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WELLE GRÜNE. In Wales ist das Wetter immer schlecht - so heißt es. Claudia und. Andreas Hülsmann (Text und Fotos) haben diesen Winkel Großbritanniens

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Academic year: 2022

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In Wales ist das Wetter immer schlecht - so heißt es. Claudia und

GRÜNE

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an der Burg nicht vorbei. Auch wir stehen vor der monumenta- len Festung - und fühlen uns betrogen. Hatte der Tankwart nicht behauptet, dieser Ort stehe im touristischen Abseits? Und was ist das? Gleich vier Busse schütten ihre Touristenladung vor dem großen Burgtor aus. Es sind meist ältere Herrschaften, viele von ihnen fast gelähmt vor Verzückung, denn diese Festung ist ein Ort, an dem man mit den Royales auf Tuchfühlung gehen kann.

Die »Prince of Wales Exhibition« macht es möglich. Hinter den Mauern lässt sich die Krönung von Prince Charles noch einmal miterleben und dass sie auch Erinnerungen daran mit nach Hause nehmen können, dafür ist dann der angeschlossene Souvenir- laden zuständig.

Einige Kilometer weiter stehen wir schon auf Môn - oder Anglesey, wie die Engländer diese Insel nennen. Als ein walisi- scher Vorposten in der Irischen See hat sie schon viel mitge- macht: Sie hat die Römer erlebt, war Hochburg der Druiden und hat Angriffe der Wikinger überstanden. Môn war über Jahrhunderte uner- setzlich für diejenigen, die eine der Hauptrouten nach Irland kontrollieren wollten. Doch das ist lange vorbei. Strategisch wäre Môn heute zur Bedeutungslosigkeit ver- dammt, wenn da nicht zwei Dinge wären: Zum einen Holyhead, der Fährhafen, der die Verbindung mit Irland aufrecht hält, und dann dieser Ort, dessen Name genauso lang wie unaussprechlich ist:

Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllandysiliogogogoch.

58 Buchstaben! Kein Ortsname auf dieser Welt ist länger, das zumindest behaupten die Bewohner, und er ist ein touristischer Geniestreich. Wie macht man einen Ort interessant, der eigent- lich nichts zu bieten hat? Man nennt ihn »St. Marienkirche am Teich der weißen Haselsträucher in der Nähe des schnellen Stru- dels an der roten Grotte der Kirche des heiligen Tysilio« (so die

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onne? Ja, davon habe ich schon mal etwas gehört, ist das nicht dieses gelbe Ding, das den ganzen Tag am Himmel sein soll? So etwas gibt es in dieser Gegend nicht«, scherzt der Tankwart. Wir hoffen, dass er scherzt, und darum hake ich nach. Ob das dieser schwarze englische Humor sei, will ich wissen. Oh, oh, diese Frage hatte einen entscheidenden Fehler, den ich gleich zu spüren bekomme.

Denn der Mann ist Patriot, ein walisischer Patriot, der mit gro- ßen Worten die geografische Sachlage richtig stellt. Einen Moment bange ich um unseren Unterschlupf. Es regnet heftig da draußen, und die kleine Tankstelle vor den Toren von Caer- narfon ist für diesen Augenblick unser Asyl.

Zum Glück haben die Waliser ein großes Herz, trotz meines Fauxpas dürfen wir bleiben. Natürlich! Und wir werden sogar gelobt. Claudia und ich würden zur raren Gattung der Urlauber gehören, die in Wales auch mal hinter die Kulissen schauen. Die meisten Touristen wollen zum Snowdonia National Park und auf die Insel Môn und vergessen dabei Caernarfon. Was den Tank- wart sichtlich ärgert, denn er meint, diese Stadt hat so ein Dasein im Abseits nicht verdient. Dass wir vom National Park nach Môn unterwegs sind, verschweigen wir aus diesem Grund lieber, denn auch wir sind nur zufällig in Caernarfon gelandet.

Dass dieser Ort von Wales-Besuchern kaum beachtet wird, kann daran liegen, dass die Stadt zuletzt vor 30 Jahren in den Schlagzeilen war. Prince Charles wurde 1969 hier zum Prince of Wales gekrönt. Die Wahl des Ortes für die Zeremonie, die alte Burg Caernarfon, empfand ganz Wales als Schmähung, denn die- ses trutzige Bauwerk war seit Jahrhunderten ein Zeichen der Herrschaft Englands über Wales. Die Vorgänger von Prince Char- les wurden allesamt in London gekrönt. Seitdem Charles die Prinzenwürde verliehen wurde, hat die Öffentlichkeit nicht mehr auf Caernarfon geblickt. Wir aber werden es tun, der Tankwart hat uns neugierig gemacht.

Die kleinen Lücken in den Wolken sind ermutigend. Es gibt keinen Grund mehr zu warten. Minuten später winden wir uns mit den Motorrädern durch die mittelalterliche Stadt. Die Stra- ßen sind schmal, gerade breit genug für die Fortbewegungsmit- tel unserer Zeit. Wer in Caernarfon seine Runden dreht, kommt

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K Kein Ortsname auf dieser Welt ist länger, behaupten die Bewohner:

58 Buchstaben!

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offizielle Übersetzung), und schon kommen die Besucher in Scharen, um die Schilder zu fotografieren und das funktioniert schon seit fast 100 Jahren ganz gut. Ansonsten hat Llanfair P.G., wie der Ort in Kurzform genannt wird, keine Attraktionen, wie die ganze Insel Môn. Das Innere ist geprägt von landwirt- schaftlicher Nutzfläche, nur an den Rändern gibt es einige ansehnliche Küstenstreifen.

Es geht wieder zurück über die Britania Bridge, die Môn mit dem Festland verbindet. Ziel Snowdonia. Wir haben den Natio- nal Park auf der Fahrt nur gestreift, es war ein kurzer Abstecher auf unserem Weg nach Westen. Die A 55, eine gut ausgebaute Küstenstraße, war uns einfach zu langweilig. Snowdonia ist ein

Kletterparadies, für Wanderer wie für Motorräder. Nirgends in Wales lassen sich Höhenunterschiede so wunderbar bewältigen.

Die A 4088, der Pass of Lianberis, ist ein Schmuckstück, die Kur- ven eingebettet in eine dramatische Landschaft. Der Tankwart von Caernarfon hatte doch nicht recht. Es gibt sie, die Sonne über Wales. Sie scheint und wickelt die Berglandschaft in ein strahlendes Grün.

Die Natur im Nationalpark ist rau. Sir Edmund Hillary berei- tete sich in Snowdonia auf die Besteigung des Mount Everest vor. Höhentraining war es aber sicher nicht, denn die höchste Erhebung in diesem Landschaftsschutzgebiet ist der Mount Snowdon, und mit seinen 1.085 Metern Höhe schafft er es ge- rade, ein Berg zu sein. Es muss die Kälte gewesen sein, die den ersten Bezwinger des höchsten Berges der Welt bewogen hat, in Snowdonia zu trainieren. Dieser Eindruck drängt sich auf, als wir nach der ersten Nacht im National Park etwas steif vor Frost aus dem Zelt kriechen. Wir bleiben einige Tage in der Gegend.

Gar nicht erst versuchen: Die walisischen Ortsnamen sind für Fremde unaussprechlich! Die farbenfrohe Ufer- promenade ist das Aushängeschild von Aberystwyth, dem zentralen Ort in Mittelwales. Immer noch ein wichtiger Wirt- schaftsfaktor der Region sind die Schafe. Lichtspiele: Die Wechselhaftigkeit des Wetters ist die Gewähr dafür, dass am Himmel über Wales keine Langweile aufkommt.

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Zuviel Spaß macht das Fahren auf den engen Straßen. Zu doll sollte man es beim Herumtollen auf dem Asphalt aber nicht angehen lassen, die Enge der Straßen lässt nur wenig Spielraum für Übermut.

Ausgangspunkt unserer Touren ist Beddgelert. Dort wo sich die beiden Flüsse Colwyn und Glaslyn treffen, ist irgendwann die Zeit hängen geblieben und hat sich seitdem auch nicht mehr bewegt. Nur die Touristen dürften für die Einwohner ein Hin- weis darauf sein, dass es außerhalb ihrer kleinen Stadt noch eine andere Welt gibt. Beddgelert ist gemütlich und die Men- schen, die dort leben, sorgen hingebungsvoll dafür, dass das auch so bleibt. Jeder Vorgarten ist eine Landesgartenschau für

sich. Aufgeräumt, aufopfernd gewartet, jeglicher Wildwuchs chancenlos! Fremdkörper gibt es in dem Ort nicht, weder prot- zige Hotels noch Fastfood Ketten. Alles in Beddgelert ist streng britisch, pardon: walisisch. Aber die kleine Stadt bietet auch für Motorradfahrer einen besonderen Genuss. Sie ist aus- schließlich über kurvige Straßen zu erreichen.

Wir erkunden in den nächsten Tagen Wales »Backyard«. Kleine Straßen, von denen viele irgendwann irgendwo enden. Zuvor streifen sie endlose Weiden und Felder, die sich wie eine Patch- work-Decke über die Auf und Ab’s der Landschaft ausbreiten.

Es geht vorbei an abgelegenen Farmen und einsamen Häusern, die Stimmung oft dramatisch, das Wetter launisch wie eine Diva.

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Mal dunkle Wolken, dann wieder Sonne. Eine Kombination aus beidem zaubert ein Licht auf die Hügel, das die Seele berührt.

Auch Claudias Seele ist berührt, allerdings vom drohenden Regen.

»Wir werden gleich ordentlich nass, wenn wir uns nicht beei- len«, mahnt sie. Blaenau Ffestiniog ist das nächste Ziel, unser Fluchtpunkt vor dem drohenden Unwetter.

Der Ort passt nicht ins Bild, passt nicht zur Idylle, wie man sie sonst in Wales kennt. Kurz vor Blaenau Ffestiniog wechselt die Szenerie schlagartig. Es gibt keine lieblichen Wiesen mehr, auf denen friedlich Schafe weiden. Vor uns türmen sich schwarze Hügel auf. Die enormen Abraumhalden liegen wie Fremdkörper mitten im Nationalpark. Sie sind die letzten Zeichen der Macht, die Blaenau Ffestiniog einmal hatte. Die Bergwerke rund um die Stadt gehörten zu den wichtigsten Schieferproduzenten der Erde.

Das ist schon einige Zeit her, die Glanzzeiten dieser Industrie sind in Wales längst verblasst. Die bis zu 100 Meter hohen Schutt- halden sind die letzten Zeugen der glanzvollen Zeit. Der Abbau hat Höhlen in den Bergen hinterlassen, in denen problemlos meh- rere Kathedralen Platz finden würden. In einigen Minen verdie- nen die Arbeiter ihr Geld nicht mehr mit dem Abbau von Schie- fer, sondern mit der Führung von Touristen.

Hinter dem Ort zwängt sich die A 470 zwischen den Abraum- halden hindurch und schon bald gewinnt das Grün der Wiesen wieder die Oberhand. Betws-y-Coed ist ein weiteres touristi- sches Zentrum des Snowdonia Nationalparks. Der kleine Ort, der sich entlang des Flusses Llugwy zieht, ist Ausgangspunkt zahlreicher Touren für Wanderer. Wir schlendern ein wenig an den zahlreichen Souvenirgeschäften vorbei und gönnen uns zum

Abschluss des Tages das traditionellste aller britischen Fast-Food Gerichte: Fish & Chips.

Einen weiteren Tag touren wir noch rund um den Snowdon, dann ist es genug der Berge, wir machen uns auf den Weg an die Küste. Das Meer ist nie weit weg, bei Westwind kann man es überall in Wales riechen. Über den Pass of Aberglslyn geht es Richtung Portmeirion, ein Ort der gerade bei den Engländern sehr beliebt ist. Der Grund dafür lässt sich beim näheren Hinse- hen erkennen. Portmeirion dient nur einem Zweck, die Grund- bedürfnisse von Touristen zu befriedigen. Die Häuser, fast aus- schließlich Restaurants und Hotels, eine andere Existenzbe- rechtigung für Portmeirion gibt es nicht. Damit überhaupt ein Grund besteht, dorthin zu fahren, wurde ordentlich manipuliert.

Die Fassaden sind mediterran, es gibt nichts walisisches, nichts englisches. Die Anziehungskraft dieser Ferienbastion liegt in ihrem italienischen Ambiente.

Es geht zunächst auf der A 470 ins Landesinnere. Doch diese gut ausgebaute Hauptverkehrsstraße bringt fahrtechnisch nur wenig Freude. Uns lockt die A 496, entlang der Küste. Über Tal- sarnau, Llanbedr, Dyffryn Ardudwy und Tal-y-Bont geht es nach Barmouth.

Immer dabei die Schienen einer Schmalspurbahn.

Der Grund, warum die Loks heute noch unter Dampf stehen, ist die Be- spaßung kleiner und großer Fahrgäste. Ihre bedeu- tungsvolle Zeit liegt schon mehr als ein Jahrhundert zurück. Sie waren ein wich- tiges wirtschaftliches Element damals, als es noch Kohle- und Schiefergruben gab, verantwortlich für den Transport der Roh- stoffe. Ganz Wales war von den Schienen der Schmalspurbahn durchzogen. Mit der Schließung der Bergwerke verloren auch sie ihre Daseinsberechtigung. Die Wiederbelebung begann vor 50 Jahren, langsam aber stetig. Das Schienennetz ist wieder beachtlich gewachsen, überall in Wales schnauft die nostalgi- sche Technik wieder die Berge hinauf oder an den Küsten ent-

R Schutthalden sind Riesige die letzten Zeugen einer glanz-

vollen Zeit

Dort hätte sich auch der Highlander wohlgefühlt, der Snow- donia National Park zeigt die raue Seite von Wales (o.). Alles unter einem Dach: Post, Café und Supermarkt, fast in jedem klei- nen Ort gibt solche »Einraum-Einkaufszentren«. Llanfair..., der längste Ortsname der Welt, in voller Länge sind für das Hin- weisschild am Bahnhof fünf Stützen notwendig. Hay-on-Wye ist die Stadt der Bücher. Es gibt mehr als 30 Buchläden in dem kleinen Ort, was ihn zum größten Antiquariat der Welt macht.

Selbst der Schlosspark ist vollgestopft mit gebrauchter Literatur.

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Kerl sei er abgehauen, Ende der 1950er, 17 sei er da gewesen.

20 Jahre später sei er wieder zurück gekommen, er habe das Grün vermisst. Mit im Gepäck jede Menge berufliche Erfahrung. Truk- ker, Stockman, Känguruhjäger, er habe so ziemlich alles gemacht, Hauptsache es hatte nichts mit einem Bürojob zu tun. Ein Schatz, der ihm in der Heimat keinen Reichtum gebracht hat. Zurück in Wales hat er als Bergmann gearbeitet, fünf Jahre, dann haben sie die Mine dicht gemacht, seitdem ist beruflich nicht mehr viel gelaufen. Hier mal »Stütze«, da mal ein Job, aber nie war etwas Aufregendes dabei. Brian ist Eigentümer vieler Geschichten und er erzählt sie gern, ist froh, wenn ihm mal jemand zuhört. Brian kostet Zeit, Zeit die wir gerne spenden, denn die Art, wie er erzählt, ist eine Gabe. Sein Honorar: ein »Cup a tea« und als Zugabe noch einen Cake.

Am nächsten Tag fahren wir über kleine Single-Tracks nach Brecon. Für walisische Verhältnisse katapul- tieren wir uns in eine andere Welt, von der Küste in die Nähe der englischen Grenze.

Der Brecon Beacon Nationalpark liegt nur einen Steinwurf von den Kohlegruben entfernt. Lange Zeit waren die Waliser in die- sem Nationalpark unter sich. In England hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass sich die walisischen Kohlefelder von der Süd- küste bis an den Rand von Snowdonia erstrecken und dass es außer Stahlhütten und Bergwerken nichts weiter zu sehen gäbe.

Doch Gerüchte halten sich nicht ewig, die Engländer haben die Brecon Beacons entdeckt und sie zu einem der beliebtesten Aus- flugsziele in Wales gemacht. Was wohl auch daran liegt, dass von London aus die Hügel des Nationalparks die nächste nen- nenswerte Erhebung sind. Trotz des Tourismus sind die Brecon Beacons immer noch eine abgeschiedene Gegend. Auf den klei- nen Single-Tracks, die oft von mannshohen Hecken umsäumt lang. Und die Touristen danken es den Bahn-Enthusiasten, indem

sie jedes Jahr zu Tausenden Teile des Landes per Bahn entdecken.

Irgendwo bei Tywyn schlagen wir unser Zelt auf. Der zweite Standort in Wales. Keine 100 Kilometer haben wir geschafft.

Das Wetter! Die Natur zeigt uns ihr zweites Gesicht. Es regnet.

Der Zeltplatz ist eigentlich eine Farm, Camper sind nur Neben- erwerb. Aber wir finden alles, was uns das Durchhalten ange- nehmer macht. Es gibt eine Küche, klein, aber warm und trocken.

Dieser Zeltplatz ist ein guter Ort, um das Ende der Regenzeit abzuwarten. Zur Überbrückung greifen wir auf Standards zu- rück: Tee, Nudeln mit Tomatensoße und wieder Tee.

Erst am nächsten Tag können wir das genießen, was uns das stürmische Wetter gestern noch verwehrt hat: Die Aussicht. Das Zelt steht direkt am Strand, mit freiem Blick auf die Irische See.

Ein Fleck, den man nur ungern wieder los lässt. Das Zelt bleibt wo es ist, wir gehen unbepackt auf Tour. Es geht entlang der Küste Richtung Süden. Nach Aberystwyth, das im Volksmund schlicht »Aber« genannt wird. »Aber« ist Universitätsstadt und die Wirtschaftsmetropole in Mittelwales. Die viktorianische Häu- sermeile entlang der Uferpromenade verleiht der Stadt zudem noch das Flair eines Seebades. »Aber« ist modern und konser- vativ zugleich und damit etwas für jung und alt. Die Strandca- fés entlang der Promenade sind im Sommer immer gut besetzt und zur Tea-Time um 5 Uhr ausgebucht. Zufällig vorbeistro- mernde Motorradfahrer sind ohne Chance auf einen Platz. Aber es reicht für einen Tea auf die Hand und einer Ecke auf einer der vielen Bänke.

Die Motorräder sorgen für Gesprächstoff. Ein Mann mittle- ren Alters kann seine Augen nicht von den BMWs lassen. »Hi mate, I’m Brian! How are you«. Die Begrüßung zeigt australi- sche Züge, ein Waliser wäre nie so offenherzig. Und richtig, der Mann hat sein halbes Leben in Australien verbracht, als junger 1

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D Die einzigen anderen Verkehrs-

teilnehmer, auf die wir treffen,

sind Schafe

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Regen die Wärme der Sonnenstrahlen weg, die klare Sicht wird von einem milchigen Vorhang vernebelt. Wir kommen in den Genuss eines Wetterumschwungs. Allerdings ein kurzes Schau- spiel. So schnell die Wolken gekommen sind, verschwinden sie auch wieder. Wir können die Tour fortsetzen, bei bestem Wetter.

Über winzige Single-Tracks treiben wird Richtung Crickho- well. Diese ehemalige Kutschenstation hat ihren ursprünglichen Charakter im Stadtkern in die neue Zeit herüberretten können.

Den Ansprüchen einer modernen Infrastruktur wurde nichts ge- opfert. Sir George Everest wurde 1790 in Crickhowell geboren.

Der Landvermesser vollendet 1841 die indische Meridiangrad- messung. Sein Nachfolger in dieser Position benannte ihm zu Ehren den höchsten Berg der Welt nach ihm, den Sir Everest selbst aber nie in seinem Leben gesehen hat.

Wieder Regen, ein kleines Café rettet uns. Direkt am River Usk nehmen wir unseren »Fünf-Uhr-Tee« ein. Die exponierte Lage und das schicke Ambiente haben ihren Preis. Acht Pfund stehen auf der Rechnung, ein bisschen viel für etwas »heißes Wasser mit Geschmack«. Nachdem die grauen Wolken ver- sind, bleiben wir unter uns. Die einzigen anderen Verkehrsteil-

nehmer, auf die wir treffen, sind Schafe.

Das Bier am Abend im Pub ist ein Privileg, das sich Wales erst seit 30 Jahren leistet, davor war Alkohol verboten. Wer ein Pint Bitter, Draught oder ein Glas Wein trinken wollte, musste über die Grenze nach England. Aber nicht alle Waliser waren, so heißt es, über die Aufhebung der Prohibition glücklich, denn Alkoholschmuggel war damals ein einträgliches Geschäft.

Die Nacht war wieder kalt, doch diesmal dafür trocken. Über den Höhen der Hügel schleicht sich langsam der Nebel davon.

Ein prachtvolles Bild, das es aber leider nicht bis zum Ende des Tages schafft. Das Wetter in den Brecon Beacon hat es in sich.

Wo gerade noch blauer Himmel war, wäscht plötzlich heftiger

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Nur mit gutem Appetit zu schaffen, das »walisische«

Frühstück, das eigentlich kaum vom englischen zu unterscheiden ist. Bohnen, Toast, Eier, Würstchen, Schinken, schmeckt sehr gut, aber gesund geht anders. Das Zelt ist die günstigste Art, seinen Urlaub in Wales zu verbringen. Selbst einfache Bed &

Breakfast-Unterkünfte kosten zwischen 30 und 60 Euro pro Nase.

In Wales ist es nie weit zum Wasser. Die raue Küste bietet einige schön gelegene Zeltplätze, doch wer dort sein Zelt aufschlägt, sollte Wind und Regen nicht fürchten.

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schwunden sind, sehen wir die Landschaft in einem freundlichen Licht. Das »Grau« ist verschwunden und ein sattes »Grün« bemalt die Landschaft. Wir schlagen unser Zelt am Llangorse Lake auf, dem größten natürlichen See in Südwales. Der See wirkt auf Angler und Segler wie ein Magnet. Unter dem regen Zulauf lei- det allerdings die Artenvielfalt. Der Verlust sei dramatisch, wie Naturschützer immer vehement behaupten.

Über die Black Mountains geht es weiter nach Hay on Wye.

Ein Ort der Superlative, wo Leseratten voll auf ihre Kosten kom- men. Diese Stadt ist ein

einziges Antiquariat und kann mit Recht den Titel tragen, der größte Second-Hand-Buchla- den der ganzen Welt zu sein. Der Platz in den

Hand-Buch-Imperium. Die Stadt, die Ende der 60er Jahre durch die Abwanderung der Bevölkerung fast vor dem Ruin stand, pro- fitiert heute von dem Image, das »Weltzentrum für Bücher aus zweiter Hand« zu sein. Vor allem in den Sommermonaten spru- delt es in den Straßen nur so vor Menschen, die aus ganz Groß- britannien kommen, viele auch vom Kontinent und einige sogar aus Übersee. Doch dem genialen Verkaufstalent von Richard Booth standen seine buchhalterischen Fähigkeiten entgegen.

H Hay on Wye gilt als der größte

Eine Erfahrung der Einsamkeit: Die kleinen, wunderschönen Nebenstraßen in Wales gehören einem fast ganz alleine.

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Wissenswertes:

Die beste Reisezeit ist Mai und Juni, da diese Monate eine höhere Gewähr auf Sonne bieten, wogegen die Monate Juli und August feuchter sein sollen. Egal in welchem Monat man nach Wales fährt, ein warmer Pullover und Regen- zeug gehören auf jeden Fall ins Gepäck.

Währung:Die Währung ist das britische Pfund. Der Wech- selkurs zur Zeit (Okt. 2009) 1 Britisches Pfund = 1,10 Euro.

Kreditkarten werden an Tank- stellen und in vielen Geschäf- ten akzeptiert. Die meisten B&B-Unterkünfte bevorzugen dagegen Barzahlung.

Unterkunft:Wales ist ein Land für Camper. Nicht selten liegen die Zeltplätze an wun- derschönen Plätzen, auf Far- men in der hügeligen Land- schaft oder direkt an der Küste. Die Ausstattung der Plätze ist meist einfach, aber das Notwendigste ist vorhan- den. Manchmal gibt es auch

eine kleine Campingküche. Die Preise für eine Nacht im Zelt liegen zwischen 7 und 14 Euro.

Wer Kontakt zu den Walisern aufnehmen möchte, für den ist B&B richtig. Die Häuser und Zimmer sind meist sehr gemütlich und

das Frühstück üppig.

Der Preis dafür be- wegt sich zwischen 30 und 60 Euro pro Nacht und Person.

Dann gibt es noch die Guesthouses, etwas besser als B&B, aber noch kein Hotel. Mei- stens sind diese Unter- Allgemeines:Wales ist mit 20.766 Qua-

dratkilometer halb so groß wie die Schweiz, hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 270 Ki- lometer und ein Ost-West-Ausdehnung von 100 Kilometer. In Wales leben ca. 2,9 Mil- lionen Menschen, wobei ca. 70 Prozent der Bevölkerung in der Hauptstadt Cardiff oder deren Umgebung wohnen.

Die Interessen von Wales werden von 38 Parlamentariern im britischen Unterhaus vertreten. Wales hat eine gewisse Autono- mie in Verwaltungsangelegenheiten. Spezi- fisch walisische Angelegenheiten behandelt das Wales Grand Committee.

Wichtiger Wirtschaftszweig ist immer noch die Landwirtschaft, dicht gefolgt vom Touris- mus, der mittlerweile mit mehr als 100.000 Beschäftigten das dreifache an Arbeitsplät- zen bietet als die gesamte Kohle- und Stahl- industrie.

Anreise:Es gibt zahlreiche Fährverbin- dungen auf die Insel. Am schnellsten ist die Linie von Calais nach Dover, die Fähren pendeln mehrmals täglich hin und her. Wer aus dem Norden Deutschlands anreist, für den ist die Verbindung Hoek van Holland/

Harwich interessant. Die Stena Linie fährt täglich um 14:30 Uhr und um 22 Uhr (über Nacht) nach Harwich. Weitere Aus- künfte unter www.stenaline.de. Von Dover sind es dann nochmal ca. 350 km, von Harwich ca. 420 km bis nach Wales.

Reisezeit / Klima:Der Golfstrom sorgt in Wales für ein mildes Klima, bringt aber dafür auch häufige Wetterwechsel mit sich.

künfte gemütlich wie B&Bs, aber im Komfort großzügiger, für Preise zwischen 40 und 90 Euro, Frühstück inbegriffen.

Literatur und Karten:Zu empfehlen ist das Wales Handbuch vom Reise Know How Verlag, 432 Seiten,

ISBN 978 8317 16746, 19,90 Euro.

In englischer Sprache bietet sich der Lonely Planet »Wales« an, ISBN 1741 04538 X, für ca. 14,50 Euro.

Als Karte sehr zu empfehlen ist die Ord- nance Survey, Wales/ Cymru & West Mid- lands, Road 6 Travel Map, im Maßstab 1 : 250.000, ISBN 0 319 23099, Preis: 10,90 Euro.

Bangor

Llandudno

Brecon

Abergavenny Holywell

Liverpool

Chester

WALES

20 km

C ardigyaanB

GROSS- GROSS- GROSS- BRITANNIEN BRITANNIEN BRITANNIEN

IRLAND IRLAND IRLAND

FRANKREICH FRANKREICH FRANKREICH Caernarfon

Bethesda

Capel Curig

Rhyd-Ddu

Penrhyndeudraeth Ffestiniod

Dolwyddelan Pentrefoelas

Llanuwchllyn Cerrigydrudion

Ruthin St. Asaph Abergele

Buckley

Dolgellau

Rhoslefain Iywyn

Machynlleth Talybont

Llanddeiniot

Devil’s Bridge

Ffair Rhos Tregaron

Lampeter Aberaeron

Llangadog

Brynamman Ystalyfera

Craig- y-nos Senny-

bridge

Bwich Glasbury

Hay-on-Wye

Vowchurch

Pandy Black Mountains Burith

Wells Beulah

Llandrindod Wells Rhayader

Llanidloes Snowdon

1085 m

Cam brian

M ountsain

Llanfair Llangefni

A n g l e s e y

Es gibt sie noch in Wales, die unbefestigten Wege. Ihre Nutzung für die Allgemeinheit wird aber mehr und mehr eingeschränkt.

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lich. Steigungen bis zu 25 Prozent gilt es zu bewältigen. Die klei- nen Wege führen durch eine Landschaft, die einem manchmal das Atmen vergessen lässt. Nach Abergwesyn, einem kleinen Ort, für den die Bezeichnung verschlafen noch viel zu lebendig wirkt, begegnen wir keiner Menschenseele mehr. Nur eine Tele- fonzelle mitten im Irgendwo ist eine Erinnerung daran, dass hin- ter den Hügeln am Horizont noch eine andere Welt existiert.

Tregaron ist etwas für Frauen. In der kleinen Marktstadt wird aus walisischem Gold keltischer Schmuck hergestellt. Immer noch wird in Wales nach dem Edelmetall gesucht. Die Ausbeute ist zwar gering, aber für die Belieferung der Goldschmiede in Tregaron ausreichend. Allerdings passen Angebot und Nachfrage nicht immer zu einander, dementsprechend sind die Preise. Clau-

dia begnügt sich angesichts der Summen, die dort aufgerufen werden, mit einem Blick auf die Schmuckstücke.

Es geht noch weiter Richtung Norden. Wir erreichen Devil’s Bridge. In Wales versteht es sich von selbst, dass zu einem sol- chen Namen auch die dazugehörige Legende gehört und das ist in Devils’s Bridge nicht anders: Vor langer Zeit soll sich dort die Kuh einer alten Frau in der Schlucht verirrt haben. Der Teu- fel kam vorbei und bot ihr an, eine Brücke zu bauen, wenn sie ihm das erste Lebewesen schenken würde, das über die Brücke geht. Die alte Frau willigte ein und der Teufel machte sich daran, die Brücke zu bauen. Als sie fertig war, forderte der Teufel die Frau auf, hinüberzugehen, doch diese rief ihren Hund und schickte ihn über die Brücke. Heute ist es möglich, die Brücke zu überqueren, ohne zuvor einen Pakt mit dem Teufel schließen zu müssen.

In Devil’s Bridge ist Endstation für uns, bis zum Meer ist es von dort aus ein Steinwurf. Aberystwyth ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Aber wir fahren in die entgegengesetzte Richtung. Das Zeitlimit ist aufgebraucht. Von jetzt an geht es 1

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Der TOURENFAHRER ist das Premium-Magazin

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