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Ein Engel kommt selten allein

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Academic year: 2022

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Ein Engel kommt selten allein

Marianne Hengl, Obfrau des Vereins »RollOn Austria – Wir sind behindert«, im persönlichen Gespräch über ihre unendliche Energie, die Kraft ihrer Heimat und unzählige Engel, die sie auf ihrem Weg begleiten.

Text Michaela Golla

Fotos VALIDleben/Karola Riegler

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07 – Winter 2014/2015

MENSCHEN

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ich mit Marianne Hengl zu treffen ist nicht einfach, denn ihr Terminkalender ist nicht voll, sondern übervoll. Ihr Lebens-, Denk- und Sprechtempo kann man nur mit einem Wirbelwind vergleichen. Und genau so verläuft unser Gespräch im barrierefreien Hotel »Le Méridien« in Wien: Zwei Schnell- und Vielrednerinnen treffen da aufeinander.

Es wird viel gelacht und ab und zu auch zwischen zwei Worten geatmet. Die »eilige« Tirolerin legt sofort los.

Doch ihre Pfeile zielen überraschenderweise zualler- erst in die eigenen Reihen. »Das Schlimmste an der Behinderung ist, dass sich Menschen mit Behinderung gegenseitig behindern«, sagt sie kämpferisch. »Der Verein ›RollOn Austria‹ feiert im heurigen Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Vieles haben wir geschafft, viele Aktionen gestartet, in alle Richtungen. Und trotz mei- ner schweren Behinderung trifft mich aus den eigenen Reihen Neid. Oder Ignoranz, die ist eigentlich viel schlimmer. Ich wünsche mir, dass endlich Feedback, gerne auch Kritik, von anderen Behindertenorga- nisationen kommt. Irgendetwas zumindest. Dieses gegenseitige Ausgrenzen ist ganz schrecklich. Wir fordern von der Welt Rechte ein und denken nicht darüber nach, dass wir im Grunde ebenfalls genau das tun, wogegen wir ankämpfen.« Ein überraschen- der Gesprächsbeginn. »Viele wollen Sonderschulen- für behinderte Menschen abschaffen. Es gibt auch lautstarke Stimmen aus der so genannten Behinder- tenszene in diese Richtung. Ich selbst war in so einem Förderzentrum, im ›Elisabethinum‹ in Axams. Ich

spreche dieses Wort mit großer Sanftmut aus, denn ich durfte mich dort wie ein Schmetterling entfalten, wurde gefördert und gefordert und bin bis heute dankbar dafür. Ich wehre mich gegen das Kategori- sche und gegen Extremismus. Man muss sich jeden Fall einzeln ansehen und ihn auch so beurteilen. Es muss die Wahlfreiheit für Eltern geben, ob sie ihr Kind in einer inklusiven Einrichtung unterrichten lassen wol- len, oder ob ein Förderzentrum besser zu dieser Fami- lie passt, weil der Alltag mit dem behinderten Kind nur schwer zu schaffen ist. Ganz demokratisch. Also nicht lauthals ›Sonderschulen abschaffen!‹ schreien, sondern zuerst Strukturen schaffen und Möglichkei- ten anbieten. Ich freue mich unendlich, wenn Inklu- sion funktioniert. Aber wenn es eine Schule gibt, die den besonderen Bedarf meines besonderen Kindes abdeckt und es mir als Elternteil gut damit geht, darf weder die Familie noch diese Schulform an den Pran- ger gestellt werden. Bitte, nicht einseitig sein, bitte, bitte.« Marianne Hengls Augen leuchten und funkeln, wandeln sich mit jedem Wort, jeder Aussage. So unbeweglich ihre Gelenke auch sein mögen, ihr Ver- stand und ihr Humor sind es nicht. Irgendwie erinnert Marianne Hengl an Pippi Langstrumpf. Verschmitzt, kraftvoll, fantasievoll kämpfend für das Gute und unkonventionell. Mit den Füßen auf dem Polster und verkehrt auf einem Pferd. »Im Ernstfall ist mir Neid lie- ber als Mitleid«, sagt sie ganz bestimmt. »Ich möchte eine freche Behinderte sein, deren Behinderung nicht vorrangig ist im Leben.« Das gelingt ihr. >>

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Von Liebe umgeben

Sie selbst war immer von Liebe umgeben, wie sie sagt. Wenn sie von ihrem Ehemann Stefan und ihrer Großfamilie spricht, dann werden ihre Gesichtszüge plötzlich weich, und auch ihre Stimme verändert sich.

»Mit dreißig Jahren hat mir das Leben meinen Mann zur Seite gestellt. Er hat sich in meine Fröhlichkeit, mein Temperament und meine Zufriedenheit verliebt.

Und vielleicht ein bisschen in mein Organisations- talent«, sagt sie strahlend. »Jetzt sind wir neunzehn Jahre verheiratet, und ich bin sehr dankbar dafür.«

Er ist auch da für sie, wenn sie Ruhe braucht. Dann geht sie nach Hause, schaltet ihr Mobiltelefon aus und ist ganz Ehefrau. »Ich bin zu Hause ein richti- ges Weibchen«, sagt sie lachend. »Und ich liebe es, wenn bei mir alles jahreszeitlich schön dekoriert ist, mein Mann kocht und mein Kater neben mir auf der Couch schnurrt. Manchmal muss ich zum Ausgleich einfach die Stille hören.« Und dann ist da noch Ellen,

die Freundin, die seit vielen Jahren an ihrer Seite ist.

Und umgekehrt. »Ellen ist seit 34 Jahre neben mir und einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie hat selbst eine ganz leichte mentale Einschränkung, und wir zwei sind ein wunderbares Team. Das musste mein Mann akzeptieren, bevor er mich geheiratet hat. Jeden Tag um 5.30 Uhr kommt sie, zieht mich an, ist für mich da, den ganzen Tag.« Marianne Hengl ist Familienmensch aus Überzeugung. Von dort hat sie diese unbändige Kraft, wie sie sagt, jene Kraft, die aus den Wurzeln kommt, von den Eltern, den Geschwistern, den Neffen und Nichten, dem Bauern- hof, auf dem sie aufgewachsen ist, und der Liebe. Das mache sie aus, die Großfamilie und die Tradition. Und es sei das Wichtigste, sich auch mit anderen Men- schen zu beschäftigen, ihre Geschichten zu hören und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen, sich selbst nicht immer so wichtig zu nehmen, auch wenn man eine Behinderung habe.

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Marianne Hengl, Obfrau des Vereins »RollOn Austria« und Engel für viele, während ihres Wien-Aufenthalts im Gespräch

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07 – Winter 2014/2015

MENSCHEN

Viele Gipfel-Siege

In den vergangenen 25 Jahren hat sie viele Promi- nente und Sponsoren ins »RollOn Austria«-Boot geholt. Einer großen Anzahl von Menschen mit Behinderung konnte durch verschiedene Aktionen bereits geholfen werden. Im Großen wie im Kleinen.

»Insgesamt haben wir sechzig Arbeitsplätze für behinderte Menschen gefunden, allein im Jahr 2014 waren es fünf. Wenn ich ein behindertes Kind ohne Rollstuhl sitzen sehe, weil die Behörde keinen bezahlt, dann organisiere ich einen Sponsor dafür. Erst dann kann es Lebensqualität geben. Ich habe viele Engel, die für uns da sind: Susanne Riess, Harti Weirather, Martin Essl, Markus Schröcksnadel, die Fisser Berg- bahnen und und und. Es gibt so viele davon, und sie unterstützen mich und den Verein, wann immer sie gebraucht werden«, sagt sie stolz. Plakatkampagnen, Ausstellungen und sogar eine Fernsehsendung hat sie ins Leben gerufen – »Gipfelsieg. Der Wille versetzt Berge«-, die von niemand Geringerem produziert wurde als Barbara Stöckl. Darin treffen Prominente auf Menschen mit Behinderung, ein Gedankenaus- tausch der besonderen Art, denn eine Berg- und Talfahrt, Gipfelsieg inklusive, war dies für sie alle.

Ein Zeichen in diese Richtung wollten auch Schau- spielerin und Sängerin Erika Pluhar, der klinische Psychologe ohne Arme und Beine Dr. Georg Fraberger und ORF-Moderator und Journalist Christoph

Feurstein setzen, die Marianne Hengl anlässlich des

Vereins-Jubeljahres zur Gesprächsrunde »Seelen im Einklang« in Wien einge laden hatte. In einer spannen- den Erzählrunde, die Christoph Feurstein gewohnt einfühlsam führte, wurde augenscheinlich, warum diese Menschen, deren Leben nicht immer gerade verliefen, mit positiver Ausstrahlung punkten: Humor und Liebe scheinen des Rätsels Lösung zu sein. >>

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MENSCHEN

Engel, Engel, Engel

»Ich bin sehr gläubig, und Engel sind ganz wichtig in meinem Leben. Die, die mich umgeben, und jene, die mich unterstützen. Meine Lebensaufgabe ist ganz genau ausgewählt, und es hat einen Grund, warum ich so bin, wie ich bin. Jeden Menschen, der in mein Leben getreten ist und meine behinderte Welt auf den Kopf gestellt und mich weitergebracht hat, mir Flügel wachsen ließ, damit ich anderen ebenfalls weiterhelfen kann, bezeichne ich als Engel«, strahlt Marianne Hengl. Gemeinsam mit dem Tiroler Kris- tallglashersteller Swarovski hat sie nun einen Schmuck- anhänger namens »Natasha« ins Leben gerufen, einen ganz besonderen Engel mit nur einem Flügel.

Anstelle des zweiten Flügels glitzern Swarovski-Steine

»Denn jeder Mensch ist trotz vermeintlicher Makel ein Schmuckstück. Wer Natasha trägt, tritt als Botschafter für das behinderte Leben ein«, sagt Hengl stolz. Der Engelanhänger »Natasha« hat auch gleich eine Patin gefunden, auf die man mehr als stolz sein kann: Mar- lies Schild. Gesucht werden nun noch viele Botschaf- ter und Botschafterinnen, die mit Natasha ein Zeichen der Solidarität mit behinderten Menschen setzen wol- len. Bestellungen sind online auf der »RollOn Austria«

Webseite möglich.

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.rollon.at Erika Pluhar und Dr. Georg

Fraberger waren bei einem Podiumsgespräch mit Marianne Hengl in Wien zu Gast und erzählten über ihr Leben

Mag. Manfred Juraczka

Landesparteiobmann, Stadtrat

Dr. Reinhold Mitterlehner

Vizekanzler,

Wirtschafts- u. Wissenschaftsminister

WiR gehen

Den Weg nach voRne.

Für die Bürger von Wien.

www.oevp-wien.at

FÜR DIE BÜRGER VON WIEN

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