Totholz bringt Leben in den Wir tschaft
swald'
VonXorinScZuegg
Keywords: Deadwood; forestry; biodiversity. fdkisi.35: isi.9:4:907.1
1. Einleitung
Seit einigen Jahren gewinnt die ökologische Bedeutung von Totholz an
Aufmerksamkeit
(//e/zövazzrtz und Bäz.vime«, 1984; Fry und Lorcsz/zz/e, 1991;Zzzrz'c undZzz/zzz, 1995; Sc/zerz/nger, 1996),undesmehren sich Studien, diesich
mit
den Beziehungen zwischen Totholzund verschiedenenTierartenbefassen (Insekten: z.B. 7/ztrZrazmnundSprec/zer, 1990;Fair/zundSc/zraz'ZZ, 1991; 0/c/anr/et a/., 1996; Vögel: z. B. ./«c/cvorz, 1979; Sez/gew/ck und Knop/, 1990; A/foreckz, 1991; K/eznsäzzger;vgl. .S'zzZer und Sc/z/e/Zy, 1998, im vorliegenden
Heft).
In der forstlichenPraxisist dieBereitschaftgewachsen,vermehrtTotholz indenWäl- dernzu belassen.Der Begriff
«Totholz» stehtjedochfür
viele Waldnutzernoch immer in Verbindungmit
ungenügenderWaldhygiene.In
diesem Aufsatzwer- den dieVor- und Nachteile einesTotholzmanagements in Wirtschaftswälderndiskutiert
und die Bedeutungvon TotholzinWaldökosystemenfür
die Natur- Verjüngung sowie als Lebensraumfür
Insekten gezeigt.2.Totholz inWaldökosystemen: Einige wichtige Aspekte
für
den Naturschutz2J
Förderung r/erAtourver/üngungIn verschiedenen
Arbeiten wird
gezeigt, dass Totholz die natürliche Ver- jüngung in Waldbeständen positiv beeinflusst (Zz'er/, 1972; Aezzwzmrz, 1978;Ztzkrzg/, 1984; Svtwzsorz und Frazzk/z'rz, 1992), und im Bergwaldbau wird Totholz als jungwuchsfördernde Komponente gezielt eingesetzt (SzöcM,
' Nach einemReferat, gehaltenam3.November1997im RahmenderMontagskolloquien der Abteilung fürForstwissenschaften derETHZürich.
1995). Nachfolgend werden die Eigenschaften des Totholzes, die der Natur- Verjüngung
förderlich
sind,kurz dargestellt.Verrottetein amBoden liegender Baumstamm, werdendie im Holzgespei- cherten Nährstoffemit fortschreitenderZersetzunglangsamfreigegeben,waszu einer Düngung bzw. Mineralisation des Bodens führt (Humifizierung). Den grössten Beitrag zu diesem Prozess liefern die holzabbauenden Pilze (Vifé, 1952).Ein mitPilzmyzelien durchsetzter Baumstamm hat einen umdasl,5fache erhöhten Wasser- und Stickstoffgehalt (Maser ef a/., 1979), wobei die meisten Stickstoffverbindungen aus Tierexkrementen und -kadavern stammen. Die Ausscheidungen derPilzeenthalten Zucker, Stärke und Proteine, diewiederum von weiterenMikroorganismen genutzt werden (Sc/ierzinger, 1996). Durchden Abbau derCellulose-Ligninkomplexe steigt der relative
Anteil
von Spurenele- menten, während gleichzeitigdas Verhältnis von Kohlenstoffzu Stickstoffund Phosphor abnimmt (Maserund Trappe, 1984;Carrer und Zangrando, 1994).Kei- men die Jungpflanzen direkt auf dem Totholz (Rannenverjüngung), entziehen sie dem Stamm diese Nährstoffe, welchesonst durch Auswaschung oder späte- stensbeimZerfall
desStammesindenBodengelangen.Dadurch erhöhtsich derAnteil
der pflanzenverfügbaren Nährstoffe in der Umgebung des Totholzes.Wie Rapp (1983) zeigt, können die Nährstoffverluste,die in einem Wald durch die Entfernung des Totholzes entstehen, nicht durch den Einsatz künstlicher Düngerkompensiert werden, daderen Zusammensetzung nicht den Bedingun- gen des jeweiligen Bestandes angepasst ist. Ranger (1981) verglich die Stoff- kreisläufe in einem gedüngten und einem ungedüngten Föhrenbestand (P/nws Zar/cfo L.) in Korsika.
Er
beobachtete, dass die Bäume auf dem gedüngten Boden zwar höhere Erträge lieferten, dabei aber auch pro produzierte Einheit an Biomasse deutlich mehr Nährstoffe benötigten als solche in ungedüngten Beständen. Dies deutetdaraufhin, dassim Dünger einzelne,noch nicht identi- fizierte Elemente nicht oder in ungenügender Menge vorhanden waren. Die Bäumewurden zwarzueinemvermehrten Wachstumangeregt, reagierten aber mit einerüberhöhten Nährstoffaufnahme, um die Mängelzukompensieren.Am
Boden liegendes Totholzwirkt
auch ausgleichend auf dasMikroklima:
Einer-seits
führt
diedunkleOberfläche sowie die geringeLeitfähigkeitvon Holzdazu, dass Totholz gegenüber der Umgebung zu bestimmten Zeiten eine erhöhte Temperaturaufweist (DofeZw, 1972; BLc/zo/jj 1988). Andererseits kann Totholz seine unmittelbare Umgebungauchvor Überhitzungschützen, daesinfolgedes erhöhten Wassergehaltes Temperaturschwankungen auszugleichen vermag (ßc/zrodf, 1969; Dohbs, 1972; ßLc/zo/jf 1988). Letzteres ist auch der Grund dafür, dass in der Nähe von liegendem Totholz der Boden weniger rasch aus-trocknet als an anderen Orten (Tac/zrodf, 1969; Zlobb.v, 1972). Schliesslich schützt ein liegender Baumstamm den Boden vor Erosion (Swanson und
FraÄ,
1992). Einige Autoren vermuten auch, dass herumliegende Stämme oder dickeÄste dasWild fernhalten (Maserefa/., 1979; Sfembac/z, 1989;ßroggf und WZ/fi, 1993) und dadurch Jungpflanzen vorVerbiss schützen.2.2 ßedewZzzng/ürdie /rcsekZen/auna
In
vom Menschenwenig beeinflussten Wäldern findet sichTotholz in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Vonanbrüchigen Stellen anBäumen über faulende Astlöcher bis zu einer am Boden liegenden Baumleichemit
aufra- gendem Wurzelteller erscheint das Totholz in immer wieder neuen Formen.Jeder dieser Totholztypen ist noch zusätzlich charakterisiert durch Faktoren wie Zersetzungsgrad, Feuchtigkeitsgehalt oder
Art
des Bewuchses. Es ist dieFormenvielfalt, die diesen Lebensraum so bedeutend macht, und so bildet Totholz die Lebensgrundlage
für
eine zumTeilnoch unbekannte Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten sowiefür
zahlreiche Mikroorganismen. Viele im Totholz lebende Organismen sind in ihren ökologischen Ansprüchen hoch- spezialisiert (//arazZtorz, 1978). Diesführt
dazu, dass jeder Totholztyp mit sei- ner eigenen Flora und Fauna assoziiert ist. So unterscheidet Rau/z (1993) die Lebensgemeinschaften in der Rinde, imFIolz, im Baummulm,in Baumhöhlen und in Sonderstrukturen wie Saftflüsse, Ameisennester oder Brandstellen (nach RaZra, 1950,1959; Da/oz, 1966;Spez'gZzt, 1989; ZdöZzZez; 1991).Der
Grosse Eichenbock (CeraraZryx cerdoL.)
beispielsweise bevorzugt alte Eichenin wär- meren Regionen, während die Bienenwollschwebfliege (MaZZofa cZmZ)Zcz/or- raisL.)
aufwassergefüllte Höhlungen alter Laubbäume angewiesen ist (Zar/c und ZaZm, 1995). Diese Fülle von Lebensgemeinschaften leistet einen erheb- liehen Beitrag zur Biodiversität eines Waldes.Harding
undRose (1986) sowie£Zton (1966) schätzen, dass rund ein Fünftel der gesamten Waldfauna in irgendeiner Weise von Totholz abhängt. Jedevierte
Käferart
Deutschlands ist auf Totholzbiotope spezialisiert (A/öZZer, 1991; Winter, 1991), und 60% dieserArten
stehen aufder Roten Liste (Geiser, 1986).3. Warum
fehlt
Totholz in Wirtschaftswäldern?Während in europäischen Urwäldern die Totholzmasse in der Optimalpha-
sezwischen30bis 50
fmiha
und in der Zerfallsphasezwischen 200 bis 300fmiha
beträgt (KorpeZ, 1995), finden sich in Wirtschaftswäldern Mengen von durch- schnittlich 1 bis5 fmiha (AZbrec/zt, 1991). Der Totholzanteil hat sichjedoch seit dem 2. Weltkrieg stetig vergrössert (Spezg/zZ, 1989). Das Aufkommen anderer Energieträger wieErdöl
machtevorallem dieVerwendung von Holzals Brenn- stoff unrentabel. Es war die intensive Nutzung der Wälder in den letzten Jahr- hunderten,diezum Aussterben vieler Totholzarten führte (7uZ>Zw, 1976).Heute gelten rund90% alleraufTotholzangewiesenenWirbellosenarten alsschutzbe- dürftig (SpeigZzZ, 1989).Eingut dokumentiertes Beispiel stelltR/zysodessuZcatas (Fabricius) dar, ein Totholzkäfer, der seinen ganzen Lebenszyklus unter der Rinde von stark zerfallenen Laubbäumen verbringt. Einst über ganz Europa verbreitet,verschwand er vondenBritischenInseln,bevorLinneausim 18.Jahr-hundert die zoologische Systematik einführte, und zu Beginn des 19. Jahrhun- derts auch aus Skandinavien. Heute finden sich nur noch isolierte Vorkommen inden Pyrenäen undinBergwäldernItaliensund Griechenlands(Spe/gfa, 1989).
Obwohlsichheute wiedervermehrt Totholz in denWäldern findet, fehltesnach wie vor an totem Starkholz (Pö/zn'g, 1991). Das Entfernen umgestürzter und anbrüchiger Bäume sowie diekurzen Umtriebszeitensinddie wichtigsten Ursa- chen
für
den Totholzmangel in Wirtschaftswäldern. DieForderungnachtotholz- reichen Wäldern weckt sowohl beim Forstdienst als auch bei der Bevölkerung Befürchtungen bezüglich der Waldhygiene oder der Sicherheit von Waldgän- gern. Imfolgendensinddie drei wichtigstenArgumente, die gegendasBelassen von Totholz angeführt werden, kurz diskutiert. Da in Bergwäldern Bedingun- gen herrschen, die eine gesonderteBetrachtung erfordern,gelten die hierange- stellten Überlegungen nurfür
Wälder in tieferenLagen.Angst vor Sc/zäd/tngerü
DashäufiggehörteArgument, dassein ungepflegter Waldunterdem
Druck
von Schädlingen unweigerlich zusammenbreche, kann durch einenBlick
in die Vergangenheit leicht entkräftet werden: Wälder bestanden schon, bevor der Menschmit
ihrer Nutzung begann, und Schädlinge vermochten dieses Öko- system nichtzu zerstören. Allerdings stellt die Förderung der Rottanne (Picea ab/es L.) imMittelland
ein Problem dar, da die wichtigsten Forstschädlinge Nadelholzspezialisten sind (P7imetze&, 1992). Eine Fichtenmonokulturmit
ausgewachsenen Bäumen ist anfällig
für
Schädlinge (/Gzfzmann et a/., 1990;Gerzen, 1991;Mö//er, 1991),vorallem wenn die Bäume durch andereFaktoren bereits geschwächt sind (z. B. Trockenstress: Dy/a und Prätzner, 1986;
Marti-
nat, 1987). Da ein grossflächiges Vorkommen von Rottannen im
Mittelland
nicht der potentiell natürlichen Vegetation entspricht (Steiger, 1994) und die Bäume daher nicht optimal an ihren Standort angepasst sind, vergrössert sich dieseAnfälligkeit
zusätzlich.Nur
ein Teil aller Forstschädlinge entwickelt sich imTotholz, von diesen kann der auffrisch abgestorbenes FIolz vonRottannen spezialisierte Buchdrucker (/ps typograp/zt«L.)
die grössten Schäden anrieh- ten. Bei der Förderung von Totholz in einem Wirtschaftswald muss daher der Nadelholzanteil eines Waldes berücksichtigt werden:- In Wäldern mit
einem hohen Laubholzanteil ist das Belassen von Totholz
kein Problem.
- In
ungleichaltrigen Nadel-/Laubmischbeständen ist Totholz ebenfalls un- problematisch.In
Ausnahmefällen könnten einzelne, kränkelnde Rot- tannen befallenwerden.2Der Begriff«Schädling» ist nicht wertendzu verstehen;erwirdhier nurder Verständlich- keitwegenverwendet.
- In
Wäldernmit
gleichaltrigen Nadelholzkulturen sollte nur wenig frisch totes Starkholz von Nadelbäumen belassen werden.In
Ästenwenig Ästen
wenig
hingegen können sich Schadinsekten nicht in Massen vermehren, daher kann Schwachholzproblemlos im Wald verbleiben.
Eine Mischung von Baumarten, die der
potentiell
natürlichen Vegetation entsprechen, sowie eine gut entwickelte Bodenvegetation gelten als beste Prävention gegen Massenvermehrungen von Schadinsekten (Sc/zzmzAc/zeÀ:, 1969; Az-bezYsgz-zz/zpe WaWsc/zwtz, 1993). Durch eine Senkung des Fichtenan- teils von 100% auf50% kann dasBefallsrisiko von 100% auf30% vermindert werden (Sc/rerz/nger, 1996). Eine intakte Krautschicht hingegen bildet die Lebensgrundlage zahlreicher Räubervon Schädlingen. So empfiehlt Sc/zz'znzY-sc/zeck (1969) die Förderung blütenreicher Waldwiesen und -ränder als
Flabitat
für
Antagonisten von Forstschädlingen. Durch das Stehenlassen von Dürrständernwird
über längereZeit
eine Lücke im Bestand geschaffen, die genügendLicht
auf den Boden dringen lässt, damit sich eine artenreiche Krautschicht entwickeln kann. EinzelneAutoren
fordern zur Schädlings- bekämpfung gar die Düngung des Waldbodens. Merger (1958) und Sc/zwezz/ce(1961, 1996) erhoffen sich dadurch eine
Aktivierung
des Bodenlebens, was wiederum den Stoff- und Wasserflüssen und damit auch der Krautschicht zugute kommen soll. Wie ausKapitel
2.1 hervorgeht, macht das Belassen von Totholz solchekostspieligen Massnahmen nicht nur überflüssig, sondern kann sie auch in ihrer Wirkung übertreffen. Schliesslich kann das Liegenlassen von Totholz eineImpffunktion
ausüben, denn eserhält das Wechselspiel zwischen den Schädlingen und ihren Feinden aufrecht: Räuberpopulationen können sich nur erhalten, wenn immer eine Mindestanzahl von Beuteorganismen zur Verfügungsteht (Begon etzz/., 1990). Bei einerplötzlichen, z. B. witterungsbe- dingten Vermehrung von Schadinsekten können Antagonisten daher schnei-1er reagieren, als wenn ihre Populationsgrössen wegen fehlender Beutetiere reduziert sind (SpezYzer, 1982). Obwohl Insektenkalamitäten auch in
Natur-
Wäldern beobachtet werden (ReramezY, 1992; Tbmzzz/oyc und Wese/ows/cz, 1994), fallen sie in Wirtschaftswäldernoft
heftiger aus (Sc/zz'zrzzAc/ze/c, 1953, 1954; O/fco/ow, 1991).ße/zzzizferzzzzg von For.sZzzrbe/Zm, Ge/zz'/zz-z/zzztg von Wzz/zfgäzigezT-z
Herumliegende Bäume erschweren das Fortkommen
im
Wald sowie den Einsatz von Maschinen. StehendeDürrlinge
könnten Menschen ge- fährden, die sich im Wald aufhalten. Dies sind jedoch keine ausreichenden Gründe, von einer Förderung von Totholz abzusehen.Altholzinseln
sollten sich an Orten befinden, wo keine Maschinen zum Einsatz kommen,z. B. in Hanglagen oder an eigens ausgeschiedenen Orten, wie esin
«Altholzinsel-Programmen» empfohlen
wird
(z. B. Ammer, 1991; Mö//er, 1991; Zimmer/z', 1994). Tote Einzelbäume hingegen behindern die Forstarbeiten kaum, und da bei naturnaher Waldwirtschaft generell weniger intensiveEingriffe
ausgeführt werden müssen, stellen solche Überlegungen erfahrungsgemäss keine Probleme dar.An
Wegrändern können gefährdende Objekte entfernt werden.Orrfrztmg.vc/zm/cerz
Fortschrittlichen
Försternwird
von der Seite der Bevölkerungoft
Unverständnis entgegengebracht. Es werden Vorwürfe laut, der Wald sei vernachlässigt und unordentlich. DasBild
des gepflegten, aufgeräumten Waldes stammt noch aus derZeit,
als das Holz als Brenn- und Baumaterial dringend benötigt wurde. Das Liegenlassen von Ästen oder von umgestürz- ten Bäumenwird
daher auch heute noch als Verschwendung von Rohstoffen aufgefasst. Dass die Räumung eines Windwurfes aber mehr Kosten ver- ursacht, als der Erlös des Holzes einbringt,wird oft
nicht bedacht. Solchen Ansichtenkann im RahmenvonÖffentlichkeitsarbeit
einbringt,
Öffentlichkeitsarbeit
einbringt,begegnetwerden, aber auch
mit
direkten Gesprächen. Erfahrungsgemässwird
sehr schnell ver- standen, dass in einer lebendigenUmwelt
nicht die Ordnung eines Museums herrschen kann.4. Totholznianagemcnt in Wirtschaftswäldern
4.7 Voz-sc/z/üge
Die Bewirtschaftung eines Waldes schliesst eine Förderung von Totholz nicht aus.Es sinddaher Entwicklungen,wie siez. B. im Kanton Aargau (Zz'm-
mez7z, 1994), vor allem aber in Deutschland stattfinden, zu begrüssen und weiterzu fördern, wie z. B.:
-
Schaffung von Waldreservaten als faunistische Artenreservoire-
Nutzungsverzicht in unzugänglichen Lagen-
Stehenlassen vonEinzelbäumen, Baumgruppen(Altholzinseln)
-
zurückhaltende Räumungvon Windwürfen.Diese Massnahmen
-
oder besser: Unterlassungen-
steigern den ökologi-sehen und auch ästhetischen Wert eines Waldes und liefern einen unschätz- baren Beitrag zur Erhaltung verschiedenster Lebensgemeinschaften. Erste Erfahrungen zeigen, dass sich das Belassen von Totholz positiv in der Jahres- rechnung eines Forstbetriebes niederschlägt (z. B. Reichswald in Nürnberg, OberforstmeisterSinner, persönliche
Mitteilung).
4.2Forsc/tungsbedar/
Ist der Entscheid, Totholz zu fördern, einmal gefallen, tauchen sofort Fragen über die Umsetzung dieses Ansinnens auf. Bezüglich der benötigten Menge und der räumlichen Verteilung von Totholz herrscht noch immer
Unklarheit,
ebenso bezüglich derEignung verschiedener Baumaiden (KöWer, 1991; 0/c/and et <2/., 1996; Erdraan« und WiV/ce, 1997). Tatsächlich fehlen ver- lässliche, quantitative Angaben über die Bedeutung naturnaher Waldstruk- turenfür
einzelne Faunenelemente, insbesonderefür
die Gruppe der Wirbel- losen (Ew//er und Whrren, 1989; T/iomas, 1994). Die Vernetzung vonAlt-
und Totholzinseln in Wäldern wurde zwar häufig gefordert, ihre Bedeutung ist aber bisher fast ausschliesslich in bezug auf die Avifauna untersucht worden (Stein, 1981; Weiss, 1984; Utsc/iic/c, 1991; 0/c/rmc/ et ai., 1996).
Aller-
dings ist anzunehmen, dass ein nach ornithologischen
Kriterien
festgelegtes Verbundsystem von Totholzinseln nicht ausreicht, um stabile Invertebraten- Populationen zu erhalten (Speig/zt, 1989; Ery und Lonse/a/e, 1991; Warren undKey, 1991).4.3 7bt/to/zinseA:ten int Si/t/wa/ti
Im
Rahmen einer Dissertation wird im Sihlwald (Kt.Zürich)
der Einfluss der Totholzmenge und -anordnung auf dieArtenzahl
undHäufigkeit
vonZweiflüglern
(Dipfera) und Käfern (Co/eopfera) untersucht^.Die
1994 errich- tete «Naturlandschaft Sihlwald» eignetsichfür
dieses Projekt besonders gut, dasichin diesemWaldmehrere totholzreicheBeständebefinden. Erste Resul- täte belegen den faunistischen Reichtum diesesWaldes: Im Jahr 1996wurden über 1100Dipteren-
und über 600 Käferarten gefangen. ZahlreicheArten
konnten zum ersten Mal in der Schweiz nachgewiesen werden (Dempewo//und Sc/zzegg, 1998; De/éco/Ze und Sc/zz'egg, 1998), einige sind noch nicht wissenschaftlich beschrieben worden. Eine gezielte Förderung von Totholz trägt zum Erhalt dieser und anderer
Arten
bei und somit zumFunktionieren
des Ökosystems Wald.
Zusammenfassung
Totholz spielt im Ökosystem Wald eine zentraleRolle, dennesbildet nicht nurdie Lebensgrundlage für eine Fülle von Tier- und Pflanzenarten, sondern trägt auch wesentlich zurNaturverjüngung bei. Die konsequente Entfernungvon Totholz sowie
3K. Schiegg:LimitierendeFaktoren totholzlebender DipterenundKäfer: Habitatbeziehun- gen einer gefährdeten ökologischen Gruppe. Professur fürNatur- und Landschaftsschutz, ETH Zürich, (Prof. K.C.Ewald).
kurzeUmtriebszeiten führten dazu, dassineuropäischen Wirtschaftswäldern nurnoch Bruchteile der ursprünglichen Totholzvorrätezufindensind. Inder Folge istdiegesam- te Lebensgemeinschaft bedroht, die aufdiesesHabitat angewiesen ist. Die Förderung von Totholz lässt sich jedoch leicht und ohne ökonomische Verluste in die Waldbe- wirtschaftung integrieren, z. B. durch den Nutzungsverzicht in unzugänglichen Lagen oder durch das Belassen von Windwürfen. Das Liegenlassen von Laubbaumtotholz birgt keine Gefahr von Massenvermehrungen von Schadinsekten, da die wichtigsten Forstschädlinge auf Nadelholz spezialisiert sind. Der Einfluss der Totholzmenge und -anordnung auf TotholzbewohnendeZweiflügler (Dzpfera) undKäfer (Co/eoptera) ist Gegenstand einer Dissertation, die zur Zeit an der Professur für Natur- und Land- schaftsschutz an derETH Zürich (Prof. K. C. Ewald) durchgeführt wird.
Résumé
Le bois mortapportede la viedans laforêt
Le bois mortjoue un rôle primordial dans les écosystèmes forestiers. Non seule- ment, il constitue un habitat pour de nombreuses populations animales et végétales maisilfavoriseaussi larégénération delaforêt.Ortoutecette biocénose aétémenacée d'extinctionàlasuite d'exploitation intensivedela forêtquifutpratiquée ausiècleder- nier.
Il
estfacile pourtant d'augmenterlesquantitésdeboismorten forêtetcetteinter- vention n'entraîne aucune perte financière.Il
suffitpar exemple derenonceràexploi- ter le bois dans les zones inaccessibles oude laisser sur place les arbres abattuspar le vent. La présence au sol de feuillus desséchés n'entraîne aucun dangerde pullulations detypographes(/p.v fypograp/îzz.s'L.)car cet insectenecolonise quel'épicéa(Piceaab/es L.). L'influence desquantités debois mortet deleurrépartition spatiale surlesDiptè-res(D/pfera)etColéoptères (Co/eoptera) saprophytesestl'objetd'une dissertationréa- lisée à la Chaire de protection de la nature et du paysage à l'EPF de Zurich, sous la directiondu Prof. K. C.Ewald.
Summary
Dead WoodPutsLife Into Managed Forests
Deadwoodis a keyelement inthe forestecosystem. It playsanimportantrole not onlyas habitatforavarietyofanimal andplantspecies,but also aspromotor offorest regeneration. The intensive forestmanagementin thelastcenturies ledto anearly total depletionofsaproxylicspecies.However,deadwoodmanagementcaneasilybeinclud- edintoforest practises evenwithout any economical disadvantages. Dead wood from deciduous trees does not bear the dangerofoutbreaks ofthe bark beetle /ps typogra- p/u« (L.), since this species isspezialized on spruce (Picea ab/es L.). The influence of the amount and spatial arrangement of dead wood on saproxylic Dzptera and Co/eo- pteraisthesubjectofadissertation project, carried outat theChairofNatureandLand-
scape Protection(Swiss FederalInstituteofTechnology, Prof. K. C. Ewald).
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Vielen Dank an Nino Kuhn und Josef Senn (beide WSL) für das kritische Durchlesen des Manuskripts.
Ich danke dem Schweizerischen Nationalfonds für die Unterstützung meines Projektes (SNF Nr. 31-45911.95).
Ver/ajxerin:
Karin Schiegg, dipl. zool. Univ. Zürich, Professur für Natur- und Landschaftsschutz der ETH Zürich,Eidgenössische Forschungsanstalt fürWald,Schnee und Landschaft, CH-8903 Birmens- dorf.