• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schwerhörigkeit durch Freizeitlärm" (23.04.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schwerhörigkeit durch Freizeitlärm" (23.04.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-1052

M E D I Z I N EDITORIAL

(36) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 16, 23. April 1999

reizeitlärm gefährdet die Gesundheit un- serer Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, so die Bundesärztekam- mer in einer wichtigen Stellungnahme in dieser Ausgabe (siehe Bekanntgaben). Ein Fünf- tel von uns Deutschen ist bereits schwerhörig.

Die heutigen Hörgewohnheiten von Kin- dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen lassen befürchten, daß innerhalb von fünf Jah- ren durch das Hören von tragbaren Kassetten- abspielgeräten sowie als Folge der für Jugendli- che typischen Besuche von Diskotheken und Musikgroßveranstaltungen bei etwa zehn Pro- zent der Jugendlichen irreversible beidseitige Hörverluste von 10 dB und mehr als 4 kHz zu erwarten sind. Hinzu kommen häufig vorbeste- hende Hörverluste durch laute Kinderspielzeu- ge und Feuerwerkskörper. Eine besonders star- ke Gehörgefährdung ergibt sich insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene an Lärmarbeitsplätzen, deren notwendige Hör- erholungszeit durch Freizeitlärm verkürzt wird.

Massive Gefährdung durch Geräuschentwicklung

Wenn man bedenkt, daß ab 84 dB (A) eine Gehörgefährdung beginnt, dann machen Ge- räuschentwicklungen von Spielzeugen mit 134 bis 135 dB bei Knackfiguren, 128 bis 129 dB (A) bei Knackfröschen (2,5 cm vom Ohr entfernt), Kin- derpistolen mit mehr als 135 dB (A), Diskothe- kenmusik von 89 dB (A) bis 110 dB (A) (Vertei-

lungsmaximum über 100 dB) (A) sowie Musik- großveranstaltungen mit Mittelwerten über 100 dB (A) eine massive Gefährdung deutlich.

Hinzu kommt, daß zehn Prozent der Walk- man-Hörer mittlere Hörpegel von 100 dB (A) mit dem Kopfhörer einstellen. Eine Übersicht mit ausführlichen Literaturhinweisen findet sich unter (9), ausgesuchte Einzelarbeiten sind unter (1–8) dargestellt.

Schwerhörigkeit als zweifach-stille Krankheit

Anders als beim Berufslärm, anders als beim Umweltlärm wird jedoch der von Kin- dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

„konsumierte“ Spielzeug- und Musiklärm als anregend und zum Teil berauschend empfun- den: diese „Macht der 100 dB und mehr“ läßt erwarten, daß die Zahl der Lärmschwerhörigen für eine Altersgruppe zunimmt, die der beson- deren Fürsorge von Ärzten, Gesellschaft und Staat bedarf.

Viele Hörende bemerken die Schwerhörig- keit des Gegenübers nicht, denn Schwerhörig- keit ist eines der letzten Tabus der Gesellschaft.

Sie ist eine zweifach-stille Krankheit: Der Kran- ke hört Stille und er spricht nicht von seiner Schwerhörigkeit, er bekennt sich nicht dazu – er zieht sich in die kommunikative Isolation zu- rück. Die zwischenmenschliche Kommunikation mittels Sprache wird gestört. Dabei gilt es zu be- denken: nicht nur wenn der Lärm Ohr und Raum

F

Schwerhörigkeit durch

Freizeitlärm

Hans-Peter Zenner

(2)

A-1053

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 16, 23. April 1999 (37)

überschwemmt, kann der Hörsinn Sprache nicht mehr empfangen, das Zuhören, das Verstehen – auch im übertragenen Sinne – werden beein- trächtigt. Die durch wiederholte Exposition re- sultierende irreversible Schwerhörigkeit hat zur Folge, daß morgen das Hören auf Dauer verletzt ist. Die menschliche Kommunikation wird chro- nisch erschwert oder verhindert.

Insbesondere die Extrembelastung von zehn Prozent eines Jahrgangs von Kindern, Jugendli- chen und jungen Erwachsenen in Deutschland ist besorgniserregend hoch. Aufklärung, die sich an die Musik- und Lärmexponierten, nicht nur über Schule, Jugendliche, Sozialarbeiter und Medien, sondern auch an den Arzt richtet so- wie an die Verantwortlichen (Veranstalter, Disk- jockeys und Vermieter, wie Städte und Gemein- den) appelliert, tut not. Sie reicht aber zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht aus.

Es ist ärztliche Aufgabe, den Staat an seine Verantwortung gegenüber Kindern und Ju- gendlichen zu erinnern, auf daß der Gesetz- geber Pegelbegrenzungen in Diskotheken, für tragbare Musikwiedergabegeräte sowie für lärmgebende Spielzeuge und andere Geräte mit Kopfhörern, für Kinder und Jugendliche erläßt.

In der Stellungnahme der Bundesärztekammer werden derartige mit dem Umweltbundesamt abgestimmte Pegelbegrenzungen erfreulicher- weise konkret vorgeschlagen, so daß der Ge- setzgeber eine klare Handhabe hat.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-1052–1053 [Heft 16]

Literatur

1. Babisch W, Ising H, Dziombowski: Einfluß von Diskothekbesu- chen und Musikhörgewohnheiten auf die Hörfähigkeit von Ju- gendlichen. Z Lärmbekämpfung 1988; 35: 1–9.

2. Babisch W, Ising H: Musikhörgewohnheiten bei Jugendlichen.

Z Lärmbekämpfung 1994; 41: 91–97.

3. Bambach G, Ising H: Schallpegel von Kinderspielzeugen, HNO 1994; 42: 470–472.

4. Dieroff HG: Soziakusis und Impulslärm. HNO-Praxis 1976; 4:

494–499.

5. Hanel J: Schuljugend und laute Musik. Über die Bedeutung der technisch verstärkten Musik im Lebenskonzept von Schülerin- nen und Schülern. Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Bo- den- und Lufthygiene, Stuttgart: Fischer, 1996.

6. Ising H et al.: Empirische Untersuchungen zu Musikhörge- wohnheiten von Jugendlichen: HNO 1995; 43: 244–249.

7. Landsberg-Becher JE et at.: Lärm und Gesundheit – Materiali- en für 5.–10. Klassen (Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitli- che Aufklärung [BZgA], Köln, in der Reihe „Gesundheitserzie- hung und Schule“).

8. Struwe F, Jansen G, Schwarze S, Schwenzer C, Nitzsche M: Un- tersuchung von Hörgewohnheiten und möglichen Gehörrisiken durch Schalleinwirkungen in der Freizeit unter besonderer Berücksichtigung des Walkman-Hörens. In: Babisch W, Bam- bach G, Ising H, Kruppa B, Platz P, Rebentisch E, Struwe F (Hrsg): Gehörgefährdung durch laute Musik und Freizeit- lärm.WaBoLu Hefte Umweltbundesamt 1996; 5: 44–154.

9. Zenner HP et al.: Gehörschäden durch Freizeitlärm. HNO 1999; 47: 236–248.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult.

Hans-Peter Zenner Direktor der Universitäts- Hals-Nasen-Ohren-Klinik Silcherstraße 5

72076 Tübingen

EDITORIAL/FÜR SIE REFERIERT

Luigi Di Bella, ein italienischer Arzt, hat eine Kombinationstherapie entwickelt, mit der seinen Behaup- tungen nach die meisten Krebser- krankungen gebessert, wenn nicht gar geheilt werden sollten. Um die Frage der Kostenübernahme dieser Be- handlung durch das italienische öf- fentliche Gesundheitswesen zu klären, sind nun in 26 Krankenhäu- sern unkontrollierte Phase-II-Studi- en an 386 Patienten mit fortgeschrit- tenen Krebserkrankungen durchge- führt worden. Zur Studiengruppe gehörten unter anderem Kranke mit aggressiven Non-Hodgkin-Lympho- men oder chronischer lymphatischer Leukämie, metastasiertem Brust-,

Darm- und Pankreas-, Speiseröhren- oder Magenkrebs, die entweder be- reits die in ihrem Stadium übliche konventionelle Behandlung durch- laufen hatten oder deren Tumoren nicht auf diese Therapie ansprachen sowie Glioblastompatienten, deren Krebs nach chirurgischer Entfernung und Radiotherapie wieder aufgetre- ten waren. Sie erhielten im Zeitraum zwischen März und Juli 1998 die soge- nannte Di-Bella-Multitherapie, die aus einer Mischung von Melantonin, Bromocriptin, Somatostatin und anti- oxidativ wirkenden Vitaminen wie B oder E besteht; bei manchen Patien- ten wurden kleine Mengen von Cyclo- phosphamid und Hydroxyrurea hin-

zugefügt. Bei der Nachkontrolle am 31. Oktober 1998 zeigte sich, daß bei 12 Prozent (47 Patienten) die Krank- heit stabil geblieben war, bei 52 Pro- zent (199 Patienten) war der Krebs je- doch vorangeschritten, 25 Prozent (97 Patienten) waren bereits daran verstorben. Aus diesen Verläufen schließen die Autoren, daß die Di- Bella-Multitherapie Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankun- gen keinen ausreichenden Nutzen bringt, um weitere klinische Studien damit durchzuführen. silk Italy Study Group for the Di Bella Multi- therapy Trials: Evaluation of an uncon- ventional cancer treatment (the Di Bella Multitherapy): results of phase II trials in Italy, Br Med J 1999; 318: 224–228.

Dr. Roberto Raschetti, Instituto Super- iore di Sanita, Department of Epide- miology and Biostatistics, Viale Regina Elena, 299 00161 Rom.

Di-Bella-Multitherapie gegen Krebs

in Phase-II-Studien in Italien erfolglos

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das Schnittstellenmanagement der rechtskreis- übergreifende Zusammenarbeit in Form von Jugendberufsagenturen muss verbindlich in den Sozialgesetzbüchern verankert werden sich

344 OR hält fest, dass sich bei einem Lehrvertrag der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin verpflichtet, die lernende Person für eine bestimmte Berufstätigkeit fachgemäss

Mythen und Märchen wollen jedoch nicht nur mitgeteilt, sondern über das lebendige Mitschwingen des Therapeuten in der Vielfalt der angesprochenen Gefühle erlebt werden.. Indem

Alle vier ExpertInnen sind sich einig, dass die Sozialpädagogik auch ihren Teil dazu beitragen kann, Jugendliche und junge Erwachsene vor dem Problem der Wett-

Untersuchte Zielgruppen der Studien waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.. Es wurden verschiedene

Die Evaluation des Case Managements Berufsbildung (Egger, Dreher & Partner 2015) stellt hingegen fest, dass die RAV und CM BB selten starke Partner seien. Wenige Personen, die bei

Alter mag es noch möglich sein, ohne finanzielle Bildung auszukommen, doch zeigt sich, dass wenn die Vermittlung dieser nicht bis zum Eintritt in die Oberstufe erfolgt, sie gar

Aus unterschiedlichen Perspektiven (Theorie, Adres- sat*innen und Expert*innen) wird aufgezeigt, welche Desiderata innerhalb der Sozialen Arbeit hinsichtlich der