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Academic year: 2022

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I Forschung in Freiheit und Risiko

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II

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III

Forschung

in Freiheit und Risiko

herausgegeben von

Gabriele Britz

Mohr Siebeck

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IV

Gabriele Britz, geboren 1968; seit 2001 Professorin für Öffentliches Recht und Europa- recht in Gießen; seit 2011 Richterin des Bundesverfassungsgerichts.

ISBN 978-3-16-151726-6

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.

d-nb.de abrufbar.

© 2012 Mohr Siebeck Tübingen.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset- zungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni- schen Systemen.

Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Sabon Antiqua gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier ge- druckt und gebunden.

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V

Vorwort

„Forschung in Freiheit und Risiko“: Dafür war Brun-Otto Bryde zuletzt in seinen zehn Karlsruher Jahren als Berichterstatter für Hochschulrecht und Wissenschaftsfreiheit zuständig. Es steht zugleich für sein eigenes wissen- schaftliches Schaffen.

Im Februar diesen Jahres ist Brun-Otto Bryde vom Bundesverfassungs- gericht in die Gießener Freiheit der Wissenschaft zurückgekehrt. Im April erlangte er durch Entpflichtung vollständige wissenschaftliche Ungebunden- heit.

Brun-Otto Bryde zu Ehren haben die Gießener Professorinnen und Profes- soren für Öffentliches Recht im Juni 2011 mit ihm und einem kleinen Kreis seiner wissenschaftlichen Weggefährten verschiedene Aspekte von Wissen- schaftsfreiheit diskutiert. Die Referate sind im vorliegenden Band dokumen- tiert.

Der Erwin-Stein-Stiftung sei für die Unterstützung von Workshop und Publikation herzlich gedankt.

Gießen, September 2011 Im Namen der Gießener „Sparte“

Öffentliches Recht

Gabriele Britz

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VI

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VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . V Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

Wissenschaftsfreiheit in der Informationsgesellschaft

Michael Bäuerle . . . 1 Wissenschaftsfreiheit und Rundfunkfreiheit

Grundrechte mit spezifischem Organisationsgehalt im Vergleich

Martin Eifert . . . 17 Wagnisse moderner Hochschulverfassung

Gabriele Britz . . . 31 Grundrechtlicher Schutz riskanter Forschung?

Grundrechtsdogmatische Lehren aus der Gentechnik-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Franz Reimer . . . 47 Freiheit und Grenzen der Weltraumforschung

Mahulena Hofmann . . . 71 Forschung und Forschungsförderung durch internationale

Organisationen

Eine Skizze aus völkerrechtlicher Perspektive

Thilo Marauhn . . . 79 Verfassungsberatung in Afrika als Grenzgang zwischen

Entwicklungszusammenarbeit und rechtswissenschaftlicher Forschung

Philipp Dann . . . 95 Schlusswort

Brun-Otto Bryde . . . 109 Autorenverzeichnis . . . 115 Sachverzeichnis . . . 117

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VIII

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1

Open Access

zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

Wissenschaftsfreiheit in der Informationsgesellschaft1 Michael Bäuerle

I. Einleitung: „Open Access“ als Idee für die Wissenschaft II. Hintergründe der „Open Access“-Forderung

1. Mehrfachsubventionierung wissenschaftlicher Publikationen 2. Rechtliche und wissenschaftsinterne Rahmenbedingungen 3. „Open Access“ als effiziente Alternative zum Verlagswesen III. „Open Access“ als Problem der Wissenschaftsfreiheit

1. Die Öffentlichkeit von Wissenschaft als Argument für „Open Access“

2. Die Publikationsfreiheit als abwehrrechtliches Argument 3. Publikationsfreiheit zwischen Abwehrrecht und Ausgestaltung VI. Schluss

I. Einleitung:

„Open Access“ als Idee für die Wissenschaft

Unter dem Stichwort „Open Access“ werden Bestrebungen zusammengefasst, wissenschaftliche Literatur und Forschungsergebnisse über das Internet kos- tenfrei öffentlich zugänglich zu machen. Die Idee entstand zeitgleich mit der Ausbreitung des Internet2 unter amerikanischen Physikern,3 die 1991 den Ser-

1 Geringfügig erweiterte und veränderte Fassung des am 10.06.2011 auf dem Workshop zu Ehren Brun-Otto Brydes gehaltenen Vortrags.

2 Das als „Ausgliederung“ des militärischen Arpanet zunächst vor allem von US-Wis- senschaftlern genutzt wurde, vgl. dazu Gralf-Peter Calliess, Globale Kommunikation – staatenloses Recht, in: Michael Anderheiden/Stefan Huster/Stephan Kirste (Hrsg.), Globa- lisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts, Stuttgart 2001, S.61, 66 f.

3 Initiator war Paul Ginsparg, weitere führende Akteure des Open-Access-Kon- zepts sind der Philosoph Peter Suber vom Earlham College in Richmond/Indiana, der für die Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition (SPARC) einen Newslet- ter heraus gibt, sowie der ungarische Kognitionswissenschaftler Stevan Harnad, der u. a.

das Cognitive Sciences Eprint Archive (Cogprints) betreibt; vgl. dazu und zur Geschichte der Open-Access-Bewegung im Übrigen http://open-access.net/de/allgemeines/was_be deutet_open_access/geschichte/; Uwe Müller, Open Access. Eine Bestandsaufnahme, 2007,

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2

ver ArXiv am Los Alamos National Laboratory einrichteten und in Betrieb nahmen, um Preprints in der Physik frei verfügbar zu machen. Von die- sem bis heute betriebenen Server können inzwischen über 600.000 wissen- schaftliche Arbeiten frei abgerufen werden.4 In der Folge hat sich interna- tional eine regelrechte Bewegung entwickelt, die dieses Modell zum Stan- dard für die Veröffentlichung von hochschulischen Forschungsergebnissen machen möchte.5 Wissenschaftliche Literatur soll danach nicht nur online öffentlich zugänglich sein, sie soll auch ohne gesetzliche oder technische Hindernisse heruntergeladen, bearbeitet, verteilt und sonst genutzt werden können. Die einzigen Einschränkungen sollen in Barrieren und Kosten des Internetzugangs selbst bestehen dürfen, sowie dem Recht des Autors, die Kontrolle über sein Werk zu behalten, d. h. vor allem als Autor anerkannt und genannt zu werden. In diesem Sinne wurde das Konzept von der „Buda- pester Open Access Initiative“6 formuliert und in die sog. „Berliner Erklä- rung“,7 die 2003 auf einer Tagung der Max-Planck-Gesellschaft beschlos- sen wurde und eine Art Verfassung der „Open-Access“-Bewegung darstellt, übernommen.8

In der Bundesrepublik löste das Konzept alsbald eine kontroverse Diskus- sion aus.9 Auf der einen Seite wurde es als Chance zu egalitärer Teilhabe am

http://edoc.hu-berlin.de/oa/reports/reIUJclf5AqCg/PDF/27Tgwc6ZnIrk.pdf, m. w. N. (je- weils 12.08.2011).

4 http://arxiv.org/ (12.08.2011).

5 Vgl. die Nachweise in Fn.1 sowie Margo Bargheer/Saskia Bellem/Birgit Schmidt, Open Access und Institutional Repositories – Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Gerald Spindler (Hrsg.), Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access-Publikationen, Göt- tingen 2006, S.1 ff., 3 ff.

6 Vgl. m. w. N. Müller (Fn.3), S.1.

7 „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“, http://oa.mpg.de/lang/de/berlin-prozess/berliner-erklarung/ (12.08.2011).

8 Die Unterzeichner verpflichten sich, die Weiterentwicklung des Open-Access-Ge- dankens zu unterstützen, indem sie u. a. Forscherinnen und Forscher darin bestärken, ihre Ergebnisse open access zu veröffentlichen; Unterzeichner sind neben der Max-Planck-Ge- sellschaft (MPG) die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der Wissenschaftsrat, die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die Leibniz-Gemeinschaft, die Helmholtz-Gemein- schaft und die Fraunhofer-Gesellschaft, vgl. auch die Liste aller Unterzeichner unter http://

oa.mpg.de/lang/de/berlin-prozess/signatoren/ (12.08.2011).

9 Vgl. die kondensierte Fassung der Debatte von Christiane Aschenfeldt/Roland Ho- nekamp (Pro) und Christian Russ (Contra), Freier Zugriff auf wissenschaftliche Beiträge?, ZRP 2004, 247; Roger Cloes/Christoph Schappert, Das Für und Wider der urheberrecht- lichen Diskussion im Zusammenhang mit dem „Heidelberger Appell“, Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Info-Brief (Ausarbeitung WD 10 – 3000 – 068/09), 2009, www.

bundestag.de/dokumente/analysen/2009/heidelbergerappell.pdf (11.8.2011); aus dem Feuilleton: Christoph Drösser, Das Denken ist frei, DIE ZEIT, 08.04.2009 Nr.16, www.

zeit.de/2009/16/C-digitales-Publizieren (16.05.2011); Benjamin Lahusen, Ein Schutzschirm für die Kreativen, FAZ.NET, 19.05.2009, www.faz.net/-01tofe (16.05.2011).

Michael Bäuerle

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3 Weltwissen und zur Neuordnung des Publikationswesens begrüßt,10 auf der anderen Seite als Angriff auf Urheberrechte und wissenschaftliche Publika- tionsfreiheit kritisiert.11

Auf der übergreifenden Ebene bewegt sich das „Open Access“-Konzept in der Tat in dem Spannungsfeld von Wissen als individuellem geistigem Eigen- tum einerseits und kulturellem Gemeingut andererseits.12 Im Internet werden wissenschaftliche Texte – wie alle anderen Informationen – zu beliebig repro- duzierbaren öffentlichen Gütern.13 „Open Access“ ist also der faktischen Un- regulierbarkeit des Internet – Brun-Otto Bryde spricht pointiert von dessen anarchischem Charakter14 – in all seiner Ambivalenz ausgesetzt. Im positiven Sinne kann es etwa als Beitrag zu globalen Demokratie- und Entwicklungs- anliegen verstanden werden, die durch die Freiheit des Netzes befördert wer- den, im negativen Sinne als Plattform für die illegitime Aneignung fremder Schöpfungen, die infolge der anarchischen Strukturen nicht verhindert wer- den kann.

Die deutsche Diskussion um „Open Access“ findet indessen überwiegend auf einer konkreteren Ebene statt;15 in erster Linie geht es ihr um die bisheri- gen Strukturen des wissenschaftlichen Publikationswesens und deren recht- liche Grundlagen. In der Debatte spielt neben urheberrechtlichen Fragen das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit eine wichtige Rolle. Als Konzept für den Zugang der Öffentlichkeit zur Wissenschaft betrifft „Open Access“ tat- sächlich einen zentralen Bestandteil freier Wissenschaft; definiert man diese

10 Umfassend und unter Entfaltung eines Konzepts der „Wissensökologie“ Rainer Kuh- len, Erfolgreiches Scheitern – eine Götterdämmerung des Urheberrechts?, 2008, S.425 ff., 453 ff.; ferner Thomas Pflüger/Dietmar Ertmann, E-Publishing und Open Access – Kon- sequenzen für das Urheberrecht im Hochschulbereich, ZUM 2004, 436 ff.; Reto M. Hilty, Das Urheberrecht und der Wissenschaftler, GRUR Int. 2006, 179 ff.

11 Georg Siebeck, Freibier für die Wissenschaft?, Börsenblatt 43-2004, 11 sowie die Bei- träge in Roland Reuß/Volker Rieble (Hrsg.), Autorschaft in digitaler Zeit, 2009; ferner Gerd Hansen, Zugang zu wissenschaftlicher Information – alternative urheberrechtliche Ansätze, GRUR Int. 2005, 378 ff.

12 Vgl. zur jüngeren Debatte um Gemeingüter (Commons) die Beiträge in Silke Helfrich (Hrsg.), Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter, 2009; Peter Bar- nes, Kapitalismus 3.0. Ein Leitfaden zur Wiederaneignung der Gemeinschaftsgüter, 2008, insbes. S.150 ff. (zu Wissenschaft und Kunst).

13 Susanne Baer, Braucht das Grundgesetz ein Update?, Blätter für deutsche und inter- nationale Politik 1/2011, 90 m. w. N.

14 „Demokratie ist nie garantiert“, Interview in „Die Tageszeitung“ vom 18.02.2011, dieser Charakter erlaube Information und Kommunikation, die sich weitgehend staatlicher Kontrolle entziehe, was nicht nur in Diktaturen ein großer Vorteil sei; ungeklärt sei, wie sich dieses Potential erhalten lasse und der demokratische Gesetzgeber seine Gesetze auch im Netz durchsetzen könne.

15 Anders Kuhlen (Fn.10), bei dem diese übergreifenden Aspekte deutlich mitschwin- gen. Vgl. auch die perspektivische Betrachtung für den juristischen Bereich von Florian Knauer, Neue juristische Publikationsformate im Internet – Stand, Perspektiven und Aus- wirkungen von Open Access, Wikis, Blogs, Twittern und Podcasts, NJOZ 2009, 3004 ff.

Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

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als stets unabgeschlossenen kommunikativen Prozess, muss Öffentlichkeit eines ihrer konstituierenden Elemente sein.16 Die Wissenschaftsfreiheit hat sich durch Bundesverfassungsgericht und Literatur zu einem dogmatisch ausdifferenzierten Grundrecht entwickelt.17 Referenzgebiete waren dabei vor allem die Organisation der universitären Selbstverwaltung und die Grenzen, die sich aus Lebensschutz und Menschenwürde für die Naturwissenschaften ergeben.18 Als weniger beleuchtet erweisen sich die durch „Open Access“ auf- geworfenen Fragen der Publikationsfreiheit und ihrer Grenzen.19 Vor diesem Hintergrund bemühen sowohl die Gegner als auch die Befürworter eines un- gehinderten online-Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen Art.5 III GG für ihre Positionen.20 Das „Open-Access“-Konzept bietet insoweit Ge- legenheit, sich der Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit anhand dieses neuen Gebiets zu vergewissern. Zu diesem Zweck werden im Folgenden zunächst die faktischen und rechtlichen Hintergründe der „Open Access“-Forderun- gen dargestellt (II.), um diese sodann am Grundrecht der Wissenschaftsfrei- heit zu messen (III).

II. Hintergründe der „Open Access“-Forderung

Der Grundgedanke des „Open Access“-Konzepts in Bezug auf wissenschaft- liche Publikationen basiert in erster Linie auf ökonomischen Gesichtspunk- ten und hat als solcher eine hohe Plausibilität:

16 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Wissenschaft – Öffentlichkeit – Recht, in: Horst Dreier (Hrsg.), Rechts- und staatstheoretische Schlüsselbegriffe: Legitimität – Repräsen- tation – Freiheit, Symposion für Hasso Hofmann zum 70.Geburtstag, 2005, S.67 ff.; In- golf Pernice, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd.I, 2.Aufl. 2004, Art.5 III, Rn.28, Matthias Ruffert, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), 142, 184 ff.

17 Vgl. die Übersichten über den Diskussionsstand bei Michael Fehling, in: Rudolf Dolzer/Klaus Vogel/Karin Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd.1, Art.5 Abs.3 (110. Lfg., März 2004), Rn.18 ff.; Martin Schulte, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), 110, 119 ff., jeweils m. w. N.

18 Vgl. etwa BVerfGE 35, 79 ff.; 111, 333 ff.; BVerfG, Urt. v. 24.11.2010 – 1 BvF 2/05; Per- nice (Fn.16), Rn.46–48 sowie die entsprechende Schwerpunktsetzung bei Herbert Bethge, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5.Aufl. 2009, Art.5, Rn.200 ff.

19 Vgl. aber zur inhaltlichen Seite ausführlich schon Otto Kimminich, Das Veröffent- lichungsrecht des Wissenschaftlers, WissR 1985, 116 ff.

20 Vgl. Eric W. Steinhauer, Das Recht auf Sichtbarkeit. Überlegungen zu Open Access und Wissenschaftsfreiheit, 2010, S.9.

Michael Bäuerle

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5 1. Mehrfachsubventionierung wissenschaftlicher

Publikationen

Hochschulische Forschung – so die Argumentation – beruht regelmäßig auf Personal- und Sachmitteln der öffentlichen Hand. Das impliziert, ihre Ergeb- nisse öffentlich unbeschränkt zugänglich zu machen. Auf den ersten Blick geschieht das ja auch, weil die Hochschulbibliotheken allen Forschern und der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stehen. In die Bibliotheken ge- langen die Forschungsergebnisse jedoch regelmäßig auf dem Umweg über Verlage.21 Diese lassen sich die Verwertungsrechte vom Hochschulpersonal übertragen. Sie erwarten zudem eine redaktionelle Aufbereitung nach eige- nen Vorgaben und vom Autor oft einen erheblichen finanziellen Beitrag zur Veröffentlichung. Im Ergebnis ist somit der öffentliche Zugang zu den For- schungsergebnissen gleich mehrfach staatlich subventioniert. Die öffentliche Hand bezahlt die Entstehung der Forschung und ihre verlagsgerechte Auf- bereitung. Sie fördert die Veröffentlichung eventuell durch Druckkostenzu- schüsse und muss schließlich über den Bibliotheksetat noch einmal beträcht- liche Mittel aufwenden, um das fertige Werk wieder einzukaufen. Und auch peer-review-Verfahren werden – soweit angewandt – regelmäßig ehrenamt- lich durch Hochschulpersonal geleistet.22

Diese Struktur zu durchbrechen, ist das zentrale Anliegen der „Open Ac- cess“-Bewegung. Befördert wurde es durch die sog. Zeitschriftenkrise. Die Preise für wissenschaftliche Zeitschriften stiegen seit Anfang der 90er Jahre vor allem in den Naturwissenschaften stark an. Gleichzeitig sahen sich die Universitätsbibliotheken mit bestenfalls stagnierenden Haushalten konfron- tiert, mussten also die Beschaffung einschränken, wodurch die Preise weiter stiegen.23 Im Ergebnis konnten Bibliotheken oft die Forschungsergebnisse der eigenen Wissenschaftler nicht mehr zur Verfügung stellen. An dieser Struk- tur hat sich auch dadurch nichts geändert, dass die meisten Wissenschafts- verlage inzwischen zusätzlich Online-Angebote bereit halten, da sich deren Wertschöpfungskette nicht wesentlich anders darstellt, als bei den Print-An- geboten.24

21 Vgl. Hilty (Fn.10), S.179, 182; Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 439 f.; Cloes/Schap- pert (Fn.9), S.15 f.; Jörn Heckmann/Marc Philipp Weber, Open Access in der Informa- tionsgesellschaft – §38 UrhG de lege lata, GRUR Int. 2006, 995, 1000.

22 Auch dazu Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 439 f.; Cloes/Schappert (Fn.9), S.15 f.

23 Vgl. zur Wertschöpfungskette die Zahlen bei Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 437.

24 Zur Frage, ob Printpublikationen vom Verlag ohne zusätzliche Zustimmung des Ur- hebers in online-Angebote übernommen werden dürfen OLG Hamm, Urt. v. 26.02.2008, Az. I-4 U 157/07, JurPC 2008, Web-Dok. 64/2008.

Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

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2. Rechtliche und wissenschaftsinterne Rahmenbedingungen Entwickeln konnten sich diese Strukturen in den Zeiten von Papier und Schreibmaschine, in denen wissenschaftliche Publikationen mangels techni- scher Alternative auf das Verlagswesen angewiesen waren. In Zeiten von PC und Internet ist der Umweg über die Verlage faktisch nicht mehr zwingend;

und er war und ist es auch rechtlich nicht:

Nach dem Urheberrechtsgesetz ist eine online-Veröffentlichung im Sinne von „Open Access“ durchaus möglich, wenn die Beteiligten das Konzept frei- willig verwirklichen.25 Für eine „Open Access“-Publikation reicht es aller- dings nicht, ein Werk einfach als PDF-Datei ins Netz zu stellen. Der Urheber muss vielmehr der Internetöffentlichkeit die von „Open Access“ geforderten Nutzungsrechte ausdrücklich einräumen. Die geht etwa mit einer sog. „Crea- tive-Commons“-Lizenz, die nur das Recht vorbehält, als Urheber anerkannt und zitiert zu werden.26 Geschieht das nicht, ist die Nutzung eines wissen- schaftlichen Werks – egal ob on- oder offline – nur im Rahmen der Schran- ken des Urheberrechts erlaubt. Zwar gibt es im UrhG bekanntlich Ausnah- metatbestände für Bibliotheken, Forschung und Lehre (§§52 a, bff. UrhG).

Diese sind jedoch sehr begrenzt und z.T. vergütungspflichtig, also von „Open Access“ weit entfernt.27 Der Urheber selbst kann sein Werk zudem nur dann

„open access“ zugänglich machen, wenn er die ausschließlichen Verwertungs- rechte nicht auf einen Verlag übertragen hat. Eine solche Übertragung dürfte beim größten Teil der existierenden wissenschaftlichen Literatur gegeben sein. „Open Access“ scheidet also hier aus vertragsrechtlichen Gründen aus, solange die Verlage nicht zustimmen. Und für neue Werke bleibt den Verlagen weiterhin die rechtliche Möglichkeit, die ausschließlichen Verwertungsrechte zur vertraglichen Bedingung für eine Veröffentlichung zu machen.28

Das Urheberrecht würde also nicht im Wege stehen, wenn sich „Open Access“ über die wissenschaftliche Selbstregulierung als freiwilliges Mo- dell durchsetzte. Dafür gäbe es immerhin den Anreiz, dass diese Veröffent- lichungsform für den Wissenschaftler meist günstiger ist, als eine teure Ver-

25 Entsprechendes gilt für das übrige europäische und das US-amerikanische Urheber- recht. Die Primärveröffentlichung in einem Open-Access-Medium wird in der Diskussion

„goldener Weg“ bezeichnet. Erfolgt die Open-Access-Publikation parallel zu einer Verlags- veröffentlichung, ist vom „grünen Weg“ die Rede, vgl. zum Zweitveröffentlichungsrecht sogleich unter 3.

26 Vgl. Steinhauer (Fn.20), S.9 sowie http://de.creativecommons.org (12.08.2011).

27 Vgl. die entsprechende Kritik in der vom Bundesrat im Nachgang zum Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. I, 2513) – „Zweiter Korb“ – gefassten Entschließung (BR-Drucks. 582/07) so- wie in der Beschlussempfehlung des BT-Rechtsausschusses vom 04.07.2007 (BT-Drucks.

16/5939); zum Ganzen auch Gunda Dreyer, in: Gunda Dreyer/Jost Kotthoff/Astrid Meckel (Hrsg.), Urheberrecht, 2.Aufl. 2009, Einleitung, Rn.64 ff.

28 Vgl. §§31, 37, 38 UrhG.

Michael Bäuerle

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7 lagspublikation. Die stärkeren Gegenkräfte liegen jedoch in den tradierten wissenschaftsinternen Bewertungsmustern. Die Veröffentlichung in be- stimmten Zeitschriften, Buchreihen oder Verlagen ist nach wie vor maßgeb- lich für die wissenschaftliche Reputation eines Autors bzw. bestimmt in den Naturwissenschaften den „Impact“ der Forschungsergebnisse.29 Zudem hat der publizierende Wissenschaftler an Einsparungen im Bibliotheksetat seiner Hochschule zumeist kein unmittelbares Eigeninteresse, so dass darüber auch kein zusätzlicher Anreiz entsteht, „open acccess“ zu publizieren. Da sich ein grundlegender Wandel dieser Strukturen nicht abzeichnet, wird es „Open Access“ auf rein freiwilliger Basis in absehbarer Zeit kaum flächendeckend geben.30

3. „Open Access“ als effiziente Alternative zum Verlagswesen Das „Open Access“-Konzept ist somit eine Alternative zum klassischen Ver- lagswesen, das die Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Verbreitung von Forschungsergebnissen reduzieren soll. Das erklärt auch, warum sich das Konzept nur auf hochschulische und nicht auf Forschungsergebnisse von Privatunternehmen bezieht.

Gleichwohl steht auch „Open Access“ in dem Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, das für die Wissenschaftsfreiheit inzwischen typisch geworden ist.31 Wie in der Industrie- und Drittmittelforschung,32 dem Patent- und dem Arbeitnehmererfindungsrecht,33 geht es um einen Ausgleich zwischen ökonomischen Interessen einerseits und den Interessen der Wissenschaft andererseits. Im Unterschied zu diesen Bereichen sind die ökonomischen Interessen bei „Open Access“ jedoch nicht darauf gerichtet, Forschungsergebnisse temporär oder dauerhaft geheim zu halten, um sie exklusiv wirtschaftlich nutzen oder wirtschaftliche Einbußen abwenden zu

29 Vgl. dazu ausführlich Gerhard Fröhlich, Die Wissenschaftstheorie fordert OPEN ACCESS, Information, Wissenschaft & Praxis 2009, 253 ff., ferner Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 437.

30 In dieser Richtung auch Steinhauer (Fn.20), S.16: „Wissenschaftliches Publizieren ist nämlich (…) in ziemlich fest gefügte Strukturen eingebettet, (…), die die Rede von einer freien Entscheidung für oder gegen Open Access in praxi zu einer Illusion werden lassen.“

(Hervorhebung im Original).

31 Vgl. Schulte (Fn.17), S.110, 130 ff.; Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 69 f.

32 Vgl. etwa zur Industrieforschung Ruffert (Fn.16), S.142, 158 ff., Ralf Kleindiek, Wissenschaft und Freiheit in der Risikogesellschaft, 1998, S.88 ff., 318 ff.; zur Dritt- mittelforschung etwa Reinhard Hendler, Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung, VVDStRL 65 (2006), 238, 254 ff. jeweils m. w. N.

33 Zum Patentrecht ausführlich Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 90 ff. m. w. N.; zum Wegfall des Hochschullehrerprivilegs im Arbeitnehmererfindungsrecht Ute Mager, Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung, VVDStRL 65 (2006), 274, 278 f.; BVerfG, Beschl. v. 12.03.2004 – 1 BvL 7/03.

Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

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können.34 Die privaten wirtschaftlichen Interessen liegen bei „Open Access“

vielmehr gerade in der Veröffentlichung selbst. Auch ohne „Open Access“ be- steht ja derzeit kein Mangel an veröffentlichten hochschulischen Forschungs- ergebnissen. Kaum ein Hochschulforscher entzieht sich der Devise „Publish or Perish“. Das Problem liegt – zumindest im juristischen Bereich – eher um- gekehrt in der kaum zu bewältigenden Masse der Veröffentlichungen. Der Gegensatz zwischen „Open Access“ und dem Verlagswesen besteht daher – überspitzt formuliert – alleine in der Frage, ob an dem Prozess der Veröf- fentlichung wissenschaftsextern mitverdient werden kann, und zwar zu Las- ten eines kostenfreien öffentlichen Zugangs über Bibliotheken. In Zeiten des Papiers als zentralem Veröffentlichungsmedium war diese Frage zugunsten der Verlage faktisch vorentschieden. In Zeiten des Internet tut sich nun eine effizientere Alternative auf.

Die Hauptakteure in der Debatte um „Open Access“ waren lange Zeit ent- lang dieses Gegensatzes aufgestellt: Zu den Befürwortern zählten seit Anfang der 2000er Jahre die sechs großen Wissenschaftsorganisationen, der Wissen- schaftsrat, die Rektorenkonferenz und viele Universitäten.35 Sie haben sich 2004 mit weiteren Institutionen und Fachverbänden zu einem sog. Aktions- bündnis zusammengeschlossen, um dem Konzept zum Durchbruch zu ver- helfen.36 Gegenspieler waren – wenig überraschend – der Börsenverein des deutschen Buchhandels und die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Ver- leger.37 Das durchaus rentable Geschäftsmodell der Wissenschaftsverlage38 wäre in der Tat gefährdet, wenn etwa all das, was man in der Rechtswissen- schaft bislang in den großen Kommentarwerken findet, gemäß den „Open Access“-Visionen im Netz kostenlos verfügbar wäre und beliebig genutzt und verbreitet werden könnte.

Das Aktionsbündnis für „Open Access“ stellt im Gegensatz zu einer solchen Vision allerdings recht moderate rechtspolitische Forderungen auf:

Es soll zunächst eine vereinheitlichte und deutlich erweiterte Bereichsaus- nahme für die wissenschaftliche Nutzung des vorhandenen geschützten Ma- terials geschaffen werden. Zudem sollen die Urheber von wissenschaftlichen Werken, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert sind, ein Zweit- veröffentlichungsrecht erhalten. Dieses Recht soll in Verlagsverträgen nicht

34 Dazu prägnant Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 68 ff.

35 Vgl. http://oa.mpg.de/lang/de/berlin-prozess/signatoren/ (12.08.2011).

36 Siehe www.urheberrechtsbuendnis.de/(12.08.2011).

37 Vgl. etwa www.boersenverein.de/portal/Hauptversammlung/186854/Jahresbe- richt_2010_2011-1.pdf., S.10 ff. sowie die „Gemeinsame Charta“ des Börsenvereins und der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger unter www.bibliotheksverband.de/

fileadmin/user_upload/Charta-UrhG.pdf (12.08.2011).

38 Vgl. auch dazu die Zahlen bei Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 437.

Michael Bäuerle

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9 mehr – wie bisher – abdingbar sein. Allerdings soll es mit einer Karenzfrist versehen sein und nicht für Monographien gelten.39

Gelegenheit, diese Forderungen geltend zu machen, gibt es derzeit sowohl bei der EU als auch beim deutschen Gesetzgeber: Im Bundestag laufen Bera- tungen über den sog. Dritten Korb zum Urheberrecht an, der Änderungen für den Bereich Wissenschaft vorsehen soll;40 die EU hat Änderungen ihrer Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft aus 200141 in Aussicht gestellt, die ebenfalls eine ungehinderte öffentliche Verbreitung von Wissenschafts- und Unterrichtsmaterialien fördern sollen.42

In der Debatte finden sich auch weniger zurückhaltende Positionen als die des Aktionsbündnisses. Gefordert wird etwa eine „Open Access“-Publika- tionspflicht für öffentlich bezahlte Forscher;43 andere Stimmen ordnen das Urheberrecht an deren Werken schon de lege lata den Hochschulen zu (sog.

institutionelles Mandat an Dienstwerken), die es für „Open Access“-Publika- tionen nutzen könnten.44 Wieder andere leiten aus dem Dienstverhältnis des

39 Vgl. die gemeinsame Stellungnahme der Wissenschaftsorganisationen „Neurege- lung des Urheberrechts: Anliegen und Desiderata für einen Dritten Korb“ vom 09.07.2010, www.mpg.de/18018/Urheberrecht/ sowie www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemittei lung0610.html.de (12.08.2011).

40 Vgl. die Informationen unter www.bundestag.de/internetenquete/ (12.08.2011); ein Zwischenbericht mit Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Internet und di- gitale Gesellschaft“ zum Urheberrecht ist für September 2011 angekündigt.

41 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. L 167 v. 22.06.2001, S.10 ff.

42 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch „Urheberrechte in der wissensbestimmten Gesellschaft“, 2008, http://ec.europa.eu/internal_market/copy right/docs/copyright-infso/greenpaper_de.pdf (12.08.2011).

43 Götz von Stumpfeldt, Beitrag zur Paneldiskussion „Auf der Suche nach einer nach- haltigen Politik zum Schutz des geistigen Eigentums“ im Rahmen der Konferenz „Die Zu- kunft der Globalen Güter in der Wissensgesellschaften“ der Heinrich-Böll-Stiftung am 8.11.2002, dokumentiert unter www.boell.de/downloads/bildungskultur/globale_gue ter.pdf, S.104 f.; vgl. auch die in Richtung Publikationspflicht weisenden Überlegun- gen von Hans-Heinrich Trute, Stichwort: Wissenschaftsfreiheit, in: Werner Heun/Mar- tin Honecker/Martin Morlok/Joachim Wieland (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon – Neuausgabe, 2006, Sp. 2760, 2762.

44 Dies jüngst mit Blick auf die dienstrechtlichen Änderungen durch die W-Besoldung erwägend Steinhauer (Fn.20), S.71 ff. m. w. N.; aus der älteren Diskussion Manfred Reh- binder, Zu den Nutzungsrechten an Werken von Hochschulangehörigen, in: Hans Forkel/

Alfons Kraft (Hrsg), Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihren schöpferischen Leis- tungen, Festschrift für Heinrich Hubmann zum 70.Geburtstag, 1985, S.359 ff.; dagegen die ganz h. M., vgl. statt vieler Birgit Homma/Hans Ullrich, Urheber-, Patent- und Arbeit- nehmererfindungsrecht, in: Christian Flämig/Otto Kimminich u. a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd.2, 2.Aufl. 1996, Kap. 63, S.1559, 1568 f.: Arbeits- und Dienst- pflicht seien nicht darauf gerichtet, Werke zu schaffen, damit diese durch Hochschule ver- wertet werden könnten; BGH GRUR 1991, 523, 525 f. – „Grabungsmaterialien“ –.

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Wissenschaftlers eine Pflicht ab, der Hochschule Publikationen zumindest zur Veröffentlichung anzubieten.45

III. „Open Access“ als Problem der Wissenschaftsfreiheit

Nach dem derzeitigen Stand der parlamentarischen Beratungen werden sich – wenn überhaupt – allenfalls die moderaten Forderungen des Aktionsbünd- nisses durchsetzen.46 Auch diese werden jedoch von der Gegenseite ange- griffen, nicht zuletzt unter Berufung auf die Grundrechte.47 Von den durch

„Open Access“ aufgeworfenen Grundrechtsfragen gilt es im vorliegenden Zu- sammenhang zunächst diejenigen auszugliedern, die sich auf die wirtschaft- liche Verwertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen beziehen. Das sind zunächst vor allem die wirtschaftlichen Interessen der Verlage. Grundrecht- lich mag sich für diese die Wissenschaftsfreiheit ihrer Autoren unter inhaltli- chen Gesichtspunkten als Reflex auswirken; als Geschäftsmodell ist die Ver- wertung der Werke von Wissenschaftlern im Wege der Publikation indessen zwar von Art.12 und 14 GG geschützt, nicht aber von Art.5 III GG.48 Keine Frage des grundrechtlichen Schutzes der Wissenschaftsfreiheit sind aber auch die wirtschaftlichen Erträge, die – soweit sie ausnahmsweise in nennenswer- tem Umfang anfallen – die Wissenschaftler selbst aus Publikationen erzielen.

Mit dem Bundesverfassungsgericht sieht die ganz herrschende Auffassung zu Recht zwar die Veröffentlichung an sich als einen Bestandteil der Wissen- schaftsfreiheit, nicht aber deren wirtschaftliche Verwertung.49

Nur der gleichsam ideelle Teil des „Open Access“-Konzepts lässt sich somit an Art.5 III GG messen. Macht man das zunächst ungeachtet der Umsetzung im Einzelnen, wird klar, dass die Wissenschaftsfreiheit auf der objektiv-recht- lichen Ebene für „Open Access“ streitet.

45 Vgl. dazu m. w. N. Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 437 den Vorschlag de lege fe- renda aufgreifend.

46 Die Niederschlag in einem Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion zur einer ent- sprechenden Änderung des §38 UrhG gefunden haben, vgl. BT-Drucks. 17/5053, der jedoch keine Aussicht haben dürfte, eine Mehrheit zu finden, vgl. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 17/99, www.iuwis.de/sites/default/files/17099.pdf (12.08.2011).

47 Vgl. Volker Rieble, Freier Zugang zu unfreien Autoren, in: Forschung & Lehre 2009, 650; abgewogener Hansen (Fn.11), S.378 ff.

48 Etwas anderes wird soweit ersichtlich in der Debatte auch nicht vertreten.

49 BVerfG, Beschl. v. 16.01.2007 – 2 BvR 1188/05; BVerfG, Beschl. v. 28.09.2007 – 2 BvR 1121/06 u. a.: „Die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit wissenschaftlicher Betäti- gung umfasst nicht den Schutz eines Erwerbs- oder Gewinnstrebens“; vgl. auch BVerwG, ZBR 1993, 149 (151); BVerwGE 13, 112, 113; Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 76.

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11 1. Die Öffentlichkeit von Wissenschaft als Argument

für „Open Access“

Der Staat muss auf dieser Ebene50 für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch organisatorische Maßnah- men sicherstellen, dass die individuelle Freiheit der wissenschaftlichen Betäti- gung möglichst unangetastet bleibt.51 Bezugspunkte zum Publikationswesen ergeben sich dabei schon aus der Definition der Wissenschaft. Versteht man sie als stets unabgeschlossenen kommunikativen Prozess der Wahrheitssuche, ist die Wissenschaft – wie eingangs erwähnt – auf Veröffentlichung angewie- sen. Nur veröffentlichte Forschungsergebnisse sind der Überprüfung und kri- tischen Diskussion zugänglich. Ohne Öffentlichkeit verliert die Wissenschaft ihre Qualitäten und besonderen Aufgaben in der Gesellschaft.52 „Wer über seine Forschungsergebnisse nicht informiert“, – so Pernice – „gehört ebenso wenig zur ‚scientific community‘, wie derjenige, welcher relevante Ergebnisse anderer nicht zur Kenntnis nimmt.“53

Zur Ausgestaltung eines funktionsfähigen Wissenschaftsbetriebs gehört also ein funktionsfähiger Öffentlichkeitsbezug der Wissenschaft. Und die- ser muss sich den wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten unter den jeweili- gen Verwirklichungsbedingungen anpassen, wenn er die freie Entfaltung des Wissenschaftlers fördern soll.54

Auch wenn es ohne „Open Access“ nicht an Publikationen mangelt, un- terwirft der Umweg über das Verlagswesen nicht nur die Publikation, son- dern auch die Rezeption zeitlichen und ökonomischen Restriktionen, die bei „Open Access“ so nicht bestünden. Die wissenschaftlichen Eigengesetz- lichkeiten der meisten „scientific communities“ verlangen heute Zugang zu den Ergebnissen anderer und Sichtbarkeit der eigenen Ergebnisse ohne räum- liche und zeitliche Bindung an Papier und nationale Grenzen.55 Unter diesem Gesichtspunkt zwingt das „Open Access“-Konzept der Wissenschaft nichts

50 Vgl. zu den verschiedenen Gewährleistungsebenen des Art.5 III GG statt vieler die Übersicht bei Fehling (Fn.17), Rn.18 ff. m. w. N.

51 Vgl. nur BVerfGE 111, 333, 353 ff. m. w. N.

52 Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 70 f., Öffentlichkeit als „Schlüsselbegriff für das gesamte Wissenschaftssystem“; Pernice (Fn.16), Rn.28, Veröffentlichung als „konsti- tuierendes Element des offenen wissenschaftlichen Diskurses“; vgl. auch den entsprechen- den soziologischen Ansatz bei Alexander Blankenagel, Wissenschaftsfreiheit aus der Sicht der Wissenschaftssoziologie, AöR 105 (1980), 35, 58 ff.

53Pernice (Fn.16), Rn.28.

54 In dieser Richtung auch Mechthild Blankenagel, Wissenschaft zwischen Information und Geheimhaltung: Über einen blinden Fleck in den Lehren zu Art.5 Abs.3 GG, 2001, passim; Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 76 ff.; vgl. auch Christine Godt, Eigentum an In- formation, 2007, S.234 ff.

55 Vgl. Steinhauer (Fn.20), S.44 ff., 46: Der Gesetzgeber sei grundrechtlich aufgerufen,

„im Bereich der Wissenschaft ein Urheberrecht zu schaffen, das es dem Wissenschaftler Open Access zu hochschulischen Forschungsergebnissen?

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auf, was nicht in deren Eigengesetzlichkeiten angelegt wäre. Der Öffentlich- keitsbezug der Wissenschaftsfreiheit wird von „Open Access“ lediglich auf die Höhe der digitalen Zeit transportiert. Das Konzept ist ja in der Wissen- schaft selbst entstanden, um den Restriktionen zu entgehen, die dem wissen- schaftlichen Diskurs durch das Verlagswesen faktisch auferlegt waren. Diese Restriktionen laufen wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten viel eher zu- wider, als „Open Access“. Hohe Preise für Verlagspublikationen spiegeln ja nicht etwa deren wissenschaftliche Qualität, sondern die jeweiligen Markt- bedingungen und damit wissenschaftsfremde Gesetzlichkeiten wider.56 Und wenn deswegen eine Hochschule zentrale Publikationsorgane ihrer Fachge- biete nicht mehr zur Verfügung stellt, kann von einer organisatorischen Aus- gestaltung, in der ungehinderte wissenschaftliche Betätigung möglich ist, nur noch schwerlich die Rede sein. Wenn also in der Debatte um „Open Access“

jemand die Wissenschaftsfreiheit in die Waagschale werfen könnte, wären es die Befürworter.

2. Die Publikationsfreiheit als abwehrrechtliches Argument In Stellung gebracht wird sie jedoch zunehmend umgekehrt, und zwar von Gegnern aus der Wissenschaft selbst: 2008 hat sich eine dritte Gruppe von Akteuren formiert, bestehend aus dem Deutschen Hochschulverband und einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern und Autoren. Von dort wurde der sog. „Heidelberger Appell“ initiiert, einer Art Gegenresolution zur „Ber- liner Erklärung“, die viele Unterstützer fand57 und dafür sorgte, dass die De- batte auch rhetorisch an Fahrt gewann.58

ermöglicht, seine wissenschaftlichen Ergebnisse stets in einer seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis gemäßen Weise zu publizieren.“

56 Vgl. wiederum die Zahlen bei Pflüger/Ertmann (Fn.10), S.436, 437.

57 Wortlaut und Unterzeichnerliste unter www.textkritik.de/urheberrecht/index.htm (12.08.2011); die starke Unterstützung ist allerdings nicht zuletzt darauf zurück zu führen, dass der Appell sich nicht nur gegen „Open Access“, sondern auch gegen Google Books richtet, das zwar mit „Open Access“ wenig zu tun hat, aber öffentlichkeitswirksam Kritiker angezogen haben dürfte; vgl. dazu auch Cloes/Schappert (Fn.9), S.6 ff.

58 Vgl. einerseits Rainer Kuhlen, Verteidigen Deutscher Hochschulverband und Börsenverein wirklich Wissenschaftsfreiheit oder geht es nur um obsolete Privilegien?

LIBREAS.Library Ideas #17, www.libreas.eu, S.45 ff.: Die Gegner hielten an ideologisch überhöhten Forderungen und obsoleten Privilegien fest, die der Mottenkiste des Natur- rechts und der romantischen Genietradition des 19.Jahrhunderts entstammten, anderer- seits Roland Reuß, Eine klammheimliche technokratische Machtergreifung, FAZ vom 11. Februar 2009; in gleicher Stoßrichtung ders., FAZ vom 21. Juli 2010; Rieble (Fn.47), S.650: Die Befürworter planten eine klammheimliche technokratische Machtergreifung, die die Wissenschaftler als unkundige hilflose Opfer enteignen und zu Schreibangestell- ten von Wissenschaftsfabriken degradieren werde; dazu wiederum Drösser (Fn.9), S.1:

„Wenn jemand die Nazi- und die Kommunistenkeule zugleich hervorholt, dann muss es schon schlimm stehen.“

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13 Grundrechtlich wird von den Initiatoren des Appells vor allem die ab- wehrrechtliche Funktion des Art.5 III GG bemüht: Ein Kern der Wissen- schaftsfreiheit sei die individuelle Freiheit des Forschers in allen Fragen der Publikation. Diese beziehe sich auf das Ob, Wann, Wie und Wo einer Ver- öffentlichung, bedeute also „Werkherrschaft“ im umfassenden Sinne. Rege- lungen über den Modus von Publikationen seien verfassungswidrig, selbst wenn sie nur mittelbar Einfluss auf den Hochschullehrer nähmen.59 Dieser müsse frei bleiben, über das Publikationsmedium auch sein Publikum frei zu wählen. Er dürfe sich mit seinen Ergebnissen etwa ausschließlich an fachge- bildetes Sonderpublikum wenden, was bei einer Internetpublikation unmög- lich sei. Eine unzulässige Beeinflussung dieser Freiheit liege bereits in einem zwingenden Zweitveröffentlichungsrecht. Dieses könne ja von Hochschulen genutzt werden, den Wissenschaftler faktisch zu „Open access“-Publikatio- nen zu drängen.60

3. Publikationsfreiheit zwischen Abwehrrecht und Ausgestaltung Danach würde die Publikationsfreiheit zu dem individuellen Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit gehören, der nach dem Bundesverfassungsgericht von staatlichen Ge- und Verboten freizuhalten ist. Zu diesem Kernbereich zählt nach der Formulierung des Gerichts nicht nur die Suche nach Erkenntnissen, sondern auch ihre Weitergabe.61 Genau das dient den Gegnern als Stütze.

Mit ihren Schlussfolgerungen dürften sie diese Formulierung jedoch über- interpretieren. Es lässt sich mit ihr sicher gegen jedwedes Publikationsver- bot vorgehen.62 Daraus kann jedoch nicht folgen, dass der Staat sich jegli- cher Regelung des Publikationswesens zu enthalten hätte, allenfalls die kon- krete Publikationsentscheidung eines Wissenschaftlers fördern dürfte. Dann nämlich müsste der Staat es auch hinnehmen, wenn alle Wissenschaftler von ihrer Publikationsfreiheit durch Nicht-Publikation ihrer Werke Gebrauch machten. Mit Untätigkeit hätte der Staat zwar die abwehrrechtliche Position der Wissenschaftler gewahrt, die Wissenschaft als kommunikativer Prozess wäre jedoch am Ende. Das zeigt, dass die negative Publikationsfreiheit schon nicht mehr in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit fallen kann. Teil- weise wird sie mit guten Gründen sogar aus dem Schutzbereich des Art.5 III GG herausgenommen. Forschungsergebnissen, die nicht für die Öffentlich-

59 Volker Rieble, Autorenfreiheit und Publikationszwang, in: Reuß/Rieble (Hrsg.) (Fn.11), S.29 ff., 51 ff.

60 Rieble (Fn.59), S.29 ff., 52 f.

61 Vgl. nur BVerfGE 111, 333, 353 ff. m. w. N.

62 Die positive Veröffentlichungsfreiheit ist als Schutzgegenstand von Art.5 III GG unstreitig, vgl. nur Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 76 ff.; Pernice (Fn.16), Rn.28; Claus Dieter Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, S.86 f.

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keit bestimmt seien, fehle es eben an dem die Wissenschaft konstituieren- den Öffentlichkeitsbezug.63 Hochschullehrern – sagt auch das Bundesverfas- sungsgericht an anderer Stelle – „steht bei ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre an einer öffentlichen Universität ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf vollständiges Schweigen nicht zu“.64 Daher begegnen z. B. landesrecht- liche Publikationspflichten für Drittmittelforschung keinen Bedenken.65 Sie fordern lediglich die Wahrung wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit gegen- über den wirtschaftlichen Versuchungen der Drittmittelforschung ein, die darin bestehen, gegen gutes Honorar etwa eine vertragliche Publikations- beschränkung einzugehen. Unangetastet bleiben muss dabei allerdings das Recht des Hochschullehrers, über die Publikationsreife einer Arbeit selbst zu entscheiden. Dieses Recht gehört in der Tat in den Kernbereich, da im Rah- men des stets unabgeschlossenen Prozesses Forschung nur der Wissenschaft- ler diese Entscheidung treffen kann; jedes Verlangen, Unfertiges zu publizie- ren, würde wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten grundsätzlich zuwider- laufen.66 Ist die Entscheidung zugunsten der Publikation einer bestimmten Forschungsarbeit jedoch gefallen und/oder ihr Abschluss unstreitig, kann die Reichweite der Publikationsfreiheit nicht mehr unabhängig von der Funktion bestimmt werden, die der Veröffentlichung innerhalb der wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten zukommt.67 Damit öffnet sich grundsätzlich auch der Raum für Regelungen in Bezug auf das „Wo“ und „Wie“ von Publikation.

Diese Entscheidungen betreffen eben nicht nur den Publizierenden, sondern auch seine Fachkollegen. Regelungen dieser Art bedürften daher auch keiner Rechtfertigung mit kollidierenden Schutzgütern. Es handelt sich vielmehr um einen grundrechtsinternen Konflikt, bei dem auf beiden Seiten die Wissen- schaftsfreiheit steht. Beide Seiten sind in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.68

63 Blankenagel (Fn.54), S.78 f., 88 ff.; Pernice (Fn.16), Rn.28 (unberührt bleibt nach beider Auffassung allerdings der Schutz durch Art.12 GG); a. A. Classen (Fn.62), S.89 ff.

64 BVerfGE 47, 327, 383, zur Verpflichtung der Hochschullehrer nach dem Hess. Uni- versitätsG von 1974, über gefährliche Forschungsergebnisse zu informieren.

65 Nach dem Vorbild von §25 II 2. HS HRG enthalten fast alle Landeshochschulgesetze eine Publikationspflicht für die Ergebnisse von Drittmittelforschung. „Die Forschungs- ergebnisse“ heißt es zumeist „sollen in absehbarer Zeit veröffentlicht werden“ (vgl. z. B.

§29 II 2 HessHG). Einige Länder beschränken diese Pflicht nicht auf Drittmittelforschung.

Ebenso knapp wie weitreichend heißt es in §41 II 1 BerlHG: „Forschungsergebnisse sind zu veröffentlichen“. Hinsichtlich des Publikums noch deutlicher §48 II 1 LHG-MV: „Ergeb- nisse von Forschungsvorhaben sollen schnellstmöglich durch wissenschaftliche Veranstal- tungen und Publikationen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.“

66 Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 71 f.

67 Zu der damit entstehenden Nähe der Wissenschaftsfreiheit zur Rundfunkfreiheit m. w. N. Schmidt-Aßmann (Fn.16), S.67, 83 f. und allgemein Martin Eifert, in diesem Band.

68 Vgl. die verallgemeinerungsfähigen Ausführungen von Helmuth Schulze-Fielitz, in:

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15 Ob ein solcher Ausgleich zwischen individuellen Autoreninteressen und abweichenden Interessen der wissenschaftlichen Gemeinschaft an einer schnell und leicht zugänglichen Publikation durch das „Open Access“-Kon- zept in Reinform angemessen erfolgt, kann dabei sicher hinterfragt wer- den. Die beliebige Änderbarkeit eines Textes dürfte auch nach den wissen- schaftlichen Eigengesetzlichkeiten kein zwingendes Merkmal für den wis- senschaftlichen Diskurs sein. Auch soll nicht bestritten werden, dass dem Verlagswesen in der bisherigen Struktur des wissenschaftlichen Veröffentli- chungswesens wichtige Orientierungs- und Qualitätssicherungsfunktionen zukommen.69 Vernachlässigenswert für den grundrechtsinternen Ausgleich erscheint allerdings das Argument, dass der Wissenschaftler sich bei einer Veröffentlichung im Internet sein Publikum nicht mehr aussuchen kann, weil an die Stelle der „scientific community“ die unbegrenzte Internetöffentlich- keit tritt. Auch bei der NJW ist schließlich nicht sicher, dass sie nur Fach- leute lesen. Der Adressatenkreis reguliert sich hier wie im Internet – um mit Luhmann zu sprechen – „über die wissenschaftlichen Eigensprache, die im Duktus der Argumentation (…) eine drastische Reduktion verstehensfähi- ger Adressaten unvermeidlich macht“.70 Die Verfügbarkeit im Internet ver- langt ja vom Autor nicht, wissenschaftliche Komplexität im Interesse der Öffentlichkeit zu reduzieren. Auch daraus, dass Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Texte im Internet – wie eingangs angesprochen – öffent- liche Güter werden, lässt sich m.E. kein schlagendes Argument schmieden.

Dies mag zwar eine günstigere Gelegenheitsstruktur für Plagiate zur Folge haben. Dieses Problem ist jedoch auf anderer Ebene zu lösen; zudem verbes- sert das Internet – wie sich jüngst gezeigt hat – in gleichem Maß die Chancen zur Aufdeckung.

VI. Schluss

Vor diesem Hintergrund erscheinen jedenfalls die moderaten Forderungen des Aktionsbündnisses an den Gesetzgeber zur Erleichterung von „Open Access“ vor Art.5 III GG ebenso unproblematisch wie dessen forschungs-

Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd.I, 2.Aufl. 2004, Art.5 I, II, Rn.212 ff.

sowie Dieter Grimm, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 65 (2006), 223, 224.

69 Diese werden folgerichtig von Hans-Dieter Beck, Verlagsfunktionen und Open Ac- cess, in: Roland Reuß/Volker Rieble (Hrsg.), Autorschaft in digitaler Zeit, 2009, S.21 ff.

hervorgehoben; relativierend Karl-Nikolaus Peifer, Das Urheberrecht in der Wissensgesell- schaft, UFITA 2007, 327, 360 f.; Steinhauer (Fn.20), S.46 f.; dass sich entsprechende Me- chanismen auch bei „Open Access“ herausbilden, erwartet Knauer (Fn.15), S.3004 ff.

70 Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1990, S.623 f.; vgl. auch Schulte (Fn.17), S.110, 113.

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