt, der Anleger kaufte zu Kursen, die erheb- lich über den heutigen Kur- sen liegen. Es trat ein negati- ver Cost-Average-Effekt ein.
Bei der langfristigen Be- trachtung über 30 Jahre hat sich der Cost-Average-Effekt dagegen positiv ausgewirkt.
Denn ein Anleger, der mit sei- nem Sparplan im Jahr 1977 begonnen hatte, konnte noch bei einem DAX-Stand von unter 300 einsteigen. Bis De- zember 1982 konnte er noch unter einem DAX-Stand von 500 kaufen und bis Mai 1985 unter 1 000.
Allerdings hat der Kursein- bruch von März 2000 bis März 2003 auch in der Rechnung der Langfristsparer erhebli-
che Spuren hinterlassen. Ende 1999, also kurz vor dem Hö- hepunkt der Aktieneuphorie, stand am Ende einer 30-jähri- gen Sparphase (ebenfalls mit monatlichen Sparraten von 50 Euro) ein Betrag von 171 245 Euro (Durchschnitt der Ak- tienfonds mit Anlageschwer- punkt Deutschland). Heute sind es nach 30 Jahren wie er- wähnt nur 67 420 Euro, mehr als 100 000 Euro weniger.
Hier zeigt sich ein anderer Effekt, auf den freilich immer hingewiesen wurde. Nach lan- gen Ansparzeiten wird das im Fonds investierte Vermögen im Verhältnis zu den monat- lich hinzukommenden klei- nen Sparbeträgen immer grö- ßer. Im Klartext: Der Betrag, der dem Risiko eines Kurs- einbruchs ausgesetzt ist, also im Feuer steht, wird in Rela- tion zu den kleinen monatli- chen Anlagebeträgen immer höher. Nach langen Sparzei- ten, vor allem für die Alters- vorsorge, sollten Teile des an- gesammelten Vermögens des- halb regelmäßig in weniger volatile Anlagen wie Renten- fonds oder offene Immobili- enfonds getauscht werden.
Allgemein ging man davon aus, dass die Umschichtung in weniger kursanfällige Anlage- formen spätestens fünf Jahre vor Beginn der Verzehrphase (also dem Eintritt in die Ren- te) begonnen und spätestens drei Jahre vor diesem Zeit- punkt abgeschlossen sein soll- te. Wer 2004 in Rente gehen will, hätte also in den Jahren 1999 bis 2001 sein in Aktien- fonds angespartes Vermögen sichern sollen. Dann hätte er immerhin noch einen guten Teil seiner Kursgewinne reali- siert. Er hätte bei Indexstän- den zwischen 4 300 und 7 599 verkauft. Aber die Ratenspa- rer haben dies ebenso wenig getan wie die meisten Einmal- anleger. Armin Löwe V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 142. April 2004 AA955