Das Maßproblem
Hannes Benne
Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Informatik
1. November 2018
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Gliederung
1 Das Maßproblem
Eigenschaften von Maßen Formulierung des Maßproblems Satz von Vitali
2 Das Inhaltsproblem
3 Literatur
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Gliederung
1 Das Maßproblem
Eigenschaften von Maßen Formulierung des Maßproblems Satz von Vitali
2 Das Inhaltsproblem
3 Literatur
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Das Maßproblem
Lässt sich jeder Teilmenge desRn auf sinnvolle Weise ein Volumen zuordnen?
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Eigenschaften von Maßen
Positivität:Keiner Mengen soll ein negatives Volumen zugeordnet werden.
0≤µ(A)fürA∈ P(Rn)
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Eigenschaften von Maßen
Translationsinvarianz:Verschiebt man eine Menge im Raum, soll sich ihr Volumen nicht ändern.
µ(A) =µ(A+x)fürA∈ P(Rn),x ∈Rn
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Eigenschaften von Maßen
σ−Additivität:Wird eine Menge in abzählbar viele disjunkte Teile zerlegt, soll die Summe der Volumina dieser Teilmengen gleich dem Volumen der ursprünglichen Menge sein.
µ(
∞
[
k=1
Ak) =
∞
X
k=1
µ(Ak)fürAk ∈ P(Rn),k =1,2, . . .
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Eigenschaften von Maßen
Normiertheit:Der n-dimensionale Einheitswürfel soll Volumen eins haben.
µ([0,1]n) =1
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Weitere Eigenschaften
Aus den bisher geforderten Eigenschaften folgt:
µ(∅) =0
µ({x}) =0 fürx ∈Rn µ(A)≤µ(B)fallsA⊆B
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Das Maßproblem [Lebesgue, 1902]:
Finde eine Abbildungµ:P(Rn)→R∪ {∞}, mit den folgenden Eigenschaften:
0≤µ(A)
µ(A) =µ(A+x)fürA∈ P(Rn),x ∈Rn µ(S∞
k=1Ak) =P∞
k=1µ(Ak)fürAk ∈ P(Rn),k =1,2, . . . µ([0,1]n) =1
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Der Satz von Vital [Vitali, 1905]
Das Maßproblem ist nicht lösbar.
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Das Auswahlaxiom
∀u((∅∈/u∧ ∀x∀y(x∈u∧y∈ u∧x6=y⇒x∩y=∅))⇒ ∃v∀x(x∈u⇒ ∃!y(y∈x∧y∈v)))
Zu jeder Menge von disjunkten nichtleeren Mengen gibt es eine Menge, die aus jeder dieser Mengen genau ein Element enthält.
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Vitalimengen
Wir definieren folgendermaßen eine Äquivalenzrelation aufR: x ∼y :⇔x−y ∈Q
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Vitalimengen
Nach dem Auswahlaxiom existiert eine Menge, die aus jeder Äquivalenzklasse von∼im Intervall[0,1]genau einen Repräsentanten enthält. Eine solche MengeV ⊆[0,1]von Repräsentanten, nennen wir Vitali-Menge.
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Vitalimengen
Seiq1,q2,q3, . . .eine Abzählung der rationalen Zahlen im Intervall[−1,1]. Wir definieren:
Vk ={v +qk|v ∈V}fürk ∈N
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Es gilt
∞
[
k=1
Vk ⊆[−1,2].
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Es gilt
[0,1]⊆
∞
[
k=1
Vk ⊆[−1,2].
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Aus der Monotonie von Maßen folgt:
µ([0,1])≤µ(
∞
[
k=1
Vk)≤µ([−1,2]).
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Aus der Monotonie von Maßen folgt:
1≤µ(
∞
[
k=1
Vk)≤3
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Wegenσ - Additivität von Maßen folgt:
1≤
∞
X
k=1
µ(Vk)≤3
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Wegen Translationsinvarianz von Maßen gilt
µ(Vk) =µ(V +pk) =µ(V)für allek ∈N, und deswegen:
1≤
∞
X
k=1
µ(V)≤3
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Fall 1:µ(V) =0. Dann ist
∞
X
k=1
µ(V) =0≥1.
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Fall 2:µ(V)>0. Dann ist
∞
X
k=1
µ(V) =∞ ≤3.
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Nichtmessbarkeit von Vitalimengen
Wir haben also die Annahme, es gäbe ein positives, translationsinvariantes,σ-additives und normiertes Maß zu einem Widerspruch geführt.
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Gliederung
1 Das Maßproblem
Eigenschaften von Maßen Formulierung des Maßproblems Satz von Vitali
2 Das Inhaltsproblem
3 Literatur
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Das Inhaltsproblem
Finde eine Abbildungµ:P(Rn)→R∪ {∞}, mit den folgenden Eigenschaften:
0≤µ(A)
µ(A) =µ(β(A))fürA∈ P(Rn), und eine Bewegungβ µ(Sn
k=1Ak) =Pn
k=1µ(Ak)fürAk ∈ P(Rn),k =1,2, . . . ,n µ([0,1]n) =1
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Satz von Banach [1923]
Das Inhaltsproblem ist lösbar fürR1undR2, aber es ist nicht eindeutig lösbar.
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Galileo Galilei
"Wollen wir die Körper teilen in eine endliche Anzahl von Teilen, so ist es unzweifelhaft, dass wir sie nicht zusammensetzen können zu Körpern, die mehr Raum einnehmen als früher."
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Satz von Banach-Tarski [1924]
Sein≥3 und seienA,B⊆Rnbeschränkte Mengen mit nichtleerem Inneren. Dann existieren eine endliche disjunkte ZerlegungA1, . . .Ak vonAund zugehörige Bewegungen β1, . . . , βk derart, dassBdie disjunkte Vereinigung von β1(A1), . . . , βk(Ak)ist.
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Banach-Tarski-Paradoxon
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Satz von Hausdorff [1914]
Das Inhaltsproblem ist fürn≥3 nicht lösbar.
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Gliederung
1 Das Maßproblem
Eigenschaften von Maßen Formulierung des Maßproblems Satz von Vitali
2 Das Inhaltsproblem
3 Literatur
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Literatur
Struve, Michael (2007): Analysis III, Department of Mathematics, ETH Zürich,
https://people.math.ethz.ch/~struwe/Skripten/AnalysisIII- SS2007-18-4-08.pdf
(27.10.2018)
Elstrodt, Jürgen (2011): Maß- und Integrationstheorie, 7.
Auflage, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York
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