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Archiv "Essen, Serotonin und Psyche: Erheblicher Reduktionismus" (16.10.1998)

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Glomerulonephritiden sind ähn- lich wie die Vaskulitiden häufig durch Immunkomplex vermittelte Erkran- kungen. Lange Zeit war nicht klar, wel- che Zellen in der Niere zirkulierende Immunkomplexe binden und die Ent- zündungsreaktion vermitteln. H. H.

Radeke (Medizinische Hochschule Hannover) erklärte in seinem Vortrag die Bedeutung der Mesangialzellen.

Diese exprimieren nach Aktivierung durch den Entzündungsmediator IFN- γdie Fcγ-Rezeptoren I und III und kön- nen dann Immunkomplexe binden.

Aktivierte Mesangialzellen stimulieren wiederum antigenspezifische CD4+ T- Zellen, die zunächst in den Glomerula und nach einigen Tagen im Interstitium der Niere gefunden werden. Der Vor- trag von P. G. Tipping (Melbourne) be- faßte sich mit der Pathogenese der ra- pid progressiven Glomerulonephritis, die zirka 10 bis 20 Prozent aller Glome- rulonephritiden repräsentiert. Sie zeichnet sich durch eine schlechte Pro- gnose aus. In dem Mausmodell wurde die Beteiligung von T-Lymphozyten in der Pathogenese der Erkrankung ge- zeigt. In normalen Mäusen wurde durch die Injektion eines Schafantikör- pers gegen die glomeruläre Basalmem- bran eine Nephritis induziert. Im Ge- gensatz dazu blieben Mäuse ohne CD4+ T-Lymphozyten oder ohne MHC-Klasse-II-Antigene nach der In- jektion des Antikörpers gesund. Eben- so konnte gezeigt werden, daß die In-

jektion der Zytokine IL-4 und IL-10, die eine TH1-Antwort unterdrücken, den Verlauf der Erkrankung in den Mäusen günstig beeinflußt. Die Unter- suchungen legen ebenso wie die von Dr. Radeke den Schluß nahe, daß eine pharmakologische Therapie verschie- dener Glomerulonephritiden auf die T- Helfer-Zellen gerichtet werden sollte.

Zwei Vorträge von M. Daha (Lei- den) und J. Flöge (Medizinische Hoch- schule Hannover) erläuterten die Pa- thogenese der IgA-Nephritis. Die be- troffenen Patienten weisen eine verän- derte Glykosilierung ihres IgA auf. Im Mesangium wurde eine erhöhte Pro- duktion von PDGF (plateled-derived growth factor) nachgewiesen, der so- wohl in vitro als auch nach Injektion in Mäuse eine Proliferation der Mesangi- alzellen induziert. Mittlerweile ist es gelungen, einen PDGF-Antagonisten zu synthetisieren. Dieser Antagonist blockiert in vitro die PDGF-induzierte Proliferation der Mesangialzellen. Ein In-vivo-Modell der mesangioprolife- rativen Glomerulonephritis konnte durch Injektion eines monoklonalen Antikörpers gegen Mesangialzellen in Mäusen erstellt werden. Die intrave- nöse Gabe des PDGF-Antagonisten war in diesem Modell in der Lage, die durch den Antikörper induzierte Proli- feration und Aktivierung der Mesangi- alzellen zu mehr als 95 Prozent zu blockieren. Neben den etablierten Therapieprinzipien der IgA-Nephritis

mit Glukokortikosteroiden und selten Cyclophosphamid bei progressiven Verläufen scheint somit die Hemmung der Mesangialzellproliferation mittels PDGF-Antagonisten oder auch Hepa- rin oder TGF-βzu einer Besserung der Erkrankung zu führen.

H. Drexler (Medizinische Hoch- schule Hannover) stellte abschließend eine neue Sichtweise der chronischen Herzinsuffizienz vor. Eine Reihe von Experimenten legten den Schluß nahe, daß die chronische Herzinsuffizienz ei- ne entzündliche Erkrankung ist. Hier- aus resultieren wichtige praktische Konsequenzen. Der beste Prognose- faktor für den Verlauf der Erkrankung sind möglicherweise Entzündungspa- rameter. Langfristig kann das neue Ver- ständnis der Pathophysiologie zu einer Verbesserung der Behandlung durch Immunsuppressiva führen. Insgesamt erbrachte das Symposium allen Betei- ligten neue Anregungen für die weitere Forschung im Rahmen des Sonderfor- schungsbereichs.

Anschrift der Verfasser Dr. med. Torsten Witte Prof. Dr. med.

Reinhold Ernst Schmidt

Abteilung Klinische Immunologie Zentrum Innere Medizin

und Dermatologie

Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

A-2644

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT/DISKUSSION

(64) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 42, 16. Oktober 1998 Die Ausführungen von Huether et

al. berühren ein aktuelles Thema. In das Zentrum der Erklärung der „nutri- tiven Manipulation von Stimmungen und Gefühlen“ haben die Autoren das zentrale Serotonin-System gerückt, was der Forschungsrichtung der Auto- ren entspricht und auch didaktisch sinnvoll sein kann. Nur unter diesem Gesichtspunkt wird der allerdings er- hebliche Reduktionismus der Aus- führungen der Autoren verständlich.

Aus den berichteten Tierversuchen zur Tryptophanverfügbarkeit und Seroto-

nintransporter-Dichte wird doch letzt- lich schwer verständlich, wieso Nah- rungsaufnahme und ihr Gegenteil (das heißt Fasten) zu gleichsinnigen positi- ven Gefühlszuständen führen sollen.

Immerhin haben humanexperimentel- le Untersuchungen die Auslösung von Depressionen durch Tryptophanverar- mung belegt (1).

Auch ist das serotonerge System wohl nicht das einzige „Interface“ zwi- schen Nutrition und Emotion. So exi- stieren heutzutage einerseits gut fun- dierte tierexperimentelle Arbeiten, die auf die Bedeutung dopaminerger Me- chanismen für durch Nahrungsmittel (zum Beispiel Zuckeraufnahme) ver-

stärktes Verhalten hinweisen (2). Die- se Arbeiten legen ferner nahe, daß Fasten wahrscheinlich über den Streß- und Glukokortikoid-Mechanismus zu einer Aktivierung dopaminerger Be- lohnungs/Reward-Zentren im Gehirn führt und auf diese Weise verhaltens- stärkend wirkt (3). Wahrscheinlich sind aber an Beginn, Aufrechterhaltung und Beendigung der Nahrungsaufnah- me (das heißt an der antizipatorischen, konsumatorischen und Sättigungspha- se) vielfältige Neurotransmissions- systeme beteiligt (4). Andererseits gibt es Belege dafür, daß jenseits von ernährungsbedingten Faktoren die se- rotonerge Modulation der Stimmung

Essen, Serotonin und Psyche

Erheblicher Reduktionismus

(2)

über eine motorisch-repetitive Aktivie- rung erfolgt (5). Überaus salopp wird der Bogen von der Dichte des Seroto- nin-Transporters im Frontalhirn der Ratte zu religiösen Bräuchen oder transzendentalen Zuständen des Men- schen geschlagen, ohne daß dazu nur andeutungsweise Untersuchun- gen vorliegen. Daß nun auch noch be- stimmte pathologische Zustände, wie beispielsweise die psychische Abhän- gigkeit (gemeint ist von Nahrungsmit- teln, was einen ungewöhnlich weit ge- faßten Abhängigkeitsbegriff impli- ziert) Ausdruck serotonerger Dys- funktion sein soll, verwundert ange- sichts einer eher reichhaltigen Litera- tur zum serotonergen Hintergrund von Depressionen, Angstzuständen, Zwängen oder Impulskontrollstörun- gen (6) und einer eher dopaminerg- opioidergen Basis süchtigen Verhal- tens (7).

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Dipl.-Psych.

Lutz G. Schmidt

Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Freien Universtität Berlin Eschenallee 3 · 14050 Berlin

Die große Zahl an Zuschriften belegt eindrucksvoll, daß die nutritive Manipulation von Stimmungen und Gefühlen ein aktuelles Thema ist. Die breite Zustimmung, die das von uns in diesem Beitrag vorgestellte Konzept gefunden hat, macht vor allem eines deutlich: Im Laufe der Jahre wurde mit Hilfe analytischer, zerlegender Denk- und Vorgehensweisen auch auf diesem Forschungsgebiet eine Fülle von Da- tenmaterial akkumuliert. Es ist inzwi- schen so umfangreich und unübersicht- lich geworden, daß es nunmehr nicht nur möglich, sondern sogar dringend erforderlich wird, die vielen getrennten Einzelbefunde allmählich wieder zu- sammenzufügen und daraus einiger- maßen plausible Erklärungskonzepte zu entwickeln. Als reduktionistisch müssen solche Versuche dann einge- stuft werden, wenn es mit ihrer Hilfe nicht gelingt, eine möglichst große Zahl bislang getrennter Einzelbeobachtun-

gen zu erklären, primäre Ursachen von sekundären Folgen zu trennen und überprüfbare, theoriegeleitete Vorher- sagen abzuleiten. Der Hinweis darauf, daß es noch andere Veränderungen gibt, die ebenfalls durch nutritive Fak- toren auslösbar sind, reicht für eine sol- che Bewertung nicht aus, ganz abgese- hen davon, daß sich diese Aufzählung noch beliebig verlängern ließe, ange- fangen bei Veränderungen des Zinksta- tus über Veränderungen der Ketonkör- per-Konzentrationen bis hin zu Verän- derungen der Synthese und Ausschüt- tung endogener Opiate im ZNS. Kon- struktiver wäre der Vorschlag, gemein- sam zu überprüfen, welche dieser Ver-

änderungen sich unter Umständen als sekundäre Folgen der nutritiven Mani- pulation des serotonergen Systems ver- stehen lassen, von dem hinreichend be- kannt ist, daß es sich besonders leicht durch nutritive Faktoren verändern läßt. Nachgewiesen ist, daß die Einnah- me von kohlehydrat- und fettreichen Diäten ebenso wie Nahrungsrestrikti- on zu einer akuten Erhöhung der Tryp- tophanverfügbarkeit und damit zu ei- ner verstärkten Synthese und Aus- schüttung von Serotonin im ZNS führt.

Nachgewiesen ist auch, daß es nach mehrtägiger restriktiver Ernährung zu einer Herabregulation der Dichte von Serotonintransportern in distalen Pro- jektionsgebieten der serotonergen Neurone kommt. Ähnlich wie nach der Verabreichung von Serotoninwieder- aufnahme-Hemmern führt dieser Ef- fekt zu einer weniger effizienten Wie- deraufnahme und einer längeren Ver- weildauer und einem größeren Diffusi- onsradius des präsynaptisch ausge- schütteten Serotonins.

Bekannt ist ferner, daß durch Ver- änderungen der serotonergen Aktivität zwangsläufig auch die Aktivität des do- paminergen Systems, wie auch die des noradrenergen Systems, aber auch die einer Reihe anderer (zum Beispiel glutamaterger und opiaterger) Trans-

mittersysteme und damit auch die Ak- tivität des HPA-Systems (also die zen- tralen, streß-sensitiven Systeme) beein- flußt werden. All diese Systeme sind über eine Vielzahl von Rückkopp- lungsmechanismen eng miteinander verbunden. Sobald der Output eines Systems (durch nutritive oder pharma- kologische Manipulationen) verstellt wird, muß sich daher auch die neurona- le Aktivität, die Transmitterausschüt- tung und die Signaltransduktion auf der Ebene der anderen, mit ihm ver- bundenen Systeme (sekundär) mit ver- ändern. Das mag weder den Herstel- lern „selektiver“ Agonisten oder Anta- gonisten für einzelne Systeme noch den auf einzelne Systeme spezialisierten Forschern gefallen, aber das ist eben ei- ne Grundeigenschaft vernetzter Syste- me.

Die hier vorgebrachte Kritik läuft nicht nur Gefahr, dort Zusammenhän- ge zu übersehen, wo es sie objektiv gibt, sondern auch dort welche zu suchen, wo sie nicht existieren. Daß man bei re- mittierten depressiven (und anderen psychiatrischen) Patienten einen Rück- fall auslösen kann, wenn man ihnen ei- ne tryptophanfreie Aminosäuremixtur verabreicht, hat mit der von uns be- schriebenen nutritiven Manipulation von Stimmungen und Gefühlen nur in- sofern etwas zu tun, als es gewisser- maßen die Umkehrung dessen dar- stellt, was wir beschreiben. Daß eine bis zur psychischen Abhängigkeit gebahn- te (nutritive) Bewältigungsstrategie Ausdruck einer serotonergen Dys- funktion sein soll, ist eine ebenso mechanistische Vorstellung wie die ge- genwärtig verbreiteten „Mangelhypo- thesen“ zum serotonergen Hinter- grund von Depressionen, Angstzustän- den, Zwangs- und Impulskontroll- störungen. Das Denken in vernetzten Systemen übersteigt wohl noch allzuoft unser Vorstellungsvermögen, und die- ser Umstand verleitet uns allzu leicht zu reduktionistischen Schlußfolgerun- gen.

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil.

Gerald Huether

Dr. med. Sabine Schmidt Prof. Dr. med. Eckardt Rüther Psychiatrische Klinik

Universität Göttingen Von-Siebold-Straße 5 37075 Göttingen

A-2645

M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 42, 16. Oktober 1998 (65) Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil.

Gerald Huether, Dr. med. Sabine Schmidt und Prof. Dr. med. Eckart Rüther in Heft 9/1998

Schlußwort

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