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Archiv "Hyperbilirubinämie" (18.06.1982)

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(1)

LEITSYMPTOME:

Hyperbilirubinämie

Wolfgang Dölle

Aus der Medizinischen Klinik, Abteilung Innere Medizin I (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Wolfgang Dölle) der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Bilirubinstoffwechsel: Bilirubin ent- steht vorwiegend aus der Hämkom- ponente des Hämoglobins reifer Ery- throzyten. Ein unterschiedlich gro- ßer Teil des zirkulierenden Bilirubins stammt aus anderen Quellen, zur Hälfte aus einer sogenannten "inef- fektiven Erythropoese" im Knochen- mark, zum Teil aus Hämfermenten mit kurzer Halbwertszeit und hohem Umsatz (vorwiegend hepatisches Cytoohrom P. 450). Unter krankhaf- ten Bedingungen, zum Beispiel bei perniziöser Anämie, Porphyrie oder nach starken Blutverlusten, kann diese Fraktion bis zu 80 Prozent des zirkulierenden Bilirubins betragen.

Die normale Bilirubinkonzentration im Serum beträgt 0,5 bis 1,0 mg%

(8,55- 17,1 0 llmol/1). Dieses Bilirubin gibt die sogenannte indirekte Diazo- reaktion. Bis 0,2 mg% (3,4 11mol/l) kann allerdings auch beim Gesun- den direkt reagieren.

Aus den Bildungsstätten Knochen- mark, Milz und retikuloendotheliales System (RES) gelangt das Bilirubin auf dem Blutweg gebunden an Al- bumin zur Leber. Dort wird es vom Albumin abgehängt und durch die Leberzellmembran aufgenommen.

ln der Leberzelle erfolgt eine Bin- dung an Proteine, vor allem an "Li- gandin". ln der Zelle wird das Biliru- bin mit Hilfe der Glucuronyl-Transfe- rase (n) mit Glucuron-Säure konju- giert. Dadurch wird es wasserlöslich und harnfähig. Das konjugierte BUi-

rubin reagiert mit dem Diazonium- salz der Sulfanylsäure schnell (soge- nannte direkte Diazoreaktion). Das konjugierte Bilirubin wird von der Leberzelle in die sogenannten Galle- kapillaren ausgeschieden. Mit der Galle passiert das Bilirubin das Gal- lenwegsystem und gelangt in den Darm. Ein Abbau (in Gallenblase und Darm) und eine etwaige Rückre- sorption (enterohepatischer Kreis- lauf) sind normalerweise unbedeu- tend. Das Bilirubin unterliegt im Darm einer bakteriellen Umwand- lung. Aus dem Darm rückresorbier- tes Urobilinegen wird in kleinen Mengen im Urin ausgeschieden (po- sitive Urobilinegen-Reaktion beim Erwärmen).

Bakterielle Abbauprodukte des Bili- rubins, unter anderen Sterkobilin, sind für die Färbung des Stuhles ver- antwortlich. Bei Abnahme oder Feh- len von Bilirubin in der Galle oder Behinderung des Gallenflusses kommt es zur Hellerfärbung oder Entfärbung des Stuhles. Grundsätz- lich kann eine Hyperbilirubinämie durch fünf Mechanismen entstehen, die auch in Kombination wirksam werden können (Darstellung):

0

Vermehrtes Bilirubinangebot an die Zelle,

8

Störung der Aufnahme und des Transportes von Bilirubin in die Le- berzelle,

Hyperbilirubinämie ist ein Leitsymptom. das durch min- destens fünf verschiedene pa- thogenetische Mechanismen entstehen kann. Ihm können genetisch bedingte oder er- worbene Krankheiten zugrun- de liegen. Wichtig ist vor al- lem die Unterscheidung in di- rekte und indirekte Hyperbili- rubinämie sowie die Erken- nung jener Ursachen der direk- ten Hyperbilirubinämie, die auf jeden Fall einer chirurgi- schen Behandlung bedürfen.

f) Störung der Konjugation des Bi- lirubins in den Mikrosomen der Le- berzelle,

8

Störung der Ausscheidung von konjugiertem Bilirubin aus der Le- berzelle in die sogenannten Galleka- pillaren,

8

Intra- oder extrahepatische Cholestase durch Faktoren, die von den sogenannten Gallekapillaren bis zur Papilla duodeni major abwärts wirksam sein können.

Hyperbilirubinämie

Differentialdiagnose der Hyperbiliru- binämie: ln der Regel geht es für den Arzt bei einer Hyperbilirubinämie um die Differentialdiagnose des Sym- ptoms Gelbsucht. Seltener präsen- tiert sich die Hyperbilirubinämie le- diglich als abnormer Laborwert (er- höhtes Serumbilirubin und/oder Bili- rubinurie). Bei den differentialdia- gnostischen Überlegungen hat es sich bewährt, einem bestimmten Schema zu folgen. Danach lautet die erste Frage:

~ Liegt eine Vermehrung des direk- ten, konjugierten oder des indirek- ten, unkonjugierten Bilirubins vor?

Bei deutlicher Gelbsucht ist als Fol- ge einer direkten Hyperbilirubinämie eine Bilirubinämie, also dunkler, Ausgabe NB DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 24 vom 18. Juni 1982 45

(2)

Darstellung: Die fünf Mechanismen der Hyperbilirubinämie bierbrauner Harn zu erwarten. Häu-

fig ist der Stuhl entfärbt oder zumin- dest heller als normal, ohne daß dar- aus jedoch ohne weiteres auf eine Cholostase als führender pathoge- netischer Mechanismus geschlos- sen werden darf.

Unkonjugierte Hyperbilirubinämie:

Bei indirekter Hyperbilirubinämie ist der Stuhl eher dunkler als normal infolge vermehrt anfallenden Biliru- bins in der Galle (Pleiochromie der Galle, eventuell mit Gallensteinbil- dung bei chronischer Hämolyse). Bi- lirubin im Harn fehlt. Der Harn kann aber dennoch dunkler als normal sein, wenn infolge von Hämolyse ei- ne Hämoglobinurie auftritt.

Der Harn ist dann rot gefärbt; es ergibt sich die Differentialdiagnose zu einer Hämaturie (Nachweis von Erythrozyten im Sediment), einer Myoglobinurie, einer Porphyrie oder einer Harnverfärbung durch Medika- mente oder ihre Metaboliten.

Voraussetzung für das Auftreten ei- ner Hämoglobinurie ist das Vorhan- densein von freiem Hämoglobin im Blut. Dazu kommt es bei so ausge- prägter Hämolyse, daß die Bin- dungsfähigkeit der Serumproteine Hämopexin und Haptoglobin für Hä- moglobin nicht ausreicht, um die Entstehung freien ungebundenen Hämoglobins zu verhindern.

Beim Morbus Gilbert handelt es sich um eine pathogenetisch heterogene Gruppe mit verschiedenen Störun- gen, einschließlich einer okkulten Hämolyse, Überproduktion von Bili- rubin aus anderen Quellen, reduzier- ter hepatischer Clearance oder einer Kombination mit diesen verschiede- nen Mechanismen.

Eine Gruppe der Patienten weist ei- ne Einschränkung der Glucuronid- Bildung in der Leberzelle auf, weiter wird eine Störung der Aufnahme von Bilirubin aus dem Blut in die Leber- zelle beziehungsweise eine Störung der Fixierung oder Bindung in der Zelle diskutiert.

Eine zweite Gruppe hat eine kom- pensierte Hämolyse mit normalem peripheren Blutbild, Hämoglobin und in der Regel auch normaler Re- ti ku lozytenzahl.

Die Erythrozytenlebenszeit ist je- doch leicht vermindert, und die Uro- bilinkörperausscheidung im Stuhl liegt an der oberen Grenze der Norm oder ist etwas erhöht.

Eine kleine dritte Gruppe weist ei- nen deutlichen, aber nur partiellen Die wichtigsten Untersuchungsbe- tischen Anämien genetisch bedingt funde zum Nachweis einer Hämoly- (zum Beispiel der kongenitale hämo-

se sind: lytische Ikterus, Kugelzellanämie).

Steht eine Hämolyse nicht im Vor-

• Erhöhung des indirekten un- dergrund einer indirekten unkonju- konjugierten Bilirubins im Serum. gierten Hyperbilirubinämie, so kom- men folgende genetisch bedingte e Erhöhung der Retikulozyten Krankheitsbilder in Frage:

und des Serumeisens sowie Steige-

rung der Erythropoese im Knochen- Q Morbus Gilbert mark.

Crigler-Najjar-Syndrom.

(f)

Nachweis einer Anämie. Diese

kann bei sogenannter „kompensier-

®

Primäre Shunt-Hyperbilirubin- ter Hämolyse" fehlen. Eventuell sind ämie

charakteristische morphologische

Befunde an den Erythrozyten wie (I) Lucey-Driscoll-Syndrom zum Beispiel Schießscheibenzellen,

Sichelzellbildung, Fragmentozyten Darüber hinaus gibt es noch eine oder auch der elektrophoretische Fehe von Faktoren, die eine Nachweis einer Hämoglobinopathie, Hyperbilirubinämie mit unkonjugier- zum Beispiel von Hämoglobin, F bei tem Bilirubin beeinflussen können der Thalassämie, sowie Änderungen (Tabelle 1).

der osmotischen oder mechani- schen Resistenz der Erythrozyten

nachweisbar. Morbus Gilbert

(3

Nachweis einer verkürzten Le- benszeit der Erythrozyten.

Bei nicht korpuskulär (erythro- zytär) bedingter Hämolyse kommt dem Nachweis von antierythrozytä- ren Antikörpern (Coombs-Test) dia- gnostische Bedeutung zu.

Bis auf die Marchiafava-Anämie sind alle korpuskulär bedingten hämoly-

46 Heft 24 vom 18. Juni 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(3)

Hunger Anstrengung Operationen Sepsis Alkohol Arzneimittel:

Flavispidin-Säure Gallen-Kontrastmittel Orale Kontrazeptiva Östrogene

Schwangerschaft

Arzneimittel:

Cortison Sulfonamide Phenobarbital Cholestyramin Blaues oder UV-Licht Austauschtransfusion

Tabelle 1: Faktoren, die eine Hyperbilirubinämie mit unkonjugiertem Bilirubin beein- flussen können

Mangel an Glucuronyl-Transferase- Aktivität auf. Hier kommt es häufig zum Ansteigen der Serumbilirubin- werte auf über 10 mg% (170, 10 Ilmo1/1). Diese Form wird auch „Crig- ler-Najjar-Syndrom des Erwachse- nen" genannt. Angenommen wird eine dominant-autosomale Verer- bung mit inkompletter Penetranz.

Das Krankheitsbild zeigt sich da- durch, daß meist im Adoleszenten- oder erst im Erwachsenenalter eine Hyperbilirubinämie entdeckt wird, die schubweise auftritt. Beschwer- den können völlig fehlen. Oft klagen die Patienten jedoch über Ermüd- barkeit, Völlegefühl, Druckempfind- lichkeit der Leber, Verstopfung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Depres- sionen, Reizbarkeit und weitere ve- getative Symptome. Ein Schub kann durch körperliche Anstrengung, In- fekte, psychische Faktoren, Alkohol- genuß, Hunger oder Menstruation ausgelöst werden. Leber und Milz sind nicht vergrößert.

Bei den Laboratoriumsuntersuchun- gen findet sich eine Erhöhung fast ausschließlich des indirekten Biliru- bins, meist zwischen 1 bis 6 mg%

(17,10 — 102,62 il,mol/1). Im Harn wird kein Bilirubin ausgeschieden. Die Bromsulfalein-Clearance ist bei 30 Prozent der Patienten reduziert. Im Gegensatz dazu findet sich eine nor- male Verschwinderrate von Indocy- anin-Grün. Hunger steigert die totale Bilirubinproduktion beim Morbus Gilbert wie beim Gesunden. Bei ei- ner Beschränkung der Kalorienzu- fuhr auf 400/Tag für 3 Tage kommt es zu einem signifikanten Anstei- gen des unkonjugierten Bilirubins, das bei Patienten mit Gilbertscher Krankheit signifikant höher ist als bei Gesunden. Ein Ansteigen von 100 Prozent oder mehr über den Kontrollwert legt die Diagnose einer Gilbertschen Krankheit nahe. Eine Therapie ist unnötig. Wichtig ist die Unterrichtung des Patienten über die Harmlosigkeit der Gelbsucht.

Crigler-Najjar-Syndrom

Beim Crigler-Najjar-Syndrom han- delt es sich um eine rasch nach der

Geburt einsetzende Gelbsucht mit den neurologischen Symptomen ei- nes Kernikterus. Die Erkrankung wird autosomalrezessiv vererbt und ist sehr selten. Die Kinder sterben innerhalb von Wochen oder Mona- ten, überlebende Kinder zeigen De- bilität.

Das Serumbilirubin steigt bis auf Werte über 40 mg% (684,14 gno1/1) an, später stabilisiert es sich um 20 mg%. Es handelt sich zu 90 Prozent um indirektes, unkonjugiertes Biliru- bin. Die Therapie besteht in Aus- tauschtransfusionen in der Neuge- borenenperiode zur Verhütung der Entstehung des Kernikterus.

Primäre Shunt-Hyperbilirubinämie Bei der Primären Shunt-Hyperbiliru- binämie handelt es sich um eine wechselnde Gelbsucht mit indirek- ter Hyperbilirubinämie als Folge ge- steigerter Bilirubinbildung im Kno- chenmark, die mit der Pubertät, sel- ten einmal früher eintritt. Die Verer- bungsweise ist unbekannt, die Stö- rung ist sehr selten.

Lucey-Driscoll-Syndrom

Beim Lucey-Driscoll-Syndrom han- delt es sich um eine intensive, aber vorübergehende, indirekte Hyperbi- lirubinämie bei Neugeborenen. Eine

vererbte Störung bei der Mutter wird diskutiert. Das Krankheitsbild ist sehr selten. Einige Kinder sterben am Kernikterus. Auch hier kommt eine Austauschtransfusion bei Ge- fahr des Kernikterus in Frage.

Konjugierte Hyperbilirubinämie Bei einer konjugierten Hyperbili- rubinämie ist die wichtigste Frage, ob es sich um einen „internisti- schen" oder „chirurgischen" Ikterus handelt. Mit anderen Worten: liegt als Ursache der Gelbsucht ein me- chanisches Abflußhindernis für die Galle vor, das operativ beseitigt wer- den muß? Die Beantwortung dieser Frage ist heute mit Hilfe der Sono- graphie, der Computertomographie und der direkten Kontrastmitteldar- stellung der Gallenwege (ERC = en- doskopische retrograde Cholangio- graphie und PTC = perkutane trans- hepatische Cholangiographie) (sie- he hierzu Dt. Ärzteblatt 77 [1980]

2801 ff.) relativ einfach und schnell möglich.

Die genannten Methoden erlauben in den meisten Fällen den Nachweis erweiterter extra- und/oder intrahe- patischer Gallenwege als Hinweis auf eine Obstruktion und darüber hinaus die Diagnose des Ortes und der Art des Hindernisses, zum Bei- spiel Gallensteine oder Tumorver- schluß. Dabei steht die nichtaggres- Ausgabe KB DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 24 vom 18. Juni 1982 49

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sive und nebenwirkungsfreie Metho- de der Sonographie am Beginn des diagnostischen Programmes. — Die orale oder intravenöse Cholezysto- oder Cholangiographie ist nur bei fehlendem oder geringfügigem Ikte- rus anwendbar.

Oft gibt schon die Anamnesewichti- ge Hinweise. Koliken, eventuell Fie- ber und Schüttelfrost als Ausdruck einer bakteriellen Entzündung in den Gallenwegen sind deutliche Hinweise auf einen mechanisch bedingten Ikterus. Andererseits schließt das Fehlen solcher Sympto- me eine Obstruktion nicht aus, ins- besondere nicht als Folge einer nar- bigen Stenose oder eines Tumors.

Selbst Choledochussteine können eine Gelbsucht ohne Koliken verur- sachen. Außerdem ist natürlich im- mer die intrahepatische Cholostase durch toxische Einwirkungen wie Al- kohol und Arzneimittel sowie im Rahmen akuter und chronischer Le- bererkrankungen zu berücksich- tigen.

Bei der körperlichen Untersuchung weist das Courvoisiersche Zeichen (Gallenblasenhydrops bei Gelb- sucht) auf eine tiefsitzende Obstruk- tion, meist durch Tumor, hin. Eine tastbar vergrößerte Milz spricht für eine Lebererkrankung (oder Hämo- lyse) als Ursache der Gelbsucht.

Ausnahme: tumorbedingte Kom- pression der Milzvene, zum Beispiel durch ein Pankreaskarzinom.

Die Laboruntersuchungen richten sich neben dem Nachweis der direk- ten konjugierten Hyperbilirubinämie auf Befunde, die eine hepatozellulä- re Schädigung anzeigen: Serum- transaminasen (SGOT, SGPT), zu- sätzlich eventuell Glutaminsäurede- hydrogenase (GLDH) und Laktalde- hydrogenase (LDH). Die LDH, insbe- sondere wenn eine Hämolyse und/

oder ein maligner Tumor zur Diskus- sion steht. Die Cholinesterase und globale Gerinnungsteste wie Pro- thrombin (PT-)Zeit oder Quick-Wert sind wichtige Parameter der Leber- zellfunktion. Bei länger dauernder Gelbsucht durch Cholostase kommt es allerdings infolge Vitamin-K-Man- gel zu einer Verminderung der in der

Leber gebildeten Vitamin-K-abhän- gigen gerinnungsfördernden Prote- ine. (Prothrombin, Faktor VII und X).

Prompte Aktivitätszunahme nach (parenteraler) Vitamin-K-Zufuhr (so- genannter „Koller-Test") beweist die intakte Leberzellfunktion bei Cho- lostase.

Die alkalische Serumphosphatase und die Leucin-Aminopeptidase (LAP) sind die sogenannten cholo- staseanzeigenden Enzyme. Sind sie allein erhöht bei einer direkten Hy- perbilirubinämie, spricht das für ei- ne „reine Cholostase". Das besagt aber noch nicht, daß es sich um eine mechanische Obstruktion handelt.

Es gibt eine reine intrahepatische Cholostase auf hepatozellulärer Ebene, zum Beispiel durch Hormo- ne. Oft zeigen die Laborwerte je- doch eine hepatozelluläre Schädi- gung an mit mehr oder weniger aus- geprägter cholostatischer Kompo- nente. Dies ist bei vielen akuten und chronischen Lebererkrankungen der Fall. Weitere wichtige Laborbe- funde sind: Marker für eine Infektion mit Virushepatitis (HBsAg, anti-HBs, HBeAg, anti-HBe, anti-HBc und anti- HAV, differenziert nach IgG- und IgM-Typ), ferner antimitochondriale Antikörper (AMA) bei der Diagnostik der primären biliären Zirrhose und ANF (antinukleaere Faktoren) und SMA (Antikörper gegen glatte Mus- kulatur) bei der Diagnose der soge- nannten „lupoiden" Hepatitis vom autoaggressiven Typ. Zur Diagnostik der Virushepatitiden gehört auch der Nachweis der Infektion mit Ep- stein-Barr-Virus oder mit Cytomega- lie-Virus. Schließlich sind noch die Laparoskopie mit gezielter Leber- punktion und die blinde Leberpunk- tion zu nennen.

Alle akuten und chronischen Leber- erkrankungen können mit Gelb- sucht, das heißt mit konjugierter Hy- perbilirubinämie, einhergehen, von der Fettleber bis zur dekompensier- ten Leberzirrhose, von der Virushe- patitis bis zu den Lebermetastasen oder parasitären Lebererkrankun- gen, wie zum Beispiel dem Leber- echinokokkus. Das ganze diagnosti- sche Rüstzeug muß eingesetzt wer- den, um die Artdiagnose der Leber-

erkrankung zu stellen. Zunächst muß jedoch immer die Frage geklärt werden, ob eine operativ zu beseiti- gende Ursache der Gelbsucht vor- liegt, damit die Operation nicht ver- zögert und unter Umständen der günstige Zeitpunkt versäumt wird.

Tabelle 2 zeigt Faktoren, die das di- rekte konjugierte Bilirubin bei ei- ner Hyperbilirubinämie beeinflussen können.

Auch bei den direkten Hyperbili- rubinämien gibt es genetisch be- dingte Krankheitsbilder:

0 Dubin-Johnson-Syndrom

49

Rotor-Syndrom

idiopathische rezidivierende Cholostase (Walshe-Tygstrup- Syndrom).

Dubin-Johnson-Syndrom

Beim Dubin-Johnson-Syndrom han- delt es sich um eine langanhaltende oder intermittierende mäßige direkte Hyperbilirubinämie mit wechselnd starken Beschwerden und Ablage- rung von Pigment in der Leber (Ta- belle 3). Makroskopisch sieht das Lebergewebe schwarz aus. Lichtmi- kroskopisch ist die Leber bis auf die Pigmentablagerungen in der Regel nicht verändert. Es liegt eine Aus- scheidungsstörung für Bilirubin und andere organische Anionen (BSP), Indocyanin-Grün, Bengal-Rosa, Röntgenkontrastmittel) vor. Es wird eine autosomal-dominante Übertra- gung mit sehr variabler Expressivität vermutet. Die Gelbsucht tritt meist erstmals zwischen dem 10. und 25.

Lebensjahr auf. Sie ist oft diskret, wechselnd und kann vorübergehend ganz verschwinden. Durch Infektio- nen, Menstruation, Gravidität, Alko- hol und Gabe von anovulatorischen oder anabolen Steroiden kann ein Schub ausgelöst werden. Die Leber ist nur in 50 Prozent der Fälle ver- größert, die Milz in 12 Prozent. Gal- lensteine sind häufig. Beschwerden können fehlen, treten aber meist mit Verstärkung der Gelbsucht auf.

Schwäche, Ermüdbarkeit, Appetit- verlust, Schmerzen oder Druck im 50 Heft 24 vom 18. Juni 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A/B

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Arzneimittel Anabole Steroide Östrogene

Orale Kontrazeptiva Schwangerschaft Menstruation Hämolyse

Niereninsuffizienz Sepsis (?)

Alkohol (?)

Cortisol

Chirurgische Beseitigung einer Obstruktion

Direkte Hyperbilirubinämie Dunkle Leber

BSP-Retention erhöht mit sekundärem Wiederanstieg Fehlende Darstellung der Gal- lenblase

Alkalische Serum-Phosphatase selten erhöht

Direkte Hyperbilirubinämie Normale Leber

BSP-Retention erhöht ohne sekundären Wiederanstieg Darstellung der Gallenblase Alkalische Serum-Phosphatase in ca. 16 Prozent leicht erhöht Tabelle 2: Faktoren, die das direkte konjugierte Bilirubin bei einer Hyperbilirubinämie beeinflussen können

Tabelle 3: Krankheitsbilder der direkten Hyperbilirubinämien Abdomen werden am häufigsten an-

gegeben. Die Lebenserwartung wird nicht beeinträchtigt. Das Serumbili- rubin liegt meistens zwischen 2 und 5 mg% (34,21 — 85,52 p,mo1/1), kann jedoch bis auf Werte um 20 mg%

ansteigen, 50 bis 60 Prozent reagie- ren direkt. Die BSP-Retention ist ver- mehrt, die Aufnahme in die Leber normal. Nach Konjugation des BSP in der Leber kommt es zu einem sekundären Wiederanstieg von BSP im Blut (gemessen zwischen 45 und 90 Minuten nach der Injektion). Die orale Cholezystographie bleibt meist negativ. Die alkalische Serumphos- phatase ist selten erhöht. Eine The- rapie ist weder möglich noch erfor- derlich.

Rotor-Syndrom

Beim Rotor-Syndrom handelt es sich um einen familiären, nichthä- molytischen Ikterus mit Erhöhung des direkten Serumbilirubins, aber ohne Pigmentablagerungen in der Leber (Tabelle 3). Eine autosomale Vererbung wird vermutet. Die BSP- Retention ist deutlich erhöht, jedoch ohne sekundären Anstieg wie beim Dubin-Johnson-Syndrom. Auch stellt sich im Gegensatz zum Dubin- Johnson-Syndrom die Gallenblase bei der oralen Cholezystographie im allgemeinen dar. Auch hier ist die alkalische Serumphosphatase nur in etwa 16 Prozent leicht erhöht. Eine Therapie ist weder möglich noch er- forderlich.

ldiopathische

rezidivierende Cholostase

Bei der idiopathischen rezidivieren- den Cholostase handelt es sich um einen intermittierend auftretenden intrahepatischen Verschlußikterus mit benignem Verlauf. Familiäres Vorkommen spricht für eine gene- tisch bedingte Ursache. Die Verer- bung ist wahrscheinlich autosomal- rezessiv mit geringer Penetranz. Die ersten Gelbsuchtschübe können schon in den ersten Lebensjahren auftreten, aber andererseits auch erst mit 19 oder 25 Jahren. Ein Schub beginnt mit Müdigkeit, Appe- titlosigkeit, Übelkeit und 1- bis 2wö- chigem Juckreiz. Nach Auftreten der

Gelbsucht kommt es zu Druckemp- findlichkeit im rechten Oberbauch.

Die Leber kann vergrößert sein, die Milz nur selten. Die Dauer eines Schubes beträgt meist mehrere Mo- nate. Die Prognose ist gut. Eine Schwangerschaft löst keine Attacke aus. Die Serumbilirubinwerte lie- gen zwischen 9 und 44 mg%

(153,93-752,55 trno1/1). 60 Prozent und mehr reagieren direkt. Die BSP- Retention kann stark erhöht sein. Im Intervall ist sie normal. Die Cholezy- stographie ist nur auf der Höhe der Attacke negativ. Die alkalische Se- rumphosphatase und die Gallensäu- ren sind im Schub stark, die Trans- aminasen nur mäßig vermehrt. Bei langer Dauer des Schubs ist als The- rapie ein Ersatz der fettlöslichen Vit- amine angezeigt. Cholestyramin in hohen Dosen (10 bis 16 g/Tag) kann zur Besserung des Pruritus führen.

Stufen der Diagnostik

Fragen wir uns abschließend nach den Stufen der Diagnostik bei Hy- perbilirubinämie, so ergibt sich fol- gendes Bild.

O Die Anamnese und die körperli- che Untersuchungstehen immer am Anfang der Untersuchung.

(1)

Laboruntersuchungen. Der Nachweis des Bilirubins im Serum gibt Angaben über die Konzentra- tion und über die Zusammensetzung nach konjugiertem und unkonju- giertem Bilirubin.

Der Nachweis des Vorhandenseins, der Vermehrung oder des Fehlens von Gallenfarbstoff im Harn (Biliru- bin, Urobilinogen) sowie die Stuhlin- spektion geben weitere Aufschlüsse.

Ausgabe A/B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 24 vom 18. Juni 1982 55

(6)

Die Bestimmung der Serumtrans- aminasen sowie der cholostasean- zeigenden Enzyme (AP, LAP) erlau- ben eine Abschätzung der Anteile der hepatozellulären Schädigung gegenüber einer „reinen" Cholosta- se. Blutbild, Bestimmung der Reti- kulozyten, des Serumeisens, eine Knochenmarkspunktion sowie der Coombs-Test, eventuell auch eine Hämoglobinelektrophorese sowie Untersuchungen der mechanischen oder osmotischen Resistenz der Ery- throzyten sind Maßnahmen zur Dia- gnostik verschiedener Formen von hämolytischer Anämie.

Schließlich gibt die Anwendung der Sonographieund der Computer- tomographie Auskünfte über mor- phologische Veränderungen in der Leber beziehungsweise an den Gal- lenwegen im Hinblick auf eine me- chanische Obstruktion und/oder Tu- morerkrankung, eventuell auch pa- rasitär bedingte Veränderungen in der Leber. Dieser Stufe der Diagno- stik wird auch die Untersuchung auf Virus-Marker einzuordnen sein.

Führen diese Untersuchungen nicht zu einer Diagnose, so kommen diagnostische Maßnahmen in Frage, die eine stationäre Aufnahme der

Patienten erforderlich machen. Da- zu gehören die ERC oder PTC sowie die Laparoskopie und/oder die Le- berbiopsie.

Das Symptom Hyperbilirubinämie ist durch die sichtbar werdende Gelb- sucht und/oder die Verfärbung von Urin und Stuhl ein Symptom, das frühzeitig die Aufmerksamkeit von Patient und Arzt auf sich lenkt. Es ist jedoch ein sehr vieldeutiges Sym- ptom, und es bedarf immer eines sorgfältigen diagnostischen Vorge- hens, um die Ursache beziehungs- weise die zugrundeliegende Krank- heit zu erkennen. Dabei wird man seine Aufmerksamkeit zunächst auf häufige Krankheitsbilder lenken und seltene Ursachen erst dann in die Erwägung einbeziehen, wenn die häufigen Ursachen unwahrschein- lich oder ausgeschlossen sind. Eine gründliche Anamnese und eine sorgfältige körperliche Untersu- chung führen auch bei einem Kran-

ken mit Hyperbilirubinämie in vielen Fällen schon mit hoher Wahrschein- lichkeit zu der richtigen Diagno- se. Zusammen mit dem Ergebnis von Laboruntersuchungen konnte schon 1962 bei 85 Prozent der Pa- tienten mit Gelbsucht eine korrekte Differentialdiagnose gemacht wer- den (5).

Bei den heute zur Verfügung stehen- den Laboratoriumsmethoden kann ein erfahrener Arzt bei 80 Prozent der Patienten eine richtige Zuord- nung in die Kategorien. obstruktive, parenchymatös bedingte oder hä- molytische Gelbsucht vornehmen.

Die spezifische Krankheit, die dafür verantwortlich ist, wie etwa Hepati- tis, Zirrhose oder extrahepatische Obstruktion konnte in einer Untersu- chung bei 70 Prozent der Patienten allein mit Hilfe der sogenannten Le- berfunktionsteste festgestellt wer- den (1). Zusammen mit Anamnese und körperlicher Untersuchung so- wie durch Anwendung nichtaggres- siver Methoden zum Nachweis oder Ausschluß einer extrahepatischen Obstruktion (Sonographie, Compu- tertomographie) wird die korrekte Diagnose in einem noch höheren Prozentsatz möglich sein.

Literatur

(1) Conn, H. 0., Bley, A. P., Chojkier, M., Scha- de, R., Taggart, G. J., Atterbury, C. E.: The naked physician: The blind interpretation of liver functions tests in the differential diag- nosis of jaundice, in: The Liver (Hrsg. R.

Preisig und J. Bircher, Editio Cantor Aulendorf (1979) 386-394 — (2) Dölle, W.: Genetisch be- dingte Hyperbilirubinämien, in: Klinische He- patologie (Hrsg. von H. A. Kühn und H. Wern- ze), Thieme, Stuttgart (1979) 6.59-6.67 — (3) Feveri, J. F.; Groote, J. de: Störungen und Diagnostik des Gallepigmentstoffwechsels, in:

Klinische Hepatologie, Thieme, Stuttgart (1979) 3.2-3.21 — (4) Kühn, H. A., Wernze, A.:

Physiologie und Pathologie der Gallensekre- tion, in: „Klinische Hepatologie", Thieme, Stuttgart (1979) 2.25-2.37 — (5) Schenker, S.;

Balint, J.; Schiff, L.: Differential diagnosis of jaundice: Report of a prospective study of 61 proved cases, Amer. J. Dig. Dis. 7 (1962) 449-463 — Dölle, W.; Peiper, H. J.: Gallenwegs- erkrankungen, Internist 21 (1980) 557-623.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Wolfgang Dölle Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik Abteilung Innere Medizin I Eberhard-Karls-Universität Otfried-Müller-Straße 7400 Tübingen 1

Belastungsversuche zur Diagnose

von ischämischen Herzkrankheiten

Bereits seit 50 Jahren werden bei Patienten Belastungsversuche im- mer dann durchgeführt, wenn es um die Diagnose und Behandlung von Koronararterienerkrankungen geht.

Dabei stellen Tretmühle und Fahrradergometer maximale Bela- stungsmittel dar, die für den Patien- ten gefahrlos eingesetzt werden können, wenn wirksame Reanima- tionsmethoden zur Verfügung ste- hen. Mit der Koronarangiographie, die zunehmend Anwendung findet, bietet sich jetzt zum ersten Mal ein Vergleichsverfahren, dem die Ergeb- nisse aus den Leistungstests gegen- übergestellt werden können.

Bei der Diagnose von Koronararte- rienerkrankungen gilt die Aufmerk- samkeit im wesentlichen den Abwei- chungen der ST-Strecke und insbe- sondere der gleichmäßigen Sen- kung der ST-Strecke. Darüber hin- aus geben Belastungsversuche auch einen direkten Aufschluß über die Belastbarkeit des Patienten und den Umfang der Tätigkeiten, die der Patient unter Auftreten der durch den Versuch ausgelösten Symptome auszuführen in der Lage ist. Der Ver- gleich von ST-Strecke und Koronar- angiographie hat zu erheblichen Kontroversen geführt: einige Stu- dien haben die Annahme, daß die während des Versuchs aufgezeich- nete Senkung der ST-Strecke ein guter Indikator für Koronararterien- erkrankungen sei, nicht bestätigt.

Dennoch sollte im allgemeinen der Schlußfolgerung zugestimmt wer- den, daß die Feststellung einer Sen- kung der ST-Strecke während des Versuchs einen Hinweis auf eine Myokardischämie darstellt, voraus- gesetzt, daß andere Gründe für eine Senkung ausscheiden, wie zum Bei- spiel Digitalis, Hypertonie, hypertro- phische oder obstruktive Kardio- myopathien.

Eine Studie, die auf den Ergebnis- sen von 170 000 Belastungsversu- 56 Heft 24 vom 18. Juni 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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