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Archiv "Aachen feiert seinen Kaiser: Geschichten über Karl den Grossen" (26.05.2000)

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ifrig bemüht sich die tätige Schar: die einen hauen den Marmor zu- recht für hochragende Säulen und führen die Mauern der Burg auf; andere wälzen eif- rig die Steinblöcke herbei.

Hier bemühen sich andere, warme Heilquellen zu er- schließen, fassen das von Na- tur kochende Wasser des Ba- des in Mauerwerk ein und hauen aus marmornen Stufen schöne Sitzbänke.“ Die Zeit:

gegen Ende des 9. Jahrhun- derts; der Schauplatz: Aa- chen. „Dort bauen wieder an- dere dem ewigen König mit gewaltiger Anstrengung ei- nen herrlichen Tempel:

schon ragt zu den Ster- nen das heilige Haus mit geglätteten Mau- ern. Es geht und kommt die heilige Schar, und verteilt über die Stadt hin, schafft sie um die Wette Baumate- rial herbei für das hohe Rom“, – ein zweites, neues Rom mit- ten im Wald, mit-

ten im Kernreich der Fran- ken.

„Da steht in seiner Pfalz der huldreiche Karl, bezeich- net die einzelnen Plätze, be- stimmt, wo die ragenden Mauern verlaufen des künf- tigen Rom.“ Wer Karl dem Großen, „dem Haupt der Welt, dem Liebling, der Zier seines Volkes, dem Gipfel Europas“ eine solch flam- mende Schrift in lateinischen Versen widmete, ist nicht sicher. Die Historiker streiten noch, ob es ein Zeitgenos- se Karls oder ein Nachgeborener war, und sie zweifeln an der Glaub-

würdigkeit des so genannten Karlsepos.

Eines ist aber sicher. Karl der Große zählte zu den Mäch- tigsten seiner Zeit. „Drei Per- sonen nahmen auf der Welt bisher die höchste Stelle ein, nämlich der Papst in Rom, der den Stuhl des heiligen Apostelführers Petrus als Stell- vertreter innehat, dann die kaiserliche Würde und weltli- che Macht Byzanz und an

dritter Stelle die königliche Würde, zu der Euch, als Len- ker des christlichen Volkes, mächtiger als die genannten, hehrer an Weisheit, erhabe- ner durch die Würde des Reiches, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus erho- ben hat. Auf Dir allein beruht das ganze Wohl der Kirchen Christi“, so beschreibt sein wichtigster Berater, der Uni- versalgelehrte Alkuin, die po- litische Großwetterlage im Jahr 799 in einem Brief an Karl.

Riesig war sein Reich schon, als Karl es übernom- men hatte und anfangs ge- meinsam mit seinem jüngeren Bruder Karlmann regierte.

Nach Karlmanns Tod besieg- te er dann noch die Lango- barden, bekehrte die Sachsen zum Christentum und unter- warf die Bayern. Gegen En- de des Jahrhunderts stand der größte Teil der lateinischen Christen- heit unter seiner Herr- schaft.

In Sachen Städte- bau und Architektur allerdings hinkte Karl hinter den Mächten in Rom und Byzanz her.

Er war wie seine Vor- fahren ein Reisekönig ohne festen Wohn- sitz, saß mehr auf dem Rücken eines Pferdes als auf einem Thron.

Was er auf seinen Reisen im Süden ge- sehen hatte, muss ihn animiert haben, seiner Macht nun gleichfalls ein Zentrum, ein würdiges ar- chitektonisches Gesicht zu geben, um auch auf die- sem Gebiete mit Rom und Byzanz wenigstens gleichzu-

V A R I A FEUILLETON

Aachen feiert seinen Kaiser

G ESCHICHTEN ÜBER

K ARL DEN G ROSSEN

Nur wenige Fakten sind wirklich gesichert.

Foto: Agfa-Gevaert AG/Bauer Design- und Projektagentur

J. Kehren nach A. Rethel (1858):

„Krönung Karls des Großen“, 1944 zerstörtes Fresko aus dem Aachener Rathaus, Detail

Als er sich erhob, um der Messe beizuwohnen, setzte Papst Leo III. ihm die Krone auf.

Karl reagiert mit einem überraschten, wenn nicht sogar verärgerten Blick.

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 21, 26. Mai 2000 A-1476

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ziehen. Rom kannte er gut, sowohl das christliche als auch das antike. In Byzanz war er nie, aber im byzantini- schen Ravenna mit den Kir- chen und Palästen des Theo- derich. Das waren die Vorbil- der für sein neues, zweites Rom, nördlich der Alpen.

Wenig ist davon erhalten geblieben. Aachens Rathaus steht auf den Fundamenten von Karls Königshalle. Fünf Geschosse des Granusturms, der wahrscheinlich seine Pri- vaträume beherbergte, stam- men noch aus karolingischer Zeit und das Oktogon, der achteckige Zentralbau des heutigen Münsters. Viele der Könige und Kaiser, die nach Karl in Aachen gekrönt wur- den, haben den Kuppelbau erweitert, mit Schätzen aus- gestattet und geschmückt.

Zwei Jahrhunderte aber hat kein Bau im nördlichen Euro- pa das Oktogon an Höhe übertrumpfen können. Und die Masse, die Maße, die Pro- portionen legen noch heute eindrucksvoll, wuchtig ein steinernes Zeugnis von Karls Macht und Einfluss ab.

Warum aber baute er aus- gerechnet in Aachen? Keine großen Ereignisse, nichts, was den Ort vor anderen ausge- zeichnet hätte, sprach dafür.

Er war 765 mit seinem Va- ter Pippin einmal da gewesen, dann rund 30 Jahre nicht mehr. Erst seit 794/95 ver- brachte er regelmäßig die Winter dort. „Karl liebte die Dämpfe heißer Naturquellen und schwamm sehr viel und so gut, dass es niemand mit ihm aufnehmen konnte“, über- liefert Einhard, sein Berater und erster Biograf. „Darum baute er seinen Palast in Aa- chen und verbrachte seine letzten Lebensjahre ununter- brochen bis zu seinem Tode dort.“

Das leuchtet ein, war viel- leicht einigen Nachgebore- nen des großen Karl zu schlicht. Die Legende dich- tete ihm jedenfalls ein ganz anderes Motiv an: die Liebe zu Fastrada, seiner dritten Ehefrau. Sie sei eine wun- derschöne, aber grausame Frau gewesen, heißt es. Nicht

nur zu Lebzeiten habe sie großen Einfluss auf den Mon- archen ausgeübt, vielmehr auch ihre zauberischen Kräf- te genutzt, um Karl selbst nach ihrem Tod an sich zu binden. Der völlig verzweifel- te Kaiser habe sich demnach um nichts in der Welt von ihr trennen wollen und sich mit ihrer Leiche tagelang im Turmzimmer eingeschlossen.

Einer göttlichen Eingebung folgend, sei schließlich Bi- schof Turpin mit zugehalte- ner Nase ins Turmzimmer aufgestiegen und habe Fa- strada einen Ring vom Finger gezogen, den sie schon zu Lebzeiten immer getragen hatte. Erst danach habe Karl sich entschließen können, Fa- stradas Leichnam bestatten zu lassen. Tur-

pin war er- leichtert, hat- te aber nicht bedacht, dass nun Karls „Zu- neigung“ auf ihn übergehen würde, da er ja Fastradas Zau- berring hatte.

Dem Bischof wars peinlich, und er warf den Ring in ei- nen See bei Aachen. Karl

fasste nun eine besondere Zu- neigung zum Ort und ließ sich deshalb dort Palast und Dom erbauen.

Nicht immer ist, was die Jahrhunderte über Karl den Großen wussten oder zu wis- sen vorgaben, so eindeutig der Geschichts- oder den Ge- schichtenschreibern zuzu- ordnen. Nur wenige Fakten sind wirklich gesichert. Die Historiker gehen davon aus, dass ein Drittel der Doku- mente und Quellen gefälscht ist. Der Privatgelehrte Heri- bert Illig geht noch weiter.

Illig leugnet ganze 300 Jahre Geschichte. 300 Jahre Mittel- alter seien einschließlich all ihrer Ereignisse und Prota- gonisten – auch Karls des Großen – schlichtweg erfun- den und die prächtige Pfalz erst im 12. Jahrhundert er- richtet worden.

Die Historiker rümpfen die Nase über Illigs „Erfun- denes Mittelalter“. Unbeirr- bar schreitet die Forschung voran. Karl der Große hat Konjunktur, denn es mehren sich die Jubiläen wichtiger Ereignisse seiner Regierungs- zeit: 799 zum Beispiel. Dieses Datum war vergangenes Jahr in Paderborn der Anlass für ein 1 200-jähriges Jubiläum.

Mit einer Reihe von Veran- staltungen und einer Ausstel- lung erinnerte die Stadt an das Treffen Papst Leos III.

und Karls an der Pader.

Dieses Jahr fühlen sich die Aachener nun berufen, dem Größten ihrer Geschichte be- sonders viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ende Januar gedenken sie seiner ohne- hin jedes Jahr.

Schließlich ist er am 29. Ja- nuar 814 dort gestorben. Da- mit niemand Anspruch auf seine kostba- ren Gebeine erheben kön- ne, wurde er noch am sel- ben Tag nach 47 sagenum- wobenen Re- gierungsjahren im Alter von 72 oder vielleicht auch schon mit 67 Jahren begraben.

Tod und Beisetzung erge- ben allerdings kein rundes Ju- biläum, aber am 25. Dezem- ber dieses Jahres jährt sich die Kaiserkrönung zum 1 200.

Mal. Nicht in Aachen fand das Ereignis statt, sondern in Rom: Gekleidet wie ein römi- scher Patrizier, kniete Karl an den Schranken der Confessio in der alten Basilika Sankt Peter nieder. Als er sich er- hob, um der Messe beizuwoh- nen, setzte Papst Leo III. ihm die Krone auf. Karl reagiert mit einem überraschten Blick.

So stellt Alfred Rethel das Er- eignis 1840 auf seinen Entwür- fen für die Karlsfresken im Aachener Rathaus dar.

Was könnte Karl verär- gert haben? Immerhin mach- te Leo ihn zum ersten Nach- folger der römischen Caesaren

nördlich der Alpen. Kaiser Franz II. war der letzte, gut 1 000 Jahre später. Am 6. Au- gust 1806 legt Franz sein Amt als Kaiser des Heiligen Römi- schen Reiches ab und nannte sich von nun an nur noch Kai- ser von Österreich.

Zurück ins Jahr 800. Karls erster Biograf Einhard gibt Auskunft. Karl sei nach Rom gereist, um nach dem Auf- stand gegen Leo die verwor- renen Zustände der Kirche zu ordnen. Von Krönungsplänen kein Wort, aber „bei dieser Gelegenheit erhielt er den Kaiser- und Augustustitel, der ihm anfangs so zuwider war, dass er erklärte, er würde die Kirche selbst an jenem ho- hen Feiertage freiwillig nicht betreten haben, wenn er die Absicht des Papstes geahnt hätte.“

Kaiser wider Willen? Un- wahrscheinlich. Vieles spricht dafür, dass die Entscheidung schon in Paderborn gefallen war. Einhard habe Karl nur eine gewisse Bescheidenheit angedichtet, mutmaßen die Historiker. Vielleicht habe er auch diplomatische Rück- sichtnahme mit Blick nach Byzanz walten lassen. Dort hatten die Kaiser des Imperi- um Romanum ihren Sitz, le- gitimiert durch die bruchlos auf Augustus zurückgehende Tradition. In Byzanz saß nun aber auf dem Thron kein Kai- ser, sondern „nur“ eine Kai- serin. Die hatte zudem noch ihren eigenen Sohn geblen- det. Der Thron des höchsten weltlichen Herrschers galt so- mit als vakant. Karl der Große besetzte ihn. Der Mo- ment war günstig, und über die Macht und das Reich ver- fügte er ohnehin seit gerau- mer Zeit.

Die offenen Fragen wer- den auch nicht im Aachener Karlsjahr zu lösen sein. Aber es ist spannend, welches Karls- bild im Vordergrund stehen wird. Iris Wiegandt

A-1477 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 21, 26. Mai 2000

V A R I A FEUILLETON

Ausstellung: „Krönungen“;

11.Juni bis 3.Oktober in Aachen

Informationen:Telefon:

2 41/18 07-1 76

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