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Arabicae, in den andem Lehrbüchern werden sie nur gelegentlich besprochen

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Freund, Dr. S., Die Zeäaätee im Arabiachen mit Berück-

aichtigurig verwandter Sprachen und modemer arahiacher

Dialecte. Breslau, Wilh. Jacobsohn & Co. 1893. S». 107 S.

Die Zeitsätze im Arabischen sind im Zusammenhange nur be¬

handelt in Ewald's Gramm, critica 1. Arabicae, in den andem

Lehrbüchern werden sie nur gelegentlich besprochen. So wählte

sie die philos. Fakultät der Univei-sität Breslau im Jahre 1890 als

Gegenstand einer Preisaufgabe. Eine Bearbeitung derselben ist die

vorliegende Schrift.

Es waren dabei zwei Arten des Vorgehens möglich: 1) Sorg¬

faltige Sammlung eines möglichst reichlichen Materiales, das nach

den äusseren Merkmalen, hier nach den in Anwendung kommenden

Partikeln, zusammengestellt, und an das dann eine systematische

Uebersicht angeschlossen wird : 2) Ausgehen von logisch-syntaktischen

Kategorien, die durch Beispiele belegt werden. Die Gefahren der

zweiten Art sind von Fleischer Kl. S. II, 1 ff. trefflich nachgewiesen.

Verf. musste die zweite Art wählen , da er die verwandten

Sprachen berücksichtigen wollte und nür so einen Rahmen gewaim,

in den sich eine vergleichende Darstellung bringen liess. Anderer¬

seits erklärt er S. 4, seine Arbeit wolle nur als ,eine Zusammen¬

stellung des wünschenswerthen Materials' für die Behandlimg der

arabischen Zeitsätze betrachtet werden.

Die Anordnung geht von dem Unterschiede der Coordination

und Subordination der Sätze aus. Jeder, der so sich ergebenden

Theile hat drei Kapitel, je nachdem das temporale Verhältniss das

der Gleichzeitigkeit, Vorhergängigkeit , Nachfolge ist. Bei dieser

Eintheilimg war die strengste Sondemng nöthig, musste dies Ver¬

hältniss zwischen der Haupthandlung und der die Zeit derselben

bestimmenden Nebenhandlung aufs Schärfste erfasst und gekenn¬

zeichnet werden. Einige Beispiele, wie weit Verf. dieser Porderung

nachgekommen ist.

Für das Verhältniss der Nachfolge sollen bei Coordination der

Sätze zwei Fälle zu unterscheiden sein (S. 16): 1) ,Die Haupt¬

handlung geschieht zu einer Zeit, als die Nebenhandlung überhaupt

1 2 *

(2)

nicht vorhanden ist [sie!], 2) die Nebenhandlung giebt den End¬

punkt an , bis zu welchem die Haupthandlung sich erstreckt' ;

ähnlich S. 91 bei Subordination des Zeitsatzes , welcher eine , der

des Hauptsatzes zeitlich nachfolgende Handlung enthält (mit „bevor")

oder den Endpunkt für die Haupthandlung angiebt (mit „bis'j.

In Fall 1 der Coordination sollen wcdammä, walam, walä in der

Bedeutung „und noch nicht" als Verbindung der Sätze dienen.

Von den drei Beispielen fallen zwei aus: Kur 19, 10 liegt in dem

walam nicht der Begriff des „noch nicht' ; das ist auch von keinem

Ausleger behauptet worden und gut hat Rückert'): „ich habe dich

ja auch zuvor geschaffen, da du Nichts wai-st' ; Fleischer, Zerstr.

Perlen Nr. 261 ^Jju ^jajj^\ heisst nicht: „Verloren ist

der Gierige, bevor er es merkt', sondem nur: „ohne dass er es

merkt'. Aber auch das Beispiel, in welchem sich ein wirkliches

„und noch nicht", walammä findet, kann nicht als ein Beweis für

die Behauptung gelten , eine derartige Verbindung bezeichne das

Verhältniss der Nachfolge; denn in dem Satze Kur 3, 136: „Ver¬

meintet ihr, ihr vrürdet eingehen in den Garten, ehe Gott erkenne

die von euch, die stritten" — auch Rückert hat hier das „und

noch nicht" durch das sinnverwandte „ehe" ersetzt — liegt zu¬

nächst nichts von einem später erfolgenden Erkennen, wie denn

auch die vom Verf. S. 17, Anm. 4 angeführten Aeusserungen der

Sprachgelehrten ausdrücklich nur die Erwartung des Eintretens

der Handlung als in dem lammä liegend bezeichnen. Nicht um

eine Nachfolge handelt es sich also, sondem um eine Gleich¬

zeitigkeit, nämlich der Haupthandlung mit dem Nichteingetreten -

sein der Nebenhandlung, welche nebenbei als eine erwartete be¬

zeichnet wird. Ist das Verhältniss ein anderes, wenn der Zeitsatz

durch ein „ehe noch, bevor noch' dem Hauptsatze subordinirt

wird? Hier zeigt sich so recht die Gefahr, die sich bei dem

geueralisirenden Vergleichen unserer Ausdracksweise und ihrer

sprachlichen Mittel mit der fremden ergiebt: weil die Sätze mit

„bevor' bei uns häufig dies spätere Eintreten der Handlung

annehmen lassen, soll in ihnen allen „die Posteriorität des Zeit¬

satzes im Verhältniss zum Hauptsatz' vorliegen (S. 91). In

Wirklichkeit handelt es sich auch hier nicht um Nachfolge, sondern

um Gleichzeitigkeit, nämlich der Haupthandlung mit dem Sich¬

befinden vor einer Handlung oder einem Ereignisse , dem Nicht-

vollbrachthaben einer Handlung oder dem Nichteingetretensein eines

Ereignisses, Zustandes. „Er starb, bevor er die Spitze des Berges

erreichte': hier ist es klar, dass die Handlung des Temporalsatzes

der anderen nicht nachfolgt: sie würde ja nachfolgen, ist auch

1) Verf. bitte sich in nicht ganz sicheren Fällen ruhig auf diesen Sprach- meister verlassen können, der mit feinem OefUhl und richtigem Blick fast immer das Richtige getroffen hat.

1 2 *

(3)

Hartmcmn, Freund's ZeiUätze im Arabitchen. 125

erwartet ; aber darauf kommt es gar nicht an, sondem darauf, dass

das Sterben ia die Zeit vor ihrem erwarteten Eintreten fällt,

gleichzeitig mit ihrem Nichteingetretensein ist. Das Zusammen¬

faUen dieses Verhältnisses mit dem anderen, dem der Nachfolge als

Regel ist nur ein scheinbares, herbeigefiihrt dadurch, dass unser Sprach¬

gebrauch in zahlreichen Fällen das nachträgUehe Eintreten der ndt

„bevor" eingeleiteten Handlung annehmen lässt, vrie: „ich kam

herein, bevor es regnete", „ich ging fort, ehe der Zug eintraf",

obwohl, streng genommen, in diesen Sätzen eine Sicherheit für das

nachfolgende Eintreten des Regnens, des Eintreffens nicht Uegt.

Nach der bekannten Anwendung der zwei semitischen Tempora för

die objectiv-absolut vollendete und unvollendete Zeit — im Gegen¬

satz zu unserer Dreitheüung in die subjectiv-relativen Zeitbegriffe

der Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft —, darf von Rechtswegen

in den semitischen Sprachen der Temporalsatz mit „bevor" kein

Perfectum enthalten ; gerade weü sie unvollendet ist, wird seine

Handlung mit der des Hauptsatzes in eine Beziehung gesetzt *).

Und so ist es auch: arab. kabla an, hebr. terem haben, ersteres

ausschUessUch, letzteres mit wenigen Ausnahmen das Imperfectum

nach sich, und so durchaus auch der ägyptische Vulgärdialect, vrie

Sp. § 165 a ausdrückUch unter Anföhrung mehrerer Sätze mit

kablS mä bemerkt'), während die Sprache des Talmud, nach der

vom Verf. angeföhrten Stelle jPes 54 a mit ködern äe und dem

Perf. schon eine unsemitische Verwilderang zeigt. In den Worten

des Verf.'s S. 91 f: auf kabla an „folgt der Conjunctiv, da ja die

Handlung des von an abhängigen Satzes vom Standpunkte der

Haupthandlung aus eine zukünftige ist", liegt eine völlige Ver¬

kennung des Sachverhaltes; schief ist auch die Betonung des

Conjunctivs, der nach an selbstverständUch ist.

Als verfehlt muss auch die Constmction der Sätze mit „bis"

bezeichnet werden; mit der Phrase: „der Zeitsatz giebt den End¬

punkt für die Haupthandlung an" ist nichts gesagt, keinesfaUs ist

sie identisch mit dem anderen Satze, mit dem Verf. sie ohne

Weiteres zusammenwirft: „die Handlung des Zeitsatzes folgt der

Haupthandlung nach". In den „bis"-Sätzen ist die Nachfolge

durchaus nicht die Regel; es ist bei ihnen vielmehr genau so

wie bei der Präposition üä, bei welcher in Betreff der Frage, be-

1) Bei „nocil nicht" ist natärlich das Perfectam erforderlich; denn bier ist es ja eben dieses Tempus mit der Negation, das allein das NichtvoUendetsein ausdrücken kann.

2) Das interessante terem masste ganz anders behandelt werden als S. 18 geschehen; hier war eine vollständige Zusammenstellung der Stellen nöthig;

in dem coordinirten terem jiskibün Jos. 2, 8, Uegt ein wunderbares Zusammen¬

werfen des, hier zunächst anzunehmenden Begriffes „noch nicht" mit „bevor"

vor. Ansprechend ist die Emendation jeda' fiir jSda' 1 Sam. 3, 7, S. 18, Anm. 1.

3) Auch der syrische Sprachgebrauch verbindet, meiner Eiinnerung nach, sein kahl mä nur mit dem Imperfectum.

(4)

deutet sie bis zu — ausschliesslich oder bis zu — ein¬

schliesslich, , Sinn und Zusammenhang und innere Bestimmungs¬

gründe den Ausschlag geben müssen", wie schon die arabischen

Sprachgelehrten richtig erkannt haben (Fl., Kl. S. 1, 402) '). Im

Allgemeinen ist bei den Sätzen mit „bis" nicht Nachfolge, sondem Gleichzeitigkeit anzimehmen : der letzte Theil der Haupthandlung

f&llt mit dem Eintreten der Zeitsatzhandlung zusammen. In dem

Verse Ham p. 81, V. 4: \^Jl^ L^'! ^j-*-'^ '^s^^ i®'" ^og sie

hin*), bis der Tod zu ihr herankam' (S. 95), ist das Herankommen

des Todes*) gleichzeitig mit dem Ende des Hinhaltens, es tritt

nicht erst nach dem Hinhalten ein. Ebenso in dem anderen Bei¬

spiele, Mutanabbi 172, 3: ^SLj ' w5v-*-»o (J J^l

Cjüii! viiUKs, der Chalife hat dich nicht sein (des Reiches)

Schwert genannt, bis er dich erprobte und (fand, dass) du warst

das Urbild des schneidenden (Schwertes) *); nach der Rubrik, unter

der Verf. diese Worte als Beispiel bringt, würde es hier darauf

ankommen, dass das Erproben dem Nicht-Nennen folgt; der

Dichter sagt aber zunächst nur: das Ende (die letzten Momente)

des Nichtnennens Mit mit dem Erproben und Schneidend-Finden

zusammen. Allerdings ist bei den Sätzen mit „bis" noch ein

zweites Moment eingeschlossen , nämlich dass die Haupthandlung

nicht mehr ist (aufhört), nachdem die Handlung des Zeitsatzes

eingetreten ist; so liegt in dem ersten Beispiele zugleich: er hielt

sie nicht mehr hin, nachdem der Tod herangekommen war, in dem

zweiten: er übte das Nicht-Nennen nicht mehr, d. h. nannte ihn,

nachdem er ihn erprobt u. s. w. hatte. Das ist eben der Unter-

1) Die zwei ersten Beispiele Zamahsarl's im Itassäf zu Kur 5, 8 bei FI a. a, 0. sind nicbt glücklieb gewählt , und es ist aufTällig , dass Fl sie nicht beanstandet hat: „bis zu guten Umständen" und „bis zur Nacht" bedeutet in denselben natürlich bis zum Eintreten der g. U., der N., und dieses Ein¬

treten ist eingeschlossen.

2) So ist zu übersetzen, nicht: „Er lebte mit ihr".

3) d. h. das Nahesein: vgl. den Vers des Abü Nuwäs: ii:AjLs

- E

!.XJi «SLj! |j«..a>ü!, es sprach zu mir die Seele: der Tod ist dir nahe!

4) Was hat Verf. aus diesem Verse gemacht! „Siehe der Chalif hat dich nicht sein Schwert genannt, bis er dich erprobte und du Wächter des Schwertes warst". Das hä von saifahä kann sich nicht auf den Chalifen beziehen; es geht auf das „Reich", dessen Schwert ja der Name des saif eddaule, den M.

hier preist, bedeutet, und „von dessen vorgängiger Erwähnung der Dichter Abstand nehmen konnte, weil die Beziehung erkennbar ist", wie Näsif eljSzigl in dem recht guten Comm. (Beirut 1884) sagt; die Bed. von 'ain hier lag auf der Hand für Jeden, der etwas belesen ist; ein „Auge des Bebwertes" flir

„Wächter des Schwertes" ist unarabisch.

(5)

Hartmcmn, Freund's Zeitsätze im Arabischen. 127

schied der bis- und der bevor-Sätze: in den letzteren ist diese

Folge nicht gegeben. Ein : nachdem der Tod zu ihr gekommen war,

hielt er sie nicht mehr hin, ist nur scheinbar in dem Satze: er

hielt sie hin, bevor der Tod zu ihr kam, gelegen; dass dieser

Schluss nicht auf dem Verhältniss, in welches die beiden Hand¬

lungen durch den sprachlichen Ausdruck zu einander gesetzt sind,

beruht, zeigt sich schlagend, wenn wir sagen: sie starb, bevor er

sie befriedigte; der Schluss: er befriedigte sie, nachdem sie ge¬

storben war, ist ebenso unsinnig, wie unbegründet in der sprach¬

lichen Fassung.

Aus diesen Ausführungen erhellt schon, welche Bewandtniss

es mit den Aufstellungen des Verf.'s S. 96 hat: ,die Bedeutung

des hattä ist, wenn der Hauptsatz negirt ist, eine etwas modificirte,

indem sie sich der von kabi nähert: „ich that es nicht, bis er

kam" ist ungeföhr soviel wie „ich that es nicht, bevor er kam*

. . . . Ist die Haupthandlung negirt, so wird [durch hattä^ aus¬

gesagt, dass das „Nichteintreffen* der Handlung so lange an¬

dauert, bis die Nebenhandlung eintrifft, sobald aber die Neben¬

handlung eintritt, hört das Nichteintreffen der Haupthandlung auf

Streng genommen sind also in diesem Falle die beiden Handlungen

gleichzeitig, oder die Nebenhandlung geht sogar der andem voraus [!]');

tmd die eigentliche Bedeutung von hattä ist somit verändert ....

Wenn es 1001 N. I, 38, Z. 3 v. u. heisst ^jJ:i~=> ;JL*, i_4-s

ajdj ^\ Juia^ „er hörte nicht auf zu reisen, bis er in seine Stadt

kam*, so ist das Aufhören imd das Kommen gleichzeitig. Dem

Wesen nach ist hierbei hattä selbstverständlich nicht verändert

[eben hiess es: die eigentliche Bed. ist verändert!] . . . ., praktisch

aber kommt es ungefähr auf dasselbe heraus , was durch kahla

[1. kahla ari] ausgedrückt wird." Von dem vielen Schiefen in

diesen unklaren Sätzen sei hier nur Eines hervorgehoben: in mä

zäla sä'iran hattä u. s. w. ist nicht „das Aufhören und das Kommen

gleichzeitig*, sondern das erstere folgt dem letzteren ; gleichzeitig

ist vielmehr der letzte Moment des N i c h t aufhörens und das

Kommen , und erst nachdem das Kommen eingetreten , tritt das

Nichtsein des Nichtaufhörens ein, d. h. das Aufhören. Der deutsche

Sprachgebrauch lässt zwar in diesem Falle die Anwendung des

„bevor* im Sinne von „bis" zu; streng genommen heisst aber:

„er hörte nicht auf zu reisen, bevor er in seine Stadt kam*

nicht: „er kam in seine Stadt und dann hörte er auf", sondern

nur: „sein unaufhörliches, beständiges Reisen war in der Zeit vor

dem Kommen in die Stadt', und über das, was nach dem Kommen

in die Stadt geschieht, ist nichts gesagt. In den meisten FäUen

scheidet übrigens auch das Deutsche scharf, in manchen ergiebt

sich bei falscher Anwendung der Conjunetion Unsinn: „er war

1) Da ist auf ein Mal die Negation escamotirt: die Hauptliandlung ist Ja ein Kieht-thun, Nicht-geselletien!

(6)

nicht krank, bevor er hierher kam" sagt wohl Jemand, der nicht weiss, wie es nachher geworden; „er war nicht krank bisu. s.w."

nur Jemand, der weiss, dass der BetreflFende nachher krank ge¬

worden, und: „er war nicht krank bis er starb" ist wohl lodderige

Rede für „bevor", aber nach dem richtigen Sprachgebrauch voll¬

kommener Unsinn. Das Arabische kennt dieses Zusammenwerfen

durchaus nicht: hattä, bis, behält allenthalben seinen vollen Werth

und kommt nirgends auf Eines mit kabla an heraus.

Verzeihlicher ist die Verkennung des Richtigen in dem PaUe

von lammä = als, das für Gleichzeitigkeit soll angewendet werden

können (S. 21). Kein Geringerer als Fleischer ist die Quelle dieses

Irrtbums '), der entstanden ist durch Uebertragen von Vorstellungen

und Ausdrucksweisen, die uns geläufig sind, in ein Sprachgebiet,

dem sie fremd sind, ein Verfahren, vor dem PI. selbst so eindring¬

Uch gewarnt hat (s. oben). Es ist das ein lehrreiches Beispiel, wie

selbst dem Vorsichtigen, dem Wamer die altgewohnten Pormen

einen Streich spielen können. Nach Fl., Kl. S. I, 107 i. steht die

dnrch das Perfectum nach lammä ausgedrückte Thatsache nicht

„immer und nothwendig zu der andem durch das Perfectum des

Hauptsatzes ausgedrückten in einem Anterioritätsverhältnisse", „beide

Thatsachen können anf einander gefolgt, sie können in einem Zeit¬

punkte zusammengefaUen , ja, es kann sogar die durch lanunä ein¬

geführte bei der VoUendung der zweiten selbst noch nicht vollendet

gewesen sein". Die von Fl. angeführten Beispiele sind gerade

solche für das Gegentheil. 1) Baidäwi H, 333, 8—10: Q

' J ^ - O'O

t^'i liji iJjLXjl; das soll heissen: „als er nach Medina kam, kehrte

er (unterweges) in Kubä' ein"; das heisst es aber nicht; denn

--- j -E

iALJi pJOi heisst nur »Lil, d. h. er ist zu dem Ort gekommen, so

dass er bei ibm ist'); das ist aber etwas Anderes als unser „nach

dem Orte kommen", denn dainit meinen vrir das Eintreten in den

Ort; davon ist hier gar nicht die Rede; übers.: „als er vor Medina

gekommen war, stieg er in (dem, Strmde südlich von der Stadt

gelegenen, einen Vorort von ihr bildenden) ^ohä. ab" '). 2) Bai4.

I, 254, 11—12: ^lli-l LJ das soU heissen: „als er (durch

1) Das Falsche aneh, wohl ebenfaUs naeh Fl, Casp-HfiUeT> § 369, lb).

2) Der Grundbegriff, aus dem sicb das „Herankommen zu" entwickelt hat, ist der des Vomseins : kadima alöalada eigentl. er ist vorgetreten zu dem Ort hin, vor den Ort gekommen, so dass er ihn vor sich bat und selbst ihm gegenüber ist; vgl. vulg. kuddäm.

3) Verf. hat das Schiefe der Fl'schen Uebersetzung wohl gefühlt, und hilft sich mit: „als er zog" oder „sich auf den Weg gemacht hatte" (8. 21, Anm.);

das ist sprachlich unhaltbar.

(7)

Hartmann, Freund's Zeitsätze im Arabischen. 129

den Tod) abgefordert wurde, kündigte er ihnen an' ; uhtudira heisst

aber nicht „er ist durch den Tod abgefordert worden', sondem

nur: der Tod ist zu ihm herangetreten, und so wird das part.

muhtadar ganz richtig erklärt durch karib min alinaut, dem Tode

nahe; übers.: „als er dem Tode nahe gekommen war' ; 3) j^,L^

lo. Ui (JiJ! „Enos war, als er starb, 950 Jahre alt':

'umruhu kadä sana heisst: die von ihm zurückgelegte Lebenszeit

ist so und so viel Jahre, er hat so und so lange gelebt, ist . . .

alt; käna '■umruhu kadä sana heisst also: er hatte so und

so lang gelebt ; wird dieser Satz in zeitliche Beziehung zu

dem Tode derselben Person gesetzt , so kann das nur in der

Weise gemeint sein , dass der Tod vorhergegangen ist ; auch hier

also ist zu übersetzen: als er gestorben war, hatte er 950 Jahre

gelebt ; so erledigen sich auch Beispiel 4) und 5), von denen

das letztere mit 2) zusammenfällt, insofern der dort gebrauchte

Ausdmck für „dem Sterben nahe kommen', durch die Worte

»'jJ! erklärt wird , welche völlig gleich dem uhtudira von

2) sind. So zerfliessen diese Belege in nichts, ujjd es wird schwer s sein, bessere zu finden; entscheidend wäre z.B. ein ^J^_o>l ^^^j UJ^

das doch ^n^- heissen könnte: „als er starb, verkündete er ihnen';

darnach vrird man aber, wenigstens in der älteren Litteratur ver¬

geblich suchen. In erster Linie ist der Sprachgebrauch des Kur'än,

des hadit und der alten Dichter selbstständig zu prüfen; denn die

Oä'enbarungen der arabischen Sprachgelehrten sind in dergleichen

Dingen durchaus mit Misstrauen aufzunehmen, wie die Gleichsetzung

von lammä mit hina beweist, welche der gelehrte ZamachSarl

) , —

Muf 69 leistet und welche durch das Beispiel c>-*=" ^♦i

durchaus nicht gesichert ist. Das , was uns die Erkenntniss des

Richtigen erschwert, ist der Gebrauch unseres „als' mit dem Imperf.

in doppeltem Sinne, für die Gleichzeitigkeit und Vorgängigkeit des

Zeitsatzes.

Wie bei lammä ist auch bei den anderen Zeitconjunctionen

sorgfältig zu prüfen, ob die Weisheit, welche die Araber mit so

grosser Sicherheit uns vortragen, auch in Uebereinstimmung ist mit

den sprachlichen Thatsachen, ja, ob nicht selbst den europäischen

Meistem der arabischen Sprachkunde ein sehr menschliches Irren

begegnet ist. Dann erst kann an eine Darstellung gegangen werden,

welche den einzelnen Erscheinungen des Arabischen ihren Platz

anweist in dem mächtigen Gebäude der in der Sprache zum Aus¬

dmck kommenden Gedankenformen, Begriffs- und Urtheilsverhältnisse

überhaupt und an und für sich.

Bd. XLVIII. 9

(8)

Vielleicht hat der Verf., dessen Arbeit in Hinsicht dieser, nur

bei weiten Kenntnissen, Scharfsinn, Schulung im strengen Denken

zu lösenden Aufgabe als verfehlt anzusehen ist, zu der Sammlung

des Materiales, auf das sich die zunächst vorzunehmende Pest¬

stellung der specifisch arabischen Denk- und Ausdrucksweise zu

stützen hat, ein Erhebliches beigetragen; will er doch selbst seine

Arbeit als eine „Zusammenstellung des wünschenswerthen Materiales"

betrachtet sehen. Verf. hat aus dem Kur'än, Baidäwi, den Six

ancient Poets (Ahlw.), Mu'allakftt (Am.), Mutanabbi, Chalef elabmar

(Ahlw.), Maidäni, der Hamäsa, 1001 N., den arabischen Ueber¬

setzungen der Bibel und den hauptsächlichsten grammatischen Werken

eine Anzahl Stellen gesammelt, und das ist ganz verdienstlich.

Aber es ist in einer Art geschehen, die nicht gebilligt werden

kann: dieses Zusammenwerfen von Brocken aus ganz verschiedenen

Litteraturkreisen und Litteraturperioden hilft uns nicht zu einer

klaren Erkenntniss der Thatsachen, auf die es ankommt, vor Allem

nicht zu ihrem Verständniss, welches nur durch ein Verfolgen der

Entwickelung, durch die historische Betrachtungsweise möglich ist.

Es war, wie schon oben angedeutet, vor Allem der Sprachgebrauch

des Kur'äns, der Hadit-Bücher , der alten Dichter festzustellen, für

den ersten eine langweilige, aber nicht schwierige Arbeit, für die

anderen freilich nur nach längerem, mühevollem Studium möglich.

Dann sind die älteren Historiker und die späteren Dichter .durch¬

zuarbeiten, und dann erst kommt der grosse Schwärm der Gram¬

matiker und Sprachgelehrten. Bei dieser Art der Behandlung vrird

sich freilich manche Partikel ganz allein zu einem Heft vom Umfang

des vorliegenden auswachsen, sie ist aber die einzige, welche die

vriirdige Darstellung der arabischen Syntax, die Verf. mit Recht in

den bisherigen Werken vermisst, möglich macht.

Dass in der Erklärung der mitgetheilten Stellen im Einzelnen

sich Versehen finden, ist einigermassen damit zu entschuldigen,

dass die Arbeit eine Erstlingsfrucht der arabistischen Studien des

Verf.'s ist; das Meiste hätte bei grösserer Aufmerksamkeit und

sorgfältigerer Benutzung der Hilfsmittel vermieden werden können.

Hier sei nur Polgendes zur Sprache gebracht: S. 48 wird be¬

hauptet, bei Sätzen mit idä, die mehrere Glieder haben, komme es

vor, dass „das erste Glied im Perf. steht, bei den folgenden mit

dem Imperf. fortgesetzt wird" und als Beispiel angeführt Kur 2, III

|.j_^Xx9 i^i' jJ Jjjjj L^Ls ly«! !'^' > s*' ®'"^ Sache

bescbliesst, und nur sagt: Werde, so wird sie" ; nur rier Seiten weiter

erkennt Verf. richtig, dass das fa von fa'innamä den Nachsatz ein¬

leitet, wie das in solchem Palie (d. h. wenn der Nachsatz das Imperf.

hat) gewöhnlich eintrete, „da ja dann die sogen. Conversivkraft

des idä aufgehoben wird, z. B. Kur. 19, 36 ^jj^ 131" u. s. w. Verf.

hat nicht gesehen, dass 19, 36 = 2, III; sonst könnte er nicht

(9)

Hartmann, Freund's Zeitsätze im Arabischen. 131

denselben Satz als Beispiel für zwei sich ausschliessende Behaup¬

tungen anführen; andererseits übersetzt er die Worte S. 52 genau

ebenso falsch wie S. 48! Sie bedeuten natürlich: ,Wenn er he¬

schliesst ein Ding, sagt er zu ihm nur: Sei! so ist es' (Rück.).

Das ist eine arge Confusion. — S. 54 „Erwerbsmittel' : wie ist

Verf. nur zu dieser wxmderlichen Deutung gekommen ? maksab ist

hier, wie sonst allenthalben, Gewinn. — S. 57 „wenn der Hunger

es zu untemehmen trieb" ; den Text giebt Verf. richtig kulltfaku,

d. h. wann er dem Hunger aufgelegt wurde. — S. 60, Anm. 3

.. . |.i i-j'j^_»*aj ^.^XS t\j.^ JiJ^I j L^iXäJ Uj JuyaXj ^ oü^l^

„ das Elif wird nicht verbunden mit dem , was ihm nachfolgt in

der gleichen (richtigen) Schrift, ob es geschrieben wird" u. s. w.

sawä'un hat Verf. mit dem ihm vorangehenden filchait zusammen¬

genommen ! also eine grammatische Ungeheuerlichkeit neben dem

Uebersehen der sehr bekannten Thatsache, dass sawä'un mit folgendem

Perf. und 'am und Perf. bedeutet „mag es so oder so sein". —

S. 67 und 69 hat Verf die Stellen Kur. 7, 170 und 8,9 gegen

die herkömmliche und vollkommen richtige Deutung übersetzt, und

sie als Belege verwandt, im ersten Falle zu einer, noch besonders

aus dieser falschen Uebersetzung construirten Aufstellung : in beiden

Fällen hat id keinen Nachsatz nach sich und das vom Verf. als

solcher angesehene ist nur ein zweites Glied des i'rf-Satzes ; in

beiden Fällen hat Rückert meisterhaft den Ton des Originals ge¬

troffen. — S. 68 Kur 4, 74 „als ich nicht .. . zugegen war' : id ist

hier vielmehr causativ {litta'lll) ; Rück. : Gott war uns gnädig, dass

ich bei ihnen nicht gewesen. — S. 76 soll der Nachsatz nach

lammä mit tumma eingeleitet werden können wie Mut 6, 1 S. 16:

j > —

Cj-A^Cr»! ^ vi>«-iXs c>-r"*J U! „nachdem du nach deiner Herkunft gefragt worden bist [? sehr, deine Abkunft festgestellt worden ist] und du bist [schi-. und (erftmden wurde, dass du bist)] em Sohn köines Vaters, bist du gerechtfertigt' ; der Nachsatz beginnt aber erst mit V. 2, und zu

dem Vordersatz (V. 1) gehört noch ^Si\ ^Ji J^^' übersetze:

„als man bei Feststellung deiner Herkunft gefunden, dass du keinen

Vater hast, und bei der Erprobung deiner persönlichen Eigenschaften, o >

dass du keine Bildung hast, so u. s. w." — S. 78 oben: ^,j;_>jj ,

das Versm. verlangt ^ gitj- — S. 96 der Vers aus Mut. arg ver¬

kannt; s. oben S. 126. — S. 97, Anm. 1: ^iLÜ ,i5ÜLj 'i4S=>- oju^

du beabsichtigst die Erzählung dieses Zustandes; Fleischer, Kl. S.

1, 443 hat für das liikäja in der hier vorliegenden Anwendung

schon den richtigen Hinweis gegeben; er übersetzt es „Darstellung", 9*

(10)

in den meisten Fällen ist die üebers. „Anführung' treffender; vgl.

noch das iLyüLJI 3^ i^^' ^"^f- ^'^^ ^ ^1. — S. 103 Suh.

11, 18 bei Ch[alef]. El. S. 351 U löl ^jas>- (bei Ahlvir. s) 'ijuo ^'i;

das ä^Lo Ahlwardts ist aber ganz richtig und auch nach dem Vers¬

mass allein zulä.ssig; im folgenden Verse ist das ^Läs^L für das

tLjöbüj A.'s keineswegs eine Verschönerung; das nichtsnutzige

medde in diesem Falle ist zwar eine üngezogenheit zahlreicher

orientalischer imd occidentalischer Drucker und Herausgeber, darum

aber nicht berechtigter : »Lis^! würde immer nur el-'i^a'ä'u gelesen werden können.

Von den „verwandten' d. h. den anderen semitischen Sprachen

ist nur das Hebräische herangezogen — das Ausschi-eiben von

einem halben Dutzend Sätzen in syrischer Sprache und die Nennung

einiger äthiopischen Partikeln nach Nöldeke und Praetorius ') kann

doch wohl vergleichende Heranziehung der betr. Sprache nicht ge¬

nannt werden —, und dieses nicht bloss in seiner biblischen, sondem

auch in seiner nachbiblischen Form, die hier mit dem schiefen

Namen „Neuhebräisch' bezeichnet wird. Das Gebotene enthält

manche gute Bemerkung, und die Liebe, mit welcher Verf offenbar

das „Neuhebräische' behandelt, möchte fast ein künftiges Sich¬

beschränken auf das ilm wohl vertrautere Gebiet räthlich erscheinen lassen.

Im Ganzen ist die Arbeit ein wamendes Beispiel, wie gefähr¬

lich es ist, Theile der arabischen Syntax systematisch behandeln

zu wollen, auf denen noch im Einzelnen erhebliche Vorarbeiten zu

machen sind. Zur Zeit sind noch eine Anzahl Specialuntersuchungen über die verschiedenen temporalen Verhältnisse und ihre Exponenten

anzustellen, ein umfassenderes Ingenium mag dann das Gesammt¬

hild herstellen, in das, bei der Feinheit und Vorbildlichkeit der

arabischen Syntax, die Züge der Schwestersprachen, soweit sie mit

Sicherheit erkannt sind, hineingewoben werden mögen. Bis dahin

wird aber von dem , der solchen Versuch macht , das gute , alte

Sprichwort gelten: Qui trop embrasse, mal etreint.

1) Nach Anfangerart sind dabei syrische und äthiopische Typen ver¬

wandt; Fremdworte in Originalschrift bringen ist doch nur da nöthig , wo ein allgemeines System der Umschrift nicht vorliegt, wie im Chinesischen; in den semitischen Sprachen findet sich jeder Fachmann bei Anwendung eines der bekannten schnell zurecht.

Martin Hartmann.

(11)

Baeher, Grünbaum's Neue Beiträge nur semitischen Sagenkunde. 133

Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde von M. Grün¬

baum. Leiden. E. J. Brill. 1893. 291 S. 8.

Der Titel des vorliegenden Buches scheint mit Bezug auf die

erste grössere Publication des Verfassers gewählt zu sein , nämlich

seine in dieser Zeitschrift (Band XXXI, S. 183—359) erschienenen

„Beiträge zur vergleichenden Mythologie aus der Hagada'. Denn

auch jene waren richtiger als Beiträge zur Sagenkunde zu be¬

zeichnen, da der behandelte Stoff nur zu geringem Theile mytho¬

logischen Inhaltes war. Weitere Arbeiten ähnlichen Characters,

wenn auch theilweise linguistischen und religionsgeschichtlichen In¬

haltes veröffentlichte Grünbaiun ebenfalls in der Z. d. D. M. G.

(Bd. XXXIX, S. 543—616, Bd. XL, S. 234—304, Bd. XLI,

S. 644—656, Bd. XLH, S. 45—55, 248—295), zuletzt die aus

jüdischen und sonstigen , besonders arabisch-spanischen Quellen ge¬

schöpften Beiträge zur Geschichte der Josephsage (Bd. XLIH, 1—29,

XLIV, 445—477). Dieser letzteren Arbeit Grünbaum's sehliessen

sich inhaltlich seine „Neuen Beiträge' an, ein stattlicher Band,

der in einer Reihe von Abschnitten die in der agadischen Litteratur,

sowie bei arabischen und syrischen Schriftstellem zu findenden

Sagen über biblische Personen in vergleichender Darstellung vor¬

führt. Er enthält in chronologischer Polge Abschnitte über Adam

(S. 54), Noah (S. 79), Abraham (S. 89), Lot (S. 132), Isaak und

Jakob (S. 141), Joseph (S. 148), Moses (S. 152), Saul (S. 185),

David und Salomo (S. 189^—237). Doch beschränken sich die

Abschnitte nicht auf die in den Ueberschriften genannten biblischen

Personen; unter Adam werden auch Kain und seine Nachkommen,

sowie die Riesen (Gen. 6) behandelt, unter Abraham auch Ismael,

im Anhange zum Moses-Abschnitte auch Josua, nach dem letzten

Abschnitte die Sage von Nebusaraddan , dem Peldherm Nebukad-

nezzars (S. 237—240). Das Verhältniss der von Grünbaum zur

Vergleichung herangezogenen arabischen und syrischen Sagen zu

den jüdischen kennzeichnet er am Schlüsse der langen, weiter unten

noch besonders zu erwähnenden, Einleitung (S. 54) mit folgenden

Worten : „ Manche der arabischen Legenden sind jüdischen Ur¬

sprunges, andere sind nicht entlehnt, sondem autochthon, wie auch

raanche Personen ein Sagenkreis umgiebt, die zwar in der Bibel

erwähnt, aber von der jüdischen Sage nicht weiter berücksichtigt

werden, so z. B. Hiob. Die syrischen Legenden, die sich alle auf

die Bibel beziehen, haben mehr aus dem Judenthume aufgenommen,

als die arabischen, deren manche übrigens syrischen Ursprunges sind'.

„Im Polgenden — so schliesst die Einleitung — sollen, mit wenigen

Ausnahmen, nur solche Sagen berücksichtigt werden, zu denen sich

Parallelen nachweisen lassen , und zwar die arabischen Sagen in

der Form , wie sie anknüpfend an die im Koran nur flüchtig er¬

wähnten , bei den Commentatoren und den späteren Autoren vor¬

kommen'. Diese Scblussworte der Einleitung enthalten die einzige

(12)

Aeusserung, in der Grünbaum von seinem Verfahren und seinen

Quellen Rechenschaft giebt. Thatsächlich beschränkt er sich in

der Regel darauf, zu dem in der agadischen Litteratur gefundenen

Sagenstoflfe die parallelen Stellen des arabischen oder syrischen

Schriftthums mehr oder weniger ausführlich zu reproduciren. Dabei

ist die Abhängigkeit der letzteren und die Ursprünglichkeit der

agadischen Quelle naturgemäss vorausgesetzt. In einzelnen Pällen

wird darauf hingewiesen, inwieweit die nichtjüdischen Sagen von

den ihnen zu Grunde liegenden jüdischen abweichen, welche Ver¬

änderungen oder Erweiterungen der SagenstofiF bei seinem Ueber¬

gange in andere Volks- und Religionskreise erfuhr. WerthvoU ist

der Nachweis eines principiell zu nennenden Unterschiedes in der

Auffassung der Königsgestalten Davids und Salomos bei Juden und

Muhammedanem; mit weiteren Belegen ist die bekannte Thatsache

erhärtet, dass in der Legende des Isläm Ismael an die Stelle Isaaks

trat; mehrere Beispiele werden für die Uebertragung einzelner

Sagenelemente von einem Helden auf den andem gebracht (s. S. 52,

190, 192, 200); zu der Erzählung des Korän, wie sich der Satan

(Iblis) weigert, sich vor Adam niederzuwerfen, wird nachgewiesen,

dass ihr die syrische Version der Adamlegende zu Grande liegt.

Diese und andere Einzelheiten können als Beiträge zu einer wissen¬

schaftlichen Bearbeitung des zusammengetragenen Sagenmaterials

betrachtet werden, an welche unser Buch vermöge seiner ganzen

Anlage gar nicht herantritt. Eine allgemeine Kiitik der benützten

Litteraturwerke und eine kritische Erörterang der aus ihnen ge¬

nommenen Sagenstoflfe ward von dem Verfasser nicht beabsichtigt.

Und darin besteht hauptsächlich der Mangel seines Werkes. Wir

vermissen eine zusammenhängende Untersuchung darüber, auf welchen

Wegen der jüdische SagenstoflF, zu seinen älteren oder späteren Be-

arbeitem bei Christen und Muhammedanem gelangt ist, aus welchen

unmittelbaren oder mittelbaren Quellen diese geschöpft haben mögen ;

wir vermissen eine allgemeine Darstellung der Pactoren , welche

bei der Entwickelung der biblischen Sagen wirksam waren. Wenn

wir von diesem Mangel absehen und das Buch als das nehmen,

wofür es sich schon durch seinen Titel ankündigt , als Sammlung

von Beiträgen zur Sagenkunde, so können wir der klaren, ruhigen,

den von Poesie durchhauchten Gegenständen der Sage entsprechenden

Darstellung mit Befriedigung folgen. Wir finden uns einer Pülle

des anziehendsten, neben dem Hauptstoflfe des Werkes, wie das die

Art des Verfassei-s ist, noch eine Menge sonstiger aus den mannig¬

faltigsten Litteraturkreisen genommenen Bemerkungen bietenden

Materiales gegenüber; wir bewundem, wie in den früheren Arbeiten

Grünbaum's, eine gediegene Kenntniss der semitischen, sowie anderer

Sprachen und Litteraturen, die es ihm gestattet, stets nur aus den

Quellen zu schöpfen und die Prüchte einer ungewöhnlichen Belesen¬

heit in der zuverlässigsten Porm zu bieten. Diese neuen Beiträge

werden im Vereine mit den oben genannten früheren Arbeiten

(13)

Bacher, Grünbaum's Neue Beiträge zur semitischen SagenJcunde. 135

Grünbaum's stets ein reiches Repertorium der Sagenkunde bilden,

besonders was die auf die Agada zurückführenden Stoffe betrifft,

und auch sonst kann die Kenntniss der unendlichen Mannigfaltigkeit der in der Agada behandelten Gegenstände sowie ihrer sprachlichen und sachlichen Eigenthümlichkeiten durch des Verfassers interessante

und vielseitig belehrende Darstellimg in hervorragendem Masse ge¬

fördert werden. Fast könnte man sagen, dass selbst die Form

seiner Darstellung, die den leitenden Faden des eigentlichen Gegen¬

standes fortwährend fallen lässt, an die Form des agadischen Schrift¬

thums erinnert. Aueh an dem Verfasser bewährt sich das von ihm

selbst — aus den Noten zum westöstlichen Diwan — citirte Wort

Goethe's, indem ihm aus der reichen Fülle seiner Belesenheit ,bei

Allem Alles einfällt'. Die verschiedensten Bemerkungen über

Ausdrücke , Sprüche , Anschauungen machen es besonders in seiner

Einleitung schwer, seinem Gedankengange zu folgen. Doch ist

diese Einleitung vielleicht der interessanteste Theü des Buches. Sie

ist ein Capitel zur vergleichenden Litteraturgescbichte ; man kann

sie auch als Causerie über die Agada und die agadaartigen Ele¬

mente der arabischen Litteratur bezeichnen. Trotz der erwähnten

fortwährenden Abschweifungen geht das eigentliche Thema keines¬

wegs leer aus, und besonders die feinsinnigen Beobachtungen über

die Aehnlichkeiten zwischen der agadischen und der arabischen

Litteratur verdienen Aufmerksamkeit. Es sei nur auf die Be¬

merkungen hingewiesen , die Grünbaum unter die Stichworte

„dualistische Grappirung' (S. 32, 40), „katoptrische Tendenz'

(S. 34), „Anachronismus' (S. 52) gebracht hat.

Der hauptsächlichste Fortschritt, den Grünbaum's Buch gegen¬

über früheren Behandlungen der biblischen Sagen in der muham¬

medanischen Litteratur bezeichnet, beruht auf der grossen Anzahl

arabischer Schriftsteller, die er zu seinem Zwecke benützt hat. Es

sind dies ausser den Koräncommentatoren Baidäwi und Zamaljsari

und dem Traditionswerke Boljärl's noch folgende Autoren: Hamza

Isfähän! , fabari, Ibn al-Atlr, Abulfidä, Mas'üdi,^ Jäküt, Kazwini,

Dimiski, Birüni, Ja'kübl, die lauteren Brüder, Sahristäni, Gazäli,

Hailrl, Maidäni, Ta'älibi und Andere. Ausser diesen in gedruckten

Ausgaben zugänglichen Schriftstellem benutzte er fleissig in einer

Handschrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek die Propheten¬

geschichten des al-KisftI (Lx*i':il ^j^M^i), s. S. 197, 201, 215, 227, 231. — Geringer ist die Anzahl der excerpirten syrischen Litteratur¬

werke: ausser Ephräm Syrus und Abulfarag das „Bienenbuch' und

die „Schatzhöhle', sowie der arabisch schreibende Eutychius (Ibn

Bitrik). Besonders ausgiebig ist eine arabisch geschriebene Quelle

syrischen Ursprunges benützt, der in de Lagarde's Materialien zur

Kritik und Geschichte des Pentateuchs (1867) herausgegebene merk¬

würdige Commentar zur Genesis, ein „Midrasch völlig in der national¬

jüdischen Art', wie ihn de Lagarde (Bd. I, p. XI) kennzeichnet.

1 3

(14)

Was die Benützung der jüdischen Quellenschriften betrifft, so

citirt Grünbaum unterschiedlos ältere und jüngere Midraschwerke

und geht — was übrigens auch nicht seine Aufgabe war — auf

die Entwickelung des Sagenstoffes innerhalb der agadischen Litteratur

gar nicht ein. Es ist dieses unkritische Verfahren fttr den Gegen¬

stand seines Buches deshalb von geringerer Bedeutung, weil die

Sagenstoffe gewöhnlich aus den jüngeren Entwickelungsstufen zu

den christlichen und muhammedanischen Autoren gelangten. Doch

ist es sachlich unzulässig, als Quelle spätere Midraschwerke zu

citiren, und die ältere Quelle, Mechiltha zu 14, 30, zu verschweigen

wie das S. 287 im Nachtrag zu S. 20 geschieht; oder für eine

schon im Bereschith rabba vorkommende Einzelheit den „Midrasch

Lekach töb" anzuführen (S. 67), während dieses Werk eigentlich

gar nicht mehr zur Midraschlitteratur gehört. Hingegen sei es

als Verdienst des Verfassers hervorgehoben , dass er an mehreren

interessanten Einzelfällen nachweist, wie die nichtjüdische Bearbeitung biblischen Sagenstoffes in spätere Werke der jüdischen Litteratur

eingedrungen ist; so für die Pirke R. Elieser (S. 124 f.), Zusätze

zum Midrasch Tanchuma (S. 233, 236), das Sefer Hajjaschar (S. 125 f

157). Er weist für das Gescbichtswerk Gedaija Ibn Jachja's

(Schalscbeleth Hakkabbala) die von demselben benützten nicht¬

jüdischen Quellen nach (S. 70, 75, 87, 131, 132). Arabischen

Einfluss zeigt er (S. 127 f) in der Erzählung von Abraham und

Nimrod, wie sie sich am Schlüsse des Buches -iDTO Ü3ia von Elija

Kohen aus Smyma (starb 1729) findet (wieder abgedmckt in Jel¬

linek's Beth Hammidrasch I, 25 ff.); doch widerlegt er die Be¬

hauptung Jellinek's, die Erzählung sei aus dem Arabischen über¬

setzt. Als seltsame Mischung jüdischer und arabischer Sage hatte

Grünbaum schon früher (Z. d. D. M. G. XXXI, 319) die Erzählung

von Salomo und Naama in dem kabbalistischen Werke "fim ^727

hervorgehoben, dessen Verfasser im 16. Jahi-hundert in Palästina

lebte. Er kommt auch hier wieder darauf zurück (S. 252, 277),

nachdem er auch in seiner Jüdisch-deutschen Chrestomathie die

Reproduction der genannten Erzählung im Jüdisch-deutschen Maase-

buche erwähnt hatte. Diesen Nachweis Grünbaum's benutzte Wünsche

in seinem Artikel: „Die Sage vom Ringe des Polykrates in der Welt¬

litteratur" (Beilage zur Allgem. Zeitung vom 5. und 7. August 1893).

Noch sei der Anhang des Buches erwähnt. Er handelt von

der biblischen Legende in der spanisch arabischen Litteratur der

Moriseos, nach sehr interessanten einleitenden Bemerkungen über

die jüdisch-deutsche und die jüdisch-spanische Litteratur. Seine

Quelle bilden das im Jahre 1603 in arabischer Schrift, aber in

spanischer Sprache geschriebene Buch Joseph Morgan's, ein Sagen¬

buch über Joseph und Alexander M., das Grünbaum schon in seinem

oben erwähnten Artikel im 44. Bande dieser Zeitschrift benutzt

hat, endlich die in den Jahren 1885—1888 in drei Bänden er-

.schienene Sammlung: Leyendas Moriscas.

1 3

(15)

Bacher, Grünbaum's Neue Beiträge zur semitischen Sagenlcunde. 137

Zmn Schlüsse mögen Berichtigungen und Bemerkungen zu

einzelnen Stellen des Grünbaum'schen Buches zusammengestellt

werden.

S. 3, Z. 7 V. u. Statt s^j^c 1. t^j^. — S. 6. .mart be¬

deutet zunächst Sage, Erzählung". Die Unhaltharkeit dieser Er¬

klärung des Ausdruckes Haggada, Agada habe ich in meinem Auf¬

satze : The Origin of the Word Haggada (Agada) in der Jewish

Quarterly Review, Bd. IV, S. 406—429 nachgewiesen. Grünbaum

selbst sagt weiter unten (S. 19), ,die eigentliche Bedeutung des

Wortes" sei „leichtes Gerede, anmuthige Plauderei", was ebenfalls

unhaltbar ist. — S. 11, Anm. 1, bemerkt G., die Uebersetzung des

Stückes aus Alcharisi über Jehuda Haleri, die Heine in den Noten

zum Romanzero bringt, finde sich auch in Sachs' Religiöser Poesie.

Aber dieses Buch erschien 1845 und es ist kein Zweifel, dass

Heine die in Prage stehende Uebersetzung (in Reimprosa) ihm ent¬

lehnt hat. — S. 23, Z. 10, „weil auf seinen Rath hin die Thora

in Israel verbreitet wurde". Das soll die Uebersetzung sein von

bNica n-nn ya-'n yyio . Jedoch ist yy-' für sich zu verstehen :

„er gab Rathschläge, war des Volkes Rathgeber; mm ya*'"!, er

verbreitete die Lehre" ist damit coordinirt. — S. 35, Z. 6. Es

hätte Erwähnung verdient , dass na; (im Sinne von tjjd) auch

als 27. der Zweiunddreissig Regeln des R. Elieser b. Jose Gelili

vorkommt. — S. 42, Z. 15 wird das arabische Sprichwort citirt:

„Derjenige, welcher von einer Schlange gebissen worden ist, fürchtet sich vor einem heissen Stricke". Dieses sonderbare Epitheton „heiss"

für den Strick beruht auf einem Lese- und Uebersetzungsfebler.

Das Sprichwort lautet nämlich: J»*^t y?- ^^^o ^

d. h. wen eine Schlange gebissen, der fürchtet sich vor dem

Zerren des Strickes; die hin und her zerrende Bewegung des

Strickes erinnert an die Bewegung der Schlange. §älilj b. 'Abd¬

al Kuddüs (s. Goldziher's Abhandlung über ihn S. 124) paraphrasirt

6 i - j »- <=

das Sprichwort so : J»*»- y»j <iy> »JC«->J ^-«J IJt^

Statt J^..^Ji j>- las G. J^x^t J> und übersetzt das mit

„heissem Strick". — Zu dem S. 48 citirten Sprichworte vom

Topfe der Genossen, der nicht zum Sieden kommt, s. meinen Artikel

„A talmudical proverb in Petronius", J. Qu. R. V, 167 f. — Zu

S. 80, Z. 17. Die agadische Erklärung, wonach unter ts^'bcrt. Gen.

14, 13 Og, der aus der Sintfluth Entronnene zu verstehen sei,

beruht zuvörderst auf dem Artikel n, mit dem auf eine bekannte

Person hingewiesen sein soll. — S. 121, Z. 6. Die Ueberschrift

der Prooemien zum Midrasch Eche ist als Plural zu lesen : Knrr'nE ,

daher nicht mit „Einleitung" zu übersetzen. — S. 132 fif. Statt

Loth ist Lot (uib) zu schreiben. — Zu S. 143, Z. 22. Die

(16)

arabische Form des Namens Isaak (oii^l) entspricht nur der S3rrischen ( .p>..or»Y )^ nicht auch der griechischen Form des Namens.

— Zu der Stelle aus Mas'üdi (I, 84), welche S. 145 f. besprochen

ist, gebe ich eine merkwürdige Parallelstelle aus des R. Chananel

von Kairuwän Pentateuchcommentar in meiner Abhandlung: Abra¬

ham Ibn Esra's Einleitung zu seinem Pentateuchcommentar (S. 38 f.).

— S. 166 citirt G. die Deutung zu Hohelied 1, 9 (■'POiob) aus

dem 27. Cap. der Aboth di R. Nathan und lässt „einen Cherub

ein weibliches Pferd reiten". Im Original heisst es aber: nWn:

nnpSD ny-iD 'Oiob a-iis-; also der Cherub selbst erschien den

Rossen Pharaos wie ein weibliches Pferd. — Zu S. 203, Z. 1.

n-nn b^ nm:nbu ist nicht „Kampf für die Thora", sondern — wie

Grünbaum selbst früher, Z. d. D. M. G. XXXI, 201, 309, übersetzt

hatte — „Kampf der Thora", eine Bezeichnung der debattirenden

und discutirenden Art des Gesetzesstudiunis. — Zu S. 247, Anm. 4.

VaiSiia bedeutet nicht „zunächst Freund", dann Brautführer, son¬

dern umgekehrt ist die Bedeutung Brautführer die ursprüngliche.

Budapest.

W. Bacher.

Nib an dha sangr alia a Commentary on the Sushruta-

sanhita by DaUana Mishra. Edited and published by

Pandit Jibananda Vidyäsägara. Third Edition. Caleutta,

Saraswati Press 1891. 1377 pp.

Aus Jibananda's Presse, der man wohl an zweihundert Sans¬

krittexte, darunter erste Ausgaben, verdankt, ist ein vollständiger

Commentar zu Susruta's medicinischem Lehrbuch hervorgegangen.

Der Band zählt 1377 Seiten — in der That etwas weniger, da

S. 922 für 922 bis 936 und S. 1252 für 1252 bis 1260 gelten

müssen — und wäre in Europa vor dem Jahre 1925 oder 1950

nicht gedruckt worden. Unsere Verwunderung würde aber wachsen,

wenn die Angabe des Umschlags — der Sanskrittitel hat sie nicht

— dritte Ausgabe ernsthaft zu nehmen ist. Das dortige gelehrte

oder besser hochgelehrte Publikum müsste eine grosse Vorliebe für

Medicinbücher haben, wenn es zwei Auflagen eines dickleibigen,

daher auch nicht wohlfeilen Commentars aufgekauft hätte.

Zwei Commentare zu Susruta sind auf uns gekommen. Der

eine vollständig erhaltene, wie die Ausgabe zeigt, rührt von eineni

Dallana Misra her, dessen Name verschiedene Formen und Ver

derbnisse annimmt und in der Ausgabe selbst in den Unterschriften

überall Dalvana geschrieben wird. Ein Ulläsa Miära, ein Ullana

und Unnata, die sich in verschiedenen Katalogen finden, vgl. Auf¬

recht's Cat. Cat., sind ohne Zweifel seine Doppelgänger. In der

Einleitung zum Nibandhasamgraha, die schwerlich vom Verfasser

(17)

Jtoth, Pandit Jibananda Vidyäsägara's Nibandhasangraka. 139

selbst herrührt, wird gesagt, dass ID a 11 a n a , Sohn des Bharatapftla,

zu einem brähmanischen Geschlecht gehörte , das unfern von Ma¬

thurä in einer Niederlassung von Aerzten , vaidyasthäna , ansässig

war. Dort pflanzte sich die Kunst von Vater auf Sohn fort.

Dallana soll zu seinem Buch die f^kä des Jaijhata, die Panjikäs

— fortlaufende Erklärungen — von Gayadäsa und Bbäskara und

die Tippanas — Supercommentare — von Mädhava, Brahmadeva u. a.

benützt haben. Es gab also eine Reihe älterer Auslegungen zu

Sucruta, von welchen bisher noch nichts aufgefunden ist.

Ein zweiter, wenigstens theilweise auf uns gekommener, Com¬

mentar ist abgefasst von einem fruchtbaren Medicinschriftsteller

Cakradatta, vollständig Cakrapänidatta, von welchem auch

eine T*^^ Caraka vorhanden ist. Er hat die fikä zu Suiruta

BhänumatI benannt. Wie viel von derselben noch erhalten ist,

lässt sich nicht sagen. Aufrecht's Katalog kennt sie gar nicht.

Das India Office besitzt aber das erste Buch in bengalischer Schrift

auf 223 Blättem, wovon ich mir vor Jahren eine Abschrift ge-

nommmen habe. An äusserem Umfang stehen, wenn man aus dem

ersten Buch sehliessen kann, die beiden Commentare einander ziem¬

lich nahe, die BhänumatI ist eher umfänglicher. Es sieht aus, als

ob Dallana den Cakra verdrängt hätte.

Ausserdem findet man eine fikä von Arunadatta genannt, die

möglicherweise eine Verwechselung mit dessen Erklärung zu Väg¬

bhata ist.

Diese Commentare sind nicht bloss ein treffliches Hilfsmittel

für das Verständniss der Texte und würden , wenn früher schon

zugänglich, fttr das Wörterbuch viele Mühe und manche Missgriffe

erspart haben, sondem sie dienen uns auch zur Kritik der heutigen

Texte, über welche sie zurückreichen.

Als Beispiel möge der Schluss des 16. Kapitels des ersten

Buches (Suär. 1, 60) dienen, der Abschnitt, welcher von künst¬

licher Herstellung einer abgeschnittenen Nase handelt.

Die Stelle hat unter europäischen Chirurgen einiges Aufsehen ge¬

macht, und man hat sich gewundert, dass dieses Verfahren schon

in hohem Alterthum in Indien geübt worden sei. Aus unseren

Commentaren erfahren wir, dass ihnen der Abschnitt bekannt ist,

aber schon von früheren Lehrern, wenn auch nicht von allen, als

unächt ausgeschieden wurde. Es wird danach von uns anzunehmen

sein , dass diese Vorschiiften nicht von dem wirklichen Verfasser

des Lehrbuchs herrühren, somit an Alter bedeutend einbüssen.

Zugleich ist wahrscheinlich, dass das Bedürfniss eines Ersatzes

für abgeschnittene Ohren, Nasen und Lippen nach dem Eindringen

moslemischer Pürsten in Indien, etwa vom 13. Jahrhundert an,

erheblich werde gestiegen sein , und dass in diese Zeiten die Er¬

gänzung fallen könnte.

Wir werden dadurch gemahnt, wie misslich es ist aus einzelnen

Stellen z. B. auf das Alter eines Buchs zu argumentiren, wenn

1 3 *

(18)

man nicht vollkommen sicher ist, dass der betreffende Abschnitt

zum ächten Bestand des Werkes gehört. In Texten von so losem

Gefüge, wie diese Medicinbücher, lassen sich Zusätze überall ohne

Mühe anbringen.

Die Stelle in Dallana p. 156, 10 ist, wie ich glaube, zu lesen

M||T<|1t<«1J^ad*<fTT (im Druck •INlf^'') Hfl-

f^t*ITlf1^ T 3li<em(i, das Sütra, das vom Ersatz

der Nase handelt, sagt Dallana, sei von älteren Lehrern zurück¬

gewiesen, von Jejjhata und Gayadäsa und anderen zwar zugelassen

aber als leicbt verständlich nicht ausgelegt worden. Weil von

jenen zugelassen, sei es auch von ihm angenommen und trotz seiner

Verständlichkeit zum besten junger Aerzte erläutert worden.

Ausser diesem werden von beiden Commentatoren weitere an

das 16. Kapitel angehängte Stücke, deren Text jedesmal mit den

Anfangsworten citirt wird, als unächt {andrsa) verworfen, Stücke,

welche der Herausgeber unseres Susruta in seinen Vorlagen nicht

mehr angetroffen zu haben scheint.

Die Ausgabe hat den Vorzug, dass sie die Wörter meist

richtig trennt, nicht sinnlos zusammenklebt oder zerschneidet, wie

in indischen Drucken zur Belästigung des Lesers so häufig ge¬

schieht, auch macht sie die ausgehobenen Textworte durch An¬

führungszeichen kenntlich, aber sie leidet leider an zahlreichen, oft

kaum begreiflichen Fehlem. So liest man auf S. 470, 14 ardd-

dindm prsfhatayä nirwgavidhdranddi , wo es heissen soll adod-

dindm prsthaydnam vega^, ebend. 18 klinnodakaprsthasamaväya

ivodriktändm prasavo bhavatiti, das ist Citat aus Susr. 1, 81, 6

und soll lauten kinvodakapistasamaväya ivodriktändm prasara i

bhavatiti; ebend. 20 präha gudavalir statt präpya gudavalir;'

471, 12 särdhapanca statt sdrdho yavah anderthalb Gersten¬

körner 472, 3; „tundikeii" vivitasyd, „nddi' nälikä statt tundi-

keri bimbi tasya nädi u. s. w.

Roth.

Charaka- Samhitd translated into English. Published

by Avinash Chandra Kaviratna etc. Caleutta, printed by

D. C. Dass & Co. — s. a.

In Caleutta wird seit 1891 eine Uebersetzung des Caraka in

Heften von 32 Seiten, angeblich zwölf im Jahr, veröffentlicht.

Davon sind mir bisher 7 Hefte zur Hand gekommen, welche bis

in die 19. Lektion des ersten Buches reichen, so dass nach Ver¬

hältniss das Werk in etwa 50 Heften vollendet sein könnte, falls

nicht erklärende Beigaben, auf welche zahlreiche Verweisungszahlen

im Text hinzeigen, dasselbe noch anschwellen. Der Uebersetzer

1 3 *

(19)

Roth, Avinash Chandra's Char alca-Samhitä. 141

ist Avinash Chandra, der sich nicht bloss als gelehrten Autor,

sondem auch als praktischen Arzt nach dem Hindusystem auf dem

Titel bezeichnet. Zahlreiche Lobsprüche von Empfängern des Probe¬

heftes, aus Ost und West, sind beigeheftet, aus vrelchen für den

wirklichen Werth der Arbeit nichts zu lernen ist. Diese Art der

Reklame scheint bei unseren indischen Kollegen in Aufnahme zu

kommen.

Wü- können für uns nichts besseres wünschen, als dass ein

Praktiker die Aufgabe übernimmt, weil er die Kenntnisse mitbringt

oder mitbringen könnte, die uns abgehen. Das übrige hinzuzuthun

wird Sache des europäischen Lesers sein. Zu bedauern ist, dass

der Uebersetzer des Englischen nicht hinreichend mächtig ist, sich

deshalb eines Gehilfen bedienen muss, der seiner Erklärung Worte

leiht. Von der Hand dieses Amanuensis scheinen auch die Noten

unter dem Text herzurühren, die mit T. unterzeichnet sind.

Die Einleitung ergeht sich im Lob Caraka's und indischer

Bildung überhaupt und erwartet, dass das „ hochphilosophische "

Werk wichtige Veränderungen in den modernen Systemen der Heil¬

kunde herbeiführen werde. Manche mit der Sache vertraute und

von den Vorui'theilen westlicher Kultur freie Personen seien der

Ansicht, dass viele Indien eigenthümliche Krankheiten wirksamer,

billiger und rascher kurirt werden durch Hilfe eines intelligenten

einheimischen Praktikus, der auf Caraka sich stütze, als nach dem

westlichen Heilsystem. Wünschen wir, dass diese HofFnung sich

zimächst an der Cholera erfülle.

Als Probe der Uebersetzung lasse ich hier einen leichtver¬

ständlichen, wenn auch schwerfälligen Satz aus Cap. 16 folgen. Es

handelt sich um eine Blutreinigungskur, wie man bei uns populär

sagen würde, an einem Pürsten oder sehr reichen Mann mittelst

gründlichen Purgirens und Vomirens. Zu diesem Behuf soll eine

besondere Baracke errichtet werden, welche den bevorzugten Patienten

sammt seiner Bedienung aufnimmt. Dieselbe wird beschrieben wie

folgt. Den Text stelle ich her nach zwei Handschriften und drei

Dmcken. Avinash's eigener Carakatext, in seiner bengalischen Aus¬

gabe, ist mir nicht zur Hand.

drdham nwätam pravdtaikadedam sukhapravicdram anupa-

tyakam dhümätapajalarajasdm agamantyam ani^tdndm ca iabda-

apariaruparasagandhdndrn sodMpdnodükJudamusalavarcaasÜidna-

andnabhümimahänasam sarvopalcaranasamuditani vdstuvidydkur

Salapraiastarn. gi-ham evarn tdvat pürvam upakalpayet. Die

Uebereetzung p. 168 lautet: In the first place a mansion must be

constmcted under the supervision of an engineer well-conversant

with the science of building mansions and houses. It should be

spacious and roomy. The element of strength should not be wanting

in it. Every part of it should not be exposed to strong winds

or breezes. One portion at least should be open to the currents

of wind. It should be such that one may move or walk thi-ough.

(20)

it with ease. It should not be exposed to smoke, or the Sun, or

dust, or injurious sound and touch and taste and form and scent.

It should be furnished with staircases (er liest sopdna) , with

pestles and mortars, privies, accomodation for belting, and cook-rooms.

Wir würden sagen: er lasse zunächst, nach Anweisung eines

Bauverständigen, ein Gebäude herstellen : fest, vor Wind geschützt, auf einer Seite dem Luftzug offen, leicht zugänglich, freistehend,

von Rauch, Hitze, Wasser und Staub wie von lästigen Geräuschen,

Berührungen, Gestalten, Geschmäcken und Gerüchen (formelhafte

Aufzählrmg der Sinneseindrücke) nicht leicht zu erreichen, versehen

mit Brunnen, Mörser und Keule (als Handmühle), Abtritt, Wasch¬

platz und Küche, und mit dem nötliigen -Geräthe ausgerüstet.

Man wird hieraus ersehen, vrie weitschweifig die Uebersetzung

ist, und dass sie unseren Ansprüchen an Genauigkeit nicht genügt :

anupatydka fehlt, ebenso sarvopakaranasamuditam, anderer Mängel

nicht zu gedenken. Gleichwohl kann es uns nur erwünscht sein,

wenn dieselbe weiter und zu Ende geführt wird, denn sie wird für

unser Verständniss ein wesentliches Hilfsmittel werden. Ein euro¬

päischer Gelehrter wird sich ohne einen solchen Vorgänger kaum

zu einer Uebersetzung entschliessen, auch wenn ein zuverlässigerer

Text vorläge. Avinash kündigt eine Ausgabe des Caraka an, nebst

dem Commentar des Cakradatta — published in Devanägara character,

und es scheint ein Anfang damit gemacht zu sein. Dazu das

Material zusammenzubringen dürfte ihm nicht schwer fallen, und

vrir wünschen ihm den besten Erfolg. Allerdings wird auch das

für eine sichere Herstellung des Textes noch nicht ganz genügen.

Roth.

Jackson, A. V. Williams, An Avesta Orammar in Com¬

parison with Sanscrit Part 1. Phonology, Inflection,

Word- Formation with an Introduction on the Avesta.

Stuttgart, W. Kohlhammer. 1892. XLVIII und 273 S. ').

Ueber den Inhalt des Buches giebt schon der Titel Auskunft.

Der recht gut orientireuden Einleitung — [S. XI — XXXIII: The

Avesta as a saered book ; allusions to the Avesta , its discovery

and history of research ; contents, arrangement, extent, and character ;

religion of the Avesta; the Pahlavi version of the Avesta; manu¬

scripts, importance of the Avesta; language of the Avesta, gram¬

matical summary] — folgt eine Lautlehre (S. 1—61), Flexionslehre

(S. 62—206) und Nominalbildungslehre (S. 207—247). Den Rest

1) Ich hemerke, dass ich von nun an das Arische Uberall nach der fUr den Grundriss der iran. Philol. angenommenen Methode transscribiren werde.

So auch unten t und s' sind Nothbehelfe.

(21)

Bartholomae, Jackeon'e Avesta Grammar. 143

des Buches füllen Indices. Ein zweiter Theil, der die Syntax

bringen soll, ist in Aussicht gestellt.

Jackson's Grammar ist von Horn, LZ. 1892, S. 1798 f

und von Caland, GGA. 1893, S. 596f in sehr günstigem Sinne

angezeigt worden. Ich verzichte auf eine Präcisirung meines Ur¬

theils. Da aber auf Anlass jener Besprechungen , wegen des

billigen Preises und aus anderen Gründen das Buch voraussichtlich viel gekauft und benutzt werden wird, halte ich es für angebracht,

eine Reihe von Einwendungen , die ich gegen Jackson's Buch

zu erheben habe, zu veröffentlichen, damit nicht etwa Anschauungen

und Aufstellungen, die ich wenigstens für irrthümliche halte, sich

das Bürgerrecht in der Sprachwissenschaft erwerben, bloss deshalb,

weil sie keinen Widerspruch erfahren haben.

§ 16 f wird die Thatsache besprochen, dass bezüglich der

Vocalquantität „the Avesta and the Sanskrit do not always

coincide with each other", wobei als Gründe „ shifting of accent",

„ deficiencies or inaccuracy in Avesta writing" und „ dialectic

peculiarities" angeführt werden. Die ganze DarsteUung ist sehr

geeignet , die irrthümliche Meinung zu erwecken , es sei auf die

Quantitätsbezeichnung im Avesta überhaupt kein rechter Verlass.

Das trifft aber jedenfalls nieht zu für a und ä. Zu h ä m 5 neben

hämo s. BB. XVII, 114; zum Präfix a neben ä s. AP. II, 169;

Brugmann, Grdr. II, 598 N.; zu äkasat und hutäStem s.

jetzt IP. III, 53; ferner Geiger, Etym. d. My. 50; zu kat ärö,

yatär 5 s. Phlv. katär; zu &rä,yö, das § 60 unter Verweis

auf § 18 angeführt wird, s. bal. sai und Geiger, Etym. des

Bal. 15; zu ana-, das § 507 mit ai. äna-, wieder unter Verweis

auf § 18, gleichgestellt wird, s. Whitney, Grammar^ § 1150. 2;

BB. XV, 187. Ein ayar» „days" (NPI.) existirt meines Wissens nicht.

§ 19. Die Passung ist nicht ganz correct. Nur der lange

Vocal offener vorletzter Silben wird beim Antritt von Enclitiken

u. s. w. durch den kurzen ersetzt; Genaueres a. and. 0.

§ 25. Zur Regel , Polysyllables in YAv. shorten . . all final

vowels except 5" dient als letztes Beispiel dva ar3zu=ai. dvä

j j d. Das Beispiel ist meinem Handbuch § 38 entnommen , al)cr

ohne die erläuternde Note, ohne welche es unverständlich bleibt;

s. § 68 b.

§ 26. Es war angebracht bezüglich der ausl. Langvocale des

Gd. auf AP. II, 135 zu verweisen. Werden sie doch noch immer

als unveränderte Portsetzer von idg. Langvocalen angesehen, z. B.

BB. XV, 296 1

§ 32, 33. Die Begeln über das Auftreten von 3 sind doch

zu unbestimmt gehalten. Wegen gAw. yä geg. jAw. yö s. g 120;

wegen haensbyS s. § 247.

§ 39: ravöhu gehört doch nicht zu einem an-Stamm; vgl. g 342.

§ 42 (s. auch g 54 N., 254, 265). „Aw. ö (final) sometimes

answers to Skt. äu". Das muss zusammen mit den gegebenen

(22)

Beispielen irreführen. Ai. -äu ist auch Aw. - au; s. BB. IX, 133ff. ;

KZ. XXIX, 570; IP. I, 191 und V; ZDMG. XLVI, 300, 304. In

§ 54 heisst es zwar ganz richtig: „skt. ö (aus au) is represented ...by 5, only when final, but there regularly", ich vermisse aber Beispiele dafür.

§ 44. Die Regel über das Verhältniss von ä zu ä war all¬

gemeiner zu fassen ; Aw. ä entspricht ai. ä vor Nasal + Tenuis ;

vgl. jAw. f&iakavö; hai^-ränSö (Nir.) = ai. satränfias; jAw.

n y ä n 6 i m und ai. n y ä h ö a m differiren in der Quantität.

§ 45. Die Regel für % vor m oder n ist auch nicht scharf

genug gefasst. Aw. vertritt ar. ä vor m, n 1) in ofi'ener inl.,

2) in auslaut. Silbe. Wegen h^m geg. ai. säm s. § 763, 3 und

mein Handbuch S. 242; jAw. ay%n ,they may go" ist nicht gleich

ai. ayan, sondem geht auf "änCt wie bar^n, s. § 619, 3. Zur

Note 3 s. BB. XHI, 64, IP. I, 494.

§ 51. Zu n^my^suS s. Caland, GGA. 1893, 398.

§ 55. Av. ae steht ai. e doch auch im Auslaut gegenüber,,

und zwar in Einsilbera: jAw. bae = ai. dve; -e in Einsilbern

beruht vielfach auf Enklise : tg, hg u. s. w.

§ 56. Hauptstelle des öi = ar. ai sind doch entschieden

die geschlossenen Silben ; cf gAw. vaedä — vöistä, jAw. d a em a

— d5i«9rem, äxStae^a — äfritöit u. s. w.; s. Handbuch § 25,

IF. I, 490, N. 2.

§ 60. Als ,Guna"- und „Vrddhi "-Vocale werden nicht

nur die äi, äu in jAw. saete, vaiahSuS, vafahäu = ai. S'gte,

väsös, väsäu bezeichnet, sondem auch die in upaeta-, fraoxtö,

upäiti u.s.w. Dann war es jedenfaUs consequent, auch das ä

von paräzenti (in § 51) als „Vrddhi"-Vocal zu nehmen. Das

ganze mit „Vowel- Strengthening" überschriebene Capitel würde

ganz wesentlich gewonnen haben, wenn Jackson, statt mit dem

„Guna" zu operiren, den heutigen Anschauungen Rechnung ge¬

tragen hätte. In § 509 heisst es zm* zweiten Präsensclasse: „the

strong (guna) forms .. are ..; the remaining forms are weak".

Aber mit der gu^ a-Theorie lässt sich doch das Verhältniss von

ai. ästi zu sänti, von väs^i zu uS'änti nicht erklären; da

müssen auch noch löpa und samprasarana heran; s. Panini

6. 4. III, 6. 1. 16. Das Buch ist ja ausdrückUch auch für „the

general philologist' bestimmt.

§ 63, No. 3. Zur Etymologie von jAw. madama- s. ZDMG.

XLVI, 305.

§ 64, No. Die Erklärung von raeS (beachte S!) aus ar.

»rajas ist falsch; s. IP. I, 490, No. 2.

§ 72. Das i in gAw. y e z i v I für ein anaptyktisches zu nehmen,

halte ich für unrichtig; s. BB. XV, 9, XVII, 340.

§ 73. Der Satz „the Aw. palatal series is incomplete — the

Aw. possesses only 6 and j" ist als „ general remark" sehr dazu

(23)

Bartholomae, Jackson's Avesta Grammar. 145

angethan, irre zu leiten. In der That erscheinen doch da, wo neben

pb: f w auftreten, neben 6 j: ii; s. § 162, 176 f; vgl. dazu

Geiger, SBAW. 1889, I, 83. Das § in haSidavahe u. ähnl.

(Studien II, 54 f) wird nirgends erklärt.

§ 77—79 zu X f. Ich halte J.'s Darstellung weder für

übersichtlich noch für streng richtig. Aw. pt bleibt nicht un¬

verändert, sondem im Aw. wird älteres (urir.) ft in pt verwandelt,

daher Aw. hapta geg. np. haft. Es wird doch Niemandem in

den Sinn kommen zu sagen, im BalutSi „bleibt ar. pr unverändert",

weil es präh geg. ai. prät'as bietet. Vgl. Handbuch 43, N. —

§ 78 heisst es : „The change of k t p to x ti?- f before consonants

. . does not take place when a sibilant or a written nasal (not q.)

immediately precedes". Nach meiner Meinung wird die arische

Gmppe : Vocal + Nasal + Tenuis -|- Consonant regelrecht durch iran.

Nasalvocal + Spirans + Consonant vertreten. Zum Beispiel z a n t v ö

neben haozq,ij^wa- verweist Jackson selber auf § 94, wo gesagt

ist: tv . . . remains unchanged . . . when v preserves its vocalic

(besser: sonan tic) character u". S. übrigens meine Vorgeschichte (im Grundr. d. ir. Philol.) § 8 >).

§ 94 (s. auch § 203). Wenn im Aw. tüm statt *t v e m (gAw.

tv3m) geschrieben wird , so sollte man doch dafür nicht den

Ausdrack „samprasarana" brauchen; mindestens müsste § 63

angezogen werden.

g 96. Nicht ganz richtig. In abifrä (BB. XV, 261) hat auch

der Gd. b- an SteUe von dv-. S. meine Vorgesch. § 88. — Die

Gleichung Aw. dv^saiti = ai. d'v^sati ist ein böser Pehler;

ai. d'v" wäre ja jAw. *dvai3h'!

g 101. „Aw. patatafahum (so!) from *p a (3 ktasva" bleibt

ohne Verweis auf KZ. XXIX, 501 unverständlich.

§ 107 ff. Das ganze Capitel über die arischen und iranischen

Zischlaute hätte meines Erachtens anders gefasst werden müssen.

J. geht einmal von den awest. Lauten aus , dann wieder von den

ar. („older") und wieder einmal von den indog. („original"). Das

muss verwirren. Würde der Verf. zunächst gezeigt haben , was

aus den betr. idg. Lauten im Arischen wurde , um dann die ar.

Laute ins Awest. hinein zu verfolgen, so wäre die Darstellung über¬

sichtlicher , kürzer und richtiger geworden , und es hätte , was zu¬

sammengehört , auch zusammen behandelt werden können. So be¬

kommen wir das einfache Factum, dass ar. St(=ai. st) im Aw.

1) Kich'tig ist der erste Tlieil von Jackson's Kegel. „Die Gruppe Zischlaut und Spirans ist nicht iranisch"; s. BB. X, 290, N. a i wy äk hs th r ä i bei Justi ist purer Druckfehler, worauf schon KZ. XXIV, 342 hingewiesen wurde. Ich bemerke das wegen BB. XVIII, 206, wo das Wort von Collitz mit peinlichster Sorgfalt in aiwyäljsjjra umgesetzt wurde. [Zu den Grund¬

formen der Wörter für 'Name', über deren Ansatz in BB. XVII, 132 Collitz a. O. 239 so sehr iu Aufregung gerathen ist, s. jetzt Stokes (bei Fick, Wtb. 11^ 33). Corr.-Note.]

Bd. XLVIII. 10

(24)

unverändert geblieben ist, an nicht vreniger als drei verschiedenen

Stellen zu hören: § 155 muHi-, § 159 vaSti, § 166

yaStar-. Wäre miSti- und taSta- (= ai. tasta- zu täk¬

sati) berücksichtigt, so würden wir es noch in zwei weiteren §§

erfahren.

§ 109. söindayeiti (woneben auch stand") wird mit

s ken dem verbunden. Das ist ricbtig. Aber eben darum ist es

falsch lat. s c i n d e r e zum Vergleich heranzuziehen ; s. Studien II, 4.

§ 114. ,01d as - = Av. ah-, generally before u, ü and their

strengthenings". Der letzte Theil der Regel ist falsch, wie vaiaheuS,

vai3häu beweisen; s. § 117 und Handbuch g 152f.

§ 128. Das gh in mShmaidl soll ar. -ans- entsprechen.

Richtiger wird S. 183 N. geurtbeilt'); s. BB. XIII, 66.

§ 138. Pür ar. sr- = Aw. r- giebt es ganz sichere Pälle;

vgl. AP n, 179; BB. XV, 244; Studien II, 101; Geldner, KZ.

XXX, 515; femer meine Vorgesch. § 83, 3.

g 146—149, 159—160. Das S in aSkar» g 639 und saSken

g 607 wird von keinem dieser gg erklärt; s. AP. II, 5 Iff. Zu Aw.

vlspaiti§ = ai. viSpätis war BB. XIH, 54 (IP. III , 106 N.)

zu berücksichtigen.

§ 152. sm für urir. zm ist nur jungaw., vgl. gAw. urvaz^ma:

jAw. urväsmana. Anderseits aber halte ich dafür, dass jAw.

-zem- immer ar. * a m vertritt und nicht - z » m - geschrieben

werden sollte; vgl. z. B. g 318. Die Metrik entscheidet nicht gegen

die Lautlehre. Vgl. huSkö.zaman^im geg. xrüidismanq,m

aus urir. "zam*, bzw. "zm*. Nur zemä macht Schwierigkeit.

g 155, No. 1. Die Regel, dass idg. sr nach i, u im Aw. wie

im Aind. durch s r , nicht S r vertreten werde, halte ich für falsch, s. IP. I, 490 ff.

g 156. ,Aw. from orig. -s, appears similarly .. when final

after i -, u - vowels and their strengthenings , also after I) and r ".

Das Beispiel für den letzten Pall: parö.dar»^ passt nicht, s. g 158;

es war n a r S GSg. oder j a m y ä r » S 3. PI. zu nehmen ; ferner fehlt

äf§. J. führt alle Beispiele ohne die ai. Aequivalente an, was

sonst nicht geschieht; er scheint also der bekannten Streitfrage

(Studien II, v) geflissentlich aus dem Wege gegangen zu sein: was

gerade in Hinblick auf den Schluss des Böhtlingk'schen Auf¬

satzes, SKSGW. 1890, 82 bedauerlich ist. Das Normale ist doch,

dass ein Laut am Wortende sich nicht anders entwickelt als im

Wortinnern. Wegen des „Indeclinabile" ai. sajüs (Studien I, 21,

39) sei noch auf Aw. zui Yt. 5. 7 — so mit fast allen Hdss. —

verwie.sen, d. i. Nom. Sg. „die ge&llige" ; vgl. ASg. frazulam

ad'kam Yt. 5, 126 und API. atkasta frazuSö Nir. 92; dazu

noch zu§a ZPGl.

1) Vgl. auch zu §§ 257, 275, 354, 455, 527, 602, 754, 761, 767, 834, 846.

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