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Archiv "Ayurveda – Traditionelle Indische Medizin: Mehr als ein Wellnesstrend" (13.09.2013)

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A 1678 Deutsches Ärzteblatt

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13. September 2013

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ie Traditionelle Indische Me- dizin (TIM), der Ayurveda, ist in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend bekanntgewor- den. Das Wort Ayurveda leitet sich aus der altindischen Sanskrit-Spra- che ab und bedeutet wörtlich „Das Wissen vom Leben“. Durch seine anfängliche Verbreitung im Bereich Wellness und Touristik vor allem seit den 1990er Jahren entstand irr- tümlicherweise der Eindruck, es würde sich bei Ayurveda vor allem um (kostspielige) manuelle Anwen- dungen, Stirngüsse und Ölmassa- gen handeln. Hingegen ist der Ayur- veda ein komplettes Diagnose- und Therapiesystem und verfügt über eine bemerkenswerte Fülle empiri- schen Heilwissens. Ayurveda ist in Südasien seit über 2 000 Jahren Volksmedizin und damit eines der ältesten naturheilkundlichen Syste- me der Menschheit.

„Das Wissen vom Leben“

In Indien und angrenzenden süd- asiatischen Staaten ist Ayurveda staatlich anerkannt, der konventio- nellen Medizin rechtlich gleichge- stellt und wird in einem Ballungs- raum mit mehr als 1,4 Milliarden Menschen als Breitenmedizin ange-

wendet. Analog zur Traditionellen Chinesischen Medizin ist Ayurveda von der Weltgesundheitsorganisati- on als medizinische Wissenschaft anerkannt. Die Bedeutung des Ayur- veda in der modernen indischen Gesundheitsversorgung spiegeln die folgenden Zahlen wider: Allein in

Indien sind mehr als 400 000 ayur- vedische Ärzte registriert, an mehr als 250 von der indischen Regie- rung anerkannten Universitäten und Fachhochschulen wird die ayurve- dische Medizin systematisch ge- lehrt, praktiziert und vom Staat ge- fördert.

In Deutschland und europaweit erlebt die Ayurveda-Medizin zur- zeit im Kontext von Naturheilkun- de und Komplementärmedizin ei- nen bemerkenswerten Boom, häufig auch in Verbindung mit anderen TIM-Systemen, wie Yoga und Me - ditationsverfahren. Die Nachfrage nach Ayurveda steigt kontinuierlich, insbesondere bei Patienten mit chro- nischen und lebensstil- oder stress - assoziierten Erkrankungen, die ge- nerell häufig Naturheilverfahren in Anspruch nehmen, sowie in der Prä- ventivmedizin – nicht zuletzt auch deshalb, weil TIM-Systeme in ihren therapeutischen Konzepten von prä- ventiven Grundprinzipien durch- wirkt sind. Ein Ende dieser Entwick- lung ist vorerst nicht abzusehen.

Inhaltlich ist dieser Prozess durch- aus mit der ersten großen Welle der Traditionellen Chinesischen Medizin in den 1980er Jahren zu vergleichen, in Form und Dynamik jedoch nur be- dingt: In der multimedialen Postmo- derne findet die kulturelle Transla - tion von Ayurveda in europäische Kontexte scheinbar deutlich zügiger statt. Im ärztlichen Alltag spiegelt sich dies wider in einer kaum noch zu überblickenden Anzahl medizini- scher Ayurveda-Angebote, ayurvedi- scher Konstitutionstypenbestimmun- gen nach Vata, Pitta und Kapha, 1. Prävention: Ursachenvermeidung und Patienten-

selbstwirksamkeit 2. „Ausgleichende“ Verfahren

Ernährungstherapie und Nahrungsergänzung

Ordnungstherapie

Phytotherapie 3. „Ausleitende“ Verfahren

Externe Ausleitung

− Manuelle Therapieverfahren

− Ölmassagen, Trockenabreibungen, Güsse − Diaphorese und Thermotherapie − Packungen

Interne Ausleitung (Pancakarma) − Therapeutisches Purgieren − Dekokteinläufe − Medizinierte Ölklistiere − Nasale Applikationen

− Blutentzug (vor allem Blutegel)

4. Psychotherapie, Yoga, Meditation, spirituelle Aspekte

THERAPIEMETHODEN

AYURVEDA – TRADITIONELLE INDISCHE MEDIZIN

Mehr als ein Wellnesstrend

Ayurveda ist in seinen Herangehensweisen durchdrungen von salutogenetischen Grundprinzipien und damit trotz seiner Jahrtausende alten Tradition hochmodern.

Fotos: Susanne Hartung

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Deutsches Ärzteblatt

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13. September 2013 A 1679 Ayurveda-Kuren sowie einer anstei-

genden Medienflut und einer steigen- den Patientennachfrage.

Im Zusammenhang mit dem Me- dizintourismus ist Ayurveda inzwi- schen von erheblicher Bedeutung.

Nicht wenige Ärzte werden damit konfrontiert, dass etwa Patienten von einer Indienreise mit umfangreichen ayurvedischen Therapien berichten.

Dies ist insofern problematisch, als Rezeption, Nutzung und Verbreitung von Ayurveda/TIM in Deutschland und Europa bisher fast gänzlich unre- guliert stattgefunden haben und nur peripher von Entscheidungsträgern in der medizinischen Versorgung wahr- genommen worden sind.

Wenn in kollegialen Gesprächen Ayurveda zur Sprache kommt, be- wegt man sich in einem Spannungs- feld aus Esoterik, Wellness, IGeL- Leistung auf der einen und Präventi- on, Medizingeschichte, Wissenschaft auf der anderen Seite. Dabei sind meist übertriebene Skepsis oder eu- phorische Erwartungshaltungen die Regel, selten jedoch medizinischer Realismus. Dass sich hinter Ayurve- da auch ein Jahrtausende altes Sys- tem der Gesundheitspflege und Be- handlung von Krankheiten mit Schwerpunkt auf Lebensstilmodifi- kation verbirgt, entdecken konven- tionelle Medizin und klinische Wis- senschaft nun in den letzten Jahren.

Dringend notwendige Evidenz Fragen zur Verortung, Definition, Indikation, Qualitätssicherung und guter ayurvedischer Praxis aus ärzt- licher Sicht sind für Patienten von zentraler Bedeutung. Eine For- schungsplattform der Stiftungspro- fessur für klinische Naturheilkunde der Charité − Universitätsmedizin Berlin und des Zentrums für Natur- heilkunde am Immanuel-Kranken- haus Berlin will deshalb Antworten hierauf aus europäischer Perspekti- ve formulieren und zur Verbindung von Wissenschaft, ärztlicher Praxis, gesundheitspolitischem Diskurs und ökonomischen Aspekten kon- struktiv beitragen. Hierzu findet zu- sätzlich zur deutschlandweiten For- schungsvernetzung auch ein direk- ter Austausch mit renommierten in- dischen Ayurveda-Universitäten, dem speziell für Ayurveda zuständi-

gen Department am indischen Ge- sundheitsministerium sowie innova- tiven Projekten, wie der unlängst initiierten wissenschaftlichen Online- Ayurveda-Datenbank DHARA, statt.

Schwerpunktthemen bilden eben- falls die Therapiesicherheit für Pa- tienten, insbesondere bei der kom-

plexen ayurvedischen Phytothera- pie, und die Professionalisierung der ärztlichen Ayurveda-Ausbildung hierzulande. Dies soll auch einen Grundstein für die seriöse Entwick- lung und ein besseres Verständnis ärztlich geführter Ayurveda-Medizin in Deutschland bilden. Beachtens- wert sind hierbei die Aktivitäten der Deutschen Ärztegesellschaft für Ayurveda-Medizin (DÄGAM).

Die Überprüfung von Ayurveda mittels EbM-Tools steckt trotz zahl- reicher experimenteller und zumeist kleinerer, präliminärer klinischer Studien noch in der Pionierphase.

Erste publizierte Daten sind jedoch vielversprechend, und zahlreiche wissenschaftliche Arbeitsgruppen sind derzeit weltweit aktiv, um durch vergleichende randomisierte Therapiestudien bei verbreiteten chronischen Erkrankungen für die dringend notwendige Evidenz zu sorgen. Problematisch sind hierbei aber die teilweise noch völlig unge- klärten rechtlichen Einstufungen zahlreicher wichtiger ayurvedischer Nahrungsmittel und Heilkräuter durch die europäischen und natio- nalen Behörden (EMA, BfArM).

Zudem gibt es weltweit kaum Studien, in denen die komplexen und polydimensionalen diagnosti- schen und therapeutischen Herange- hensweisen der Ayurveda-Medizin analysiert wurden. Für ein wissens- basiertes Ayurveda des 21. Jahrhun-

derts gilt es, diese wissenschaftliche Überprüfung nicht reduktionistisch anzugehen, sondern die therapeuti- sche Komplexität in der wissen- schaftlichen Überprüfung zu bewah- ren; auch ein traditionelles Medizin- system wie Ayurveda, das sein Wis- sen während der vergangenen 2 000 Jahre vor allem aus Erfahrungswer- ten generiert und legitimiert hat, sollte und muss sich wissenschafts- basiert weiterentwickeln.

Individuumbezogene Therapie Ayurveda ist in seinen Herange- hensweisen durchdrungen von salu- togenetischen Grundprinzipien und damit trotz seiner uralten Tradition erstaunlich modern: Primär-, Se- kundär- und Tertiärprävention, so- wie Patienten-Empowerment und -Selbstwirksamkeit spielen ent- scheidende Rollen. Ayurveda ver- fügt darüber hinaus über stark indi- viduumbezogene Therapieansätze, die im Sinne integrativer Herange- hensweisen möglicherweise auch sinnvoll in westliche Gesundheits-

systeme eingebaut werden könnten.

Vor allem aber erscheint es wichtig, Ärzten hierzulande zu vermitteln, dass wirksame Ayurveda-Medizin nur sehr wenig mit der Wellness- Behandlung zu tun hat, die einem beim nächsten Hotelaufenthalt an-

geboten wird.

Dr. med. Christian S. Keßler, Prof. Dr. med. Andreas Michalsen Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité – Universitäts - medizin Berlin und Abteilung für Naturheilkunde, Klinik für Innere Medizin, Immanuel Krankenhaus Berlin

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3713 Pindas-Kräuter-

säckchen (oben) werden zur Massage eingesetzt.

Gewürze (unten) spielen im Ayurveda eine wichtige Rolle.

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LITERATURVERZEICHNISS HEFT37/2013, ZU:

AYURVEDA – TRADITIONELLE INDISCHE MEDIZIN

Mehr als nur ein Wellnesstrend

Ayurveda ist in seinen Herangehensweisen durchdrungen von salutogenetischen Grundprinzipien und damit trotz seiner Jahrtausende alten Tradition hochmodern.

LITERATUR

1. Association of Ayurvedic Physicians of India (AAPI). Homepage: http://aapiindia.org, 2013.

2. Central Council for Research in Ayurvedic Science, Department of AYUSH, Ministry of Health and Family Welfare, Govt. of India.

Homepage. www.ccras.nic.in. 2013.

3. Charité Hochschulambulanz für Naturheil- kunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin.

Homepage: www.naturheilkunde.immanu el.de, 2013.

4. Deutsche Ärztegesellschaft für Ayurveda- Medizin e.V. (DÄGAM). Homepage: www.

daegam.de, 2013.

5. Digital Helpline for Ayurveda Research Ar- ticles (DHARA). Homepage: www.dharaon line.org, 2013.

6. Follath E, Rao P: Indien. Zwischen Gandhi und Gates. In: Der Spiegel. 34; 2012, www.spiegel.de/spiegel/

print/d-87818614.html

7. Furst DE, Venkatraman MM, McGann M, Manohar PR, Booth-LaForce C, Sarin R, Sekar PG, Raveendran KG, Mahapatra A, Gopinath J, Kumar PR: Double-blind, ran- domized, controlled, pilot study comparing classic ayurvedic medicine, methotrexate,

and their combination in rheumatoid ar- thritis. J Clin Rheumatol.

2011;17(4):185–92.

8. Kessler C: Wirksamkeit von Ayurveda bei chronischen Erkrankungen. Systematische Analysen klinischer Ayurveda-Studien.

Essen: KVC-Verlag, 2007.

9. Kessler C, Michalsen A: The role of whole medical systems in global medicine.

Forsch Komplementmed 2012; 19: 65–6.

10. Kirschner M, Schwertfeger B: Der Ayurveda- Boom. Köln: Vgs-Verlagsgesellschaft, 2004.

11. Stollberg G, Frank R: Conceptualising Hybridisation—on the Diffusion of Asian Medical Knowledge to Germany. In:

International Sociology 2004; 19: 71–88.

12. Witt CM, Michalsen A, Roll S, Morandi A, Gupta S, Rosenberg M, Kronpaß L, Stapel- feldt E, Hissar S, Müller M, Kessler C:

Comparative effectiveness of a complex Ayurvedic treatment and conventional standard care in osteoarthritis of the knee – study protocol for a randomized control- led trial.Trials. 2013;14(1):149. (Epub ahead of print)

13. World Health Organization: Traditional Medicine. 2003; Report by the Secretariat.

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Referenzen

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