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Archiv "Big Brother" (15.11.2002)

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es in diesem Bereich noch Lücken“, sagte Throm. Je nach Indikation hätten nur etwa 40 bis 80 Prozent der bei Kin- dern angewandten Arzneimittel eine formale Zulassung. Der VFA hat des- halb ein Positionspapier „Verbesserung der Arzneimittelsituation bei Kindern“

entwickelt. Neue Ideen sind beispiels- weise die Einrichtung einer Leit-Ethik- kommission für pädiatrische Studien und die Erstellung einer Bedarfsliste über den größten medizinischen Bedarf sowie den Aufbau von Netzwerken, den so genannten pädiatrischen Modulen.

Einige der vom VFA vorgeschlagenen Maßnahmen werden inzwischen schon umgesetzt. Dazu zählten nach Angaben von Throm die Verbesserung der Infra- struktur für klinische Prüfungen mit Kin- dern. „An den Koordinierungsszentren für Klinische Studien (KKS) der Unikli- niken in Mainz, Heidelberg, Freiburg, Leipzig, Köln und Münster gibt es solche pädiatrischen Module, die als pädiatri- sches Netzwerk (PAED-Net) zusam- menarbeiten“, erklärte er. Das Bundes- forschungsministerium unterstütze seit Oktober diese Netzwerke, sagte Throm.

„Direkt an den Zentren arbeiten ein Päd- iater und eine Studienassistentin eng mit den Kinderärzten der Kinderklinik und dem Pflegepersonal zusammen“, be- richtete Dr. med. Franziska Schaaff. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Koordinierungszentrale des Pädiatri- schen Netzwerks, die am KKS in Mainz angesiedelt ist. Zurzeit läuft dort eine Impfstudie mit 300 Kindern und Jugend- lichen.

„Die Zusammenarbeit zwischen den Klinik-Kinderärzten und den Pädiatern des Netzwerkes klappt gut“, sagte Schaaff. Das Netzwerk fördert auch die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Pädiatern und Kinderkliniken in der Umgebung der Modulstandorte. „Für die Impfstudien haben wir bundesweit ein Netzwerk mit etwa 80 Kinderärzten aufgebaut“, berichtete Prof. Dr. med.

Fred Zepp, Direktor der Kinderklinik Mainz und Leiter des pädiatrischen Moduls sowie der KKS Mainz. Seit über zehn Jahren werden nach Angaben von Zepp in Mainz Impfstudien mit Kin- dern vollzogen. Für wünschenswert hält er das Ziel, bundesweit an allen zwölf KKS-Standorten pädiatrische Netz- werke aufzubauen. Susanne Lenze

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4615. November 2002 AA3069

W

ir schreiben das Jahr drei des Zeitalters der Disease-Management- Programme. Ich trete meinen Dienst als Ambulanzarzt an. Auf mei- nem Schreibtisch steht ein PC, mit dem ich vor dieser Zeitrechnung nur eine unidirektionale Beziehung pflegte. Damit ist es vorbei. Jetzt hockt, einem Zyklopenauge gleich, die Web-Kamera des Disease Managers über dem Bildschirm und überwacht streng meine mittlerweile schon fahrig ge- wordenen Bewegungen. Morgens, zur Stichzeit, wenn ich den PC anschalte, versuche ich mich damit zu trösten, dass die Kontrolleure selbst aasgeierartige Kameras auf ihren Computern hocken haben und auch neurotisch werden.

Nur ich scheine der letzte Wurm an dieser unendlich langen, von Computern und Kameras gesäumten Leine zu sein. Ich habe leider niemanden, den ich kontrollieren kann.

Aber es gibt sie dennoch, die Hoffnung. Als erster Patient tritt Herr Listig ein, mit dem ich schon unzählige, zum Teil sehr erfolgreiche „Behandlungen“

absolviert habe. Er begrüßt mich freundlich und berichtet umgehend, dass er einen heftigen Druckschmerz über der linken Brust verspüre. Ich frage ganz

besorgt: „Länger anhaltend, in Ruhe auftretend?“ Deutliches Nicken. Ich klicke die entsprechenden Buttons auf dem virtuellen Anamnesebogen im PC an; damit kommt Herr Listig ins Fadenkreuz der evidenzbasierten Not- fallmedizin. „Vorbekannte koronare Herzerkrankung?“ rufe ich und werde mit einem heftigen Nicken unterstützt. Schon ist der entscheidende Button versenkt. „Risikofaktoren!“ Ich blättere seine persönliche Datei auf und werde mit vier von diesen evidenzbasierten Lieblingen belohnt, die alle Herrn Listig gehören. Gebannt beobachten wir beide auf dem Bildschirm, was uns der Disease Manager heute an Entscheidungshilfe zu bieten hat. Als das Icon „Notarztwagen!“ rot aufleuchtet, klatschen wir uns in die Hände wie Sieger einer Footballmannschaft. Herr Listig bedankt sich höflich, nimmt sein Angelzeug und eilt hinaus, um vor der Ambulanz vom Notarztwagen aufgelesen zu werden.

Ich gebe zu, manchmal habe ich ein rabenschwarzes Gewissen. Ich weiß, dass Herr Listig immer wieder Rückenschmerzen hat, die in die Herzre- gion ausstrahlen. Weil er mitunter zu lange am Angelteich hockt, der sich neben dem Notfallkrankenhaus befindet. Aber einmal im Monat brauche ich das, um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Dieses Gefühl, dass am an- deren Ende der Web-Kamera mein persönlicher Kontrolleur sich grün und blau ärgert und auch der, der den persönlichen Kontrolleur kontrolliert und so weiter und so weiter. Aber die können gar nichts machen. Herr Listig hat nun einmal öfter Rückenschmerzen und vier Risikofaktoren; und er geht gerne angeln, aber es ist so elend weit bis zum Angelteich, dafür nimmt er halt den Notarztwagen. Und ich ärgere gerne die Web-Kamera.

Ach übrigens, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie mich jetzt erpressen können: Ich lade Sie höchstens zu einem Glas Mineralwasser ein. Denn auf die Anzeige, die für meine Stelle ausgeschrieben war, als ich mal länger krank war, hat sich nur einer gemeldet.

Und das war Herr Listig.

Aber der hat keine Approbation. Dr. med. Thomas Böhmeke

Big Brother

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