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Archiv "Die Grünen üben sich in der Taktik der „sozialen Verteidigung"" (26.11.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

TAGUNGSBERICHT

Die Vierte Bundesdelegiertenkon- ferenz der Grünen in Offenbach wirkte zwar nicht derart chaotisch wie ihre Vorgängerinnen. Für eine Bewegung, die sich als „Aktions- partei" versteht, muß eine solche Feststellung jedoch ambivalenten Charakter haben: Muß sie doch befürchten, durch jeden Verlust an Spontaneität und Individualität, wie sie sich bisher geradezu ex- zessiv äußerten, in den Sog klassi- scher Parteiorganisationen zu kommen, denen gegenüber sie sich bisher als Alternative anbot und worauf sie ihren Erfolg in der Öffentlichkeit und vor allem in Wahlen zurückführte.

Immerhin führt sich die heutige Bundespartei Die Grünen auf sehr heterogene Organisationsansätze zurück: Circa 500 Delegierte der Aktionsgemeinschaft Unabhängi- ger Deutscher (AUD), der Grünen Liste Umweltschutz (GLU), der Grünen Aktion Zukunft (GAZ), der Grünen Liste Schleswig-Holstein (GLSH), der Aktion Dritter Weg (AWWW) und der Freien Interna- tionalen Universität (FIU) gründe- ten am 16./17. März 1979 die „Son- stige Politische Vereinigung (SPV) Die Grünen". Ihr erster Bundes- parteitag fand am 12./13. Januar 1980 in Karlsruhe statt. Damals be- trug die Delegiertenzahl 1004. Zu den alternativen Demokratieange- boten dieser Partei zählte von An- fang an ihr basisdemokratischer Anspruch, weshalb sie mit einem Delegiertenschlüssel von 1:10 zum ersten Bundesparteitag an-

traten. Naturgemäß mußte dieser Schlüssel mit wachsender Mitglie- derzahl verändert werden, womit selbstverständlich bereits ein Teil ihres basisdemokratischen An- spruchs verlorenging. Auf der drit- ten Bundesdelegiertenversamm- lung am 21./22. Juni 1980 in Dort- mund wurde der Delegierten- schlüssel auf 1:30 verändert. Jeder Kreisverband entsendet nunmehr einen Delegierten und erhält für jede 30 Mitglieder ein weiteres Mandat.

Gegenwärtig geben die Grünen ih- re Mitgliederzahl mit circa 20 000 an. Die Wahlergebnisse, die sie seit der Europawahl 1979 erziel- ten, sind zum Teil bemerkenswert.

Insbesondere in Regional- bzw.

Kommunalwahlen, und hier vor al- lem in Regionen mit akuter ener- giepolitischer oder sonstiger Um- weltschutzproblematik, erreichten sie beeindruckende Ergebnisse.

Während sie in der Europawahl 1979 mit circa 900 000 Stimmen 3,2 Prozent erzielten, schafften sie bei der Bürgerschaftswahl in Bre- men 1979 mit 5,1 Prozent der Stimmen den Einstieg in die bre- mische Bürgerschaft. In den Kom- munalwahlen in Nordrhein-West- falen im September 1979 erzielte eine den Grünen zugehörige Un- abhängige Wählergemeinschaft in Ahaus 25,5 Prozent der gültig ab- gegebenen Stimmen. Ahaus war seinerzeit als Lagerstätte ausge- brannter Kern-Brennelemente projektiert. In der Bundestagswahl 1980 erzielte die Bundespartei al- Deutscher Apothekertag

rer Fraktion in der Debatte um das Kostendämpfu ngs-Ergänzungsge- setz (KVEG). Die Positivliste lehn- ten die Liberalen ab, weil sie das Angebot an Arzneimitteln dezimie- re, die Entscheidung über die Ver- ordnung aus der Hand des Arztes nehmen und letztlich überhaupt nicht zu einer Kostendämpfung beitragen würde.

Dagegen sprach sie sich für eine Negativliste aus: „Es kann nicht Aufgabe der Krankenkassen sein, zum ‚Nulltarif' Mittel gegen ge- ringfügige Erkrankungen anzu- bieten." Es sei jedoch die Frage nach den Abgrenzungskriterien zu stellen.

Für die CDU bemängelte deren Sprecher Hermann Kroll-Schlüter MdB, Warstein, daß in der Ge- sundheitspolitik zuviel Sozialpoli- tik enthalten sei. Unter ständig wachsendem Abgabendruck ver- wendeten die Bürger ihre ganze Phantasie darauf, etwas davon wiederzubekommen, was man ih- nen abgenommen habe.

Der gesundheitspolitische Spre- cher der CSU-Landesgruppe, Dr.

Kurt Faltlhauser MdB, München, nannte das KVEG ein „Systemver- änderungs-Testpaket", das von Grund auf falsch angelegt sei. Er sprach sich für ein „Strukturre- formgesetz" aus, das die Selbst- verantwortung des einzelnen stärkt, die Selbstverwaltung kräf- tigt und nicht beschneidet sowie den Einfluß des Staates zurück- drängt.

Berlins Regierender Bürgermei- ster Richard von Weizsäcker hatte in seinem Grußwort darauf auf- merksam gemacht: Der Kern der Gesundheitspolitik bestehe darin,

„daß der einzelne mehr als bisher zur Erhaltung und Wiederherstel-

lung seiner Gesundheit tun kann".

Die Politik der Kostendämpfung könne nur dann erfolgreich sein, wenn ihr nicht eine „Inflationie- rung von Ansprüchen" gegen- überstehe, die politisch und gesellschaftlich erzeugt worden sei. PF

Die Grünen üben sich in der

Taktik der „sozialen Verteidigung"

In Offenbach fand der 4. Bundesparteitag der „Sonstigen Politi- schen Vereinigung — Die Grünen" statt. Im Gegensatz zu den früheren Bundeskongressen in Karlsruhe, Saarbrücken und Dort- mund sahen sich die Teilnehmer der Offenbacher Tagung in einem Identitätskonflikt zwischen basisdemokratischem Anspruch und politisch effizientem Handeln.

2306 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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„Wir waren schon immer jugendbewegt” (Behrendt in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. November 1981)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Die Grünen"

lerdings nur 1,5 Prozent der Stim- men.

Mit dem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus in diesem Jahr und einem Wahlergebnis von 7,2 Prozent der Stimmen ist den Grü- nen aber auch der Einzug in den nächsten Deutschen Bundestag eröffnet: Da die Berliner Bundes- tagsabgeordneten nicht von der Bevölkerung in Urwahl, sondern nach Maßgabe der jeweiligen Fraktionsstärken vom Berliner Ab- geordnetenhaus gewählt werden, Die Grünen in Berlin gar die Freien Demokraten übertrafen, werden sie 1984 mit eigenen Bundestags- abgeordneten aufwarten können.

„Für ein

atomwaffenfreies Europa"

Der diesjährige Vierte Bundespar- teitag in Offenbach stand unter dem Motto „Ökologie heißt Frie- den — Für ein atomfreies Europa", in seinem Mittelpunkt sollte die Verabschiedung eines Friedens-

manifestes und die Neuwahl des Bundesvorstandes stehen. Der Entwurf des Friedensmanifestes wurde von einer Kommission des Bundeshauptausschusses der Grünen erarbeitet. Bis zuletzt wa- ren Kommissionen damit beschäf- tigt, Meinungsverschiedenheiten zwischen sogenannten radikalpa- zifistischen und eher realistischen Strömungen unter den Delegier- ten auszubügeln: So ging es bei- spielsweise um die Frage, ob die Bundeswehr sofort abgeschafft oder ob als Vorleistung bis zur Entstehung einer „gewaltfreien"

Welt eine schrittweise Abrüstung angestrebt wird. In einer Testab- stimmung fand der Vorschlag eine Mehrheit, den Abbau der Verteidi- gungskraft der Bundeswehr in Etappen zu vollziehen. In glei- chem Maße solle die Entwicklung der „sozialen Verteidigung" vor- angetrieben werden, die eher als ziviler Ungehorsam, denn als Gue- rillataktik zu verstehen ist. Man hat hier das Vorgehen Mahatma Gandhis gegen die britische Kolo-

nialmacht in Indien zum Vorbild.

Dementsprechend wies der ehe- malige Bundeswehrgeneral Gerd Bastian, der von der Bundesvorsit- zenden Petra Kelly als Autor des Krefelder Manifestes vorgestellt wurde, auf die Gefahr eines Parti- sanenkriegs im eigenen Land hin.

Er sprach sich unter dem Beifall des Plenums für ein Europa ohne fremde Truppen aus und bezeich- nete die gegenwärtige Auseinan- dersetzung um den Nato-Doppel- beschluß als „Nachrüstungslüge".

Zum Erlebnishöhepunkt des Par- teitags gestaltete sich ein Novum in der bundesdeutschen Parteien- geschichte: Nach wiederholten Abstimmungen entschied sich die Bundesdelegiertenkonferenz zum geschlossenen Besuch des paral- lel tagenden Hessischen Landes- parteitags der SPD in Alsfeld. Hier- mit wolle man gegen den beab- sichtigten Bau der Startbahn West des Frankfurter Rhein-Main-Flug- hafens und gegen die beabsichtig- te Räumung des sogenannten Flughafendorfes protestieren.

Adressaten der Aktion sollten der Hessische SPD-Landesparteitag sowie Ministerpräsident Holger Börner sein. Nach langen Debat- ten darüber, ob das Plenum oder eine Delegation nach Alsfeld fah- ren solle, und nachdem man sich zunächst gegen die Parteitagsrei- se, für eine Delegation, und schließlich wiederum für die ge- schlossene Fahrt des Parteitags entschieden hatte, stellte sich schließlich heraus, daß von den circa 700 Delegierten ungefähr 500 Personen mitzufahren bereit waren. Die mitgereisten Delegier- ten kamen dann später in der Hochstimmung zurück, eine unge- wöhnliche, gewaltfreie, jedoch tendenziell illegale Aktion durch- geführt zu haben, da sie polizeili- che Absperrungen überschritten und sich mit Polizisten unterhal- ten hatten, doch dürfte dieses Er- lebnis den Parteitag eher um ei- nen halben Tag Verhandlungszeit zurückgeworfen, denn seinem Ziel einer Verhinderung des Baus der Startbahn West nähergebracht ha- ben. Emil-Peter Müller

2308 Heft 48 vom 26. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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