A1180 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 22⏐⏐30. Mai 2008
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werde immer besser, während der Assistenzarzt zu nichts mehr kom- me. Jägers Parole lautete also: „Weg von den Schreibtischen, ran an die Patienten!“ In dem von ihm mitein- gebrachten, vom Ärztetag beschlos- senen Antrag heißt es, die Delegati- on dürfe nicht zulasten der ärztlichen Weiterbildung und Nachwuchsför- derung gehen. Gerade für den Ein- stieg in die Spezialisierung seien die Erhebung von einfachen diagnosti- schen Befunden (zum Beispiel in der Sonografie) oder die Ausführung von Teilschritten eines Eingriffs un- ter fachärztlicher Supervision ganz entscheidende Schritte.
Kein Bachelor in der Medizin Auch gegenüber den Psychologi- schen Psychotherapeuten wurden deutliche Abgrenzungen gefordert.
„Die Psychologen sind diejenige Berufsgruppe, die bei der Deprofes- sionalisierung des Arztberufs am weitesten vorangeschritten sind“, führte Dr. med. Heiner Heister, Nordrhein, aus. Gemeinsam mit an- deren Delegierten forderte er den Gesetzgeber auf, im Sozialgesetz- buch V anstelle der Bezeichnung Psychotherapeuten für die korrekten Berufsbezeichnungen Psychologi- sche Psychotherapeuten (PP), Kin- der- und Jugendlichenpsychothera- peuten (KJP) und ärztliche Psycho- therapeuten Sorge zu tragen. „Dem durchsichtigen Versuch, den Begriff des Psychotherapeuten allein für PP und KJP zu reklamieren, ist eine kla- re Absage zu erteilen.“
Auch der Erhalt einer sechsjähri- gen Ausbildung wurde von den Dele- gierten einhellig als essenziell für den Arztberuf und dessen Alleinstel- lungsmerkmale angesehen. Die Ein- führung eines Bachelor-/Masterstu- diums in der Medizin mit seiner mo- dularen Ausbildung ebne den Weg zu Medizinschulen, die der bisherigen Qualität der deutschen Hochschul- ausbildung nicht entsprächen. Das einheitliche und hochwertige Medi- zinstudium mit dem Staatsexamen als Abschluss müsse erhalten bleiben.I Thomas Gerst
STUDIE: DELEGATION IM KRANKENHAUS
Welche Tätigkeiten des ärztlichen Dienstes können auch von nicht ärzt- lichen Berufsgruppen übernommen werden? Eine vom Deutschen Kran- kenhaus-Institut vorgelegte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Delegation von Tätigkeiten insoweit zulässig ist, als sie nicht den Kernbe- reich ärztlichen Handelns, also insbe- sondere Diagnostik und Therapie, be- trifft. Die Studie enthält eine Über- sicht der Tätigkeiten, die an Kranken- häusern bereits delegiert werden.
Kurzfristig übertragbare Tätigkeiten
Diese ärztlichen Tätigkeiten könnten nach relativ kurzer Anpassungszeit vom nicht ärztlichen Personal in glei- cher Qualität und Sorgfalt ausgeführt werden. Es werden in Abhängigkeit von der Patientengefährdung und der erforderlichen Qualifikation fünf Ka- tegorien unterschieden:
>Qualifikation durch Ausbildung oder Weiterbildung (z. B. Codierung von Diagnosen/Prozeduren im Nachgang zur ärztlichen Festlegung, Dokumentation für Qualitätssiche- rung, Befunddokumentation, Vorbe- reitung des Arztbriefs, Ausstellung von Rezepten für die Folgemedika- tion, Materialversand)
>Qualifikation durch Ausbildung und Einweisung (z. B. venöse Blut- entnahme, subkutane Injektionen, Basis-, Fremd- und Sozialanamnese, Vitalzeichenkontrolle, Blutzuckermes- sung, Insulinapplikation, Erstellung eines Ruhe-EKG, Fädenziehen, Medi- kamentengabe, Abstrichentnahme bei identifizierbaren Bereichen)
>Qualifikation durch Ausbildung (zum Beispiel intramuskuläre Injek- tionen, Blutentnahme aus einem pe- ripheren Venenkatheter, Anlage ei- ner transnasalen Sonde oder eines transurethralen harnableitenden Ka- theters, Durchführung einer kapilla- ren Blutgasanalyse oder eines Tu- berkulin-Tests, Entfernen einer Port- nadel, Hakenhalten im OP, Messung des zentralen Venendrucks, Wechsel von Blutkonserven)
>Qualifikation durch qualifizie- rende Ausbildung und spezifische Schulung, Delegation nur im Einzel-
fall (z. B. intravenöse Injektion eines Arzneimittels mit großer therapeuti- scher Breite und/oder geringer loka- ler Toxizität, Anlage einer Venenver- weilkanüle, Anlegen eines Gipsver- bands, Injektion in liegende Infusi- onssysteme, offenes endotracheales Absaugen mit Tubus, Entfernen eines zentralen Venenkatheters)
>Qualifikation durch qualifizie- rende Ausbildung und strukturierte Weiterbildung, Delegation nur im Einzelfall unter Aufsicht eines Arztes (z. B. intravenöse Applikation von Zytostatika bei Vorliegen einer Medi- kamentenpositivliste, Punktion eines Portkatheters, Belastungs-EKG, Ul- traschalluntersuchungen, Lungen- funktionsuntersuchung, intravenöse Injektionen von Antibiotika mit Be- schränkung auf Folgegaben).
Die bisherigen Erfahrungen der Krankenhäuser zeigen laut DKI-Stu- die, dass es zu einer Entlastung des ärztlichen Dienstes kommt. Wie hoch das Entlastungspotenzial für das Krankenhaus im Einzelnen sei, hänge von den krankenhausindividuellen Gegebenheiten ab.
Mittelfristig übertragbare Tätigkeiten
Tätigkeiten, die mittelfristig delegiert oder neu zugeordnet werden können, würden eine umfangreichere Anpas- sung der Qualifikation erfordern.
Grund hierfür sei das höhere Gefähr- dungspotenzial für die Patienten. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich in der Regel um komplexe und/oder um- fangreiche Tätigkeitsbereiche, die Reorganisationsprozesse mit einem gewissen Zeitbedarf erfordern.
Exemplarisch werden die folgen- den Bereiche genannt:
>nicht ärztliche Chirurgieassis- tenz bei operativen Eingriffen
>Case-Management
>Wundpflegemanagement
>Schmerzmanagement.
Mit diesen mittelfristig übertrag- baren Tätigkeiten würde der ärztliche Dienst nicht nur entlastet, sondern diese Umstrukturierungen könnten auch zu einer Verbesserung der Qualität der Leistungserbringung
führen. TG Referate von Jan Schulze und
Theo Windhorst im Internet:
www.aerzteblatt.de/plus2208