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Joseph Furttenbachs Architekturmuseum. Ein Rundgang durch das Haus des Ulmer Stadtbaumeisters

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JOSEPH FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM '

EIN RUNDGANG DURCH DAS HAUS DES ULMER STADTBAUMEISTERS Hubertus Cünther

I. FURTTENBACHS VITA UND WIRKEN

Im Altervon 16Jahren reiste Joseph Furttenbach (1591-1667) [Abb. 1] nach Italien und hieltsich mehr alszwölf Jahrelangdort auf. Er sollte in Italien zum Kaufmannausgebildet werden; gleichzeitigstudierte er Architekturin verschiedenen Sparten,besuchteKunstsammlungenund fand Lehrmeister für Architektur. Er kam auch in Kontakt mitbedeutendenPersönlichkeiten aus anderen Bereichen, darunter sogar Galilei. 1621 ließ sich Furttenbach in der freien ReichsstadtUlmnieder. Er leitete dort ein Handelshaus und stieg zum Ratsherrn auf. 1631übernahm er nebenseinerkaufmännischen Tätig­ keit dieLeitung des städtischen Bauamts.Er errichteteinUlm diverse öf­ fentlicheBauten und kümmerte sich umdie Befestigung,wie siefürviele Städte wichtig war in der Zeitdes Dreißigjährigen Krieges, alsDeutschland geradezuüberschwemmt war von fremden Truppen. Ulmverdankte es sei-

Abb. 1 Matthäus Rembold,Furttenbachs Portrait umgeben vonden Elementen der Architektur, Titel der Architectura universolis, 1635.

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JOSEPH FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM

nen neuenmassivenBefestigungen, dass dieStadtdamals voneinec Erobe- rung veTschont blieb.An die StadtmaueT bauteFurttenbacheinSoldaten­

quartier und einegroße Veteranensiedlung an,dienoch teilweise erhalten ist[Abb. 2].Sie gleicht in vieler Hinsicht der berühmten Fugger-Siedlungin Augsburg und hatte eine ähnliche soziale Bedeutung wie sie. Zudem ent­

warf Furttenbach Maschinen undschuf Werke zur Unterhaltung:Grotten, Dekorationen, Feuerwerke etc.SolcheKreationentretenin derkunsthisto­ rischen Betrachtunggegenüber Gemälden und Plastiken zurück, aber im Etat potenter Herrschaftenspielten sie oft die größereRolle.'

II. FURTTENBACHS SCHRIFTEN

Furttenbach hatviele Schriftenpubliziert:1627einen Bericht vonseiner Reise durch Italien,1628 sein erstes Architekturtraktat,die Architectura civilis; es folgten sechs weitereTraktateund mehrere kleinereSchriften zueinzel­ nenBautypen undanderen architektonischenThemen, die teilweise unter dem Namen seinesSohnes erschienen.Behandelt werden alleGebiete der Architektur. Dazu gehörenauchWehrbau,Gartenbau und Schiffsbau; der Sakralbau findet nur am Rande Beachtung,vermutlich weildie protestan­

tische Stadt Ulm keinenBedarf anneuen Kirchen hatte. Vier Traktate be-

Abb. 2 Joseph Furttenbach, Furttenbachs Veteranensiedlung an der Stadtmauer von Ulm, mittlerer Teil, Architectura universalis, 1635

Grundlegende Literatur zu Furttenbach und seinem Haus:Berthold, Margot,Josef Furttenbach von Leutkirch: Architektund Ratsherr in Ulm (1591-1667), Diss.Ulm1953; Idem,„Joseph Furttenbach von Leutkirch, Architektund Ratsherrin Ulm (1591-1667)", in: Ulm und Oberschwaben.ZeitschriftfürGeschichte undKunst.Mitteilungen des Vereinsfür Kunst und Altertumin Ulm und Oberschwaben, Bd.33,1953,119- 179; Grötz, Susanne, „Bürgerliches Wohn-Hauß.FurttenbachsWohnhaus inUlm", in: Stemshorn, Max (Hg.), Der Kunst-Garten.Gartenentwürfe von Joseph Furttenbach 1591-1667, Ulm 1999,52-71; Furttenbach, Joseph, Lebenslauff1652-1664, Köln/Weimar/Wien 2013;Günther, Hubertus, „Lapresentazionedei mo- delli, il primo museo delRinascimento dedicato all’architettura", in: Frommei, Sabine (Hg.),Les maquettes d'architecture. Fonctionetevolutiond’un instrument de conception et de realisation, Paris 2015,173-188. Ich dankeMatthiasGrotz für die Unterstützung meiner Recherchen zu Furttenbach im Stadtarchivvon Ulm.

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Abb. 3

handelnden Profanbau:außer der Architectura civilis die Architectura uni- versalis 1635, Architectura recreationis 1640, Architecturaprivata 1641. Darin werden dieverschiedensten Typen von öffentlichen Bautenbehandelt: Rat­ häuser, Zollhäuser, öffentliche Badeanstalten, Hospitäler,Gefängnisse, Schu­

len etc. Besonders ausführlich geht Furttenbach auf denWohnbau ein,vom fürstlichen Palast und Adelspalaisbis zumbürgerlichen Haus undBauern­

hausauf dem Landundzuder oben angesprochenen Veteranensiedlung.

Furttenbachs Schriftensind nicht so idealistisch wiedie meisten Ar­ chitekturtraktate der Renaissance. Sie berücksichtigen kaumdie Geschichte der Architektur oder dietheoretischen Grundlagenwiedie Kenntnisse des Architekten in dendiversenWissenschaften oder die formalen Normen wie die Säulenordnungen oderProportionen. Daherfinden sie wenig Beachtung inder Geschichte der Architekturtheorie.Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie pragmatisch die bestehenden Verhältnisse ihrer Zeit spiegeln unddabei auch bürgerliche Umstände berücksichtigen. Sie behandeln nicht nur Reprä­

sentationsbauten, sondern auch einfache städtische Nutzbauten, und gehen nicht nur auf die formale Gestaltungein, sondern auch auf die Funktionen und teilweisesogar die Einrichtung. So erfährt man bei der Schule, wie die Schüler,dieLehrer und weiteresPersonal untergebracht sein sollen, wie die Lehrräume oder die Bibliothek eingerichtet sein sollen, wie die Tische der Lehrerund die Pulte der Schüler, wo Kanzeln zum Reden für dieSchüler oder Wandtafeln zum Schreibenseinsollenetc. [Abb. 3].Auchin derBeschrei­

bung seines Aufenthaltsin Italien führt Furttenbachmehr alsüblich öffent­

liche Nutzbauten und praktischeBelange auf.Im Ganzen sindseine Schrif­ ten herausragendeZeugnisse für die Kulturgeschichtedes 17. Jahrhunderts.

JosephFurttenbach, Pläne füreine Schule in Ulm,Grundrissedes Erdgeschosses und Obergeschosses Teutsches Schul-Gebäw, 1649.

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Die Architecturacivilissteht noch unteTitalienischem Einfluss. Die ItalieneT werden im Vorwort gerühmt alsdiejenigen, die seit der Antike die beste Architektur in Europahervorbringen. DieResidenzen vonFürsten und Adel,dieanfangs vorgestellt werden, erinnernandenPalazzoPitti in Florenz undan dieprächtigen Paläste derGenueser Patrizier,die Peter Paul Rubens in den PalazzidiGenova 1622 und 1626publiziert hat.Aberdannfolgen bür­ gerlicheEinfamilien-Reihenhäuser.Einfamilien-Bürgerhäuserundbeschei­

dene Reihenhäuser behandelt Furttenbach auch in der Architectura universa- 7fs(1635), die hauptsächlichdem öffentlichenProfanbau gewidmet ist, und in der Architecturarecreationis, diehauptsächlichHäusern mitGärten gewidmet ist [Abb. 4]. Die Gärten werden ebensogenau beschrieben wie die Häuser. Es geht Furttenbach nicht um Dekor, sondern bei denHäusern um dieVerteilung der Räume, bei den Gärten um dieDisposition undBepflanzung.Die wenigen Architekturtraktate der Renaissance, die bürgerlichenWohnbau berücksich­

tigen, speziell diejenigen des Sebastiano Serlio unddes Jacques Androuet du Cerceau, präsentieren soaufwendigeBauten, wiesierealiter seltenvorka­

men. Aber Furttenbach hat einen unmittelbarenVorläufer:das Traktatüber die Monierede bastirpourtouttessortesde personnes, dasPierre Le Muet 1623 in Parispublizierthat.2Nur die Idee, bescheidene Häuser zu berücksichtigen, ist bei beiden gleich;im Übrigen folgen beideihrer einheimischen Bautradi­

tion: Le Muet der französischen, Furttenbachder süddeutschen.

III. FURTTENBACHS MIETWOHNUNG INULM

In einem 1632 datierten Manuskript präsentiertFurttenbachdasHausei­

nes vornehmenPatriziers, indem erselbst seit etlichen Jahren zurMiete

Abb. 4 Joseph Furttenbach, Reihenhäuser, Grundrisse des Erdgeschosses und Obergeschosses, Architectura recreationis, 1640.

Zu den Traktaten, die hiermit Furttenbachverglichenwerden, siehe, Jachmann,Julian Von Serlio Ui Ledoux.„Differenzund Wiederholung" in seriellen Publikationen zur französischen Wohn- und Residenzarchitektur, Köln2016.

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wohnte [Abb. s].3 DieserBerichtscheint bisher nicht bekannt gemachtwor­

denzu sein. Ähnlich wie in den gedruckten Traktaten, stellt Furttenbach das Haus mit denGrundrissen der einzelnen Geschosse darund beschreibtes de­

tailliert. Den Aufriss gibt er nicht wieder;offenbar war er ihm nicht wichtig genug. Auch dasHaus in der Architectura universalis ist nurin den Grund­ rissen derGeschosse dargestellt. Das Haus, indem Furttenbach zur Miete wohnte, ist, alles in allem, eine weitere Variante der Häuser, die inder Ar­

chitecturarecreationis dargestellt sind[Abb. 6]: ein stattlichesEckhaus mit, wie üblich, dreiEtagen, einem eigenen Vorhof, aber ohne Garten. Das Erdge­

schoss enthielt zwei gewölbte Räume, die als Lager dienten, wiesie generell einKaufmann und speziellFurttenbach fürseinHandelshaus brauchte. Im Vorhof lag separat unterfreiemHimmel ein Warm- und Kaltbad. Die Bäder waren anscheinend eine lokale Besonderheit, die sichmehrfachbeobachten lässt.4 BeiSerlio, du Cerceauund Muetfehlen sie, nur fürdie Genueser Pa­

trizierpaläste waren sie auchtypisch.5 Das erste Obergeschoss diente zum Wohnen. Es umfasste eine Küche, ein Schlafzimmer, zwei kleine Schlafzim­

mer, einSchlafzimmermit drei Betten für die Kinder und ein Wohnzimmer („Stuben“); ein Arbeitsraumgehörtenichtdazu.Das zweiteObergeschoss enthielt zwei Schlafzimmer undein Wohnzimmer („Stuben“), die angeblich für Gäste bestimmt waren, aberhauptsächlich warFurttenbachsArchitekt­

ursammlung dort untergebracht.

Abb-5 Joseph Furttenbach, Haus, in dem Furttenbach zur Miete wohnte, zweites Obergeschoss mit FurttenbachsSammlung, 1632.Ulm, Stadtarchiv, Ms. Furttenbach5„Architectura universalis".

3 Ulm, Stadtarchiv, Ms. H Furttenbach 5 „Architectura universalis" Teil 1.229-231.

4 Vgl. beispielsweise das Wohnhausvon Heinrich Schickhardt, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 562.2v-3r.

5 Hanke. Stephanie, Zwischen FelsundWasser. Crottenanlagen des 16. und 17 JahrhundertsinGenua Münster 2008,193-212.

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Abb.6 Abb. 7

IV. 1638 errichteteFURTTENBACHSFurttenbachEIGENESam Stadtrand HAUS von Ulm, nahe beieinemStadttor, seineigenes Wohnhaus. Erwollte, dass seine Nachfahren das Haus mit seiner Einrichtung konservierten. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Einrichtung ist längst verloren. Aber Furttenbach hat dafür gesorgt,dass bei­

des vorzüglich überliefert ist. Erhat es in der Architectura privata mitaller Aus­

führlichkeitauf 78 Seiten beschrieben und mit 14Tafeln illustriert [Abb. 7-9].

Joseph Furttenbach, Freistehendes BürgerhausmitGarten, Ansicht, Architectura recreationis, 1640.

JosephFurttenbach, Furttenbachseigenes Haus,Architectura privata, 1641.

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Vonkaumeinem andeTen Haus der Renaissance gibtes so umfassende Nach­ richten.6Das Anwesen entsprach Furttenbachssozialer Stellung als wohlha-

Abb. 8&g JosephFurttenbach, Furttenbachs eigenes Haus, Architecturaprivata, 1641: Grundriss desAnwesens (oben), Museum (unten).

6 Furttenbach, Joseph, Architectura privata. Das ist: Gündliche Beschreibung neben conterfetischer Vorstellung,in was Form undManiereingarIrregulär, Bürgerliches Wohnhauß, jedoch mit seinen sehr guten Commoditeten erbawt, darbey eine Rüst- und Kunstkammer aujfgericht, Augsburg 1641.

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bender Bürger. Es lag aneiner Straßenecke. An der Eckewaren der Haupt­ eingangundein Vorhof,in dem ein großesWarmbadlag.Davor standein öffentlicherBrunnen. ImHaus gab esanscheinendfließendes Wasser.Das war ein Zeichenfür die gute Wasserversorgungder Stadt und damit für die gute Regierung. Die Wasserversorgung gehörte zuden wichtigen Arbeits­ bereichen des Stadtbaumeisters.

An einerSeite des Hauses lag einNebeneingang.Er führte überei­

nen Hof in Furttenbachs Arbeits- und Amtsstube undinden Garten hinter demHaus. In der Architectura privata sind die diversen Blumenbeete dar­

gestelltund in allen Einzelheiten beschrieben. AmEnde desGartens stand eine Loggiaundinmitten des Gartens einGrottenpavillon.DerGarten und dieGrotte waren nicht nur zur Zierda.Siespiegelten Furttenbachs didakti­ schesInteresse. Der Garten glich einembotanischenMuseum,unddieAus­

stattungder Grotte mit diversen Naturalien diente alsnaturkundlichesKa­

binett. Das kehrtFurttenbachinseinerBeschreibung heraus.

Das Haus standan drei Seiten frei. Es umfasste vierGeschosse,die Fassade war bemalt mit architektonischen Rahmungenum Türenund Fens­ ter.Das Erdgeschoss enthielt wie das Haus,indemFurttenbach früher zur Mietegewohnt hatte, hauptsächlich Lagerräume, zudem einen Pferdestall.

Imersten Obergeschoss lagen dieRäume, diefür die Repräsentation undAr­ beitbestimmt waren. Es gab Zimmer zumEmpfang von Gästen,eineStube mit einem kleinen Studiolo und ein großesSchreibzimmer. VonderStube mit dem Studioloauskonnte man, wie Furttenbach schreibt, daskurzwei­

lige Treibenauf derStraße vom Stadttorbetrachten. Die „Schreibstube"

istausführlichbeschrieben: Siewarruhig gelegenwie die Zimmer vonGe­ lehrten oder Dichtern;vierFensteran zwei Seitengaben reichlich Beleuch­ tungund botendie Möglichkeit, den hinteren Eingang und den Garten zu überblicken;in der rückwärtigen Wand warenBücherregalein die Mauer eingelassen. Furttenbach schreibt, der Raum könne als Amtsstube und als KontorfürdenKaufmanndienen.Erverrichtete dort also seine Arbeit für das städtische Bauamt und für sein Handelshaus, vielleicht auch fürseine architektonischen Planungen. Wegen seineröffentlichenrepräsentativen Funktion war das Zimmer größer alsdie üblichen Studiolivon Literaten und über eine eigene Treppe direkt vomhinteren Eingang des Hauses auszu­

gänglich. Im zweiten Obergeschoss von Furttenbachs Hauslagen die priva­ ten Wohnräume.

V.DAS ARCHITEKTURMUSEUM IN FURTTENBACHS HAUS Alle Bürgerhäuser, dieFurttenbach in seinenSchriften präsentiert, haben nur zweiObergeschosse.Das dritte Obergeschossseines eigenen Hauses hatteeine ungewöhnliche Bestimmung: Es wurde ganz von Furttenbachs Architekturmuseum eingenommen[vgl. Abb.9]. Das istdasBesonderean Furttenbachs Haus.Im Grundriss ist die Einrichtung eingezeichnet, sogar Tische und Stühle. Eine gewisse Vorstellung davon, wie das Museum unge­

fähr aussah, mag JosephArnolds bekannteDarstellung der Kunstkammer der Familie Dimpfel inRegensburg (1668) vermitteln. Im Text beschreibt Furttenbach detailliertdie Einrichtung, aber imUnterschied zuanderen Be-

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Schreibungenvon Kunstkammern nichtwie in einem Inventar,sondernin FormeinesRundgangs.Dabei erklärt er die Exponate undverweist jeweils darauf, wosiein seinen diversen Traktaten behandeltundabgebildetwer­

den. Die Objekte seinerSammlung hat Furttenbach auchinmehrerenIn­

ventarenüberliefert.7

Wir folgennun dem Rundgang. Zunächst steigen wir dieTreppe vom zweiten Obergeschoss hoch. Im Treppenhaus und imFlur waren die Wände mit gemalten Tafeln und Kupferstichen gefüllt. Vorallem hingenim Flur dreigroßeRompläne: diejenigen von Antonio Tempesta und Mattheus Greuter und die Rekonstruktion desantiken Romvon PirroLigorio.8 Sie de­ monstrierten Furttenbachs Bekenntnis zu Rom als Ursprungguter Architek­

tur. VomFlur aus erreichteman das Museum und zwei Bücherzimmer. Über demEingang in das sogenannte Scriptorio hing eineAllegorieder Scientia mit Zirkelund Lineal, über demEin- und Ausgang des Museums hingen Al­ legoriender Diligentia und Patientia, die durchBeischriften alsGrundlagen der Scientia charakterisiert waren.

Das Museumhatte zwei Ausstellungsräume, von denen der eine

„Rüstkammer“ und der andere „Kunstkammer“genannt wurde.Die Namen richteten sich nachden BezeichnungenandererSammlungen, wie etwa der­

jenigenderHerzögevon Württemberg, aberdie Exponatewaren nicht kon­

sequentnach ihnen getrennt.Zuerst betratman die „Rüstkammer“; dort ging man um einen Tisch herum, auf dem Ausstellungsstücke standen; in der„Kunstkammer“ umkreiste man einegroße Vitrine mitAusstellungs­

stücken.Vor den Wänden der beiden Räume standen Schränke, Vitrinen, Kästen resp.Kommoden mit Schubladen undPodeste mit Ausstellungsstü­

cken, unterden Fenstern Sessel. AndenWändenhingen Pläne, Stiche und Bilder.Beim Eintreten in das Museum blickteman an derWand gegenüber demEingangauf ein großes PortraitFurttenbachs,etwa3m hochund 2,4 m breit [vgl.Abb. 1].

Als Erstes besichtigte man das Modell einer fürstlichen Grotte, etwa 2 x 2 m imGrundrissund knapp 2 m hoch. Furttenbach beschreibt es in der Architectura civilis ausführlich bisin alle Details der Dekoration ausMu­

scheln, Korallen und anderen Seegewächsen und stellt es auf sieben Tafeln dar, sogenau, dass manesohne Weiteres rekonstruierenkönnte.9 Die na­ türlichen Elemente, mit denen eine solche Grotte dekoriertwerden sollte, warenin mehrerenKommoden ausgestellt. Man begegnetebei demRund­

gang noch zwei weiteren Modellen von Grotten.DieBeschreibung von Furttenbachs Haus mündetin eine lange, ausgiebig illustrierte Abhand­ lung überGrotten.

7 Ulm, Stadtarchiv, Ms.H Furttenbach 11.Furttenbach, Joseph d.J.,Inventariumvielernutzbarn immer denckwürdigen so wohl vonMilitär- als Civil- auch navalischen Gebäuenunddergleichen architectoni- schenModellen ... in des Herrn Joseph Furtenbachs... Rüst- und Kunst-Cammerin naturazu finden seind, Augsburg 1660 und 1666.

8 Frutaz, Pietro Amato, Le piante di Roma, Rom1962, Plan 134,145,17.

9 Furttenbach, Joseph, Architectura civilis. Dasist: Eigentliche Beschreibung,wie man nach besterForm und gerechter Regul, fürs erstePalläst mitderoLust- und Thiergarten, darbeyauch Grotten,sodann gemeine Bewohnungen, zumandern Kirchen, Capellen,Altar, Gotshäuser, drittensSpitäler, Lazareten und Gotsäcker aufführen unnd erbawen soll, Ulm1628,35-48.

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Im Übrigendominierte inder„Rüstkammer" das Militärwesen. An der Wand gegenüber derGrotte stand, gewissermaßen als Einführung in die Geschichte der Artillerie, eine Modellkanone, über derein Portrait von BertholdSchwartz,demErfinder des Schießpulvers hing.NachderBesichti­

gung dieser Exponate sollteman aneinem besonders geeigneten Ort stehen bleiben, um die gesamte „Kunst-"und„Rüstkammer“ ins Auge zu fassen.

Weiter ging es an dem Ausstellungstisch in der Mitte des Raumes entlang.

Dort waren Geschütze, hauptsächlich für Feuerwerke, aufgereiht.Die bedeu­

tendste Attraktion war das große Modell eines Zeughausesmit 200 kleinen Modellgeschützen und noch vielenanderen Modellwaffen.'0

Schließlich sollteder Besucher vor der Stelle, die im Grundriss mit

„II" bezeichnet ist,wiederstehen bleiben, um vomrichtigen Blickpunkt aus die Theaterprospekte ander Front eines Kredenzkastens anzusehen, der zur Aufbewahrung von kostbaremEssgeschirr diente."Das Theater gehörte zu den Sparten der Architektur, für die sich Furttenbach besonders interessierte.

1640richtete erein Theater imWaisenhaus von Ulm ein; im folgenden Jahr baute er ein städtischesTheater; er wollte, dass in der idealen Schule auch Schauspielund Bühnenbildnerei unterrichtetwerden; dieArchitecturare­

creationisenthälteineausführliche Abhandlung überBühnenbilder.

Nach Besichtigungder Perspektive betrat man die „Kunstkammer".

Die großeVitrine, die mitten im Raum stand, war vonBüchertruhenumge­

ben; zwischen ihr und denWänden waren vierTische aufgestellt, die Mo­ delle trugen. An derWand gegenüber demEingang hingen zwischen den Fenstern Portraits vonFurttenbachs Eltern, inden Ecken standen Globen der Erde und des Himmels. Die große Vitrine waretwa 6,5mlang. Sie bestand aus einem etwa 1 m hohen Sockelund daraufeinemetwa 1,5 m hohen Cor­

pus, gewissermaßen einer Galerie, die sich auf jeder Seite in zehnArkaden über Säulen öffnete, aber verglast war, um, wie eigens erklärt wird,dieMo­

delle vorStaub zu schützen.DasGebälkdarüber war mit Pyramidenüber Alabasterkugeln bekrönt.In der Vitrine waren zahlreiche Modelleaus Holz undInstrumente ausgestellt, diezur Architektur gehören.Der Inhalt war in zehn Gebiete gegliedert, die sichannähernd mit FurttenbachsTraktaten de­

cken. Eine ähnliche Gliederung hatFurttenbach in einemKupferstich darge­ stellt [Abb.10].Zunächst waren Dinge zusammengetragen, mitdenen der Architekt zur Unterhaltung beitragen konnte: Pyrotechnik und ephemere Festarrangements.Es folgten Bühnenausstattungen für Theater und Grot­ tenals Elemente derArchitecturarecreationis, repräsentiert in Modellen, die Furttenbach in Italien von bedeutendenArchitekten zum Geschenk erhielt.'2 Anschließend warenInstrumente für Zeichnen und Vermessen ausgestellt, dannMaschinen, die hohe Bedeutung für Handwerk, Industrie undVerpfle­ gunghatten, wie Mühlen, Wasserpumpenund andere, danach kamen Mo­

delle von WehrarchitekturundSchiffen. Darunter war wiederein Modell,

10 Abgeb. inFurttenbach,Joseph,Architectura universalis. Das ist: VonKriegs- Statt- und Wassergebäwen, Ulm 1635,101Taf.38-40.

11 Abgeb. in J. Furttenbach,Architectura recreationis. Dasist:Von allerhand nützlichund erfrewlichen civili- schenGebaewen, Augsburg 1640,58,Taf.19.

Abgeb.in Furttenbach, Arch. recr. (Anm. 11), 59-70 Abb. 21-23undinFurttenbach, Joseph, Newes Itinerarium Italiae, Ulm1626,221Abb. 16-17.

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dasFurttenbach in Italien zum Geschenk erhielt.Außer Befestigungsanla­

gen stellte er auch ein Holzmodell derVeteranensiedlung aus, die er an die Stadtmauer angebaut hat [vgl. Abb.4],'3

Nachdem der Rundgang abgeschlossen war, wurde der Besucher nochmals durch den Raumgeführt, diesmal,umdie Bilder an den Wänden zu betrachten. Dahingen einerseits Stiche meist von römischenBauten, an­ tikenund modernen,andererseits Handzeichnungenvon „denbedeutends­ ten" Architekten,wie Furttenbachangibt, ohne es weiter zu spezifizieren.

Sie stellten Paläste dar, Häuser,Villen, Portale, Kapellen,Altäre, Tabernakel, Säulen, Perspektiven, Komödienszenenetc. Furttenbach hebt eigens mehrere spätgotischeDarstellungen hervor. Fürdie Einschätzung vonFurttenbachs geistiger Haltung ist wichtig,dass er diese Werke bewunderte. Er brachte also Verständnis für die Gotik auf,die damals von den Italienern meistve­

hement abgewertet wurde.

Zum Abschluss derBesichtigung des Museums wurde aufeiner Or­

gel, die am AusgangderKunstkammerangebracht war,Musikgespielt,um dem Besucher,wiees heißt,„seine gleichsam vertieftenGedankenzu erqui­

cken“.Nachdemseine Bildungderartgehoben war,wurde der Besucher in zweiBücherzimmer geleitet, gewissermaßen Vorformen der heutigen Mu­

seumsshops. Dort erhielterGelegenheit, das Gelernte Schwarz aufWeiß mit nachHause zunehmen. In mehrerenTruhenlagerten Furttenbachs sämtli­

che Traktate invielenExemplaren, sodasssich der Besucher ihrer „bedienen möge“, schreibt Furttenbach, dasheißt sicher: sie kaufen konnte. Das Mu­

seumwirkt wie eineanschauliche Ergänzung zudenTraktaten.

13 Abgeb. inFurttenbach, Arch. univ. (Anm. 10), 14, Abb. 4.

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JOSEPH FURTTENBACHSARCHITEKTURMUSEUM

DieFührungen dauerten wohl dreibisvier Stunden. In mehreren Schriften behandelt Furttenbacheine besondereLaterne,die dazu dienen sollte, beieiner Museumsführungdie Objektezu beleuchten.'4 Sie sei nötig, erklärt er dazu, weilBesucher besonders imWinter oft beiDunkelheitkä­ men. Wer die Führungen leitete, gibt Furttenbachnicht an.Bei hochgestell­ tenHerrschaften übernahmer selbst die Aufgabe; so ist es fürden Besuch desPrinzen Johann Ernst von Sachsen-Gotha1654 überliefert.’5 AberderAn­ drang warzeitweiseso hoch,dass er dies wohl nicht immer tat.

Das Museum war ein alter Traum Furttenbachs. Währendseines Aufenthalts in Italien hatte er begonnen, Architekturmodelle zusammeln.

Er stellte sie schon inseiner früherenMietwohnung aus.In deren zweitem Obergeschoss warenalle Zimmerangefüllt mit der Sammlung [vgl. Abb.5].

Dort standen viele von denModellen, die dannim eigenenHaus aufge­ führt werden. Zwei Zimmerwaren nur für die Sammlung vorgesehen, aber sie war auch in den Gästezimmern untergebracht; vor allemwarenderen Wändevoll mit Plänen etc. behängt.Furttenbach hatte auchschon Möbel anfertigen lassen, die für die Ausstellung dienten. Esgabin der Mietwoh­

nung sogardie stattliche Vitrine, die späterin der MittederKunstkammer stand. Für sie war der größte Teil vom Flur miteinemhölzernen Verschlag abgetrennt; es bliebnur gerade so viel Platz, dassmanum das Möbel he­ rumgehenkonnte. Schon inder Mietwohnung veranstalteteFurttenbach Führungen durch seine Sammlung. Sie dauertendreibis vier Stunden, wie Furttenbachindem bereitsgenannten Manuskript von 1632 festhält.14 15 16 17 18 VI. BEHANDLUNG VON KUNSTKAMMERN IN FURTTENBACHS SCHRIFTEN

Mehrfach berührt Furttenbach in seinen Architekturtraktaten das Thema derKunstkammern. InderArchitectura civilis, hat er eine ideale Kombination von Kunstkammer, Theater und Natur erfunden.Er stelltzweiVarianten da­ von vor, dieeine in einem fürstlichenPalast, dieandere in einem aufwendi­

gen Bürgerhaus.'7Der fürstliche Palast ist auf Repräsentation abgestimmt.

Er hat in der Mitte seiner Rückfront einen Festsaal[Abb. 11]. Furttenbach gibt an, von ihmaus blicke manauf der einen Seite in ein Antiquarium, ge­

genüber in ein Theater, dasauchalsTanzsaal genutzt werden könne, rück­ wärts in den Garten und nach vorn in denEingang des Palastes, sodass man den Personenverkehr dort beobachten könne. Den Rundblickmag man sich erhebend vorstellen, aber die andenFestsaal angrenzenden Bereichewer­

dennicht genauer behandelt. In der Architectura recreationis entwirft Furt­ tenbach einenfürstlichen Palast miteiner langgestreckten „Galerie“,die als „Kunst- und Antiquitätenkammer“ dient.'8 Sieenthält Kuriositäten, An­ tiquitäten und Bilder,aberkeine architektonischen Objekte.Diese Disposi-

14 Furttenbach, Arch.civ. (Anm. 9), 21.Ulm, Stadtarchiv,Ms. H Furttenbach 6,11.

15 Dussler,Hildebrand, Reiseberichte ausBayerisch-Schwaben, Bd. 2, Weißenhorn 1974,104.

16 Ulm, Stadtarchiv,Ms. H. Furttenbach 5 „Architectura universalis", 229.

17 Furttenbach, Arch. civ. (Anm. 9), 21, Abb. 8,22-23.

18 Furttenbach,Arch. recr. (Anm. 11), Abb. 18.

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tion folgtrealenVorbildern. Die Kunstkammer HerzogAlbrechts V.von Bay­ ern etwawar in einer derartigen Galerie untergebracbt.’9

Die vorbildliche Kunstkammeristdem Bürgerhaus Vorbehalten [Abb. 12]. Dieses Haus schließt ein großes Theater ein, das zugleichein Na­ turalien- und Architekturmuseum bildet. Es ist genau beschrieben: Es er­ strecktsichfast über eine ganzeSeite des An wesensundnimmtin der Höhe zwei Geschosse ein. An einemEnde desSaalsliegt die Szene, um den Saalläuft eine ovale Galerie herum,getragenvon wohlgestalteten Säulenordnungen.

Die ovale Mitte desRaums und dieGaleriesind fürdie Zuschauer bestimmt.

Am anderen Ende des Saals steht eine Grotte; sie hat dort ihrenPlatzals Na­ turalienkabinett. Die Wände oben aufder Galerie sindmitBildern behängt.

Unter der Galerie sind beidseits Reihen von Kabinetteneingerichtet. An ih­ ren Wänden stehen Schränke, um eineSammlungaufzunehmen, die aus­ schließlich in den Bereich der Architekturgehört. Die Objekte sind, ähnlich wie in dergroßen Vitrine von FurttenbachsMuseum,nach gewissen Krite­ rien geordnet: Zeichnungen oder Modelle von technischenAnlagen, Schiff­ bau, Wehrbau,Profanbau, Astronomie, Geometrie, Arithmetik, Artillerie, Pyrotechnik. Wenn nicht Theatergespielt wird, sollen in der Mitte des Saals - wie inFurttenbachsMuseum- Büchertruhenaufgestellt werden,damit die Besucher das Studium der Ausstellungsstücke vertiefenkönnen. Das war wohl von vornhereinFurttenbachs ideale Vision eines Architekturmuseums.

Joseph Furttenbach, Fürstlicher Palast, GrundrissdesErdgeschosses,Architectura civilis, 1628.

Abb. 11

19 Diemer, Dorothea/ Diemer,Peter/ Seelig,Lorenz, DieMünchner Kunstkammer, München2008.

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52 JOSEPH FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM

Abb. 12 JosephFurttenbach, Bürgerliches Wohnhaus, Grundriss des Erdgeschosses, Architecturacivilis, 1628.

Das Museum, das in dem Ulmer Haus eingerichtetwar, sollte das An­

denken an Furttenbach bewahren, indem es seine Tätigkeit und seineErfah­

rungen alsArchitektvorführte.Aber es warauchzur generellen Belehrung über die Architektur bestimmt.Furttenbach hat sich gründlichmitAusbil­

dungbefasst.20 21Kurz nach 1631errichtete er in Ulmeine Schule und publi­ zierte unter demNamenseines Sohnes seine Pläne dafür inallen Einzelhei­ ten, einschließlich der Einrichtung,wie schon angesprochen [vgl. Abb. 3]?’ In der Architectura universalis entwirft er eineidealeSchule22 und geht auchauf den Unterricht ein. Der Mailänder Hofbaumeister Filarete dürfte der Einzige vorFurttenbachgewesensein,der denSchulunterrichtim Rah­

mender Architekturtheoriebehandelte (um1460-64).23 Die Kinder sollen anderidealen Schuleunteranderemin die Architektur eingeführtwerden und mathematische Grundlagen lernen, die der Architektur dienen (wie Ver­ messen).Im oberstenGeschoss der Schule soll eine Kunstkammer zur De­

monstration des Lehrstoffs für die Schüler eingerichtet werden; in ihr sol-

20 Roller, Karl, Die schulgeschichtliche Bedeutung Joseph Furttenbachs desÄlteren (1591-1667) in Ulm, Diss.

Darmstadt 1913.

21 Furttenbach,Josephd J., TeutscheSchul-Gebäw. Wie eine Teutsche Schulstuben wolbesteltermassen, gegen den vier Winde, dergestalt gerichtet, Augsburg 1649.

22 Furttenbach, Arch. univ. (Anm. 10), 45-50.

23 Zu Filaretes Entwurf einer Schule siehe: Günther, Hubertus, „Society in Filarete's Libro architettonicobet- ween Realism, Ideal,Science FictionandUtopia", in: Arte Lombarda, N.S. Bd. 155,2009,56-80.

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len mathematische, mechanische und architektonische Instrumenteund Modelle ausgestelltwerden.Zudemsindbei den Schulen Gärten als bota­

nisches Lehrmittel vorgesehen.

VII. DIE HISTORISCHE STELLUNG VON FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM

Furttenbachs Sammlung konzentrierte sich auf das GebietderArchitektur bzw. auf die Aufgaben,die damals auf einen Architekten zukamen. Sie war sorgfältigausgestellt, war für ein gehobenes Publikumzugänglich und be­

anspruchte, zu belehren. In diesemSinndarfman sie als Architekturmu­ seum bezeichnen und vielleicht sogar als das erste Architekturmuseum, das je eingerichtet wurde.

Jetzt erregt FurttenbachsHaus meist nur noch lokales Interesse; in der Historiografievon MuseenoderKünstlerhäusern erscheint es kaum. Aber seinerzeitwar es wegen des Museums hochberühmt.Es zog vieleBesucher an, daruntermehrere Fürsten. DerKurfürstvonder Pfalz und der Markgraf von Baden-Durlach kamen sogar mehrfach.AlleinimJahr 1663 stellten sich über 1200 Besucher ein.Schon in der früheren Mietwohnung, berichtet Furt- tenbach, zog die Sammlungtrotz ihrer beengten Aufstellung viele Besucher an.24In zeitgenössischen Almanachen fürvornehmes Leben, in Reiseberich­

ten undStädtebeschreibungen wird das Museum ausführlich besprochen.25 Beider Beschreibung von UlminMatthaeus Merians Topographie istFurt­ tenbachs Haus eingehend behandeltundsogarabgebildet.Die Beschrei­

bung ist so ausführlich wie nur noch diejenige desberühmtenMünsters in Ulm, weitausführlicher als alle übrigen Bauten in Ulmeinschließlichdes Rathauses.26 VonderKunstkammer des Herzogsvon Württemberg in Stutt­

gart erwähnt Merian trotzdesaufwendigen NeuenLusthauses, das soeben an das Schloss angebaut worden war, um sieaufzunehmen, nur: „dernewe Bau zur Fürstlichen Rüst- und Kunstkammer /sampt einem schönen Saal / angeordnet"27.Die Illustration vonFurttenbachsHaus zeigt eine Vedute und den Grundriss desMuseumsgeschosses mitseinerEinrichtung,bezeichnet als „Kunst, unnd Rüstcammer“. Dagegen bildet Merian nichteinmal die Bür­

gerpaläste in Augsburg oder Nürnbergab, die bei Weitem prächtiger waren alsFurttenbachsHaus, aber eben kein Museum enthielten.

Abschließend folgteine historische Einordnung von Furttenbachs Anwesen. Das Haus glich im Wesentlichen einem stattlichen Bürgerhaus wie viele Künstlerhäuser28- soetwa diejenigen Dürers oder des Württem- 24 Ulm,Stadtarchiv, Ms.H Furttenbach 5 „Architecturauniversalis"Teil 1,229.

25 Sturm, LeonhardChristoph/Gröning, Johann/ Reyher, Samuel/ Marperger, Paul Jacob,Der geöffnete Ritter-Platz. Worinnen Die vornehmsten Ritterlichen Wissenschaften und Übungen,Sonderlich, wasbey der Fortification,Civil-Bau-Kunst, Schiff-Fahrt, Fechten,Reiten, Jagen, Antiguen so wohlals Modernen-Müntzen und Medaillen, Hauptsächliches und Merckwürdiges zu beobachten, Bd. 3, Hamburg 1707,167;vgl.Neickel, KasparFriedrich, Museographia, Leipzig/ Breslau 1727,112.

26 Zeiller,Martin, TopographiaSveviae, Frankfurt a. M.1643,202-203.

27 Zu der wechselvollen Geschichte der Kunstkammer der Herzögevon Württemberg siehe:Fleischhauer, Werner,Die Ceschichte der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg inStuttgart, Stuttgart 1976.

28 Hüttinger,Eduard(Hg.), Künstlerhäuservonder Renaissance bis zur Gegenwart, Zürich 1985. Schwarz, Hans- Peter, DasKünstlerhaus,Braunschweig 1990. Günther, Hubertus, „Künstlerhäuser seit der Renaissance

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54 JOSEPHFURTTENBACHSARCHITEKTURMUSEUM

bergischen Hofarchitekten HeinrichSchickhardt und des AugsburgerStadt­ baumeisters Elias Holl. Eswar beträchtlichgrößeralsviele von ihnen,etwa auch größer als diejenigen,die sich Schickhardt undHoll gebaut hatten,29 aber unauffälligerin der Erscheinungals die Häuser von Rubensundetli­ chen italienischenKünstlern. BeiMalern warein Zugang zum Atelier im Erdgeschoss verbreitet. Der direkteZugang zumgroßen Arbeitszimmer im erstenObergeschoss von Furttenbachs Haus findet eine Parallele in Raffa­

elsPlan für ein eigenes Haus ander Via Giulia.30

Manche Künstlerhäuser des r6.und 17. Jahrhundertszeichneten sich durchdie Dekoration ihrer Innenräume aus. Malerwie Giorgio Vasari oder FedericoZuccariveranschaulichtendort mit Freskenihre Auffassung vom hohen geistigen und sozialen Rang ihres Gewerbes; Filarete beschrieb eine entsprechende Dekoration fürdas Hausdes idealen Architekten (1460- 64).3' Dieprogrammatischen Bilder,dieüber den Türenvon Furttenbachs Museum hingen, bilden bescheidene Reminiszenzen solcher Dekorationen.

Sieerinnernbesondersan dieDarstellung vonSapientia undPerseveran- tia als die beidengrundlegenden Tugenden des ruhmreichen Künstlers in Zuccaris römischem Haus.32

Vielewohlhabende Patrizier richteten Kunstkammern ein, wie zum Beispiel die Familie Dimpfel in Regensburg, wie bereitszitiert, um einege­

wisse Vorstellung von Furttenbachs Museum zu geben.33 AusBerichten von denBesuchen bürgerlicherKunstkammern gehthervor, dass gewöhnlich die Besitzer ihre Besucher führten.Ein vornehmer Künstler wie Rubens aller­ dings stellte nur einen Diener ab, umden jungen Otto Sperling,den späte­ ren Leibarzt des KönigsvonDänemark, durch sein Atelierhausund zu seiner Antikensammlung zugeleiten (1621). Die Wohnräume wurden beiso vorneh­ men Bürgern wie Rubens undFurttenbach nicht gezeigt.

EtlicheLiteraten und Künstler vermarkteten wie Furttenbach ihre Druckgrafiken oder Schriften selbst (Maler wie AlbrechtDürer oder Archi­

tekten wie Giovanni Battista Bertaniund Vincenzo Scamozzi).34 Vielebegü­ terte Künstler besaßen eineSammlungund bestimmten, dass sie zu ihrem

29

31 32

33

34

1470-1800", in: Brandlhuber,Margot, ImTempel desIch.Das Künstlerhaus als GesamtkunstwerkEuropa und Amerika 7800-1948, München 2013,16-29.

Siehedas Inventar vonSchickhardts Eigentum in der WürttembergischenLandesbibliothek Stuttgart, Cod.hist. fol. 562, 2v-3r.Pfeiffer,Bertold (Hg.), Handschriften und Handzeichnungen des herzoglich würt­

tembergischen Baumeisters Heinrich Schickhardt, Stuttgart1901,326-327.

Wirth, Liselotte, „DieHäuservon Raffael inRom und von GiulioRomano in Rom und Mantua",in:

Hüttinger,Künstlerhäuser (Anm. 28),Anm. 57-68. Schwarz, Künstlerhaus, 160-161.

Averlino, Antonio detto ilFilarete, TrattatodiArchitettura, Mailand 1972,559-562.

Müller, Barbara,,,Die Casa Zuccari in Florenz und der Palazzo Zuccari in Rom“, in: Hüttinger,Künstlerhäuser (Anm. 28),101-120. Schwarz, Künstlerhaus (Anm. 28), 201-202.

Von Schlosser, Julius, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance,Leipzig 1908. Balsiger, Barbara, Jean ne, TheKunst- und Wunderkammern. A catalogue raisonne ofcollecting in Germany, France and England 1565-1750, Diss. Uni. Pittsburgh1970. Eine vorzügliche Übersicht über Kunstkammern mit Literatur präsentiert Peter Huber in: www.kunstkammer.at.

Burke, Peter, Die Geschicke des„Hofmanns". Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers überangemessenes Verhalten,Berlin1996, 53-54. 69Anm.3; Carpeggiani, Paolo, II librodi pietra.Giovanni Battista Bertani, Mantua1992, 70 (Inventardes Nachlasses); Olivato Puppi, Loredana, „Perla storia di unlascito: da Vincenzo ScamozziaBartolomeo Malacarne", in:Atti. Istituto Venetodi Scienze, Lettereed Arti,CI. Sc.

Morali, Lettere ed Arti,Bd. 133,1974/75.347369-

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Andenkenaufbewahrt werde,35 aberes istselten überliefert, wie sie aufbe- wahrt wurde, und noch viel seltener,wie sie vorgeführt wurde.

Berühmt ist der Raum, denRubens an sein Haus inAntwerpen an­ bauen ließ,umseine Antikensammlung aufzustellen.36 DerRaum zeich­ nete sich vornormalen Zimmern dadurch aus, dass er einehalbe Rotunde mit Oberlicht inder Mitteder Kuppel bildete und in die Wand Nischen ein­ gelassen waren, in denendieExponate standen.Er besaßzwei Zugänge, einenprivaten von der Wohnungaus und einen vom Hof aus,durch den BesucherdenRaum betretenkonnten,um die Sammlungzusehen, ohne in Rubens Privatsphäre einzudringen. Rembrandts Sammlung von Bil­ dernund Stichen,bekannt durch die unglücklicheVersteigerungnach der Insolvenzerklärung von 1656, hing dagegen verteilt überdie Räume seinesHauses.

Rubens’ Antiquariumfolgtwahrscheinlich italienischen Vorbildern.

Nebendemprächtigenmit Nischen und Oberlicht ausgestattetenAntiqua­

rium des Palazzo Grimani bei S. Maria Formosa in Venedig sei hier auf zwei Künstlerhäuserhingewiesen: dasjenige des LeoneLeoni und Federico Zuc- caris Florentiner Atelier.IndieWände des Vestibüls, dasim Erdgeschoss von Zuccaris Atelier (1578) liegt,sind viele Nischen eingelassen, die ähnlich klein sind wie die in Rubens’ Antiquarium.Sie werden wohlauch dafürbestimmt gewesen sein, Statuenaufzunehmen.

DerBildhauerLeone Leonierrichtete sich 1565 in Mailand ein Haus, dastrotzspektakulärenäußerlichenAufwands nur wenig Raum zum Woh­

nenbot, weil es über undüber angefüllt war mitGipsabdrückenvon be­

rühmtenPlastiken.37Im Hof trafder Besuchergleich aufdas Reitermonu­ ment des Marc Aurel vom Kapitol, in den Umgängen standen Michelangelos Werke. Neben dem Eingang führteeine Treppe hoch zum Obergeschoss. Es wurde ander Straßenfront weitgehend voneinemgroßen Raum mitkost­

baren Kunstwerken und dessen Vorzimmern eingenommen(zerstört).Dort befandensich unter anderem die meisten von Leonardo da VincisManu­ skripten.Der Raum war oktogonalund hatte ein Oberlicht in der Mitte; ob Nischen fürkleine Plastiken indie Wände eingelassenwaren, ist nichtbe­

kannt.Dieschmalen Seitenflügel des Anwesensbotenwohl nurPlatz für Galerien mit weiterenGipsabdrücken. DiesesHausdarf man auch als Mu­

seum bezeichnen. Vonihmhieß es seinerzeit, eshabeviele Persönlichkei­

ten zum Sammeln angeregt; die Sammlung wurde also herumgezeigt, die Exponate waren sicher auch Lehrobjekte fürLeonis Schüler. Sie waren nicht auf die eigene Person Leonis bezogen, abersie spiegeltenseineVorlieben, speziell seineVerehrungfür Michelangelo.

35 Schweikhart, Gunter,DieKunst der Renaissance. Ausgewählte Schriften, Köln /Weimar / Wien2001,256- 265 („Bernardino India und dieIdee des Künstlermuseums im16. Jahrhundert").

36 Uppenkamp, Barbara /Beneden, Ben/van Lombaerde, Piet, Palazzo Rubens. The master as architect, Brüssel 2011.

37 Nebbia, Ugo, La Casa degli Omenoni, Mailand1963.Di Dio,Kelley H., „Leone Leoni’s collection in the Casa degli Omenoni, Milan: the inventoryof 1609", in.- Burlington Magazine, Bd.145,2003, 572-578. Cupperi, Walter, „Arredi statuariitaliani nelle reggedei Paesi Bassi asburgicimeridionali (1549-56) II.Un nuovo .Laocoonte' in gesso, i calchidall’anticodi Maria d'Ungheria e quelli della ,Casa degli Omenoni' a Milano", in:Prospettiva. Rivistadi Storia dell'arte anticae moderna,Bd.115-116,2004, 159-176. Canella, Maria/

Maifreda, Germano, Clubinonella Casa degli Omenoni, Mailand 2008.

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5& JOSEPH FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM

Seit Langem sammelten diverse Architekten ihre eigenen Pläneund Studien: soetwa Heinrich Schickhardt oder Elias Holl.’8 Schickhardt und Holl hielten ihrWirken als Architekten auchähnlichwie Furttenbach selbst schriftlich fest.38 39 DiegrafischenSammlungen derArchitekten der päpstli­ chen Bauhütte, AntoniodaSangalloundBaldassare Peruzzi,sindgroßteils erhalten, weilsie inden Besitz der Medici gelangten; jetztbefindensie sich in den Uffizien. Antonio besaß auchwichtige Pläneanderer Architekten;

er hat sie anscheinend aus der Bauhütte von St.Peter weggenommen. Die Sammlung von Plänen in Antonios Nachlass warseinerzeit hoch begehrt.40 Aber es ist nicht bekannt, dass sie ausgestelltgewesen wäre.

Etlichefürstliche Kunstkammern schlossendas Gebiet der Architek­

tur ein. Hier gab es Schaustücke wie Stadtmodelle.Besonders berühmtsind die Modelle der bayerischenResidenzstädte,die JakobSandtner 1568-74 für Herzog Albrecht V.von Bayern schuf. In der Kunstkammer, dieHerzogErnst I.

von Sachsen-Gotha-Altenburg (1640-75), der Vater des PrinzenJohann Ernst, der Furttenbach1654 besuchte,einrichtete,waren die Architekturmodelle 1659in einem gesonderten Zimmeraufgestellt.4'Die fürstlichen Kunstkam­

mern waren bekanntlichfür ein gehobenes Publikumzugänglich, aber die Architektur bildeteeben nur eine Unterabteilung.

Einige Städte, zumindest freieReichsstädte sammelten Modelle.

Das taten sie nichtnur, wiedieFürsten, zur Erinnerung an repräsentative Bauten oder derenPlanung oder zurDemonstration der Erscheinung einer Stadt, sondernauchzur Dokumentation von Meisterprüfungen und Paten­

ten.42Leonhard Sturm empfiehlt 1718, inRathäusern Räume zureservieren für die Unterbringung vonAkten und Modellen, die dem Magistratpräsen­ tiert worden seien, und von „kostbarenApparaten“, die für zeremonielle Auf­ tritte desMagistrats gebraucht werden,bzw. für den zunehmend wachsen­

denBerg von „dergleichen Rüstungen und Zeug“.43

Nürnberg besaßeinst eine große Modellsammlung,zu der vielleicht ein RepräsentationsstückwiedasModell von Nürnberg gehörte,das Hans Baier 1540 als erstes bekanntesStadtmodell in Deutschland schuf. Schon im Jahr 1532 wurde angeordnet,einen gesondertenRaum zuschaffen, um dieModelle aufzubewahren.44 Aber erst für das späte 18.Jahrhundert ist

38 Merk, Eberhard A., „Schickhardtiana im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. EinVerzeichnisder Archivalien zu Heinrich Schickhardt in dessen Beständen",in:Kretzschmar,Robert (Hg.), NeueForschungen zu Heinrich Schickhardt, Stuttgart 2002,179-187; Roeck, Bernd, Elias Holl. Architekt einer europäischen Stadt, Regensburg 1985.

39 Merk,"Schickhardtiana(Anm.38).Holl, Elias, DieHauschronikder Familie Holl(1487-1646), München1910.

Vgl. die Listen der eigenen Werke, die Furttenbach anlegte. Ulm, Stadtarchiv, Ms. H Furttenbach 8 u. H.b.7 Furttenbach.

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41

42 43

44

Günther, Hubertus,Das Studiumder antikenArchitekturindenZeichnungen der Hochrenaissance, Tübingen1988,244.

Zimmermann, Wolfgang,„SammlungsgegenständeausNatur und Technikder Kunstkammer ErnstI.von Sachsen-Gotha-Altenburg(1640-1675)", in: Grote, Andreas (Hg.),Macrocosmos inMicrocosmo. DieWelt in derStube. Zur Ceschichtedes Sammelns1450 bis 1800,Opladen 1994,629-642,bes.637.

Vgl. für Venedig:Ceredi,Giuseppe, Tre discorsi soprailmodo d’alzaracque d'luoghi bassi..., Parma 1567,19.

Sturm, Christoph, Vollständige Anweisung Regierungs- Land- undRath-Häuser,Wieauch Kauff-Häuser und Börsen starck, bequemund zierlich anzugeben, Augsburg 1718,9.Frdl. HinweisElke Valentin.

Hampe, Theodor, Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstlerim ZeitalterderSpätgotik und Renaissance,Wien 1904, Bd. 1,173, Nr. 1914. Zur Sammlungder Stadt, speziell zu deren Holzmodelle cf.

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übeTÜefert, wo sie untergebracht waren(„Sammlung vonModellen al­ lerband Artenim Stadtbauamt").45 Die prachtvolleModellsammlung der Stadt Augsburgist in großem Umfangbewahrt; das früheste vonihren Stü­

cken datiert 1503.46 Die meisten Stücke betreffen Augsburger Bauprojekte, aberdie Sammlungumfasst auch Modelle,die wohlfürPatente oderMeis­ terprüfungen eingereicht wurden, und Schaustücke wie etwadasModell von Augsburg, das sich die Stadt 1560-63 von HansRogelanfertigenließ.

Die Modelle müssen kontinuierlich gepflegt worden sein, umgut erhalten zu bleiben. Trotzdemistnicht überliefert, wo und wie siewährend des 16.

und 17. Jahrhunderts aufbewahrt wurden. Man kann nur vermuten, dass sie in der niedrigen Halle überdemGoldenen Saal standen, die als „Rüst­

kammer"diente.47Anscheinend waren die städtischenModellsammlun­

gen nichtso gut öffentlichzugänglich wie Furttenbachs Museum. Jeden­

falls scheinen sie in denzeitgenössischen Reiseberichten,Almanachen und Städtebeschreibungen,seltener erwähntzu sein als private und fürstliche Kunstkammern.48

Als Ort der Erinnerung an eineeinzelne Persönlichkeit gleicht Furt­ tenbachs Haus dem Landhaus Petrarcas inArquä, dasein spätererBesitzer um die Mitte des 16. Jahrhundertsals Gedenkstättean den großen Dichter herrichteteunddasalssolche immer noch in Betrieb ist.49 ImPiano nobile wurden dieWändemit Fresken bemalt, die Petrarcas Hauptwerke illustrie­ ren und Portraits von Petrarca und seiner Geliebten Lauradarstellen; im Studiolo bewundertemanPetrarcas Schreibtisch, seineManuskripteund Schreibutensilien; schließlich wurde man durchdenGarten geführt, den Petrarca selbst angelegthatte, und erfuhrseine botanischen Besonderhei­ ten. Ähnlich wie ein botanisches Museum hatschon Erasmusvon Rotter­

dam den Garten des idealenLandhauseseines Humanisten beschrieben.50 * Eine gewisseParallele zuFurttenbachs Demonstration seines eige­

nen Wirkens als Architekt bietetdie Casa Buonarrotiin Florenz.5' Im Laufder Jahre 1613-35, also noch währendFurttenbachin Italienweilte, richtete Mi­ chelangelos Großneffe in dem Hausmit großem AufwandvierRäumeein, um

Schwemmer,Wilhelm, „Aus der Geschichte der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg", in: Mitteilungen des Vereins für GeschichtederStadtNürnberg, Bd. 40,1949,97-206,spez. 112-113.

45 Meusel, Johann Georg,Teutsches Künstlerlexikon oder Verzeichnis der jetztlebenden teutschen Künstler, Teil 1, Lemgo 1778,228.

46 Baer, Wolfram/Kruft, Hanno-Walter/Roeck, Bernd,EliasHoll und dasAugsburger Rathaus,Augsburg1985;

Reuther, Hans /Berckenhagen, Ekhart, Deutsche Architekturmodelle. Projekthilfezwischen 1500 und 1900, Berlin 1994.

47 Die „Rüstkammer"inderoberen Halle wirdschonerwähnt von Heupold,Bernhard, Kurtze beyläujfige Beschreybung/ deß newerbauten Anno 1615 angefangnen Rahthaus dieser löblichen deßH.Reichs statt Augspurg, Augsburg1620,S. B 2v. Aber die Modelle sind dort ersterwähntvon Paul vonStettend.J., Kunst- Gewerb- und Handwerks Geschichte, Augsburg1779,25,51,156. Frdl.Hinweis Julian Jachmann.

48 Beispielsweise: Neickel,Museograph/a (Anm. 25), 24,75-76,112,erwähnt private Sammlungen in Augsburg, Nürnbergund Ulm (Weickmannsches Müntz-Cabinet, Furtenbachs Museum), aber keinestädtischen Sammlungen dort.

49 Magliani, Mariella, Lacasa diFrancesco Petrarca ad Arquä, Mailand 2003.

Erasmus vonRotterdam,Ausgewählte Schriften, Darmstadt 1967, Bd. 6, S. 31,35-37 („Colloquia familiaria").

51 Wasmer, Marc-Joachim, „Die CasaBuonarroti,ein Geniedenkmalfür Michelangelo", in: Hüttinger, Künstlerhäuser (Anm. 28),121-138. Contini, Roberto,„Casa Buonarroti, sede fiorentina di Pietro da Cortona, in: Ciardi, Roberto Paolo (Hg.),Casedi Artistiin Toscana, Mailand 1998,145-166.

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JOSEPH FURTTENBACHS ARCHITEKTURMUSEUM

seinenberühmtenVorfahren zuehren,seineWerke zudemonstrieren und auszustellen, was eran eigenständigenWerken Michelangelos geerbt oder erworben hatte. Große Bilderan den Wändendes prächtigen Hauptraums zeigen,wie Michelangelo Modelle oderPläne seiner Bauten präsentiert.

Auch dasberühmte Museum, das Paolo Giovio1540 am Lagodi Como einrichtete, dientederSelbstdarstellung.52 Außer derSammlungvon Por- traitsbedeutender historischer Persönlichkeiten(Staatsmänner, Gelehrte, Architekten und bildendeKünstler) gehörten dazudie Galerie vonGiovios Ahnen undein Friesder Gönner, die Giovios Erfolg unterstützten. Dazu bil­

deten in Furttenbachs Museum die Portraitsvon ihmselbst und von seinen Eltern eine bescheidene Parallele.Zudem hat Giovio ähnlich wie Furttenbach eine Beschreibung seines Museums veröffentlicht. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dieInstitution berühmt zu machen.Sie ist bis Furttenbach ein Sonderfallgeblieben. Furttenbach besaß ein Exemplar davon.53Allerdings gibt diese Beschreibung nicht einen Rundgangdurchdie Sammlung wieder, wieFurttenbachs Architectura privata. Nachrichten von Besuchen in Künst­

lerhäusern oder Kunstkammern finden sich eherin Reiseberichten, abersie werfen höchstens vereinzelteSchlaglichter auf den Vorgang.

Indembürgerlichen Architekturmuseum, das Furttenbach 1628 in Verbindung miteinem Theaterkonzipierte, hat sich offenbar die Ideenieder­ geschlagen, die Erinnerung odeT das Wissen ineinemArchiv zu speichern, dessenKästeninder Gestalt eines antikenrömischenTheaters oder Amphi­

theaters angeordnet sind.Der norditalienische HumanistGiulio Camillohat siein seinem Traktat L'ldea delteatro 1550 vorgestellt.54 DieseSchriftinspi­

rierte den belgischen Gelehrten Samuel Ouiccheberg, der HerzogAlbrecht V. von Bayern beiderEinrichtungseiner Kunstkammer beriet. Die Samm­ lungstheorie, die Ouiccheberg unterdem TitelInscriptiones veltitulitheatri amplissimi 1565publizierte,55 beeinflusste wiederum die Einrichtung späte­

rer Kunst-und Wunderkammern,wiediejenigen Erzherzogs Ferdinands II.

von Tirol in Ambras oder Kaiser Rudolfs II. inPrag. Es bleibt zu untersuchen, ob sie Furttenbach zu der Idee anregten,die Kunstkammer wie einTheater oder Amphitheaterzu disponieren.

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55

Minonzio, Franco, „II museo di Giovio e la galleria degli uomini illustri", in:Ginzburg, Silvia (Hg.), Testi, immagini e filologia nel XVIsecolo, Pisa2007,77-146; Agosti, Barbara, Paolo Giovio. uno storico lombardo nella cultura artistica del Cinquecento,Florenz 2008.

Furttenbach führt imVerzeichnisseiner Bücher GioviosElogia veris clarorum virorumimaginibusoppo- sita quae in Museoloviano... spectantur auf,in der die Beschreibungdes Museums enthaltenist.Ulm, Stadtarchiv,Ms. HFurttenbach11,57.

Yates, Francis A., Gedächtnisund Erinnern. Mnemonik von AristotelesbisShakespeare, Berlin 1999,123- 158. Lazardzig, Jan,„Theater- und Festungsbau. Zur Architektonik desWissens im Werk desKriegs-und Zivilbaumeisters Joseph Furttenbach(1591-1667)", in: Schock, Fleming/ Bauer, Oswald G./ Koller, Ariane (Hg.), Dimensionen der Theatrum-Metapher inder frühen Neuzeit, Hannover 2008,183-207; Lazardzig, Jan, „Architektur-Theater. Wissensräumedes Theaters bei Joseph Furttenbach (1591-1667)", in:Hauser, Susanne (Hg.), Architektur in transdisziplinärer Perspektive, Bielefeld 2015,313-343.

Roth, Harriet, Der Anfang der Museumslehre in Deutschland: Das Traktat "Inscriptionesvel Tituli Theatri Amplissimi" vonSamuel Quiccheberg, lat.-dt., Berlin2000; Balsiger, Wunderkammer(Anm. 33) 1970, 521- 551; Minges, Klaus, Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit.Kriterien derOrdnung und Spezialisierung, Münster 1998; Kahle, Manuela, ZwischenMnemotechnik und Sammlungstheorie.EineUntersuchung zu Giulio Camillos„L'idea del teatro"undSamuelQuicchebergs„Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi", MA-Arbeit München 2005. Pilaski Kaliardos,Katharina, TheMunich Kunstkammer,Tübingen2013.

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