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Zur Transskription der indoiranischen Zischlaute.
Von Chr. Bartholomae.
Die Zahl der ungereimten Behauptungen, welche durch die ver¬
schwommene Transskription der indischen und iranischen Zischlaute
veranlasst wurden, hat sich erst neuerlich wieder um ein Paar ver¬
mehrt. In Kuhn's Zeitschrift XXVIII, S. 173 lesen wir: „Ich scheide so 1. WZ. kie V , skr. cyu .. . uud (2.) wz. sk e v .. ., skr. ^cyu ...
Ob auch die erste Wurzel einst mit s anlautete , ist nicht sicher,
abaktr. skyaothna = skr. cyautna fordert es nicht unbedingt,
da ... die eine Wurzel die andere sinnverwandte beeinflussen konnte.'
Der Schreiber zerlegt also das Justi'sche sk in skyaothna offen¬
bar in s (= skr. s) + k. In der That aber ist jenes sk nur eine
auf Missverständniss beruhende Wiedergabe eines einzigen Zeichens,
welches einen s-Laut darstellt, der vor y (i) auftritt und in unserm
Fall genau das altind. c wiedergibt. — — Ebenda lesen wir auf
S. 233: „Der Genetiv (des Dual) muss auf -aus angesetzt werden
wegen asl. rabu... Der Gen. des altbaktr. -äo, -äo9c a kann nur
aus *aos rait Anlehnung an deu Nora. *ä, *äo erklärt werden."
Wenn ich den Inhalt dieser Zeilen richtig verstehe '), so denkt
sich ihr Verfasser die Entstehung vou tayäo in folgender Weise:
Dem altind. tayos entspricht ira Avest. zunächst tay aos. Nun
wurde der Diphthong ao in Anlehnung an den Ausgang des Nom.
täo*) in ä 0 umgewandelt. Die Folge war , dass das auslautende
s schwinden musste, wie z. B. av. v i s p ä 0 gegenüber ai. v i 9 v ä s
beweist. Wie aber neben vicväs vi9vä9ca steht, so auch neben
tayäo tayä09ca. — Offenbar hat sich der Verfasser verleiten
lassen , das Just i'sche s = ai. und 9 = ai. II zu setzen ; daher
die Gleichung täyo9ca = av. tayäo9ca. Es wäre aber doch zu
bedenken gewesen, dass das altindische tayos uud t ä y 0 9 c a (nacb
1) Sollte ich mich hierin irren, so hitte ich den Verf. . die Schuld daran jedenfalls nicht mir allein beizumessen.
2) Der iibrijiens reclit unsicher ist lud ausl. Su ist auch av. fiu, cf Verf, Bezzeiiberger's Beitrüge IX. S Üin Ii"
Bartholomae, Zur Transskription der indoiranisehen Zischlaute. IQI
W h i t n e y'scher Umschreibung) nur die durch den Sandhi ver¬
anlassten specifisch indischen Umwandlungen eines arischen *täjauS
sind ! Ein arisches S aber wird im Avestischen weder abgeworfen
noch irgendwie umgestaltet. Das ind. tayos, täyocca könnte —
jene recht unwahrscheinliche Umbildung des Diphthongen zuge¬
geben — im Avesta nur in der Gestalt *t a y ä o s (* t a i fi s), '''t a y ä o s c a C' t a i ä S k a) erscheinen.
Sollte es nicht an der Zeit sein, die Schreibung kavis, kaves,
sünüs, sünös, gäüs, bhrätus, dadhiis etc., eudlich einmal
aufzugeben? Entweder man schreibe die Pausa-Form, oder die ety¬
mologische. Warum nuu gerade die nur vor t — uud selbst da
nicht einmal regelmässig (cf. Whituey, ind. Gramm., § 188 b) —
auftretende Sandhi-Form? Konsequenter Weise müsste man dann
auch Formen wie devans, pitgüs, giriüs, mahans und dgl.
ins Paradigma setzen. Man wende nicht ein , es sei gleichgültig,
ob man sünüs, sünüh oder sünüs schreibt. Für sünüij mag
das noch hingehen. Wenn man aber auch p i t ü s „des Vaters",
vidüs „sie wissen" schreibt , so geht man hinsichtlich ihres Aus¬
lautswerths von einer Voraussetzung aus, die nach Ausweis der ver¬
wandten Sprachen grundfalsch ist. Wer den Ablativ in der Form
de Väd, den Akkusativ in der Form täd gibt, nmss folgerichtig
im Nominativ d e V ä s , kavös, sünüs, im Genetiv pitür schreiben.
Wer aber devät, tät vorzieht, der hat auch deväh, kavih,
sünüh, pitüh anzusetzen. Entweder überall die Form des ab¬
soluten Auslauts, oder überall die etymologische.
Ich selbst schreibe schon seit einem Quinquennium nach diesem
Grundsatz, und zwar die etymologisch richtige Form, also kavi.s,
pitür. So viel ich aber sehe , hat sich mir bisher nur Brug¬
mann in seiner griechischen Grammatik angeschlossen.
Münster, Westfalen, Sommer 1886.
Bd. XL. 47
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Eine Miscelle aus dem Vedaritual.
Von Alfred Hillebrandt.
Der achte Vers des bekannten Todtenhedes RV. 10, 18 bietet
kritischer Exegese mehr Schwierigkeiten als es den Anschein hat.
Derselbe lautet :
McZ Irsva näry abhi jivalokam,
gatäsum etam upa (}ese; ehi \
hastagrübhasya didhisos tavedam
patyur janitvam abhi sarn babhidha ||
Selbst Grassmann, welcher rasch geneigt ist Verse, deren In¬
halt nicht ganz dem Zusammenhange der Hymne entspricbt, zu
beanstanden , hat an diesem keinen Anstoss genommen und ihn
fast gleichlautend mit Roth ') iu folgender Weise übersetzt :
„Erhebe dich, o Weib, zur Welt des Lebens;
du liegst vor dem^), dess Hauch entflohn ist, komm nun;
der deine Hand einst fasste und dich freite,
des Gatten Ehe hast du nun vollendet ^Y.
Dagegen ist einzuwenden , dass upat}ese nicht heisst : liegen
vor, noch sitzen bei. Seine geläufige Bedeutung ist: liegen
bei, besonders in geschlechtlichem Sinne. Ferner ist falsch die
Uebersetzung von abhi sam babhätha , welches nicht bedeutet :
vollendefii, sondern, wie das PW. richtig angiebt: etwas erreichen,
in den Besitz von etioas gelangen, eingehen in, theilhaft werden.
Daher etwas angemessener Ludwig: „Erheb dich, o Prau, zur
Welt der Lebenden ; leblos ist der, bei dem du hingestreckt liegst ■*);
dir ward bestimmt die Ehe mit diesem deinem Gatten, der dich
bei der Hand gefasst und um dich gefreit hat".
Richtig ist auch das noch nicht; aber es muss hei-vorgehobeu
werden, dass Ludwig's scharfem Auge die Schwierigkeiten dieses
ll Siebzig Lieder p. löl.
2) Rotb : „bei dem du sitzest".
'A) Roth: „mit ibm ist deine Ehe nun voUendet".
4) ehi, welclies für den Zusammenhang sehr wesentlich ist, bleibt un¬
übersetzt.