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Archiv "Wann kann ein Gen patentiert werden?" (03.11.2000)

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as Wettrennen um die Gene ist in vollem Gange. Wer sich rechtzei- tig die Rechte auf eine Sequenz

„sichert“, wird in der Zukunft eventuell einen Schatz ungeahnter Größe besit- zen, nämlich wenn sich herausstellt, wel- che komplexen Funktionen dieses Gen hat. Dies kann weit mehr sein, als ein Forscher, der ein Patent anmeldet, ur- sprünglich gefunden hat. Doch können menschliche Gene, Tiere oder Pflanzen Erfindungen eines Menschen sein?

Kann ein Mensch die Rechte auf einen Bestandteil des menschlichen Körpers für sich beanspruchen? Soll man Leben überhaupt patentieren dürfen?

Die Antworten auf diese ethischen Fragen gehen weit auseinander. Nein, sagt der Deutsche Ärztetag. Er stellte im Mai klar: „Die Patentierung des menschlichen Genoms und des mensch- lichen Körpers ist mit der Würde des Menschen unvereinbar.“ Er forderte deshalb die Europäische Union auf, die Patentierbarkeit von Genen in ihrer Richtlinie auszusetzen.

Ja, hieße die Antwort des Bundestages, falls er das Biopatentgesetz dem- nächst so verabschiedet, wie es als Gesetzentwurf vorliegt. Das Kabinett hat den Entwurf, der die EU- Patentrichtlinie von 1998 umsetzt, am 18. Oktober einstimmig verabschie- det. Darin wird die EU- Richtlinie konkretisiert und etwas enger gefasst.

Es wird klargestellt, dass Forschungen, die nach dem Embryonenschutz-

gesetz nicht zulässig sind, auch nicht Ge- genstand von Patenten sein können. Zu- dem müssen bei der Anmeldung eines Genpatents Funktion und gewerbliche Anwendbarkeit der Gensequenz be- schrieben werden.

Das Gesetz, das eigentlich Rechtssi- cherheit schaffen soll, lässt jedoch Spielräume. Zwar heißt es im deut- schen Entwurf: „Der menschliche Kör- per in den einzelnen Phasen seiner Ent- stehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Be- standteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keinepatentierbaren Erfindungen sein.“

Doch gleich der nächste Abschnitt eröffnet Patentanmeldern große Freiräume: „Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilse- quenz eines Gens, kanneine patentier- bare Erfindung sein, selbst wenn der

Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist.“

Kompromiss im Kabinett

Dass Deutschland die Patentierung von Genen gänzlich verbietet, war nicht zu erwarten. Denn damit wäre die EU-Pa- tentrichtlinie, die Deutschland auf eu- ropäischer Ebene mit verabschiedet hat, nicht umgesetzt. Deshalb einigten sich Bundesjustiz-, Bundesforschungs- und Bundesgesundheitsministerium auf einen Kompromiss: Der Gesetzent- wurf wurde einstimmig verabschiedet, die Bundesregierung soll sich auf eu- ropäischer Ebene jedoch dafür einset- zen, dass die Richtlinie überarbeitet wird. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) hatte sich im Vorfeld konsequent gegen eine Paten- tierung von DNA-Sequenzen ausgespro- chen, hat aber nach Debatten mit dem Bundesjustizministerium ebenfalls für den Gesetz- entwurf gestimmt.

Dass das Kabinett den umstrittenen Entwurf ei- nerseits verabschiedet hat, andererseits jedoch eine Überarbeitung der Richt- linie fordert, ist für die agrar- und verbraucher- politische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Ulrike Höfken, kein Widerspruch: „Die nationale Umsetzung der EU-Patentrichtlinie ist unumgänglich. Anson- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000 AA2895

Genpatente

Spagat zwischen Ethik und „Monetik“

Die Verabschiedung des Biopatentgesetzes im Bundestag steht bevor. Damit würde die EU-Patentrichtlinie von 1998 umgesetzt. Genpatentierungen wären dann grund- sätzlich zulässig. Doch dagegen regt sich Widerstand.

Wann kann ein Gen patentiert werden?

Entscheidend dafür, ob ein Gen oder eine Gensequenz patentiert werden kann, ist das Vorhandensein einer „technischen Lehre“. Es genügt nicht, eine Gensequenz aufzufinden und ihre biologische Funktion anzugeben. Dies wäre eine bloße Entdeckung und nicht pa- tentierbar (Deutsches Ärzteblatt 24/1993).

Patentierbar sind hingegen Erfindungen. Der Patentanmelder muss dabei beschreiben, wie Wissen technisch angewendet werden kann. Dann existiert die technische Lehre. „Bei der Patentierung geht es um eine Vermehrung des Könnens und nicht des Wissens“, erläu- tert Dr. Rainer Ipfelkofer, Patentprüfer am Deutschen Patentamt. Ein Patent würde vergeben, wenn ein Forscher ein Gen isoliert, das ver- schlüsselte Enzym entdeckt und dieses beliebig oft herstellen kann.

Zugleich müsse er den Verwendungszweck angeben können, beispiels- weise die Herstellung eines neuen Medikamentes, erklärt Ipfelkofer.

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sten gelten ab Juni dieses Jahres die Re- gelungen der Richtlinie unmittelbar und unverändert.“

Somit wäre der deutsche Entwurf ein Trost, wenn auch nur ein kleiner: Er konkretisiert die europäische Richtli- nie. „Das Gesetz schafft Klarheit, was unter welchen Voraussetzungen auf dem Gebiet der Biotechnologie paten- tiert werden kann und was nicht“, lobte Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, aus deren Hause der Gesetzentwurf stammt. Auch künftig gebe es weder Patente auf Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebe- wesen noch für die Verwendung von Embryonen zu industriellen und kom- merziellen Zwecken. Auch die Sequen- zierung von Genen oder Gen-Abschnit- ten durch standardisierte Verfahren werde nicht patentiert.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt den Gesetzentwurf. Er schaffe eine verlässliche rechtliche Grundlage für die Entwicklung der wohl bedeu- tendsten Schlüsseltechnologie des 21.

Jahrhunderts. Dies nütze der Grundla- genforschung ebenso wie der Wettbe- werbsfähigkeit Deutschlands weltweit.

Nicht zufrieden sind dagegen die Grünen. Sie bauen darauf, dass im par- lamentarischen Verfahren noch Ände- rungen eingebaut werden. „Wir werden Konkretisierungen und Verbesserun- gen bezüglich des Umfangs des Stoffpa- tents und einer unmissverständlichen Berücksichtigung des Embryonen- schutzes einbringen“, sagte Höfken.

Demnächst wird es Anhörungen im Rechts-, Gesundheits- und Agraraus- schuss des Bundestages geben. Dort wolle man klären, ob auf Gene Stoffpa- tente erteilt werden dürfen oder ob nur gentechnische Verfahren ein Verfah- renspatent erhalten können.

Auch in der SPD gibt es Widerstand gegen den Gesetzentwurf. Für Dr. med.

Wolfgang Wodarg erniedrigen Patente auf Gene, Zellen und Organe das Le- ben zu kommerziellem Material (siehe Wodargs Artikel in DÄ 28–29/2000).

Im Internet startete er bereits eine Pro- testaktion gegen die geplante Umset- zung der EU-Richtlinie in Deutschland.

Dies sollte eigentlich bereits bis zum Juli dieses Jahres geschehen. Einige Staaten haben sie termingerecht in na- tionales Recht überführt. Andere wei-

gern sich: Die Niederlande haben eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof erhoben, Italien hat sich der Klage angeschlossen. Beide Staaten halten die Patentierung von Lebewesen für unvertretbar. Auch Frankreich und Österreich haben ernste Zweifel an der Zulässigkeit der EU-Richtlinie ange- meldet.

„Endlich eine Rechtsgrundlage“

Im Deutschen Patent- und Markenamt München wartet man indes schon auf das deutsche Gesetz: „Endlich wird das Patentrecht konkretisiert, und wir er- halten eine Rechtsgrundlage“, sagte Hans-Christian Metternich, Leiter der Rechtsabteilung des Deutschen Patent-

amts. Bisher sind nur Patente verboten, die gegen die „guten Sitten“ verstoßen.

Dies betrifft beispielsweise das Klonen von Menschen oder Keimbahninter- ventionen. Schon seit Ende der Sechzi- gerjahre verfahre man so, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, erläuterte Metternich. Die Patenterteilung werde jedoch erleichtert, da man nun etwas

„Konkretes“ in der Hand habe.

Dies scheint für die Patentprüfer nötig zu sein, denn die Zahl der Patent- anmeldungen im biotechnologischen Bereich steigt exponentiell an. „Wir können derzeit nur das Dringendste machen“, sagt Dr. Rainer Ipfelkofer, Patentprüfer und Leiter der Abteilung Biotechnologische Erfindungen, Le- bensmittel und Anorganische Chemie des Deutschen Patentamts. „Für Erst- bescheide, die eigentlich nach acht Mo-

naten erteilt werden müssten, benöti- gen wir derzeit zwölf Monate.“

Auch vonseiten der Wirtschaft kommt Druck. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind in der Gentechnik besonders hoch und risi- koreich und benötigen Rechtsschutz, um rentabel zu sein, heißt es. Der Ver- band Forschender Arzneimittelherstel- ler (VFA) nennt die vom Kabinett be- schlossene Umsetzung der Biopatent- richtlinie deshalb einen „längst überfäl- ligen Schritt“. Sie schaffe den nötigen Investitionsschutz für die Entwicklung gentechnischer Arzneimittel. „Insbe- sondere die jungen Biotech-Startups brauchen langfristig verlässliche Rah- menbedingungen, damit sie am Stand- ort Deutschland investieren kön- nen“, meint Cornelia Yzer, Hauptge- schäftsführerin des VFA. Die Bundes- regierung fördere zwar die Grundlagenlagenfor- schung in der Biotech- nologie, aber sie müsse diese auch schützen. Tat- sächlich hat das Bun- desforschungsministerium dieser Tage zwölf weitere Projekte in die Förder- maßnahme BioChance aufgenommen. Die jun- gen Biotech-Firmen wer- den mit 26,5 Millionen DM gefördert. Im Januar hatte der Fachgutachter- kreis bereits 14 Projek- te befürwortet. Insgesamt sind für BioChance 100 Millionen DM einge- plant.

Der Deutsche Bundestag hat nun die Aufgabe, zwischen Wirtschaftsinteres- sen und ethischen Einwänden eine Brücke zu bauen. Entscheidungshilfen soll die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ liefern.

Sie will in ihrer Sitzung am 6. November für die Abgeordneten ein Konzept mit Änderungsvorschlägen und Forderun- gen ausarbeiten. Den Politikern soll da- mit die Möglichkeit gegeben werden, die Freiräume, die bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht be- stehen, voll auszuschöpfen. Kommt das Gesetz (eventuell mit Änderungen und Ergänzungen) durch den Bundestag, wird es voraussichtlich Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

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A2896 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000

Gentechnologie – Gewinnung sauberer DNA Foto: Bilderberg/Ginter

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