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Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt

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128 IP März /April 2010

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Marko Martin | Der ehemalige Schatz- meister der Kommunistischen Partei zitiert Ludwig Erhard, der Chef eines liberalen Think-Tanks hat es sich zur Aufgabe gemacht, die „sozialistischen Wurzeln der Apartheid“ zu kappen, und die Frau aus dem Township sagt:

„Unternehmerin – was für ein ver- dammt stolzes Wort!“ Aber vielleicht sollten wir diese Geschichte von An- fang an erzählen.

Phillip Dexter ist Sprecher der in- zwischen drittgrößten Partei Südafri- kas, der erst im Dezember 2008 ge- gründeten COPE (Congress of the People), die aus dem Stand bei den letzten landesweiten Wahlen immer- hin 7,4 Prozent erreichte und inzwi- schen auch in allen Provinzparlamen- ten Abgeordnete stellt. Sie begreift sich als linkszentristisches, vor allem aber multiethnisches Korrektiv zum machtverwöhnten, etatistischen ANC.

„Glauben Sie einem ehemaligen Kom- munisten“, sagt der frühere Anti- apartheid-Aktivist Dexter nicht ohne Ironie, während wir auf der sonnen- durchfluteten Terrasse eines Lounge- Cafés sitzen, dessen Belegschaft vor allem aus simbabwischen Flüchtlin- gen besteht. „Je stärker sich die Wirt- schaftskrise auch in Südafrika be-

merkbar macht, desto weniger wird der ANC der Versuchung widerstehen können, in die Fußstapfen von Hugo Chávez oder Daniel Ortega zu treten.

Dabei müsste es für eine moderne Linke doch vor allem darum gehen, in Bildung zu investieren, kleineren und mittleren Unternehmen zu helfen, mit den Großunternehmen Win-win-Stra- tegien auszuknobeln oder auf dem Land profitable Solarenergie zu entwi- ckeln anstatt sich weiterhin von den Industriegewerkschaften erpressen zu lassen, deren Klientel in unserer wachsenden Servicegesellschaft ohne- hin immer mehr schrumpft. Übrigens sag ich das, wenn ich in Deutschland bin, auch immer meinem alten Freund Lothar Bisky.“

Gilt Phillip Dexter in der nach wie vor geltenden Farbenlehre als

„coloured“, so ist Temba A Noluts- hungu ein 60-jähriger, stolzer „black“, dessen „Free Market Foundation“ in einem ehrwürdigen, holzgetäfelten Büro an Kapstadts idyllischer Fuß- gängerzone St. George’s residiert.

„Die Herausforderung besteht darin“, sagt der bullige Mann mit den aufge- krempelten Hemdärmeln, „dass wir endlich mit dem sozialistischen Erbe der Apartheid aufräumen.“ Bitte © Thomas

Albrecht; Büro Hilmer, Sattler & Albrecht GmbH

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt

In den Townships verdrängt Unternehmergeist das Erbe der Apartheid Brief aus … Kapstadt

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IP März /April 2010 129

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wie? „Ich sagte es doch: Sozialismus!

Die westliche Antiapartheid-Bewe- gung wollte nämlich trotz all ihrer Verdienste nicht sehen, was für ein geschlossener Markt Südafrika war, wie panisch die Furcht der weißen Rassisten vor jeglicher Konkurrenz und wie groß ihre Vergottung des Staates. Es waren Trennungs- und Ordnungsfetischisten, die ihren Ras- sismus sogar noch im letzten Eck- chen irgendeines Friedhofs oder Zug- waggons durchsetzen mussten. Letzt- lich ging es jedoch darum, die Weißen vor unerwünschtem schwarzen Wett- bewerb zu schützen. Wie aber nennt man einen Staat, in dem 70 Prozent der Bevölkerung per Gesetz kein Ei- gentum besitzen durften?“

Und heute? Temba A Nolutshungu lehnt die „Affirmative-action“-Pro- gramme des ANC ab, da sie zu wenig Ausbildungschancen böten, sondern Leute in Posten brächten, für die sie nicht geeignet seien – ausgerechnet zur Freude ressentimentgeladener Weißer, die damit all ihre Vorurteile bestätigt sehen.

Eine der möglichen Alternativen ist in Khayelitsha, Südafrikas dritt- größtem Township, zu besichtigen – gleich vor den Toren Kapstadts, wo sich auch tagsüber kaum ein Weißer hinwagt. Statt Gangstern treffen wir dort Thope Lekau, eine voluminöse Mummy im farbenfrohen Batikum- hang. Ihr Beispiel, ausgerechnet hier Guesthouses für Touristen einzurich- ten, hat längst Schule gemacht. „Schon mal was von der Idee des kompetiti- ven Vorteils gehört, junger Mann? Die Luxushotels in der Innenstadt locken mit dem Tafelberg und Shopping- Malls – weshalb sollte dann ich nichts aus der Realität meines Viertels ma-

chen? Zwei, drei hübsche Gästezim- mer, und siehe da – seitdem kommen Leute aus aller Welt hierher.“

In der Tat fährt gerade ein Bus mit skandinavischen Bibelreisenden in die schmale Straße ein, die von Well- blechhütten und glasscherbengespick- ten Mäuerchen gesäumt ist. Wahr- scheinlich die glei-

che Klientel, für deren Hilfsprojek- te Miss Lekau einst in einer NGO gear- beitet hatte – bis

sie erkannte, dass man sich auch am eigenen Rastazopf aus dem Schlamas- sel ziehen kann, ganz ohne linkspro- testantische Schuldrhetorik.

„Wenn plötzlich mehr Mittagsgäs- te als geplant anreisen, heuere ich schnell Köchinnen aus der Nachbar- schaft an, so kommt kein sozialer Neid auf.“ Wir stehen im schattigen Innenhof des „Kopanong B&B“ vor einer flaggenflankierten, ockerfarbe- nen Wand, und Thope Lekaus auf- brandendes Lachen ist von einem selbstbewussten Wir-schaffen-es- Frohmut, der wahrscheinlich noch aus Apartheid-Zeiten stammt, in denen man sich besser auf die eigenen Kräfte als auf die Gnade staatlicher Funktionäre verließ. „Sagen Sie den Leuten in Deutschland, dass wir keine Opfer sind, sondern unser Schicksal in die eigene Hand nehmen!“

MARKO MARTIN lebt als Schriftsteller und Publizist in Berlin. 2009 erschien sein Erzählband

„Schlafende Hunde“

im Eichborn Verlag.

Brief aus … Kapstadt

Thope Lekau erkannte, dass man sich auch am eigenen Rastazopf aus dem Schlamassel ziehen kann

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