215
Eine legendäre Geschichte Timurs.
Von H. Yamb^ry.
Es ist schon einige Jahre her, dass der verdienstvolle Orient¬
reisende') Dr. Max Ritter von Proskowetz-Marstorff nach seiner
Rückkehr ans Mittelasien mir eine persische Handschrift ans Bochara
mitbrachte. Beim ersten flüchtigen Einblick in die in grobem
Taalik geschriebene Handschrift vermutete ich , ein Exemplar des
von Scheref-addin Jezdi verfassten und von Petit de la Croix über¬
setzten Werkes vor mir zu haben ; so wenigstens urteilte ich nach
der Aufschrift des ersten Kapitels, welche lautet : c».*ii>- cAjjJ qLä*»! J
^jL> ^tSäjj jj^üfyj» w:>^Ju ^ytyus>Lo, und andere Aufschriften
bestärkten mich in dieser Annahme. Als ich diese, meiner Manu¬
skript-Sammlung einverleibte Handschrift nach Jahren wieder hervor¬
nahm , machte ich zu meiner nicht geringen Verwunderung die
Entdeckung, dass es sich darin um eine legendäre Geschichte Timurs
handelt, in welcher das Leben des lahmen Welteroberers mit
den kühnsten Phantasiegebilden orientalischer Märchendichter aus¬
geschmückt und mit Episoden versehen wird , die aus dem Reiche
der Mythen und Fabeln genommen, den Nationalhelden der Ost¬
türken als ein überirdisches , wundervrirkendes Wesen erscheinen
lassen, in derselben Art, wie Ssanang Setzen die Laufbahn Dsengiz
Chans behandelt.
Die 496 Oktavseiten starke und jeden Titels entbehrende
Handschrift ist, wenn ich nicht irre, bisher unbekannt geblieben,
und das in meinem Besitz befindliche Exemplar wäre demnach ein
Unikum in Europa. Geschichtlicher Wert kann dem Werke selbst¬
verständlich nicht zugesprochen werden , doch um so interessanter
ist dasselbe vom litterarischen und besonders vom sprachlichen
Standpunkt. In Bezng anf den Zeitpunkt des Entstehens lesen vrir
Seite 8 folgendes:
1) Antor des Buches „Vom Newastrand nach Samarkand durch Russland auf neuen Geleisen nach Innerasien. Mit einer Einleituug von H. Vambery, einem Anhang, 53 Original-Illustrationen von A. Hausleitner u. A., zum Teil nach Skizzen des Verfassers, einer Notenbeilage und 4 Originalkarten". Wien und Olmütz, Holzel 1889.
216 Vamb^y, Eine legendäre Geschichte Timurs.
f
iiww a5Ljj ^JLäjLj jl t5jl*Jl "^is-
oy^\^ j! kXiiLj ^ oi-Jü! A«.^ j!} U! o->«,l \Ä.i:rÄi'
^Jj' V^AÄAJJ *^^<«J L>yJ i^Lw jLf^»- V:>*A««.aJjtjS> ijMI^
^iyi j\jS> Ulf *^ o-#^^ ^yL^> ylfj lA.^^s!' (^jliJi ^üoyjy
viL» jw—jj iXo ^jlyiAS^Lo o'lSj ^ «JüäAi^^ j^L» ^0 ^
xÄ.iXXi'
„Jetzt regiert Abulghazi Chan, seit dessen Thronbesteigung einundzwanzig Jahre verflossen sind. Als Wali (Gouverneur) fungiert
Muhammed Daniel Bai Atalik. Es war im Jahre 1024, dass diese
Handschrift verfertigt wurde. Heute , unter der Regiernng Abul¬
ghazi Muhammed Bahadur Chans, zählt man 1092, und seit dem
Tode Emir Timurs sind 399 Jahre verflossen.*
Diese Daten sind ebenso phantastisch wie das Werk selbst;
denn Abulghazi Bahadur Chan, nicbt zu verwechseln mit dem gleich¬
namigen Fürsten von Chiwa, dem bekannten Autor der „Genealogie
der Türken* Oj^^ allerdings unter der Vormundschaft
Daniel Bais gestanden , doch lebte er circa 200 Jahre später , als
hier angegeben wird. Nur aus dem Datum: 399 Jahre nach dem
Tode Timurs = 1206 (1791 A. D.), kann die Regierungszeit Abul-
ghazis erschlossen werden, denn die Zahl in Ziflern bringt richtig
Ilif, nur in der Transkription fehlt das Wort >Xo sad (Hundert).
Ob nun dieser Schreibfehler auch auf das Datum der Handschrift
Bezug hat, wäre schwer zu sagen. Nach dem Stile zu urteilen ist
es ein Werk der Neuzeit, d. h. es datiert höchstens aus der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, was erstens aus der auf
Seite 320 befindlichen Jahreszahl 1230 zu erkennen ist, ferner aus
gewissen türkischen Fremdwörtern, deren rein özbegischer Charakter
ausser Zweifel steht, was übrigens aus dem damals noch häufigen
Verkehr mit Chiwa sich erklären lässt.
Die Sprache der Handschrift ist persisch und zwar der Dialekt
der Tadschiken, welcher bisher in Europa sozusagen unbekannt ge¬
blieben , und durch eine ganz aussergewöhnlich grosse Anzahl
türkischer Lehnwörter sich hervorthut. Wörter wie z. B. ^JiJS
(körünüs = Audienz) , {koi = Gesinde , Kompagnie) , qI^^!
{üran = Losungswort), Jw^ä {kabal = Belagerang), ^.,1x^1 {Alaman
- - Raubzug), {saiU = Panzer), {koriik = Revue),
ijijyj (jürüS — Marsch) \S:iy^ {colak — linkisch), ^j^Ji {karazi
= Räuber, Auflauerer), ^»^a« {surug = Stange), (links) u. s. w.
würde der Leser in keinem der vorhandenen persischen Wörter-
Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs. 217
bücher finden, so dass zum vollen Verständnis des Textes die Kenntnis
des Osttürkischen unentbehrlich ist. Was den Stil anbelangt, so
zeichnen sich sowohl die Verse als auch die Prosa durch auffallend
knrze Sätze sowie durch Klarheit und Einfachheit aus, was zur An¬
nahme berechtigt, dass der Autor seines Zeichens eigentlich eine
Art —lJuo meddah — Märchenerzähler gewesen, der in der zeit-
O
genössischen Timur-Litteratur bewandert, das vorhandene Material
zur Dichtung der Legende verwertet hat. Von den bekannten
Werken ist namentlich .jl JiiL=- Hafiz Abm und die Geschichte
§eref-ed-dins stark benützt worden. Die Personen sind durchwegs
geschichtlich, auch die Reihenfolge der einzelnen Feldzüge ist mit
Treue eingehalten worden , während andererseits Timurs Anwesen¬
heit in Mekka, sowie sein Zug nach dem hohen Norden, wobei die
Iskendersage Nizamis als Substrat gedient haben mag , zur Aus¬
schmückung der Legende gedient hatten.
Um dem Pachgenossen einen BegriflF von diesem seltsamen
Werke zu geben, lassen wir einige Auszüge folgen.
I.
^^[i^Xxi c>iÄ>J ^^fyCjÄ-Lo CyÖÄ. [Jjjyi ^jbwwb
^ ji
Jci »jU«! vjj^f^ c^-ii-J ülr*^'^ Oy.C35>- ^^y^
s^iisAykfi !^(J:^amj iXkS»-! K=>-\y»- liJLLo ^\ o>Ä ^^Lä^wJ^j mJJu
jjUSj ^äj^ PjS'^ vw«^ |«Lj Li njtii LsujI iXiXif
^^y^J ^.jtyjwj iXiji^Mt v-jLa*«!^! J.*>J 'j'-b^ ^fil iXLLio
vi>ci»ÄjjO lAJjttXJ oLiül «^j'^'jJ g-sj iXÄjU^=^j iyL3-
tS Cyi \*Wi jjLiot x/oUjJ gOj pL.^vLJ^
(i^r, Lj^ ^LLi jl yt^ L*
^«-jL-il jXäi' XJ i'^l fti^^ *^ 0**j ^
(V^j!/ LT-^j ^.-^ ^ ^ ■
1) Dili Afitab , gleich Dili Asman ^ Herz der Sonne, Herz de»
Himmels, Mittelpunkt, Quintessenz (?).
2) Cember feru kesiden, wörtl.: den Reifen, das Band oder den Ring losmachen.
218 Vambiry, Eine legendäre Getchiehte Timuri.
jjLs»- Lä jl ^ iS Jül »J>S »Js-Jic JuJj' l^sJOi» f,\jS
sS j'üüw J «jIj '^[f^ kXÄwLJ j-^jJ
v_äJL^ |^IJc3 M>ijCuc «uoJJI «uJLc u^^M^j^^j
_^lj»J' U xTli-w ob ijty»- iLio ^.♦^yiJ J^'^
jyULlol vJjl <a—=> ij>*ä fcÄSj ixXi jl^ ^IXmSJS j\ jjtJus^La
OJiXi; J«»ä i>jvX}0 iJUu^La cy^iJ' fci' lXju kXkXxl^ «^-Ls?.
p
tS JüjLUvJ &Ä;~y vL^^Äj ^ÜLi^il «uslä j^^
(»j^Läa^« jLi Ja^vjs ^♦-jLxJ jI jO!j-j
J :<" ^y!Ji>l (^^.j^a-* u5LLo j-jjc L>Lä
^Lu): oj>i3»>j 8jüu«j^ tw>ls>-^ o^l ontIahi I^L«
r'Js^^ rj-^ J-^ j' Li^^ L. ^tj o^L> ^
j\ JLJu;.iUj<Uj lj qLIo! B'Oi' jylyi*»-La jukajul
0^ »iXiu« I—jL*«,!jl qI^ jI bJ (jil»jjO ^ ^ bO j_5»XiJb »_j
*^t^ cya>- ^1 ju>-lo kXioJ' iJiS iJXaj jyUus^Laj
qI jI iAju Lsül *^ Oüo'Jü«jS (_5_^-*u iA.»s»|
ü!j**' J' o'i; >r^^-^ i^j^ iJji \j ^/l-ä QlyU5>-'uo
lXJo^ LsJl jl iXiuX^j (^ijijij' jif^ ^»i^y*'.' «XiA^=
^^jA^ ^1 (X3JCAA.J (*L>Ij u5i^?^ L OjaJ o! 1^»!^ »j.^
*J' iXiOj^ u5wu.. jl (_5jL* Jüo^ I^LäLj BiXol y ^ ^ Oj^ü
1^ (3yXÄ«>o« Js-k*«j »i' Lpj| u^jjt o'—^ J^ JJJis>-^
(jÄ-»Ää^' ^L^^Jbl vXiJ-kA-j j IjI lij^ Is^jl jl OjL.
tXjOji' i3j.*ä ^y!yi»>-Le tsSüiMj ^XJiyj iü«'J ^öcc JüJ»-«l qLs»
JjH;^ iJLfcXäp' ^joI (AJoIlXJ va«jiai»j jjJ 1^ ^^L^^Jül 1^,1
jl O^Ij yiS «WM JLi' iXiOj/ |.jlJi**-L3 |«_jAx* JüJ^AMj (3>J_jJ 'u L
1) Vielleicht richtiger sarig urun? = der gelbe Ort.
2) Kicik tag = kleiner Berg.
Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs. 219
jXx> ^^>- JkiÄÄXXj gsAÖl j! jy!yus>.'ui3 f»J,Ä^ (»'^
o' cr**'"^ '-^"^ j' L5'y j' iXüiiXJ'
LX-i^A.» "' t>>-^ 6^ '^i'^^jiy' ol; j^-*^ '-^ j'"^ tXLwb
u5oOJÜ tXj,^^ A-i»l^ 'V^ ^y*^^ oly*^^
»Xyö jtjP u5o *X5»-l>AJt jl i« cVjv>-y~, »l^j'iXi
IjjXäJ LsUt i>jJjyÄJc«j i_5j*^>- >Aaa3 sa^-Äj^ jl jfi- tXi.iS
«Ju«! jXäJ JVJL* l5^^' ^1^ oLw«^' ^_5!y«! iXp «^^^
»Oj Jj>j ij«^ uiS'jl iXi! ^ylyui>La jiü j\
b-f J>Mttj (^''^ '^^jir" ^^"^^^i ^y-^ 3^"^ ''^^
»JmS ikÄ*>u j"-^ jy*^ y^ tXJtiOji'
JOÄfli' Ifi! iXjOj^! jUs^ ^'^ »1^.;;^=* »ji-5*i0 <A^1 OU*«yj
tJiJp\j,S vJimJÜi U Jol ^tJu»-LA3 QtXat ^«jywUx« o^xJu« i^'i jl L
JjJo Ij^ IjL« (^yi o>*l-aj ^5 »jjkJ ^O Lo JJJäj
Juttj «Li^ ^yi "^-^^ ^1-^ (•'^l Ij^l |*r>^^'*
JJO^ «Oj/ jX« ooJUu« L«I tkiji' ^ÄA jy*-^ _y^t
JuOj sJiS \j J«Xä> i_jt-bl v%\a\ ii^^jii/« iXiOjJ »Ju«!0
OiA/O ^^L^ ijij! »S iXÄ jIlXaJ Ij-y« LX-Äwy« tJjiS J '^.j''
J-J *^ jl^*" jf^ J^l "^'^J oLäsI jO »aä
^yOji' i_*Äe ly^* '^^1 »«^^ y> ^jji^ v^l J^^l^'i^ ^ ^1
C'vJüdUj ^1 {^l^J!i (JLi u^j3>Lä j\ ^ >S JuO^ jj-^' .>^1
l^t lA^U »0^ v^jf ii^J^ iJiS j,Läukj «j o>-mO sOwo
Q^Lff j jy*^ y^!^ ^1 0>jjUl*«jS qLs* iJi-»Jkijj Oii »JiLmu Ij^-jv*
JuOy <iM^Ji i-a^ !j wtili »Axt ^ylyu>•'u^a Oii &j jl.>-
1) Kalam Snden = gespalten, verschnitten, vernichtet werden.
2) Mütik = Flinte. Der Ursprung dieses Wortes ist unhekannt, wenn es nicht etwa mit dem arahischen vJsAÄJ, wie Pavet de Courteille annimmt, zusammenhängt.
220 Vambiry, Eine legendäre Geschiehte Timurs.
^ji ^(j! A.jJJ' Jjs \j \a*JiMi f,ji »Axl ^_A-iiLÄ ^^lyus>-Lio A-ä i
AjJj5' jjüA »UiJljAX Ij-uo ^_^^L*? l.;'-^^ x^^Ha ^.S^?*" üj
ob (fcA-J Ij^ww» Oji' o-iv5>j \j »LioLyO Ij-yO »A,yi-il ^^tyuS^Ua lOjS
ayS> «5üUj jb AiO^J »bAÄ:^ L^l L«l vü^lÄy AÄÄx xS' Ojj'
*
Ajj^jUi qI jl cisiÄx c;*.cU=>- ^Ls» A-USj
Der Zug Emir Timurs nach DeSti-Kip6ak gegen
ToktamiS Chan.
Nachdem der Emir die gehörigen Vorbereitungen ziun Zuge
nach De5ti-Kip6ak getroffen, langte er in der Pestung Turkestän
an, wo er Choia Ahmed Jesewi, dem Landesherrn (Patron), seine
Huldigung darbrachte. Es verlautete , dass hier eine Pestung
namens Kaba existiere , und zehn Tagereisen weiter wohnt der
Turkomanenstamm Jüz, die ihren Ursprung von Efrasiab ableiten.
Sie sind die Nachkommen Argun Chans, fünf Brüder, die niemandem
botmässig sind. Es kamen nun die Abgesandten der fünf Brüder
hierher und ihr Botschaftsschreiben bestand aus folgendem Vers:
Wir sind fünf Brüder aus dem Stamme Kaba,
Wir sind das Meer für das Herz der Sonne,
Wir haben die ganze Welt erobert.
Nun haben wir es auf euch abgesehen.
Sollte das Schicksal nns nicht günstig sein.
So entsagen vrir allem auf dieser Welt.
Alles brach in Lachen aus, doch diese Lente glaubten vrirklich,
dass Kaba unvergleichlich sei, imd Mirza Omar Seich schrieb ihnen
folgende Antwort:
Nimrod, der Hund, Gottes Pluch über ihn.
Sagte auch: ich bin Herr der Schöpfung,
Der Allmächtige hat jedoch durch eine halbe Pliege
Ihn mürbe gemacht, folglich sind wir nnr Bettler.
Der Emir stieg zu Pferd, brach auf und belagerte sie. An¬
fangs nahmen sie den Kampf anf, doch als sie das zahlreiche Heer
des Emir gewahrten, zogen sie sich in die Pestung zurück. Nach
vierzig Tagen ging ihr Proviant aus nnd sie schickten folgen¬
des Schreiben:
Wir sind fünf Brüder aus Kaba,
Von der Hungersnot hai-t bedrängt.
Du bist ein Pürst, erhaben gleich dem Herrscher von Ägypten,
Wir sind nur sündige Bräder,
Vaml/iry, Eine legendäre Geschichte Timws. 221
Uns ist nur Verachtung zu teil geworden,
Beschämt sind wir von deiner Herrlichkeit.
Oh ! erbarme dich unserer elenden Lage,
Unsere Hoffnung ist nur deine Huld und Gnade.
Kurzum, der Emir verzieh ihnen, worauf sie einen Kupfer¬
kessel , zehn Ellen hoch und zehn Ellen von Umfange , der noch
aus der Zeit Efrasiabs stammte, als Geschenk darreichten, welchen
Kessel der Emir dem Mausoleum ChoXa Ahmed Jesewis gespendet,
wo er sich noch heute befindet. Von hier wurde Mirza Sahruch
als Vorposten vorausgeschickt, der gegen die Steppe hinzog und
Sairan (Sabran?) passierend auf einen Sarig Uzun genannten Ort
kam. Von hier weiter ziehend fehlte es auf drei Tagemärschen an
Wasser, bis man nach Kif*ik-tak gelangte, wo alles grün war, und
wo man von einem Berge einen weiten Ausblick hatte. Hier liess
der Emir einen Steinturm aufführen , und als Abdullah Chan , der
özbege , hier ankam , liess er daselbst ein Mes^id erbauen. Von
hier weiter gelangten sie zur Station Ata Firau'un , wo die Ge¬
sandten ToktamiS Chan mit Entschuldigungsbriefen ankamen. Der
Emir empfing sie, ohne jedoch den Gesandten die Rückkehr zu
gestatten, denn wenn dieselben zurückkämen , konnte ToktamiS die
Flucht ergreifen. Nun gelangte man zum Flusse Tobol. Hier
erfuhr der Emir, dass dieser Fluss drei Fähren habe, doch benutzte
der Emir keine derselben, sondern der Fluss wurde an einer andern
Stelle überschritten, aus Vorsicht, damit nicht etwa der Feind hier
einen heimlichen Überfall versuche. Nun waren es schon vier
Monate, dass die Armee sich auf dem Marsche befand; Brod ge¬
hörte zu den Seltenheiten, und der Emir befahl, dass jedem einzelnen
Krieger eine Tasse Atala (Mehlsuppe) verabfolgt werde. Bald
kam man in ein Jagdgebiet , wo an einem einzigen Tage tausend
Gazellen erlegt wurden , und die Armee sich nur von Wildpret
nährte. Hier wurde auch eine Revue abgehalten, die Kommandanten
der Zehntausende und der Tausende, sämtliche Befehlshaber defilierten
mit ihren Truppen vor dem Emir, und nach der Revue wurde
Aufbruch geblasen und die Armee zog weiter.
Mirza Sahruch , der immer eine Station voraus gezogen war,
langte indes an einer Stelle an , wo alles lichterloh brannte. Er
schickte den im Steppenleben wohl erprobten Egü-Timur aus , der
war auf zwei Zelte und zwei Frauen gestossen , und als letztere
vorgeführt wurden, erzählten sie: „Wir gehören zum Volke Mangit,
als unser Volk vom Herannahen des Emir Timur hörte, flüchtete
sich alles und wir zwei armen Wittwen sind hier mutterseelen¬
allein ohne Schutz zurückgeblieben.' — Der Mirza beschenkte sie.
Es war hier ein Wald und inmitten desselben liess er (äahrnch)
sich nieder, trotz allen Abreden Egü-Timurs. Das Volk der Mangit
hatte hier eine List ersonnen. Sie befanden sich am Bergessaum
und herbeigeeilt hatten sie den Wald in Brand gesteckt. Alles,
222 Vambiry, Eine legendäre Oeschichte Timws.
was sich näherte , ward vemichtet. Der Mirza merkte , dass die
Flammen sich anch ihm näherten, er stieg zu Ross, gefolgt von
Egü-Timur, und alles, was in den Weg kam, wurde niedergemetzelt.
Indes blieb das Pferd des Mirza im Kothe stecken, und Egü-Timnr
erhielt im Nacken einen Schwertstreich , der ausser der Hauptader
ihm alles verletzte. Anch sein Pferd wurde mit einer Flinte (?)
getötet ; mit einer Hand sich die Stime haltend , kämpfte er doch
weiter, bis er endlich glücklich entkam. Der Mirza jedoch ward
gebunden und zu ToktamiS Chan geschickt. Egü-Timnr kam indes
ins Lager Emir Timurs; er erzählte das Vorgefallene, er wurde
gepflegt und genas auch bald. Der Emir zog nun bei Nacht weiter
und vernichtete das Volk der Mangit, von welchem nur ein Ehe¬
paar übrigblieb, das sich selbst dem Mii-an^ah zum Sklavendienst
übergab. Als der Emir dies hörte war er auf Miran^ah aufgebracht,
doch als dieser beteuerte, dass es seine Sklaven wären, liess er die
Sache sein. Nach einiger Zeit kehrte das Ehepaar in die frühere
Heimat zurück, nnd das heutige Volk der Mangit stammt von
demselben.
n.
Jjlji jju^jjjj bJj/ ^ylyikS^Lo vii^>*aj jt lXju JLiaäJt
Jül bJuOÄ QbLwJi L«l jL-^ iutiä ^^1 JülJji' »^.AsL»"" »JooT
ji»3 cyas» >S boLäsI p!^iu»-Lo i-Jt*^ >S
Jüo'OäÖ ^yULj>U3J >Jü LXiiXii qLjX« jü! »Jiiijj
JüJb:-«j9 tSsS" ^ylyu»-La ^J-o« J-ii^ jj *i' JUPJu Uj IjjUj' sS
i.Äi^ ^^LLyi i>^^jiö y^ ^«j! bJjjI ^^UjI vjUi' ^ U
I,mS vJIjIj J-*^! *y JJJ'lXj c»J>a3, ]Jua sS JüJbL-ö
^L^b- X? u-sj! (?)('o^?^ ^j^f ^-V ol-^'^
^«jy ts'"^ ^jy*^ vÄ-ätJki' {^y* «>-\^->~^tJ
j^-üü-tyLyo uXixito U-~^b ^Jbio! j^j"! UJLä. ^^j^i'
jOL^ ^^!ju»'u3 o.*as> U JÜJJt^J^Ux ^iiß
JüJo^j O^^' AiJj.j lOLfj Ij iJ>*^j! vi>-i\j jj OüOyj lOJ' jJ
JüJj/ ^U5>-j" Ij jytJi*5>-LA3 A«J ^-Ü' vjl^ Ij Js-cSüI i3.l JüUfti'
Jkj Ij (j"Ul .x«OjX Li JJSÄ^ Jjjl j^Lj Ij ^Uiol jjt
1) Hapan, vielleicht ein Schreibfehler anstatt qLj^ Popan = die Popen.
Vambiry, Eine legendäre Erzählung Ihnurt. 223
vLf-M iS \XjJ>yA^ kXÄÄÄi' Aj ^^^^>m£ o.na'» aXijj^ ^hAilAju«
AiO_J' ikXs>- ikJ' Jj OJjS 5j J-i^I Jüjy' 'lj jJ bLa*. »»>xj>
•,-,Äjj sS J,13- j^Xi^ AiAxl (Jijj^ Aju AiJj'
AjAxI AiA*ÄLX*x lÄil JjP lO AÄ^ L jj (*^.^ A*o
^yUol y vu^' »ASS« fci' Ijj jj' \j ^ytJi*s»Lo Jb
^,«jjX jXä jüx Ij jyLio' ol-*^*^ ^y^y^ »LäjLj vy^l
AÜÄsi' A-kÄT »AS*" Lx (kX^ j^I vi^ÄT ^tjiu»-Lo AiJji' viy^.
Jj^jffwkX |?J j^LSoLj i^ys ^yUuÄ-LO AjJjCi L:^ ^Ju»
\j LSljl *jJä j/l cjUi' ^^i Jus-Uo Aij/ v_JlI3 Ij J^AÄit juoiül
(»j| jJ iJ U-ä qJAj Lx Ail Jü:äi' qLÄjI Aj^jjl<j Ij JkxÄit A^Aj
fS^^<i »Axl sJ.i' O*"**^' »V?^ *=lr^ J^-*-^ üIt*^'^
jl J-i^' b kj^ ^ o*^^ j' "^^"^ "^r^
^yäji' jJ L^i O^Aaftx j/t jl AiOj/ JjXi J^
^^1 jXmj j-ob &jj:> jLj ^^' vii^jj j?Aj jüsJ' vi>««! J»*Äj|
jjiM.4:M } Axl jJ L^' ^.j|jjUs>-L9 jX-«^ ^-^^^
o^jr^ r' ^ ^/ o'V rV "^y
JkJj^o ci«-~J ^^|jus>-Lo j<«l ^ |.J_x A^Aj |.I »Axl J-äjI
Lj jX>.«j rAjb' J^juc aXm.J' ^ A^xi^J A^ v«I AiJ->
^ " j" >" •> > . •• j- ^.
^JJL^u■D jj AxPAj Ij jL*:S\it ^i'l oUi' ^ A-««, »U^Lj jAj
j-bj ^^u^ijjUs »bj siä/ \j J-cssJt (*(jrjUä J^j
JLi' qj! Aa-mj jU b Axt ^ »^^^ (* »~:>bi}J
>3-ui»J {Jjit^ o"*^ ^jj^ "^J^ c>->«t^.S^AX Ij JwAÄil
1) Sorug, wörtl. Stange, Holzpfeiler inmitten des Zeltes.
2) Kulataue, Tielleicht richtiger ^^'^"^kS kala-taus «= der schwarze Piau ? Vgl. Melik taue = Gottheit der Jezidis.
3) Kumari figuriert überall als eine Art Leibdiener des Emirs.
4) Tiri du Sache = ein Pfeil mit zwei Spitzen oder Zweigen, ist mehr eine mythische Waflengattnng.
224 Vambiry, Eine legendäre Geschickte Timurs.
0^5! öyS" jXj OjXi »AJjJ Ijj! j.*« OLäs! .j jJ ».i' Oj ^1 (fc-^?? jO J.JJ
-^^^ olÄ^^ r^' cri'
j^^sUj Oj.,?y JwA.s\jt ^^Ls*»>L*o AJob Oiljl NjiaäJl
^ vi^^ij^ ^^Läu! jt jj i^^i Jj^ 50 »oto tjl^j (?) (i^j5^
LsUjI jO jjj iXiq^- OjJ *Ju^.iAj 1^ ^O O^i' /^^-^^ ^^^^ j'j^
^lyl;5»L3 ^.jt j! Aäj tXÄÄs-kX L^t bi^^S' (^jLäUäj |.OjX AiOjj
ÄjiJLi »lAxt ^!yus»L*o jk^D lAit »Oj.! >.:?-_^äx _^y9 v_>oLsvj
^tjius-Lo j^ jt v_AUi U! j,j 'ü" 0_.^ ^ 'j^^;*
i^^ait i_$tjj j! Axt^.j i^^-i- Ax*uj-k<« ^*>ijt qWj^ i^i^SJ^-^ «.JL_j
oöL lAAÄi:. &i' v_AjL>- j! i^iöUj iAjLj !j (Jü ,;,^s>Lo
jJj jO qOjI' jO ^^yj «X»~.iö lit.;—* '-^^ »lAxIy Lfj.J lji~>t
L«! ii>Uj' !jj! ^^lyi*»-L*o iA^I^^äax iii«.5»L5> lXaXax N^j^i' ^lAs
<Aa«jJ Oji' v_JLb \j ^l*:>-j' lXx! xÄSji' l\j_^^x Iks' ci»">»o!L\jj*j
«Aii ikÄÄioöü^ »i^ioLi («JiXä jO q!jAj i^Io |.Ü ^j^^xä CT* o>*i^
jOiSji' U j! Ij u^Lo Ui«-*! »Oji^ Z?^"^ i^"^ CJ"' ""^ ci«-**iü'A/o ^v.5>- OA.fli' ^^tyi*>-Lo iXir »LioLi ty jü j?l^js:ux ii>o jl q.«
jt (»Äi' »LioL» ly jb i\Äst qX Ci«— aXj d^^j ^^J! ^.i^l ^«Oji^
*-j| vJsAÄi> ^^'^ '^'^ O"' (*^ L?^"^ 'y CT* i^*'^
■bib »O^i' y' y ^_Jt JcÄjb o«»ljj j/l vü«-m! JoioÄx bjiXj vj5AÄi>
tXijb i_A_>U jXl o^j ü-S-)^ (''^) ;' '■^ AiJl^i» J.i'! Ojj
jj ^^lyu^-bo Aibi g^5> ÖA-ii- y i.i' O^j bjAj y' y
1) Harput Peneber seng ist ein totsl verstümmeltes Wort. Interessant ist nur der Umstand, dass der Vermutung Raum gegeben wird, als wenn zu Timurs Zeiten irgend ein Geistlicber oder Vorstand einer christlichen Gemeinde in Bochara existiert hätte.
2) 00 put, das russische Gewicht Pud = 16,38 kg.
3) i^^yXi lederi voi — zu ihm.
4) j^Ä*st Wahrscheinlich ein Schreibfehler, vielleicht ^.ktol
Vämhiry, Eine legendäre Geschichte Timurs. 225
^^L> ci^.i=^^J jl_j-fXA« jl *-j1 oasLj ^^1 »Jo«l
tXi; v_>t jj ^1 iXiOjX v^S y ijij^ JJl« i.^' LViÄsLö ^yCÄjji'
ujLij» UJ| iX-LÜLj v.,—^ Ij Ji-yC ^jl v\*J iXä ^^1;J5 IpjUc ^^Uj
Jufl^ »jb »0 jl ^1 jO iXvXsLj ^y jUmJ jLo bJuoI
«Oj^i. yy j!^?
Emir Timur und das von Jesus eigenhändig
geschriebene Evangelium.
Bald darauf brach der Emir auf und in der Nähe der Pestung
Azak (Azow) angelangt, belagerte er dieselbe. Diese Pestung war
sehr stark. Als die Christen gehört, dass das von "Jesus eigen¬
händig geschriebene Evangelium im Besitze des Emirs sich befinde,
versammelten sie sich und die (christlichen) Mollas richteten an den
Emir ein Schreiben mit dem Inhalte , dass sie viel Gold zahlen
möchten, wenn man ihnen das Evangelium geben würde. Der Emir
antwortete : Auch wir glauben an dieses Buch und werden es nie
verkaufen. Worauf die Christen sich' auf neue erbaten : man möge
ihnen erlauben das Evangelium in Procession zu umwandeln. Dies
wurde gestattet, worauf viertausend russische Hapans (?) in Pest¬
kleider gekleidet, mit langen Haaren, mit Götzen in der Gestalt
von Jesus und Maria am Halse und mit Krucifixen im Gürtel er¬
schienen, die meistens mit Glocken läuteten und in russischer
Sprache Gebete verrichteten. Der Emir liess ein rothes Zelt auf¬
schlagen und das Evangelium auf einen Thron legen. Als sie mit
der Absicht der Verehmng angelangt, in das rote Zelt geführt
wurden, liessen sie dem Emir durch den Dolmetscher mitteilen:
Uns sind die roten Gewänder verpönt, denn Jesus hat es so be¬
fohlen. Es wurde hierauf ein schwarzes Zelt mit schwarzen Ge¬
wändem errichtet, worauf sie eintraten, ihren ümgang hielten, auf
die Erde sanken und weinten. Dann erschienen sie zur Audienz
in einem Zelte aus der Zeit ^engiz Chans, welches auf sieben¬
hundert Säulen mhte und zehntausend Menschen fasste. Einer von
ihnen fiel vor dem Emir auf den Boden , da ihnen ihre Religion
vorschreibt, ihren Pürsten mittelst Anbetung zu begrüssen. Der
Emir verweigerte dies nicht, und als darüber gesprochen wurde,
sagte er: ,Ich habe die Anbetung nicht befohlen, doch habe ich
sie nicht verboten, damit dem fürstlichen Ansehen kein Eintrag
geschehe —
Als sie nun aufs neue das Evangelium verlangten, wurde ihnen
als Bedingung die Übergabe der Pestung Azak gestellt, doch er¬
klärten sie, sie wollten den Glauben (Islam) nicht annehmen, und
auf den Vorschlag, die iiizje Steuer zu entrichten, eingehend, be-
Bd. LI. 15
1 »
226 Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs.
gaben sie sicb zu ihrem eigenen Herrscher mit der Bitte : er möchte
ihnen eine Hälfte der Steuer nachsehen, damit sie mit derselben
das Evangelium erkaufen könnten. Dieser vyeigerte sich einzu¬
willigen , das Volk geriet in Aufruhr und der Herrscher sagte :
,Wenn euere Absicht die Erlangung des Evangeliums ist, nun so
will ich euch dasselbe verschaffen". Er legte hiermit einen Panzer
an , durch den keine Lanze dringen kann , und allein zum Heere
des Emirs sich begebend, fing er dasselbe mit folgenden Worten
niederzumetzeln an : ,Ich bin Kulataus , der das Evangelium zu
nehmen gekommen ist, o gebt es her !' Von den Leuten des Emirs
legte niemand Hand an die Lanze , \md als der Befehl erging,
hieben sie ein , doch ohne jegliche Wirkung. So gelangte er bis
zum Eingang des Hofes, ausrafend: ,Wenn ihr das Evangelium
mir gebet, kehre ich um!" Der Emir befahl dem Kumari (seinem
Leibdiener), das Evangelium zu bewahren , und einen zweispitzigen
Pfeil nehmend, näherte er sich in gebückter Stellung dem Kulataus,
während der Dolmetscher sagte : „Wer das Evangelium haben will,
nehme es!" MittlerweUe hatte Mirza Omar Seich sich dem Kula¬
taus genähert und mit einem zweispitzigen Pfeile ihn dermassen
in den Augen getroffen, dass er (Kulataus) sofort zu Boden sank.
Das vom Rumpfe getrennte Haupt schickte er seinem Vater. So
hatte es der Emir anbefohlen.
Kurz, .die Azaker übergaben ihre Stadt, und der Emir über¬
liess das Evangelium dem Harput Penüberseng ans Buchara um
zehntausend Pud Gold , von welchen fünftausend der Armee zu¬
fielen , die andern fünftausend aber der Schatzkammer überwiesen
wurden. Hier wurde einige Tage verweüt und die Leute besich¬
tigten die Kirchen. Der Emir zog hierauf gegen die Pestung
Krim. Wie berichtet wird, belagerte er dieselbe vierzig Tage
lang, aber jede Nacht drangen aus den Vorposten des Emirs Klage¬
rufe in russischer Sprache an seine Pforten, und trotzdem jede
Nacht nach dem Klagenden geforscht wurde , war derselbe nicht
zu finden. Der Emir ging nun allein auf die Suche, und da fand
er einen Jüngling mit einem Kruzifix am Halse, der am Pusse
eines Kreuzes weinte und flehete. Vom Emir angesprochen, konnte
er nicht antworten und durch einen Dolmetscher befragt, sagte er :
,Ich heisse Simruch, meine Vorfahren waren ehemals Herrscher,
doch seit lange her hat diese (?) Jungfrau sich erhoben und uns
des Thrones beraubt. Ich bete nun zum Götzen , dass er mich
wieder zum Pürsten mache". Der Emir versprach, ihn wieder in
die Regiemng einzusetzen , falls die Eroberung dieses Landes ihm
gelingen sollte. Worauf der Jüngling sagte: „Auch ich will dir
wieder Gutes thun. Wisse nun, dass diese Pestung einen Kanal
hat, der in den mit dem Plusse verbundenen Graben mündet. Wenn
man nun diesen Kanal rechts leitet , so schwillt das Wasser all¬
mählich an und steigt in die Höhe , und wird die innere Festung
überschwemmt. Leitet man ihn aber links ab, so zieht das Wasser
1 9
Vambiry, Eine legendäre Oeschiehte Timurs. 227
in den Flnss znrück, so dass in dem Graben gar nichts zurück¬
bleibt. Der Emir kam zu diesem Kanal, that wie man ihm ge¬
sagt , worauf das Wasser die Stadt überschwemmte ; und da die
Einwohner nicht fliehen konnten, ertranken sie gleich den Mäusen.
In der mit Wasser voll angefüllten Stadt wurden alle Gebände
vemichtet. Hierauf wurde der Kanal links geleitet, die Plut zog
sich zurück und die Leute fanden reiche Beute. In jener Stadt
gingen mehr als zehnmal Neunhunderttansend Menschen zu Grunde.
III.
I
^IXam^ ^JÄ ^bu«fv3
|.jliaL* Ijj** li}' J'^j jL^*w**j dIt*^^ xaoäJIj
jUa- v_^Lo ^JLi^^' ol>^ Jj^ }^ '^y^ ^i^ß^
ij^JiMi Jl jlX*w-« iutia iAjAaavj iii«.*iy '-^iV^ J^^y^
jj qLo! lXÜ »jLäjw! o^AmO jj ig^Uaj yt (i5«j t/JS jS> ^ Oyi
I^uJLääj JA*^ i-^t »X>*k.Ä.j [S'SjüX^
OcjCfwo y u5U3 y OStji' ötjia vXjJtJ ;J*j1 ,_5^=rl
LjääLo ^J AjkXÄ oLsy.» jj J-!^^ i-^J4 A.i' »b*« LJj
y^yo '-^^^fi «i«-w!j bI^4.* *XoL»j?y j! tj^^x 0üJ>/ aäj
cjj^^ x*fl> qLAj! '^yJS' aJjIlXJ (^Qki;^' A-u j-ö CÄÄiU jIAääI
^.^LjAXaj y^^^*« «-^-^ iUi»L« C'^ly' o/^äAS üJ' Ai!
y AjJ Aju ('AjIaaX iji*j't J^tJ ^J'->/ '^i/' jOImoU,
y »AiL« ^y'sj^^j wij! y Ai! sJ^i' jutiä wt^i J wiiä v_jl_b!
MtJü» (^b>- jöLax y Aj! ikÄAÄ.^ ^^'^o y ju!jl ^ly ^^-w
Jo! ^^iJuoLo jXiJ Aju Aj! »Ä^J t^ Oä! y^ ^-^t o.;^
1) Qi-^i' i-^yy" = laden, ursprünglich umgürten (bei Pfeilbogen),
sonst wäre der Zusammenhang zwischen AÄJjy v_ÄÄLa ganz un¬
verständlich.
2) \^i\SUo habe ich aus Vermutung mit Bildhauer übersetzt.
3) Sowohl dieser als auch der vorhergehende Satz ist dunkel und nn¬
verständlich.
16*
228 Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs.
JoJ^ »vXjwÜjJ (J^J^- ol'*^'^ C^^- i_f^' AiJuit ^
jj«LJ (i\*J ^yÜi*5>-L«o lAiJtJ (^jj^^i^ CT*'^'
o'^-/ ^ ü'j^ '^y^ ü'^/ y
jJb«. y jiXUj o^'j vi>-MO jj xxtlc jüLil^s! jj v-jLöp J^i» ^Jlc
«.^Ti qUL> jj>j &*« j! vXjo lXJiXcI ji »Ju«! iXu! ^ »0^
iXioiJ (jiö! !j «^jj-^j; «^ y '^'■^'y jJüy
^jl5> JJ> ^^ÜLiu! «^jj-öj ^! U! J^ y» JJu ^LiLiot i^jj^j
^yi^ ««-J y (*L*oLi. ^ ^ )^ ^ ^.jjjO ji 0^
ji«^ jy o^; ü^'^
j^tyu^'Lo »Lu». jj »i>-ijj LyjL? ^.,i AJotJ uiöi "JL^äs LjjLs-
0^3 /' '^/^ ^/ '^'y 5 r*' /'
jXs y'i O'ÄJ' J-y«! Jjj jJCiy u5Ui '^/-tr" ^ K3y^ 0^ »-^y-j
p
cXJjyijJcyi QLijji- I-Jio jj)j j^ jy^J iXyXi tyÜLioi /jn
JoJjXax ii5Lija- »Jyy u5oj lXJJjJ jJ>X(« j-sL' (?) f^'—i i!y
jioy^ir ^^i jLT ^ySy ■^yS' fcÄsL jj> ^Lä=- ,.y ji |_y
»_jXj jt ji"! lXj/ q!jsL' jXs jü' oy' i^oL-« ^^i juÄ-Lfl «Jäy
y ^^JLx yju ojS jlJIL j,* ^y*j {^^^^il j^i jydaU
Ojj »Jki li^-u u^Li |.L! ij! y u5Lä_=>- J.^! «Aioio u5L j-XiJ
(♦.Atii*'' »Jo«! si^-Mjyju« vjLi' qj! y jiJ'i (?) üXj'bLc lüJjO
iAfl>!j3- x^j- iy ^^iyy>Lo yi" ij juolXiS' jÄ er» o-ai' oy
tjfcÄ^ Jji ^ii^ y^ ^Äi' j_5i o.fti' ^^yu»-Lo oio
jy y^x oy J>y Aj-yj jLji j^lÄ^y^j u5Uu y ikÄSj Jjs
1) Im Texte ^^^yi" 1^ Lf*^' CJ^'^'
TerstSndlich.
2) oL> cÄod finde ich in Johnson's Persian Dictionary mit Kite = Geier, Drache ühersetzt, doch wie dies als Ergänzungsteil der Kanone auf¬
gefasst werden soll, darüher hin ich nicht im Klaren.
3) — (.^yj j.1 AybL »yj er ji?
Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs. 229 /
>Afl>tj3- ^^Lfc* lü^jiyjjjjjj jJlXäj y ci^äi' ^tjÄ-Js-Ua
i-j! y vü^SiAit qS'A.j ('sOy j_ji t^Ju v^jU«, by J JcÄ
^yLXjjLj j^tjLj AÄ !l\aj L^yl »K'iu lSj y y.*j «J^y «Jo ^ly
ciNsyb \J>i^jyJij AiOji' y AiAxity qL!^ vi^iy
L5> '^jyij y o'"*^ ^*.*> AjAwoty o'^'^^
yjA.ji>- ^jilwil jt AiAÄ O^J^ AiAxitjO sjdÄi Aioy JJCi AiO^
(j*5j! L?Sjxt y AiAÄ o.*;'^ AJ^y füj»,
*
201p>-Lw A-«j_j.S' O^ U*.5;' oL)^-'^ AiAÄ JJü ^.^1 q! '^'^b
Ojj / ^j^M ^A^*» »J y' lüsxaÄ ^_5AJJb JJ i3j.J ^^U-JLv cya^
5^*5»- »oy yi uyy>Lo o^ ^ty y,! ^I^y
jtjrfei ü..*^ i-^>i>J CJ^J^ AÄi*vy Jix Aijt jj Qj-^ jLXwi
y «utLä Qiji^^J Aioy ys !j u^^t a-* yjbu qLäj!
qj! ai" ciAÄJ' ^jfjS A-Usly tj öt Aioy' A-U»- y AiAxt
BjLj OjJ vjtyi AiAx! y »ili» ^^t y Oj.j »Axt y iül3-
&j tjjj-»- g'-y öt fci' AÄ lybx 1^ (^i_jt^y qI y (^^x
^_jL>jj ».j Qty*5»Ua tjjt dS Ojj »jyÄ g-^Ä öt »S tjjj »Oj ""r"!^"
Iyj3- fiMij '^y^ y^ er* *-i' j' A?ty>
ptyiui>LA9 tjU^ oy i3^s AÄ jlX»»wa y-« jyÄ (_50j-j «wCi-lAJ'
(j*5jt liiJu ^^UuoL jy* >^ J^'^y^ oy »läoLj tjjo^ Ay*jfeu
OlxI ^ybi tj-v« ^UiOb ^^LxJ b (j«jjt ^b c;.-»oO^ y«j jt
^j*^ ^'^jr!. ü>5-
1) ... »oy ,yt,Aj üU-w?
.X I
2) Ak Seich, auch Ak Seichum, ist der Name einer Frau, in welche Pudi , der russische Befehlshaber verliebt war , von ihr aber stets abgewiesen wurde.
3) LiJtjy = Scheidewasser, Aquafortis, möglicherweise ist darunter auch der Wein als geistiges Getränk verstanden.
230 Vambiry, Eine, legendäre Geschichte Timurs.
Die Erzählung von der Einnahme Moskaus.
Kurzum, der Emir näherte sich Moskau. Die Vorhut hatte
Mirza Sultan Mehemmed mit viei-tausend durchwegs stattlichen
Männern gebildet, die mit aufgepflanzten roten Pahnen anlangten.
Die Festung Moskau war aus Stein; am Fusse einer jeden Zinne
stand ein Mann mit der Flinte in der Hand, und oben auf der
Zinne sassen Leute mit gekreuzten Beinen. Kaum war der Mirza
angekommen, da gaben sämtliche Flinten Feuer, ein wildes Getöse
hallte in den Lüften und alles ward dunkel. Viele bestiegen die
Galerien der Festung und luden die Gewehre. Der Mii'za fragte
seinen Dolmetscher, den er bei sich hatte : Warum diese Leute die
Gewehre nicht umgürten könnten, und dieser sagte : ,Das sind nur
lauter Figuren (Statuen) , welche die russischen Bildhauer (?) an¬
gefertigt haben. Alle diese Figuren sind aneinander gefesselt , sie
haben die Kraft von Helden, ein Feuer giebt's zugleich (?)!"
Hierauf bemerkte er, dass sich rings um die Pestung eine Wagen-
verschanzung befindet und auf jedem Wagen eine kleine Kanone.
Auf dreissigtausend Wagen sassen zwei Prengijungen. Mitten in
der Festung war ein Turm, wo das Zelt der Ak-§eich sich befand.
Hierauf marschierte das Heer des Emirs in einzelnen Truppen auf,
jede in gleichfarbige Kleider gekleidet (?) Der Emir
selbst erschien in strahlendem Gewande mit der Tunique des
Chalifen Omar, den Koran um den Hals geschlungen; Mir Berke
hatte die Fahne des Wolkenschattens entfaltet, die Gelehrten rechts
und die Derwische schritten voran in der Pront. üngefähr zwei-
bis dreitausend Kanonen gaben Peuer. Die Kanonen waren zum
Teil gleich bauschigen Gefässen, die meisten gleich Mörsern. Aus
der Stadt kamen zwei- bis dreihundert Menschen mit Papier¬
drachen (?) in den Händen , sie hatten Schirme in der Form der
Mörser, die sie in die Erde einpfianzten, und in der Perne an der
Spitze der Drachen einen Zunder befestigend gaben sie Peuer.
Diese Mörser fiogen auf das Heer des Emir, und wo sie anlangten
hatten sie Menschen und Tiere wie Staub zermalmt. Fielen sie auf
die Erde nieder, so rissen sic dieselbe gleich einem Bache auf, und
Kauch (erfüllte die Luft. Der Emir meinte, es würde nicht an¬
gehen , ihre List zu ignorieren. So ging es jeden Tag fort. Die
Jünglinge stürmten fortwährend, betrübt ob der der
Ungläubigen, gritt'en sio mit Hinterlist an, und trotzdem viele vom
Stamme der öagatai gefallen waren , konnte man dennoch gegen
die Kanonen des Feindes nichts ausrichten. Der Emir liess hierauf
vei-künden: man möge etwas gegen die üngläubigen ersinnen
d. h. er gewähre alles, was verlangt werde.
Die Herolde verkündeten dies dem Gesamtheere, welches zu jener
Zi'it. sich s(^hr bedrängt fühlte. Dewiet Seich , dessen in diesem
Buche oft Erwähnung geschieht, trat hervor und sagte: er werde
1 ü *
Vambiry, Eine legendäre Geschichte Timurs. 231
über diese Angelegenheit nachdenken, wolle aber wissen, was der
Emir zu gewähren beabsichtige. Auf das Versprechen des Emirs,
alles thun zu wollen, schlug er nun vor: man möge einen Streif¬
zug nach Turkestan senden, um Zelte zu holen. Der Emir willigte
ein, doch nicht das Volk, und ersterer sagte: »Wie Gott will, so
wird es geschehen". Tags darauf warf er einen Stein, nachdem er
erhitzt worden war, in die Mündung, der in der Quelle augen¬
blicklich tausendmal untertauchte. Plötzlich wurden Wolken sicht¬
bar, der Eegen ergoss sich in Strömen, die Helden stürmten aufs
neue an, doch ohne dass die Kanonen mehr trafen. Hierauf stürmten
die Ozbegen , töteten alle die hinter den Kanonen standen und
drangen in die Stadt. Sie hatten von sechs Seiten Breschen ge¬
macht um einzudringen. Auf Befehl der Ak Seich wurden die
russischen Befehlshaber der Citadelle getötet. Die Mauern dieser
russischen Citadelle, so erzählt man, hätte Suleiman erbaut; die¬
selben waren sechzig Ellen hoch, dreissig Ellen breit und hatten
einen Umfang von dreitausend Ellen. Auf Befehl des Emirs wurden
sämtliche Einwohner Moskaus aus der Stadt gebracht und gleich
Schafen hingeschlachtet, ihr Hab und Gut wurde dem Raube preis¬
gegeben. Drei Tage lang hatte das Gemetzel in der Citadelle
gedauert.
Als sie in die Pestung eindrangen, hatten sie vergebens nach
der Ak Seich geforscht. Eine ihrer Zofen sagte : sie befände sich
in jenem Hause; als man hineiükam fand man daselbst einen Wein¬
zuber mit Scheidewasser, auf welchem einige Haare sichtbar waren.
Es stellte sich heraus, dass die Ak Seich sich darin ertränkt hatte,
weil sie gehört, dass der Emir sie dem Pudi geben werde, da sie
in ihrem Stolze sich ihrem frühern Diener nicht überantwortet
sehen möchte. Pudi ward demnach zum Pürsprecher der Ein¬
wohner von Moskau. Er erklärte sich steuerpflichtig, der Emir
verzieh allen und emannte Pudi zum Hen-scher. Wie verlautet,
regieren die Nachkommen Pudis noch heute im Lande der Russen.
Bis zur Zeit Sahruch Mirzas trafen die rassischen Steuern regel¬
mässig ein, nach dem Tode Pudis jedoch bieben sie aus.
Wie aus vorliegenden Auszügen ersichtlich, war es eine äusserst lebhafte Phantasie, die bei der Abfassung der legendären Geschichte
Timurs thätig gewesen. Der Autor, der in seine Geschichte christ¬
liche Kirchengewänder, Krazifixe, Bilder u. s. w. einwebt, muss
jedenfalls ein vielgereister Mann gewesen sein, denn im vergangenen
Jahrhundert war der Verkehr zvrischen Russland nnd Central -
asien noch kein solcher, um derartige Erfahrungen daheim ge¬
sammelt haben zu können. Die Schilderang der Beziehungen Timurs
zu Bajazid Jildirim, zu den Gelehrten Syriens und zu den damaligen
Machthabem Persiens ist besonders reich an Episoden und berechtigt
232 Vämhiry, Eine legendäre Geschichte Timurs.
zu der Annahme, dass irgend ein ausführliches, uns unbekannt ge¬
bliebenes Werk von den Feidzügen des lahmen Welterschütterers
vorliegendem Werke als Hilfsquelle gedient hat. Jedenfalls sind
die Einzelheiten nnd die lokale Pärbung höchst interessant, und
wenn mein leider sehr geschwächtes Augenlicht es gestattet, will
ich das ganze Buch mit Text und Übersetzung veröffentlichen. Die
Schwierigkeit liegt nicht in der Sprache allein, sondern in der
Mangelhaftigkeit des Textes , welcher , äusserst nachlässig kopiert,
wie z. B. aus Auszug HI ersichtlich ist, die Entzifferung fast un¬
möglich macht.
233
Die altpersischen Monate.
Von Ferdinand Justi.
Die Zeitfolge der in der Inschi-ift des Dareios am Behistän^)
berichteten Ereignisse ist deshalb schwierig festzustellen, weil zwar
die Monate und Tage, nicht aber die Jahre der Regierung des
Königs angegeben sind, offenbar weil alle Ereignisse bis auf die
Erhebung des Aracha ohne Unterbrechung durch ein ereignisloses
Jahr so rasch aufeinandergefolgt sind, dass die Jahre als selbst¬
verständlich vorausgesetzt wurden ; in dem Bericht der 5. Tafel ist
das Jahr angegeben , weil die Vorgänge durch mehrere Jahre von
den frühern getrennt sind. Von den neun vorkommenden Monats¬
namen vermag man nur drei , )pä{graci, Ä^^rijädija , Anämaka
mit den entsprechenden Ideogrammen der babylonischen Monate
Airu, Kislimu, Tebitu zusammenzusteUen (der babylonische Name
des Wijochna wird Tuana geschrieben, was ein unbekannter Aus¬
druck ist), weil die Stellen, wo die übrigen sechs vorkommen, in
der babylonischen Übersetzung zerstört sind, wie man in der
Lithographie derselben, Cuneiform Inseriptions of Western Asia
III, 39. 40 deutlich sehen kann. Die susische Übersetzung bietet
keine Hilfe, weil sie nicht susische, sondern die nur mngeschriebenen
persischen Namen giebt. Bei der grössem Zahl unbekannter Monate
kann die unrichtige Bestimmung eines einzigen die ganze Zeitfolge
der Begebenheiten verwirren, indem man genötigt werden kann, sie
auf einen längem Zeitraum zu verteilen, und doch scheint man bei
der Bestimmung der Monate darauf achten zu müssen, dass Dareios
so rasch als möglich der Empörxmgen Herr zu werden suchen
musste und sie vrirklich in verhältnismässig kurzer Zeit unter¬
drückt hat.
Die beiden berühmten KeUschriftforscher, Sir Henry Rawlinson
nnd Julius Oppert, deren Scharfsinn nicht nnr der assyrischen,
sondern auch der persischen und susischen Inschriftforschung die
ersten grossen Erfolge verschafft und auch die Arbeit jüngerer
1) Die eclite Form dieses Namens ist Bagliastän (Ort wo die Baglias ver¬
elirt werden, s. MafStih al-'olüm ed. van Vloten 115, 10); Bisutün (ohne Stützen, der keiner Stützen bedarf) ist eine neuere Umdeutung des Namens.