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Academic year: 2022

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(1)

Form und Funktion prosodischer Grenzen

in deutscher Spontansprache

Modul H2

Benno Peters - IPDS Kiel 15. Mai 2008

(2)

Einleitung

• Zwei DFG-Projekte:

– Lautmuster deutscher Spontansprache – Prosodische Phrasierung in deutscher

Spontansprache

• Empirische Untersuchungen zur internen

phonetischen Struktur prosodischer Phrasen und zu deren Delimitation

(3)

• Die phonetische Form der syntagmatischen Gliederung in prosodische Phrasen ist durch zwei phonetische Mechanismen bestimmt:

– phonetische Kohäsion im Inneren von Phrasen – phonetische Separierung zwischen

prosodischen Phrasen

(4)

• Kohäsive Merkmale (interne Struktur)

– globale melodische Muster (Hutmuster, Downstep/Deklination)

– Kontinuität von Phonation, Register Sprechgeschwindigkeit

• Separierende Merkmale (Delimitation)

– melodische Brüche / starke melodische Bewegungen

– Pausen/Atmen – F0-Reset

– segmentelle Längung

– Änderung von Phonationstyp Sprechgeschwindigkeit, Register

(5)

• Prosodische Grenzen in natürlichen Gesprächen sind in drei funktionalen Zusammenhängen beobachtbar

– im Inneren von Redebeiträgen als Ausdruck der inhaltlich und syntaktisch motivierten

Gliederung von Äußerungen

– am Ende von Redebeiträgen, oft mit einer auf die Sprecher-Hörer-Interaktion ausgerichteten phonetischen Struktur

– bei unflüssiger Sprechweise entstehen oft starke prosodische Einschnitte, die Planungsvorgänge seitens des Sprechers widerspiegeln

(6)

Grundfragen der Untersuchung

• Welche phonetischen Merkmale finden sich an prosodischen Grenzen?

• Können phonetische Klassen prosodischer Grenzen herausgearbeitet werden?

• Können diese phonetischen Klassen mit funktionalen Klassen assoziiert werden?

(7)

Grundfragen der Untersuchung

• Welche Rolle spielen phonetische

Merkmale an prosodischen Grenzen bei der Einschätzung des Gesprächsfortgangs durch Hörer?

• Gibt es eine Korrelation zwischen der

Stärke der phonetischen Separierung und inhaltlich-pragmatischen Strukturen?

(z.B. starke Separierung am Ende

inhaltlicher Blöcke oder am Ende von Redebeiträgen)

(8)

Grundfragen der Untersuchung

• Es werden also Bezüge hergestellt zwischen

– der phonetischen Struktur von Produktionsdaten

– der inhaltlich-pragmatischen Struktur der Produktionsdaten

– der Wahrnehmung und funktionalen Einordnung durch Hörer

(9)

Ziel

Klassifikationssystem für Phrasen-

grenzen unterschiedlicher phonetischer Ausprägung, das eine Form-Funktions- Beziehung widerspiegelt

(10)

Methoden I - Die Datenbasis

• Terminabsprachen des Kiel Corpus

(11 Dialogsitzungen mit 22 Sprechern, 2,5 Stunden, 25.000 Wörter)

• Video-Task (6 Dialoge mit 12 Sprechern, 1,5 Stunden, 13.500 Wörter)

(11)

Methoden I

Video-Task oder das Daily Soap Szenario

• Vorteile

– hohe akustische Qualität, Kanaltrennung

– VP realisieren nicht, dass das Ziel des Versuchs die Sprachdatenerhebung ist

– keine Eingriffe durch Versuchsleiter in die Dialoge – Alltagssprache mit großer Natürlichkeit, komplexe

Interaktion

• Nachteil

– wenig Kontrolle über linguistische Strukturen in den Daten

(12)

Methoden I

Video-Task oder das Daily Soap Szenario

• Hörbeispiel 1

• Hörbeispiel 2

• Hörbeispiel 3

(13)

Methoden II

Phonetische Analyse der Produktionsdaten

(14)

Methoden II

Phonetische Analyse der Produktionsdaten

• Was kann labelbasiert analysiert werden?

– Melodische Muster (KIM/PROLAB) – F0-Reset an prosodischen Grenzen

– Pausen/Atmungsphasen und deren Dauer

– Segmentdauern an Phrasengrenzen werden mit Segmentdauern in phrasenfinalen Reinem

verglichen

(15)

Methoden II

Phonetische Analyse der Produktionsdaten

• Ableitung phonetischer Merkmalsbündel für jede etikettierte prosodische Grenze im

Korpus

• Beispiel: 2._P250_+R_L3

2. = stark fallende melodische Bewegung P250 = Pause von 250ms

+R = F0-Reset

L3 = Längungsstufe des phrasenfinalen Reims

(16)

Methoden III

Funktionale Zuordnung phonetischer Merkmale

• Grundfrage: Wie komme ich von der

formalen Beschreibung der phonetischen Merkmale zu einer funktionalen

Zuordnung?

• Zwei sich ergänzende Verfahren:

– funktionale Interpretation der Korpusdaten – Perzeptionsexperimente

(17)

Methoden III

Interpretation der Produktionsdaten

• Steht die prosodische Grenze am Ende eines inhaltlichen Abschnitts oder innerhalb eines inhaltlichen Abschnitts?

(18)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

• Nachbildung der phonetischen Variabilität über Resynthesen

• Funktionale Bewertungen durch naive Hörer

• Kontextfreie Präsentation soll Effekte des phonetischen Signalisierungssystems

„freilegen“

(19)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

• Übertragung der im Korpus beobachteten phonetischen Merkmale in Stimuli für

Perzeptionsexperimente

• Ausgangssatz:

„Das ist ja nun nicht so angenehm.“

• Zwei Parameter gehen in die Resynthesen ein:

– melodische Bewegung am Phrasenende – Längung am Phrasenende

(20)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

(21)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

• Welche Fragen sollen den

Versuchspersonen gestellt werden?

– Sprecherwechsel

– Wird der Sprecher nach der Äußerung noch weiter sprechen?

– Sprechflüssigkeit

– Hört sich die Äußerung zögerlich an?

(22)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

• Welche Fragen sollen den

Versuchspersonen gestellt werden?

– Sprecherwechsel

– Wird der Sprecher nach der Äußerung noch weiter sprechen?

– Sprechflüssigkeit

– Hört sich die Äußerung zögerlich an?

(23)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

• Wie können die Urteile der VP erhoben werden?

forced choice?

– Antwortskalen?

• Equal Appearing Interval Scale (Thurston 1929)

• Visual Analogue Scale (Maxwell 1978)

(24)

Methoden III

Perzeptionsexperimente

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

Hört sich die Äußerung zögerlich an?

Ja Nein

Wird der Sprecher nach dem Satz noch weitersprechen?

Ja Nein

(25)

Methoden IV

Zusammenfassung

• Datenerhebung

• Labelbasierte phonetische/akustische Korpusanalyse

• Interpretation einer großen Anzahl von Redebeiträgen

• Perzeptionsexperimente

• Enges Netzwerk in der Konzeption der

Arbeitsschritte und in der Interpretation der gesamten Ergebnisse

(26)

Exkurs Sprechflussstörungen

Der Entstehung von Sprechflussstörungen

liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde.

Folgende Probleme können zu einer unflüssigen Sprechweise führen:

● Phonetische Versprecher: Während des

Sprechens kann es zu Lautvertauschungen, Fehlartikulationen und anderen

artikulatorischen Problemen kommen.

(27)

Exkurs Sprechflussstörungen

● Syntaktische Versprecher: Ein bereits zum Teil ausgesprochener Satz enthält

agrammatische Strukturen oder lässt sich nicht sinnvoll ohne eine Verletzung

grammatischer Regeln fortsetzen.

(28)

Exkurs Sprechflussstörungen

● Inhaltliche Versprecher: Ein Wort, das nicht der Intention des Sprechers entspricht, wird versehentlich ganz oder zum Teil

ausgesprochen und eine Korrektur wird notwendig. In diese Kategorie fallen auch die sog. Freudschen Versprecher (Freud 1901/1971).

(29)

Exkurs Sprechflussstörungen

● Wortfindungsprobleme: Ein Wort, das

eigentlich bekannt ist, kann nicht rechtzeitig aus dem Gedächtnis abgerufen werden.

● Syntaktische Planungsprobleme: Eine korrekte syntaktische Fortsetzung kann nicht so schnell geplant werden, dass die derzeitige Äußerung flüssig fortgesetzt werden kann.

(30)

Ergebnisse I

Labelbasierte Korpusanalyse

• In 93% aller analysierten turninternen

Phrasengrenzen konnte mindestens eines der folgenden Merkmale automatisch extrahiert werden

– phrasenfinale Längung (66,2%) – F0-Reset (63%)

– Pause oder Atmen (38,3%)

– stark fallende oder starke steigende melodische Bewegung (36% stark fallend, 2% stark

steigend)

(31)

Ergebnisse I

Labelbasierte Korpusanalyse

• In mehr als 55% aller Fälle treten zwei oder mehr Merkmale gemeinsam auf.

• Die häufigsten Kombinationen sind:

– Längung + F0-Reset

– Längung + Pause + F0-Reset

– Längung + Pause + starke tonale Bewegung

(32)

Ergebnisse I

Labelbasierte Korpusanalyse

Turnfinale prosodische Grenzen zeigen zu 63,8%

stark fallende melodische Bewegungen und zu 10,3% stark steigende Konturen

• Phrasenfinale Längung tritt in 74,3% der Fälle auf (turnintern: 66,2%)

• Hauptunterschied zwischen turnintern und turnfinal liegt im Parameter melodische

Bewegung. Aber: auch turnintern viele stark fallende Konturen

(33)
(34)

Ergebnisse II Interpretation

• Vergleich der phonetischen Merkmale an turninternen Grenzen im Inneren und am Ende inhaltlicher Blöcke

– Pausen

• innerhalb: 26,6%

• am Ende: 68,8%

– Starke tonale Bewegungen

• innerhalb: 20%

• am Ende: 75%

(35)

Ergebnisse II Interpretation

• Das Auftreten von Längung und F0-Reset unterscheidet sich kaum zwischen

prosodischen Grenzen innerhalb und am Ende inhaltlicher Blöcke

– Längung: 80% vs. 73,4%

– F0-Reset: 66,7% vs. 75%

(36)

Ergebnisse II Interpretation

• Ergebnis: In den Korpusdaten gibt es einen Zusammenhang zwischen phonetischer und inhaltlicher Kohäsion.

• Prototypische prosodische Grenzen im Inneren inhaltlicher Blöcke haben als

separierende Merkmale finale Längung und F0-Reset. Prototypische Grenzen am Ende inhaltlicher Blöcke weisen zusätzlich noch eine Pause und eine starke tonale Bewegung auf.

(37)

Ergebnisse II Interpretation

• Damit gleicht die typische prosodische

Grenze am Ende inhaltlicher Blöcke in ihrer phonetischen Struktur der turnfinalen

prosodischen Grenze.

(38)

Ergebnisse III

Perzeptionstests

(39)

Ergebnisse III

Perzeptionstests

(40)

Ergebnisse III Perzeptionstests

Turnübergabeerwartung

0 1 2 3 4 5 6

-8ht -4ht -0ht +4ht +8ht

Faktor 0 Faktor 1,4 Faktor 1,8 Faktor 2,2

(41)

Ergebnisse III Perzeptionstests

Wahrgenommene Sprechflüssigkeit

0 1 2 3 4 5 6

-8ht -4ht -0ht +4ht +8ht

Faktor 0 Faktor 1,4 Faktor 1,8 Faktor 2,2

(42)

Ergebnisse III Perzeptionstests

• Deutliche funktionale Bindung der Kontur für die Signalisierung von Turnübergaben

• Kaum funktionale Bindung der Dauerstruktur in diesem Bereich

• Aber: große Sensibilität der VP für Dauerstruktur

• Segmentelle Längungen werden mit

unflüssiger Sprechweise assoziiert. D.h. es gibt eine funktionale Bindung von Längung bei der Signalisierung von Sprechflussstörungen

(43)

Zusammenfassung

• Große Variabilität

• Starke Überschneidungen in der

phonetischen Form der funktionalen Klassen

• Keine 1:1-Beziehungen von Form und Funktion

• Aber: funktionale Bindung der melodischen Muster sowohl in Bezug auf inhaltliche

Gliederung, als auch hinsichtlich der damit eng verbundenen Dialogsteuerung.

(44)

Zusammenfassung

• Es können prototypische phonetische Realisierungen für die verschiedenen Funktionen herausgearbeitet werden

• Das phonetische System funktioniert immer in Ergänzug durch syntaktische und

inhaltliche Informationen

• Erweitertetes Konzept der Merkmalsbündelung

(45)

Klassifikationssysteme

• Erstellung eines funktional orientierten Klassifiktionssystems auf der Basis von

prototypischen phonetischen Strukturen für die Bereiche

• turninterne prosodische Grenzen

• turnfinale prosodische Grenzen

• prosodische Grenzen in unflüssiger Sprache

(46)

Dem phonetischen Signalisierungssystem liegt kein striktes 1:1-Verhältnis zwischen Form und Funktion zugrunde.

Die Ergebnisse deuten eher auf eine

unterstützende Funktion der phonetischen

Komponente hin, die erst in Kombination mit syntaktischen und semantischen Strukturen zu eindeutigen interaktionalen

Funktionalisierungen führt.

(47)

Turninterne prosodische Grenzen

(48)

Ausblick

Turnfinale prosodische Grenzen

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