K a pi te l 4
Ve k to r
InderPhysikwerdenvieleNaturgesetzevektoriellformuliert.Newton’slegend
¨are
s“ef-gleich-em-mal-ah”,beispielsweise,isteineGleichungzwischenzweiVektoren“ef”und“ah”.Solche“Newton’schenVektoren”sinddurchBetragundRichtungcharakterisiertwassichwunderbardurchPfeileveranschaulichenl¨asst–denkenSienurandasKr¨afteparallelogramm,dasSieinderSchulekennengelernthaben. 1
Außerdemlassensiesichaddieren(bildlich:aneinanderh
¨ang
en)undmitZahlenmul-tiplizieren(bildlich:strecken/stauchen),ohnedenRaumderKr¨aftezuverlassen.
AuchdieWellenfunktionenderQuantenmechaniklassensichaddierenundmitZah-lenmultiplizierenohnedenRaumderWellenfunktionenzuverlassen.EinenPfeilwirdmansoeinerWellenfunktionschwerlichzuweisenwollen.Trotzdem–ausma-thematischerSichthandeltessichauchbeidenWellenfunktionenderQuantenme-chanikumVektoren.
1EinVektoristeineGr¨oße,diesowohldurchdenBetragalsauchdurchdieRichtungbestimmtwirdheißtesinBandI“Mechanik”desBerkeleyPhysikKurses.
cMartinWilkens7322.August2014
74Vektor
4 .1 D e fini ti o n
WichtigeDingesolltemanaucheinmalanst¨andigdefinieren.Hieralso
Definition:SeiKeinK
AbbildungVektoraddition ¨orper.EinK-VektorraumisteineMengeVaufdereine
+:V⇥V!V(~u,~v)7!~u+~v (4.1)
undeineAbbildungSkalarmultiplikation 2
K⇥V!V(,~v)7!~v (4.2)
gegebensind,diedenfolgenden8Axiomengen
¨ug
en:
1.(~u+~v)+~w=~u+(~v+~w)f
¨ur
alle~u,~v,~w2V.
2.~u+~v=~v+~uf¨uralle~u,~v2V.3.EsgibteinausgezeichnetesElement~o2V,genannt“Nullvektor”,mit~v+~o=~vf¨uralle~v2V.4.Zujedem~v2VgibteseinElement~v2Vmit~v+(~v)=~o.
5.(µ~v)=(µ)~vf¨uralle,µ2Kund~v2V.
6.1~v=~vf¨uralle~v2V.
7.(~v+~u)=~v+~uf¨uralle2Kund~v,~u2V.
8.(+µ)~v=~v+µ~vf¨uralle,µ2Kund~v2V.
2DerFunktorf¨urdieSkalarmultiplikationbleibthiernamenlos.
22.August201474cMartinWilkens
4.1Definition75
Außerdemvereinbarenwir~v:=~vf¨uralle2Kund~v2V.
F¨ur
diePhysikvonbesonderemInteressesindreelleundkomplexeVektorr
¨aume
,alsoK=RoderK=C.Die2KnenntmanauchSkalaredesVektorraums,dieMengeVauchdieGrundmenge,dieVektoradditionundSkalarmultiplikationnenntmanVektoroperationenundeinenAusdruck~v+µ~unenntmaneineLi-nearkombination.PedantischnotiertmaneinenVektorraumalsTripel(V,K,+),redetzuweilenvoneinemVektorraum
beimNamenderGrundmengeV. ¨uberK,ruftdasTripelabermeisteinfach
Abb4.1IllustrationderSkalarmultipli-kationundInversion. VektoreneinesVektorraumswerdengernedurchPfeileveranschaulicht(daherun-sereNotationeinesVektors,wiebeispielsweise~v,mitdemPfeilaufdemKopf).EinPfeilisteingeometrischesDingderEuklidischenGeometrie,n
¨amlic
heingerichtetesGeradenst¨uck.Dabeisollgelten,dasszweigeometrischePfeile,diesichnurdurchei-neParallelverschiebungunterscheiden,dengleichenVektorrepr
sindalsoPfeilklassen.Manlerntnieaus... ¨asentieren.Vektoren
Abb4.2AdditionzweierVektorenundIl-lustraiondesKommutativgesetzes. DerSkalarmultiplikationentsprichtdieStreckungbzw.StauchungeinesPfeils–vgl.Abb.4.1,derVektoraddionentsprichtdasAneinanderh
¨ang
enzweierPfeile–vgl.Abb.4.2.DieAxiomederVektoradditionundSkalarmultiplikationerweisensichnunalselementareS
grammkonstruktion–vgl.Abb.4.2. derVektor-Addition,beispielsweise,findetdannseinenAusdruckinderParallelo- ¨atzederEuklidischenGeometrie.DasKommutativaxiom
GewarntseiallerdingsvorderGleichsetzungvonVektorenmitPfeilenodermitgerichtetenStrecken.Geometrischsindzweigegen
¨ub
erliegendenSeiteneinesPar-allelogrammsdurchausverschiedeneStrecken,algebraischwerdensieaberdurchgenaueinenVektorrepr
denBegri↵desWinkelsoderderL ¨asentiert–vgl.Abb.4.2.AußerdemkenntdieGeometrie
¨ang
e–inderDefinitiondesVektorraumsistvonentsprechendenGr¨oßennirgendwodieRede.ZwarkannmanentsprechendeGr¨oßenauchf¨ureinenVektorraumvereinbaren–unddasgeschiehtineinemdern
¨achs-
cMartinWilkens7522.August2014
76Vektor
tenKapitelimBegri↵derNormunddesSkalarprodukts–dasistdannabereinbesondererAkt.
HatmaneinSystemvonVektoren~v1,~v2,...,~vk2VnenntmandieMengeallerLinearkombinationenL(~v1,...,~vn):={1~v1+...+n~vn|i2R}dielineareH
1ndesSystems.DieVektorendesSystems~v,...,~vheißenlinearunabh ¨ulle
¨an
gig,wenninderDarstellungdesNullvektors1~v1+···+n~vn=~onotwendigalleSkalaregleichNull;andernfallsheißensielinearabh
¨an
gig.
Abb4.3DarstellungeinesVektors~vineinerBasis{~b1,~b2}.ImBeispielist~v=53 ~b1+ 23 ~b2,alsov 1= 53,v 2= 23. EinSystem~b1,...,~bnkonstituierteineBasisvonV,notiert{~b1,...,~bn},wenndas(1)Systemlinearunabh
¨ang
ig,und(2)wennjederVektorvonValsLinearkombi-nationder~b1,...,~bndargestelltwerdenkann.DieZahlderVektorenineinerBasisistf¨uralleBaseneinesVektorraumsdieGleiche,unddefiniertdieDimensiondesVektorraums.DieDarstellungeinesVektors~vineinerBasis{~b1,...,~bn}notiertman
~v=~b1v 1+~b2v 2+···+~b nv n= X
i ~biv i=:~biv i(4.3)
wobeiganzrechtsdieEinsteinscheSummenkonventioneingef
¨uhr
twurde:“
¨ub
erdoppeltauftretende,schr
¨aggestellteIndiceswirdsummiert.”
UnterleichterSprachverdrehungnenntmanv idiei-teKomponentevon~v(obwohlessicheigentlichumeineKoordinatenhandelt).BeidemvonunsfavorisiertenRicci-Kalk
¨ul
werdenBasisvektorenmiteinemnachuntengestelltenIndexabgez
¨ahlt
,KoordinatenmiteinemnachobengestelltenIndex.InvielenLehrb
Abz ¨uchernwirdder
¨ahlinde
xibeidenKoordinatenallerdingsgernenachuntengestellt,undmanschreibtdannvistattv i.Dasistinbesonderef¨urNovizenhilfreich,kommensiedochnichtinVersuchung,diei-teKoordinatealsi-tePotenzvonv,“vau-hoch-iih”,zulesen.WirbleibenhieraberbeiderHochstellung.TiefgestellteIndicesanKoordinatenwerdenweiteruntennochgebraucht–StichwortDualraum.
22.August201476cMartinWilkens
4.2Beispiele77
4 .2 B e is pi e le
Beispiel1(Zahlenspalten):DerR nistdieMengeallern-TupelreellerZahlen.Soeinn-TupelnotierenwirjetztmalalsSpalte(notiertmitUnterstrich)
x= 0BBB@ x 1x 2...x n 1CCCA (4.4)
wobeiindemvonunsfavorisiertenRicci-Kalk
¨ul
mitx iwiegesagteinebestimmteZahlinderi-teZeiledesSpaltentupelsgemeintist,undnichtetwa“icks-hoch-i”.Jetztvereinbarenwirnoch,wieSpaltenzuaddierensind,0B@ x 1...x n 1CA+ 0B@ y 1...y n 1CA= 0B@ x 1+y 1...x n+y n 1CA,(4.5)
undwiemanSpaltenmiteinerreellenZahlmultipliziert,0
B@ x 1...x n 1CA= 0B@ x 1...x n 1CA.(4.6)
Rechenoperationenf¨urZahlenspaltensinddamitaufRechenoperationenmitgew
¨ohn-
lichenZahlenzur
¨uckgef¨uhrt.Undsieheda–diehiereingef
¨uhr
tenRechenoperationengen
¨ug
endenVektroraumaxiomen!Kurz:ZahlenspaltenbildeneinenVektorraum–denVektorraumR n.
cMartinWilkens7722.August2014
78Vektor
EinebeliebtBasisdesR nbildendieVektoren
e1:= 0BBBBB@ 100...0 1CCCCCA ,e2:= 0BBBBB@ 010...0 1CCCCCA ,...,en:= 0BBBBB@ 000...1 1CCCCCA ,(4.7)
genanntdiekanonischeBasis.DieZahlderBasisvektorenistn–derR nisteinn-dimensionalerVektorraum.
VonprominenterBedeutungderR 3–inihmfindendieGeschwindigkeit,dieBe-schleunigung,dieKraftundandereGr¨oßenderNewton’schenPhysikihrnat¨urlichesHabitat.ImR 4die4-erVektorenderRelativit
2 mechanischenZust¨andeeinesSpin-Freiheitsgrades. 1 ¨atstheorie,undimCdiequanten- 2
[DieNotationmitdemUnterstrichf¨urdieZahlenspaltenvektoren--undebennichtmitdemPfeilaufdemKopf--solldaranerinnern,dasswirinderPhysikmitdenZahlenspaltenvektorenimmerVektorenbez¨uglicheinerirgendwiegew¨ahltenBasisbezeichnen.EinZahlenspaltenvektoristebennichtderGeschwindigkeitsvektor,sondernlediglichDarstellereinessolchen.AndereBasis--andererDarsteller.]
Beispiel2(Funktionen):EineK-wertigeFunktionaufeinerMengeX,daranseierinnert,istjanichtanderesalseineAbbildungX!K.SeibeispielsweiseFdieMengeallerK-wertigenFunktionenaufdemIntervallX=[1,1],alsoF={f|f:[1,1]!K}.MitderVerabredung
(f+g)(x):=f(x)+g(x)(4.8)(f)(x):=f(x)(4.9)f¨urallex2[1,1]sindAdditionvonFunktionenundSkalarmultiplikationpunkt-weiseerkl¨art.Man
¨ub
erzeugtsich,dassmitf,g2Fauchf+gundfElement
22.August201478cMartinWilkens
4.3Untervektorraum79
vonF,d.h.auch(F,K,+)istK-Vektorraum(PfeilchenaufdemKopferspartmansichindiesemKontext).EineendlicheBasisl¨asstsichhiernichtangeben–derFisteinunendlichdimensionalerVektorraum.VektorendiesenTypsbegegnenIhnenbeispielsweiseinderQuantenmechanikdes“TeilchensinderKiste”.EineFunktionf(x)heißtdortWellenfunktion,undmit(4.8)und(4.9)findetdasSuperpositions-prinzipderQuantenmechanikseinemathematischeFormulierung.
Beispiel3(ImSupermarkt)GlaubenSienicht,alleVektorenh
sichhiertats 43123~a=LiterSahneliestsichihrEinkaufswagen~v=4~a+3~a+~a.Unddasses 1 12habensieeinenVektor.DennmitderVerabredung~a=Apfel,~a=Birneund deninihrenWagenvierel,dreiBirnenundeinenViertelLiterSahne–schon¨Apf begegnetkommenganzohnePhysik.GehenSiebeispielsweiseeinkaufen,undla- mitPhysikzutun.ImGegenteil–vieleVektoren,denenmanimt¨aglichenLeben ¨attenirgendwas
wagens.Achja–dasBeispielzeigt LinearkombinationzweierVektoren–alswiederumInhalteineseinzigenEinkaufs- InhaltihresEinkaufswagensmitdemihrerBekanntenvereinen.DasResultatistdie ¨achlichumeinenVektorhandelt,stellensieschnellfest,wennsieden
¨ubr
igensauch,dassman¨ApfelundBirnensehrwohladdierenkann.Ihnenbleibtnunnurnochherauszufinden,wasmanwohlmitdemVektor~v=4~a1meinenk
¨onn
te(wiew
¨areesdennmit“Apfellieferung”?)... 3
4 .3 U n te rv e k to rr a um
HatmaneineTeilmengeUeinesVektorraumsV,kannmandieElementevonUzwaraddierenundmitreellenZahlenmultiplizieren,aberesistnichtgarantiert,dassmit~u,~w2Uauch~u+~w2U.Teilmengenf¨urdiedasgarantiertist,verdienen
3WerschondenBegi↵desDualraumskennt,identifizierthierschnelldiePreislistedesSu-permarktesmiteinerLinearform!,unddieAntwort!(~v)w
entrichten.Klaro–wennSiefelliefern,kriegenSiedaf¨Ap ¨aredannanderKasseinEurozu
¨ureinpaarEuro.
cMartinWilkens7922.August2014
80Vektor
besondereBeachtung,etwainFormeiner
Definition(Untervektorraum):SeiVeinK-Vektorraum.EineTeilmengeU⇢VdefinierteinenUntervektorraumvonV,wenn(1)U6=;,und(2)f¨uralle~u,~w2Uundalle2Kgilt~u+~w2U,~u2U.
EinUntervektorraumUistalsoselbsteinVektorraum.Insbesonderesind{~o}undVselbstUntervektorr
¨aume
vonV.
EinelineareH
¨ulle L(~v1,...,~vk),beispielsweise,isteinUntervektorraumvonV,undmansagt,dasTupel~v1,...,~vkseieinErzeugendensystemdiesesUntervektorraums.SinddieVektoreneinesErzeugendensystemlinearunabh
¨ang
ig,konstituierdasSys-temeineBasisderlinearenH
¨ulle
.
SindUundWUntervektorr
¨aume
vonV,soistauchderDurchschnittU\WUn-tervektorraumvonV(wer’snichtglaubt:Beweisals¨Ubungsaufgabe!).DieVereini-gungsmengeU[WzweierUntervektorr
¨aume
U,Wisti.A.keinUntervektorraum,wohlaberdieSumme
U+W:={~u+~w|~u2U,~w2W}⇢V.(4.10)
Untervektorr
¨aume
desVektorraumsR 3,beispielsweise,kannmansichinFormderGeradenundEbenendurchdenUrsprungveranschaulichen.
22.August201480cMartinWilkens
4.4Aufgaben81
4 .4 A uf g a b e n
.Aufgabe4-1
ZeigenSie,dassesineinemVektorraumstetsnureinenNullvektorgibt.
.Aufgabe4-2
ZeigenSie,dassesineinemVektorraumzujedem~vstetsnurein~vgibt.
.Aufgabe4-3
DieAbbildungzeigtf¨unfKr¨afte,dieaneinemPunktPangreifen.BestimmenSie(1)zeichnerisch,(2)arithmetischdieGegenkraft,dien
¨otigist,umPnRuhezuhalten.
.Aufgabe4-4
BeweisenSiedenEindeutigkeitssatzderVektoralgebra:IstB:=(~b1,...,~bn)eineBasisvonV,danngibteszujedem~v2Vgenauein(1,...,n)2R nsodass
~v=1 ~b1+···+n ~bn.(4.11)
cMartinWilkens8122.August2014
82Vektor
Bemerkung1:UmdieBestimmtheitderidurchdenVektor~vauszudr
iimanstattgernev(bzw.vindemvonunsbevorzugtenRicci-Kalk i ¨ucken,schreibt
¨ul) ,undnenntdiev idieKomponentenvon~v(obwohlessicheigentlichumKoordinatenhandelt.KomponentensindselberVektoren–einVektorhatKomponenten–unddiev isindschlichtZahlenundkeineVektoren.Naja–soistdashaltmitdenFachsprachen.Diesindauchnichtimmerkonsistent.)
Bemerkung2:AngesichtsdeshierbewiesenenBefundessindallen-dimensionalenreellenVektorr
¨aume
risomorphdemVektorraumR n.Oder–nochpr
eigentlichgibtesnureinenn-dimensionalenreellenVektorraum,unddasistderR. n ¨agnanter–
.Aufgabe4-5
DieAbbildungzeigteinenVektor~vundeineBasisB={~b1,~b2}.Best¨atigenSiezeichnerischdieVektorkoordinatenv 1= 53 ,v 2= 23 von~vinderBasisB.
.Aufgabe4-6
(a)EntscheidenSie,obdiefolgendendreiVektorenlinearunabh
¨ang
igoderlinear
22.August201482cMartinWilkens
4.4Aufgaben83
abh
¨ang
igsind:
a= 0@ 123 1A,b= 0@ 321 1A,c= 0@ 234 1A.(4.12)
(b)UndwiesiehtesmitfolgendendreiVektorenaus:
a= 0@ 123 1A,b= 0@ 321 1A,c= 0@ 342 1A.(4.13)
cMartinWilkens8322.August2014
84Vektor
22.August201484cMartinWilkens