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Archiv "Zur Lage der Gesundheitserziehung: Erste Ergebnisse einer Umfrage – Plädoyer für eine Enquete" (25.01.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Kostenreduzierung

Andererseits wäre durch entspre- chende Information in jeder Stadt, die groß genug für ein Krankenhaus ist, auch eine Gruppe von Fachärz- ten zu finden, die die entsprechende Aufgabe übernimmt.

Zu allem Überfluß wäre damit ohne Systemänderung auch die neuer- dings so stark propagierte prä- und poststationäre Betreuung gesichert.

Diese wird ja unter anderem auch damit begründet, daß in den Klini- ken teure Geräte zeitweise unge- nutzt seien. Bei der Anpassungsfä- higkeit privater Initiative und gerade zum jetzigen Zeitpunkt, in welchem wegen Stelleneinsparungen viele er- fahrene Fachärzte die Kliniken rela- tiv schnell verlassen, wäre die Lö- sung viel rascher zu erreichen als durch die langwierige Entwicklung von Krankenhausplänen. Der einzi- ge Fehler dieses Modells dürfte sein, daß es wegen seiner größeren Publi- kumsnähe und Unabhängigkeit die Macht der jeweiligen zentralen Ver- waltungen nicht erhöhen, sondern vielleicht sogar eher vermindern würde.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans Peter Gockel Röntgenarzt

Kaiserstraße 82 6500 Mainz

BLÜTENLESE

Anwaltslogik ä la Stammheim

„Sie können doch einen Men- schen nicht wegen un- menschlicher Taten verurtei-

len." Durrak

Gastarbeiter

England feiert noch heute sie- gesfroh den Tag von Water- loo. Wellingtons Heer zählte 107 000 Mann. Davon waren 24 000 Engländer und 83 000 Fremde, von diesen wiederum 70 000 Deutsche. Durrak

THEMEN DER ZEIT

Heinrich Schipperges

Historischer Hintergrund

Die Gesundheitstheorie im Zeitalter der Aufklärung wird allgemein als die Wurzel der modernen Gesund- heitsbewegungen angesehen, wäh- rend doch gerade hier schon jene charakteristische Verkürzung der Gesundheitskonzepte vorbereitet wurde, die wenig später — mit den Fortschritten der naturwissenschaft- lich orientierten Medizin — zu einer Eliminierung der theoretischen Ge- sundheitslehren wie auch einer reichhaltig praktizierten Diätetik führen sollte, einer Gesundheits- Praxis, die in der Folge immer aus- schließlicher von einer rasch an- wachsenden Lebensreform-Bewe- gung und einer sich vielfältig diffe- renzierenden Naturheilkunde wahr- genommen wurde.

Vor diesem historischen Hinter- grund erst versteht man die in unse- ren Tagen immer offenkundiger werdenden Aktivitäten und Initiati- ven, die durchweg getragen sind von Schlagworten wie „Gesund- heitsbewußtsein", „Gesundheitsauf- klärung", „Gesundheitsbildung", und „Gesundheitsstrategien". Erin- nert sei nur an die immer systemati-

scher einsetzenden Gesundheits- kampagnen der Medien, an zahlrei- che Schulprogramme zur Gesund- heitserziehung, an die gruppenspe- zifisch orientierten Bausteinpro- gramme, an ein Funkkolleg mit dem Titel „Umwelt und Gesundheit", an

„Gesundheitsparks" und „Gesund- heitsclubs" wie auch an die immer systematischer integrierten „Ge- sundheitszentren" an nahezu allen Kurorten. Woche um Woche und Tag für Tag treten dem aufmerksa- men Beobachter neue Aktivitäten ins Gesichtsfeld, die eine Registrie- rung all dieser Maßnahmen nahele- gen, eine Information auch über die Beziehungen untereinander, eine Koordinierung aller Einzelinitiativen, den Versuch vielleicht auch zu einer Kooperation, wobei der Entwurf ei- nes integrierten Konzepts vorauszu- setzen wäre, wie er nur von einer weitschauenden Gesundheitspolitik

— mit umfassenden Perspektiven, Programmen, Strategien — gegeben werden kann.

Motivation und Methodik der Anfrage

Angesichts dieser aktuellen Situa- tion haben wir versucht, die seit eini-

Zur Lage der Gesundheitserziehung

Erste Ergebnisse einer Umfrage – Plädoyer für eine Enquete

Im Rahmen der im Frühjahr 1977 in Stuttgart gegründeten „Gesell- schaft für Gesundheitsbildung e. V." beschäftigte sich am Heidelber- ger Institut für Geschichte der Medizin ein Arbeitskreis mit „Gesund- heits-Theorie und Gesundheits-Dokumentation". Neben historischen Analysen, aus denen bereits jetzt in einem überraschenden Ausmaß die Breite und Dichte älterer Überlieferungen hervorgeht, beleuchtet der Arbeitskreis vor allem auch die gegenwärtige Situation auf dem Gebiete der Gesundheitserziehung und Gesundheitsbildung. Er ver- anstaltete zu diesem Zweck eine erste Umfrage unter Organisationen und Einrichtungen, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Der Beitrag schildert die ersten Ergebnisse dieser Erhebung und zieht daraus Konsequenzen.

238 Heft 4 vom 25. Januar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen

Gesundheitserziehung

gen Jahren bereits sporadisch ge- sammelten Unterlagen zum The- menkreis „Gesundheitstheorie" und

„Gesundheitserziehung" zu syste- matisieren und methodisch zu ver- tiefen. Wir haben uns dabei — unter Verzicht auf einen spezifizierten Profil-Fragebogen — der formlosen Anfrage bedient, um zunächst ein- mal freie und spontane Informatio- nen über die Möglichkeiten und die Tragweite gesundheitlicher Aufklä- rung der gesunden Bevölkerung und gesundheitlicher Beratung be- reits Erkrankter zu erhalten.

Registriert wurden an die 150 Ein- zelinitiativen unter folgenden Krite- rien: Name der Institution, Anschrift, Leitung, Personal, Sachmittel (Jah- resetat), Rahmenkonzept, Aufga- benbereiche, Einzelprojekte, Her- ausgabe von Zeitschriften, vorlie- gende Literatur. Aufgenommen wur- den ferner alle erreichbaren Einzel- aktionen auf wissenschaftlichen Symposien, in gesundheitsspezifi- schen Prospekten oder in den Me- dien. In einem zweiten Ansatz ist vorgesehen, die sporadischen Infor- mationen zu einer kritischen Be- standsaufnahme (Enquete) zu erhe- ben.

Was die Motivation zu einer solchen Untersuchung anbelangt, so sollte sie nicht von Kritik oder Polemik ge- tragen sein; es besteht nicht die Ab- sicht, konkurrierende Unternehmen gegeneinander abzuwägen oder gar eine bewertende Rangordnung auf- zustellen. Es ging uns eher um den sachlichen Überblick über ein Ge- lände, das noch weitgehend brach- liegt und doch mit all seinen Aktivi- täten und Initiativen fruchtbar ge- macht werden könnte.

Wir waren uns der Problematik und der methodischen Unreife einer sol- chen ersten Umfrage nur zu gut be- wußt, glaubten aber, zu einem sol- chen ersten Informationsgespräch und Dokumentationsaustausch ein- fach einmal auffordern zu müssen, zumal gerade uns als Historiker an- gesichts des Scheiterns einer mehr als hundertjährigen Gesundheits- aufklärung nur eine tiefe Skepsis be- fallen kann.

Auf der anderen Seite drängt uns das Problem der Kostenlawine im Gesundheitswesen dazu, die Frage nach der Effektivität der Maßnah- men wie auch das Problem einer möglichen Alternative zur Medizin als einem ausschließlichen System der Krankenversorgung weitaus sy- stematischer zu stellen, wobei das Feld der Gesundheitssicherung abermals in den Brennpunkt des gesundheitspolitischen Interesses rückt. Bevor wir aber Gesundheits- bildung und Gesundheitsplanung der Gesundheitspolitik anvertrauen, sollten wir uns wesentlich gründli- cher mit den theoretischen und me- thodischen Grundfragen vertraut zeigen. Diesem Vorfeld diente auch unsere erste Anfrage.

Erste Ergebnisse der Umfrage

Auf die einfache bloße Anfrage hin erfolgte eine überraschend breite Fülle an Einzelinformationen. Im einzelnen wurden registriert und al- phabetisch geordnet: etwa 150 Or- ganisationen oder Einzelunterneh- mungen, die sich mit gesundheitli- cher Aufklärung, Volksgesundheits- pflege, Lebensreform, Diätetik, Gymnastik, Freizeitgestaltung, Ent- wöhnung, psychophysischer Ge- sundheitsvorsorge, Sozialhygiene oder sonstigen „Diensten an der Ge- sundheit" befassen. Etwa 50 Pro- zent der Anfragen wurden — mehr oder weniger ausführlich — positiv beantwortet. Etwa 10 Prozent der Befragten erklärten, auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung nicht mehr oder noch nicht aktiv zu sein.

Ein Großteil der Umfrage steht damit noch offen.

In die Dokumentation dieser mehr oder weniger institutionalisierten Maßnahmen aufgenommen wurden Einzelaktivitäten wie: Broschüren zu gesunder Lebensführung, Aufklä- rungsmaterial in Wartezimmern, Werbekampagnen zu gesunder Le- bensführung, Bausteinprogramme und Lehrgänge der Gesundheits- erziehung, Filmmaterial und Ton- kassetten-Informationsprogramme, Werbematerialien aus Heilbädern

und Kurorten, Plakate und Aufkle- ber, Broschüren sowie bereits er- scheinende oder noch in der Pla- nung steckende Publikationsorga- ne. Das Spektrum gesundheitserzie- herischer Unterrichtsmaterialien er- streckt sich von Fragen allgemeiner Körperhygiene und Tagesablauf, von Arbeitshygiene und Ernäh- rungslehren über Schulprogramme, Haushaltslehren, Kosmetik bis zur Selbstmedikation und Präventivme- dizin. Im Hintergrund scheint auch hier die von den Zivilisationsseu- chen bedrohte Risikopersönlichkeit mit ihrer pathogenen Umwelt und Mitwelt zu stehen.

Es mußte dabei auffallen, daß sich etwa 80 Prozent der erfaßten Aktivi- täten auf die Aufklärung über bereits manifest gewordene Leiden er- streckten, das Vorfeld der Krankhei- ten also in der Regel gar nicht auf- gesucht wird. Auffallend bleibt auch der Anteil der verschiedenen Träger- schaften, die dem Trend zur Ge- sundheitsbildung gefolgt sind: 43 Prozent bilden Verbände und Partei- en, 25 Prozent staatliche Stellen, 15 Prozent Kurorte, 10 Prozent Privat- initiativen; 5 Prozent der Aktivitäten gehen von der Industrie aus, nur 2 Prozent von universitären Institutio- nen. Was nahezu völlig fehlt, ist die Einbindung der ärztlichen Gesund- heitsberatung in die Ausbildung zum Arzt und in die ärztliche Weiter- bildung.

Grenzen der

provisorischen Anfrage

Den begrenzten Möglichkeiten die- ser Untersuchung, die ohne Mittel und mit Hilfskräften des Instituts für Geschichte der Medizin durchge- führt werden mußte, entsprechen auch die Grenzen dieser vorlaufen- den und vorläufigen Befragung. Wir waren uns darüber im klaren, daß man das hermeneutische Vorver- ständnis eines modernen Gesund- heitsbewußtseins ebenso in die For- mulierung eines Profilfragebogens eingeben müßte wie auch die heuri- stischen Ansätze in den Gesund- heitskonzepten der älteren Heil- kunde.

DEUTSCHES

ÄRZ _ELBLATT Heft 4 vom 25. Januar 1979 239

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Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen Gesundheitserziehung

Was mit dieser ersten Anfrage nicht aufgesucht werden konnte, sind die zahlreichen Initiativen zur Gesund- heitspflege, wie sie zu den traditio- nellen Aufgaben der Gesundheits- ämter, des Fürsorgewesens, der So- zialstationen gehören. Nicht erfaßt wurden die Aktivitäten an den Volks- hochschulen oder in der Bundes- wehr, die gesundheitspolitischEm Maßnahmen in der Arbeits- und Be- triebsmedizin sowie zahlreiche so- zialmedizinische Pilotstudien. Zu untersuchen wären vor allem die be- reits weithin anlaufenden, wenn auch noch weitgehend unkocrdi- nierten empirischen Feldstudien in regionalen Bereichen wie auch die praktische Kleinarbeit in Mütterbe- ratungsstellen, Kindergärten, Ju- gendfürsorge. Kaum zu erfassen sein werden die Erfahrungen frei- praktizierender Ärzte, eher schon die kritischen Reflexionen aus ärztli- cher Gruppenpraxis oder spezifi- scher Gruppentherapie.

Diese Aktivitäten müßten in einer weiterführenden Literaturanalyse eingehender untersucht werden.

Daran anzuschließen wären kriti- sche Pilotstudien über den Motiva- tionstrend und die Motivationstiefe jeder einzelnen Gesundheitsmaß- nahme. Nicht zu entbehren wären dabei auch methodisch angelegte Studien zur Validierung der Maß- nahmen. Unberücksichtigt blieb in diesem Bericht die ebenfalls regi- strierte Sekundärliteratur zur The- matik.

Bei aller sachlichen Neutralität im Fragenansatz wird man vermutlich bald schon auch zu einer kritischen Bewertung kommen müssen, wobei folgende Fragen im Vordergrund stehen: Auf welchem Motivations- hintergrund laufen die Versuche, den Menschen zu einer vernünftigen Lebensführung anzuleiten und ihn vor Hinfälligkeit und chronischem Siechtum zu bewahren? Von wel- chen Interessen und Interessen- gruppen getragen sind die zumeist mit hohem persönlichen Engage- ment geleisteten Aktivitäten? Worin unterscheiden sich neuartig konzi- pierte Modelle einer umfassenderen Gesundheitsbildung von vielfach

antiquierten Programmen der klas- sischen Gesundheitserziehung? Wie erklärt sich der auffallende Sachver- halt, daß alle Maßnahmen, die unter dem Leitbegriff "Gesundheit" lau- fen, in Wirklichkeit bereits der Kran- kenversorgung oder der Rehabilita- tion angehören? Wo steht bei all diesen in sich so divergierenden Programmen die Gesundheit als sol- che im Zentrum der Fragestellung?

Kritische Diskussion der Ergebnisse

Bei einer ersten kritischen Durch- sicht der Materialien lassen sich drei Momente herausstellen:

Q) Die an zahlreichen Orten anset- zenden Maßnahmen zur Gesund- heitssteigerung der Bevölkerung (Maßnahmen verschiedenster Pro- venienz und unterschiedlicher In- tensität) gehen in der Regel von ei- ner akuten Situation aus, ohne nach dem genetischen Gefälle oder einem historischen Gewachsensein dieser so auffälligen Zuwendung zu "Ge- sundheit" zu fragen.

®

Fast alle Aktivitäten auf dem Ge- biet der Gesundheitsbildung begnü- gen sich mit isolatorischen Bezirken der Lebensführung und konzentrie- ren sich auf isolierte Lebensberei- che (Atmungsschulung, Diätkurse, Lebensreformzirkel, Fitnesspro- gramme, Meditationstraining, Psy- chohygiene).

®

Was all diesen oft mit erstaunli- chem geistigen und materiellen Auf- wand durchgeführten Unterneh- mungen fehlt, ist ein die Praxis um- fassendes theoretisches Konzept.

Expertenwissen und Gruppenerfah- rungen werden durchgehend gene- ralisiert, ohne nach dem Hinter- grund dieser bereits im Vorfeld der Medizin einzulagernden Gesund- heitsbildung zu fragen.

Eine zureichende "Enquete zur La- ge der Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik Deutschland" müß- te nach unseren ersten Erfahrungen weitaus systematischer von flankie-

240 Heft 4 vom 25. Januar 1979

DEUTSCHES ARZTEBLATT

renden Einzelstudien begleitet sein, von denen nur die wichtigsten ge- nannt seien:

.,.. historische Analysen der Ge- sundheitslehren und Gesundheits- bildung in den archaischen Hoch- kulturen, der antiken Heilkunde, im arabischen und lateinischen Mittel- alter, vor allem aber der Programme und Perspektiven einer öffentlichen Gesundheitspflege seit der Aufklä- rung.

.,.. Literaturanalysen, wie sie in An- sätzen und beachtlichen Modellen bereits vorliegen, so etwa vom De- zernat Gesundheitserziehung des Sielefelder Instituts für Information und Dokumentation (IDIS) oder von der Bundesvereinigung für Gesund- heitserziehung (gegliedert nach: Altershygiene, Ernährung, Familie, Freizeit, Heilpädagogik, Leibes- erziehung, Sexualhygiene, Schule usw).

.,.. Aufbau von Modellen zu gesun- der Lebensführung (nach Mustern von München, Oeynhausen, Krotzin-

gen, Ems, Mergentheim).

.,.. Studienreisen zum kritischen Vor-Ort-Vergleich von besonders ty- pischen, bereits etablierten Institu- tionen im benachbarten Ausland (Schweiz, Niederlande, Österreich).

Abschließend bliebe zu betonen, daß wir uns nicht mit der bloßen Aufnahme und mit der Registrierung eines so bunten Spektrums von ge- sundheitserzieherischen Maßnah- men begnügen sollten, sondern von einem konkretisierten Ansatz aus kritisch weiterfragen müssen. Aus den bisherigen Materialien ergab sich nämlich der Eindruck, daß der überwiegende Teil aller Maßnahmen sich auf die Früherkennung, eine Palliativtherapie oder die Aufklärung über bereits bestehende Gesund- heitsschäden in der Bevölkerung (Karies, Hochdruck, Diabetes usw.) oder gar auf Anweisungen zur Medi- kation beschränkt, während Ge- sundheitsmaßnahmen im Vorfeld der Krankheit und damit eine positi- ve Gesundheitssicherung weitge- hend unberücksichtigt blieben. [>

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Gesundheitserziehung

Schließlich verstärkte sich mit dem Anwachsen der Dokumentation der Eindruck, daß sich auch heute noch

„Gesundheitserziehung" weitge- hend als Information in rein kogniti- ven Bereichen versteht, während Versuche zu einer tiefergreifenden Motivation, zu einer umfassenden Lebensführung, die neben der ge- samten Lebenszeit auch alle konkre- ten Lebensbereiche zum Thema hat, kaum festzustellen waren. Von ei- nem weitverbreiteten „Gesundheits- bewußtsein", geschweige von ei- ner „Gesundheitsbewegung", kann heute noch keine Rede sein.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Dr. med.

Heinrich Schipperges Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 305 6900 Heidelberg 1

ZITAT

Widerstand

gegen Funktionärs-Pläne

„Ein freiwilliges Diskus- sionsgremium namens ‚Kon- zertierte Aktion für das Ge- sundheitswesen' müßte selbstverständlich Wege su- chen und finden, ein über- proportionales Wachstum für das Honorar des einzel- nen Arztes nicht zuzulassen.

Wehren müssen wir uns al- lerdings dagegen, daß wir nach den Plänen von Funk- tionären der Ortskranken- kassen auf eine untere Be- amtenebene abgemarktet werden, weil dies die Krite- rien der Freiberuflichkeit des Arztes völlig vernichten würde."

Dr. med. Kaspar Roos, Bun- desvorsitzender des Verban- des der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV), anläßlich der Hauptver- sammlung 1978 seines Ver- bandes in Köln

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

FORUM

Erstaunlich

... (Es ist) verständlich, daß ein langjähriges Mitglied des Vorstan- des der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung das kassenärztliche Sy- stem für die „optimale Form der kas- senärztlichen Honorierung" hält.

Die Honorierung ist nur ein Teil des kassenärztlichen Systems. Erstaun- lich ist die Zahl der Patienten, die eine ambulante oder stationäre Be- handlung in der Klinik wünschen, erstaunlich ist, daß die betriebsärzt- liche Betreuung als Vorsorgeunter- suchung sich zunehmender Beliebt- heit erfreut, erstaunlich ist, daß noch 1978 über 65jährige Ärzte wegen un- genügender Altersversorgung kas- senärztlich tätig sein müssen. Herr Schmitz-Formes mag entscheiden, ob die notgedrungen fleißigen Alt- ärzte ein Zeichen der optimalen Ho- norierung sind.

Dr. med. Ernst Kühn Spichener Straße 9 4600 Dortmund

Einnahmen-Unterschiede

Die allgemeinen Aussagen, nämlich die Notwendigkeit, mehr Weiterbil- dungsstellen für Ärzte für Allge- meinmedizin zu schaffen, um im pri- märärztlichen Sektor die Betreuung unserer Patienten zu sichern, ferner der Qualität ärztlicher Ausbildung wieder Vorrang vor Quantität zu schaffen, muß natürlich voll zuge- stimmt werden, es besteht darüber ja auch nirgends ein Zweifel. Die Überschrift und der größere Teil des Artikels widmet sich jedoch einer

„gerechteren Honorierung" der all- gemeinärztlichen Tätigkeit. Hier

wird zugleich eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgezählt, die bereits erfolgt sind und zu einer erhebli- chen Verbesserung der Bezahlung der sogenannten ärztlichen Grund- leistungen geführt haben (zum Bei- spiel die Anhebung der Besuchsge- bühren um 47 Prozent usw.).

Ich darf als sicher annehmen, daß Sie kein Anhänger der radikalen Hausarzt-Renaissance sind, wie sie von Randgruppen der BPA vertreten wird und die unter dem Deckmantel der idealen Fürsorge für unsere Pa- tienten den Griff nach einem mög- lichst großen Stück des Honorarku- chens verbergen möchte. Um so mehr muß man sich daher fragen, was Sie veranlaßt, speziell für die Gruppe der Allgemeinpraktiker, die ja nur eine wichtige Fraktion im Spektrum der ärztlichen Versorgung bildet, eine unangemessen niedrige Honorierung anzunehmen. Sicher- lich liegen Ihnen doch die Zahlen der Kostenstrukturanalyse von 1976 vor, die schließlich im Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung er- arbeitet worden sind und nicht von Herrn Minister Ehrenberg oder sei- nem Staatssekretär stammen, also ernst zu nehmen sind. Ich darf zi- tieren:

bei Allgemeinmedizinern lag der Durchschnittsumsatz 1976 bei 228 000 DM, der steuerpflichtige Einnahnneüberschuß betrug 134 000 DM, der Praxisrestbuchwert lag bei knapp 20 000 DM, der Wiederbe- schaffungswert bei 87 000 DM E> der Facharztumsatz lag bei 317 000 DM, der Einnahmeüber- schuß vor Steuern bei 161 000 DM, der Restbuchwert bei 58 000 DM,

Aktuelle Aspekte der Honorierung

ärztlicher Lclistungen

Zu dem Artikel von Ganitätsrat Dr. med. Josef Schmitz-Formes in Heft 44/1978

242 Heft 4 vorn 25. Januar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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