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Die Propyläen der Akropolis von Athen I. Das ursprüngliche Project des Mnesikles

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MITTHEILUNGEN

D E S

INSTITUTES

IN ATHEN.

Z E H N T E R J A H H G A K G .

M i t v i e r z e h n T a f e l n , v i e r B e l l a g e n T u n d v i e l e n A b b i l d u n g e n ! • » T e x t .

A T H E N ,

IN C O M M I S S I O N BEI K A R L W I L B E R G .

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Originalveröffentlichung in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Institutes, Athenische Abteilung 10, 1885, S. 38-56

Die Propyläen der Akropolis von Athen.

I. D a s u r s p r ü n g l i c h e Project des Mnesikles.

W ä h r e n d die baugeschichtliche F o r s c h u n g sich bei den griechischen Bauwerken bisher meist darauf beschränkt hat, ein möglichst vollständiges Bild von dem Innern und A e u s - sern derselben zu g e w i n n e n , sowie die Zeit ihrer E r b a u u n g u n d Zerstörung zu ermitteln, fasst sie auf d e m Gebiete der mittelalterlichen und neueren B a u k u n s t ihre A u f g a b e schon längst als eine weitergehende a u f , indem sie vor allem auch die A b ä n d e r u n g e n , welche der ursprüngliche E n t w u r f eines B a u w e r k e s w ä h r e n d der Bauzeit oder später erfahren hat, in den Kreis ihrer Untersuchung zieht. So ist, u m nur an ein Beispiel zu erinneren, an der Peterskirche in R o m b e k a n n t - lich längst ermittelt, w e l c h e Gestalt der ursprüngliche Plan des B r a m a n t e hatte und in welcher W e i s e dieses schöne Pro- ject von den späteren Architekten der Kirche umgeändert ist.

Lässt sich diese A r t der F o r s c h u n g nicht auch auf die antike B a u k u n s t a n w e n d e n ?

Bei vielen griechischen Bauwerken werden solche Unter- suchungen aus dem einfachen G r u n d e zu k e i n e m Ziele f ü h - ren, weil ihr Plan genau in der W e i s e zur A u s f ü h r u n g ge- langt ist, w i e ihn der Architekt zuerst entworfen hat. Die Grundrisse der griechischen T e m p e l sind meist so einfach, dass spätere A b ä n d e r u n g e n oder E i n s c h r ä n k u n g e n fast ganz u n m ö g l i c h waren. A b e r es giebt auch antike Bauten, w e l - che in ganz andrer W e i s e ausgeführt sind, als sie ursprüng- l i c h projectirt w a r e n ; sei es dass man den zuerst aufgestellten P l a n a l l m ä h l i c h erweitert hat, sei es dass derselbe w ä h r e n d

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der A u s f ü h r u n g bedeutendere E i n s c h r ä n k u n g e n erfuhr. Zu der ersteren Klasse von Bauten gehört z. B. das O l y m p i e i o n in A t h e n , das v o n Pisistratus begonnen und von A n t i o c h u s und H a d r i a n erweitert und vollendet w u r d e . In die zweite K a t e - gorie gehören die Propyläen von Athen-

W e l c h e s Project Perikles und der Architekt Mnesikles für dieses Festthor entworfen haben und wie dieser grossartige P l a n a l l m ä h l i c h verkleinert, j a auf die Hälfte reducirt worden ist, sollen die folgenden Zeilen darlegen.

Nachdem der Parthenon i m J a h r e 438 vollendet und bei der Panathenäenfeier eingeweiht w a r , fasste Perikles den P l a n , den westlichen Aufgang der Burg, der noch m i t den altertümlichen Resten des Pelasgikon und mit dem Thorge- bäude des K i m o n versehen w a r , mit einem grossartigen Fest- thore auszustatten. Der Architekt Mnesikles w u r d e mit dieser Aufgabe betraut. In der kurzen Zeit von 437 — 432 führte er einen T h o r b a u aus, der i m Altertum hochgepriesen w u r d e und auch noch heute, o b w o h l er in T r ü m m e r n liegt, die B e - w u n d e r u n g der W e l t verdient. W i e der Bau aussah, als er noch aufrecht stand, ist durch die A u f n a h m e n und Untersu- chungen von Stuart und Revett, le R o y , Hoffer u n d Schöll, Penrose, J u l i u s und Bohn festgestellt. Den beiden letzteren gebührt namentlich das Verdienst, die seltsame Gestalt des Südflügels aus den im F r a n k e n t h u r m vermauerten Baustücken ermittelt und im Einzelnen nachgewiesen zu haben.

Fast alle Gelehrte, welche sich mit den Propyläen b e - schäftigt haben, (ich nenne ausser den obigen noch n a m e n t - lich Ross, Bötticher, Michaelis und R o b e r t ) haben bemerkt, dass der Bau des Mnesikles niemals fertig geworden ist. Man erkannte w o h l , dass der Südflügel anfänglich eine andere Ge stall haben sollte, und dass innerhalb der B u r g zu beiden Sei- ten der Hinterhalle grosse Säulenhallen projectirt w a r e n . W e l - che Gestalt diese Nebenbauten aber haben sollten, w i e ihr G r u n d r i s s und Aufriss im Project des Mnesikles aussah, d a r - über hat sich bisher noch n i e m a n d genauer ausgesprochen.

M a n ging offenbar von der Voraussetzung aus, dass es bei dem

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Mangel bestimmter literarischer Nachrichten nicht genügende A n h a l t s p u n k t e gäbe, u m die Gestalt der nicht zur A u s f ü h r u n g gelangten Bautheile zu b e s t i m m e n . Diese Voraussetzung ist aber, w i e w i r sehen werden, eine irrige. Die Ruinen liefern uns in ihrem jetzigen Zustande noch ausreichendes Material zur Reconstruction des ursprünglichen E n t w u r f e s .

A u f den beiden beigefügten Tafeln habe ich den G r u n d - riss und einige Aufrisse der P r o p y l ä e n im Maasstab 1 : 250 gegeben. Im Grundrisse sind die w i r k l i c h ausgeführten B a u - teile mit schwarzer Farbe schraffirt, w ä h r e n d die nicht zur A u s f ü h r u n g gelangten, n u r projectirten Teile durch eine rothe Schraffirung kenntlich gemacht sind. Tafel III zeigt verschie- dene Aufrisse des ursprünglichen Projecles.

Der Mittelbau der Propyläen ist genau nach dem E n t w ü r f e des Mnesikles fertiggestellt w o r d e n , wenigstens weist nichts d a r a u f h i n , dass w ä h r e n d der A u s f ü h r u n g Veränderungen des ursprünglichen Planes stattgefunden h a b e n . W e s t l i c h von der A b s c h l u s s m a u e r , die von fünf T h o r e n durchbrochen ist, liegt eine grosse Vorhalle m i t 6 dorischen Säulen an der F r o n t ; die prächtige steinerne Decke des Innern wurde von 6 j o n i - schen Säulen getragen. A n der Innenseite der B u r g ist eine schmalere Hinterhalle angeordnet, welche ebenfalls eine von 6 dorischen Säulen gebildete Fassade hatte.

Die G r e n z m a u e r der B u r g , oder sagen w i r lieber des heili- gen Bezirks der Athena, sollte von aussen nicht ganz s c h m u c k - los erscheinen u n d w u r d e desshalb nördlich und südlich von der sechssäuligen Vorhalle mit Nebenbauten ausgestattet,wel- che man jetzt g e w ö h n l i c h als N o r d - resp.Südflügel bezeichnet.

D e r n o r d w e s t l i c h e Flügel — s o wollen wir den ersteren z u m Unterschied von einem n o r d ö s t l i c h e n A n b a u nennen

— ist genau nach dem Projecte ausgeführt u n d , wenn wir von d e m an vielen Stellen noch abzuarbeitenden W e r k z o l l abse- hen, auch ganz vollendet w o r d e n . Er besteht aus einem u n - gefähr quadratischen Saale mit einer nach Süden gelegenen Vorhalle. Die S ü d w a n d öffnet sich mit drei Säulen zwischen zwei A n t e n , enthält also vier liitercolumnien. Die W e s t - und

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N 41 N o r d w a n d sind vollständig geschlossen, weil sie nahe an den R a n d des Burgfelsens herantreten und auf sehr h o h e m Unter- bau stehen.

lieber die Gestalt, welche der s ü d w e s t l i c h e Flügel i m Altertume gehabt hat, ist man lange im Unklaren gewesen;

erst nachdem der F r a n k e n t h u r m gefallen w a r , u n d die in d e m - selben vermauerten Bauglieder der Propyläen untersucht wer- den k o n n t e n , hat J u l i u s in dieser Zeitschrift (I S. 2 6 ) und später B o h n in seinem grossen W e r k e über die Propyläen die richtige Lösung für die G r u n d r i s s f o r m1 dargelegt. A u f T a - fel II kann man an der schwarzen Schraffirung erkennen, welche Gestalt dieser Flügel im Altertume gehabt hat. Die Nordfront enthielt drei dorische Säulen zwischen zwei A n t e n , w a r also vollständig symmetrisch mit der ihr gegenüberlie- genden Südfront des nordwestlichen Flügels gebildet. Hinter dieser Front lag nach Süden nur ein einziger R a u m , nicht zwei, w i e bei dem anderen Flügel. Im 0 . und S. w a r d e r - selbe von geschlossenen W ä n d e n umgeben. Nach W . reichte er nicht bis an den westlichen Eckpfeiler der Front heran, sondern w a r schon bei der dritten Säule beendet, denn von dieser ging das von einem schmalen Mittelpfeiler unterstützte Gebälk auf die S ü d w a n d über. Der Eckpfeiler der Nordfront sprang also coulissenartig vor und stand vollständig isolirt da.

E i n so seltsamer G r u n d r i s s ist nicht von A n f a n g an p r o - jectirt g e w e s e n ; darüber k a n n kein Zweifel sein. Es fragt sich aber, welche Gestalt dieser Flügel ursprünglich haben sollte, und welche Umstände eine solche Reduction des ersten Pla- nes herbeigeführt haben. Man hat bisher fast allgemein a n - g e n o m m e n , dass der Flügel nach Westen bis zum Eckpfeiler reichen, also dieselbe Länge haben sollte,wie der N. W . Flü- gel, dass aber die S ü d w a n d schon im Project in derjenigen Entfernung von der N o r d w a n d angesetzt w a r , welche sie jetzt zeigt. So richtig die erstere A n n a h m e ist, so falsch ist die

1 Dass der obere Abschluss anders gewesen ist, als man bisher annahm, werde ich in einem zweiten Aufsatze nachweisen.

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zweite. D e r S . W . Flügel sollte nicht n u r dieselbe Länge, son- dern auch dieselbe Tiefe w i e der N . W . Flügel (die P i n a k o - thek) h a b e n .

U m diese B e h a u p t u n g zu beweisen, betrachten w i r zunächst die ausgeführte S. W . Ante (A auf P l a n III), welche einst den A b s c h l u s s der S ü d w a n d bildete. Nach Bötticher, J u l i u s u n d Robert soll diese A n t e als Thürpfosten charakterisirt sein u n d einer T h ü r angehören, welche in der S. VV. E c k e des G e m a - ches angebracht w a r . Ich w i l l kein G e w i c h t auf den U m s t a n d legen, dass man eine solche T h ü r , w e n n man sie anlegen wollte, doch schwerlich in der äussersten Ecke des Flügels angelegt hätte, denn es sind i m m e r h i n G r ü n d e d e n k b a r , w e l - che eine solche Lage der T h ü r rechtfertigen k ö n n t e n ; aber es ist ein architektonischer I r r t h u m , in der Ante einen T h ü r - pfosten zu erkennen. Man sehe doch n u r , wie die 5 T h ü r e n des Mittelbaues der P r o p y l ä e n , wie diejenige im N. W . F l ü - gel und w i e überhaupt die T h ü r e n in alten dorischen Bauten gebildet s i n d . Von steinernen Anten ist dort nichts zu fin- den, denn alle diese T h ü r e n waren mit einer hölzernen U m - r a h m u n g versehen. Die F o r m unserer Ante beweist vielmehr, dass sie zur A u f n a h m e eines von Westen k o m m e n d e n A r c h i - traves b e s t i m m t w a r , u n d dass also genau in der Verlängerung der Mauer eine Stütze und z w a r unbedingt eine r u n d e Säule stehen sollte. Diese Säule, welche selbstverständlich den glei- chen D u r c h m e s s e r haben musste wie die anderen Säulen der F l ü g e l b a u t e n , kann n u r in einem solchen Abstände von der A n t e projectirt gewesen sein, dass ihre A x e genau in die F l u c h t des grossen N. W . Pfeilers unseres Flügels und d a m i t zugleich in die Verlängerung der westlichen A b s c h l u s s w a n d der Pinakothek fiel. Der Standplatz der Säule ist dadurch ge- nau b e s t i m m t , ihr Centrum liegt 2,25"' von der S. VV. A n t e (.4) nach Westen und 6 , 5 6m von der Aussenkante der N o r d - w a n d nach Süden.

Dass die W e s t w a n d des S. VV. Flügels im ursprünglichen Projecte Säulen enthalten sollte, können w i r auch noch a u f einem anderen W e g e beweisen. Die eigenthümliche Form des

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grossen N . W . Pfeilers (ß), wie sie Tafel II i m G r u n d r i s s zeigt, ist bisher noch nicht genügend erklärt w o r d e n . W e n n dieser Pfeiler nur den provisorischen Abschluss der N o r d - w a n d bilden sollte, so hätte m a n ihn gewiss einfach q u a d r a - tisch gemacht und i h m nicht jene complicirte F o r m gegeben.

Seine Gestalt ist n u r dann erklärlich, w e n n w i r a n n e h m e n , dass er schon im Projecte des Mnesikles genau so gebildet w a r , wie er später ausgeführt ist. W i r k ö n n e n dann den Pfei- ler architektonisch definiren als ein kurzes W a n d s t ü c k , das an zwei Enden antenförmig abgeschlossen ist. Der nördliche Abschluss hat ganz dieselbe F o r m wie die gegenüberliegende S. W . Ante der P i n a k o t h e k und der südliche A b s c h l u s s ist gerade so gestaltet wie die östliche Ante der N o r d w a n d oder die oben besprochene westliche Ante der S ü d w a n d . D a n u n eine solche Parastas nur dann architektonisch berechtigt ist, w e n n ihr eine Säule gegenüber steht, so folgere ich, dass sich im Projecte des Mnesikles an den grossen N . W .

Pfeiler nach Süden eine Säulenstellung anschliessen sollte.

D a die A x w e i t e n dieser Säulen unzweifelhaft ebenso gross sein müssen, wie diejenigen der w i r k l i c h ausgeführten Nord- w a n d , so können wir auä den Dimensionen der letzteren die Standplätze der Säulen an der Westseite, berechnen. Nach Bohn ist bei der N o r d w a n d d i e j E n t f e r n u n g der östlichsten Säule von der östlichsten A n t e1 2,32m und die A x w e i t e der 3 Säulen beträgt je 2,50n l. D i e n s t e Säule der W e s t w a n d muss daher auch 2,32m von der Ante entfernt sein und die zweite Säule wieder 2 , 5 0m von der ersten. Berechnen w i r hiernach die D i m e n s i o n e n der W e s t w a n d , so erhalten w i r für die Ent- fernung der ersten Säule von der Aussenkante der N o r d w a n d 4,08™ u n d für die E n t f e r n u n g der z w e i t e n S ä u l e v o n d e r - s e l b e n K a n t e 6 , 5 8m. D a w i r oben den Abstand derjenigen Säule, welche in der westlichen Verlängerung der S ü d w a n d

1 Ks versteht sich von selbsl, dass nichl etwa der Abstand der westlichen Säule von ihrer Ante genommen werden darf, weil letztere sich wegen 'hrer grösseren Breite anders zum Triglyphenfriese verhält, als die östliche Ante, welche genau die Breite einer Triglyphe hat.

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stehen sollte, von der Aussenkante der N o r d w a n d a u f dasselbe Maass (6,56m) b e s t i m m t h a b e n , so ergiebt sich das wichtige Resultat, dass diese Säule mit der z w e i t e n S ä u l e der W e s t - w a n d identisch ist. Diese ( J e b e r e i n s t i m m u n g der Zahlen ist der d e n k b a r sicherste Beweis für die Richtigkeit unserer bis- herigen Schlüsse.

D i e Westfront des S. W . Flügels zeigt also bis jetzt l i n k s einen von zwei schmalen Anten eingefassten Pfeiler und wei- ter rechts noch zwei Säulen. E s liegt auf der H a n d , dass eine so unregelmässige Front nicht von Mnesikles projectirt sein k a n n , sondern dass er die W a n d auch rechts mit einer A n t e abgeschlossen haben w i r d . W i e viele Säulen waren aber z w i - schen den beiden Anten a n g e o r d n e t ? A u c h hier führt uns ein einfaches Rechenexempel zu einem sicheren Ziel. Nehmen w i r n ä m l i c h a n , dass die ganze W e s t f r o n t ausser den beiden breiten Eckpfeilern noch 4 Säulen gehabt habe, so berechnet sich die ganze Breite auf 1 , 7 6 + 2 , 3 2 + 2 , 5 0 + 2 , 5 0 + 2 , 5 0 + 2 , 3 2 + 1 , 7 6m= 15,66™. Das ist aber nach dem Bohnschen Plane ganz genau das Breitenmass der P i n a k o t h e k (15,64m).

W a s man also schon von vorne herein hätte a n n e h m e n k ö n - nen, dass n ä m l i c h der S. W . Flügel i m Projecte genau so breit u n d tief w a r als der N. W . Flügel, das w i r d d u r c h unsere Berechnung aufs beste bestätigt. W i e sich hiernach die projectirte Westfront des S. W . Flügels gestaltet, habe ich auf Tafel II im G r u n d r i s s mit rother S c h r a f f i m n g und auf Tafel III im Aufriss dargestellt. An den südlichen Pfeiler sollte sich jedenfalls eine undurchbrochene S ü d w a n d a n - schliessen, welche der N o r d w a n d der P i n a k o t h e k entsprach.

Der Standplatz des projeclirten S. W . Pfeilers liegt zwar, wie man auf dem G r u n d r i s s erkennt, etwas ausserhalb der B u r g m a u e r , allein der Burgfels springt an jener Stelle so weit vor, dass der F u n d a m e u t i r u n g des Pfeilers keinerlei S c h w i e - rigkeiten entgegenstanden. W i r dürfen sogar den Umstand, dass der Bauplatz der Propyläen gerade die E r r i c h t u n g zweier gleich grosser Fliigelbauten erlaubt, als eine w i l l k o m m e n e Bestätigung unserer B e w e i s f ü h r u n g ansehen. Die jetzt v o r -

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handene S ü d w a n d w a r , wie w i r später sehen w e r d e n , i m ursprünglichen Projecte jedenfalls nicht vorgesehen, sondern der ganze S. VV Flügel sollte einen einzigen, u n g e t e i l t e n R a u m b i l d e n , der sich nach N. mit 4 Intercolumnien zum Mittelbau der Propyläen, nach W . m i t 5 Intercolumnien zum Nikepyrgos öffnete. E i n e vollständige S y m m e t r i e der beiden westlichen Flügelbauten, wie sie sich am meisten e m p f a h l , konnte der Architect nicht erreichen, weil durch den S. W . Flügel ein Zugang z u m Heiligthum der A t h e n a N i k e geschaf- fen, also die W e s t w a n d durchbrochen werden musste, w ä h - rend die W e s t w a n d der Pinakothek wegen des steilen Felsen- abhanges geschlossen war. Und doch wollte er beide Flügel wenigstens möglichst gleichmässig machen. D e s h a l b erhielt die Pinakothek an ihrer Westseite genau dasselbe Gebälkl,wie der S. W . Flügel, o b w o h l nach den Regeln des dorischen Stiles auf der geschlossenen W . W a n d kein besonderer A r c h i - trav zu liegen b r a u c h t e ; deshalb w u r d e an der S. W . Ecke der Pinakothek auch eine Ante angeordnet o b w o h l bei gleich- zeitigen oder älteren dorischen Bauten eine g e w ö h n l i c h e Mau- erecke niemals eine Ante zeigt. A u c h der U m s t a n d , dass für die beiden Eckpfeiler an der W e s t w a n d des S. W . Flügels keine einfachen Parastaden, sondern w i r k l i c h e Mauerstücke mit je zwei schmalen Anten gewählt worden s i n d , bezeugt uns den W u n s c h des Architekten, die beiden Flügelbauten nach Möglichkeit s y m m e t r i s c h zu gestalten.

Haben w i r somit erwiesen, welche F o r m der S. W . Flügel im ursprünglichen Project des Mnesikles hatte, so fragt es sich weiter, welche G r ü n d e den Architekten zu der Reduction seines Planes gezwungen haben. Bei A u s f ü h r u n g des ganzen S. W . Flügels hätten von zwei verschiedenen älteren H e i l i g - thümern, dem Bezirke der Artemis Brauronia und d e m j e n i - gen der Athena N i k e , Stücke abgeschnitten werden müssen.

Die Priester haben sich gewiss, so bald Mnesikles sein P r o - ject öffentlich bekannt gab, dieser Verkleinerung der Bezirke

widersetzt und auf eine A b ä n d e r u n g des E n t w u r f e s g e d r u n - gen. Dass sie ihren W i l l e n durchgesetzt h a b e n , zeigt uns die

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4 6 D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R 0 P 0 L I S V O N A T H E N

jetzige Gestalt des Flügels, denn wegen der brauronischen Terrasse ist die S ü d w a n d weiter nach N . und wegen des B e - zirkes oder Altares der A t h e n a N i k e die westliche W a n d m e h r nach 0 . verlegt w o r d e n . A b e r Perikles und sein Architekt haben trotzdem ihr Project nicht aufgegeben. O b w o h l n a c h - weisbar schon v o r dem Beginne des Baues die Reductionen angeordnet und eingetreten s i n d , hat der Architekt doch nicht für den verringerten Bauplatz einen ganz neuen E n t w u r f aus- gearbeitet, sondern hat den alten, d u r c h die Reduction e n t - stellten P l a n beibehalten, in der H o f f n u n g , dass in näherer oder fernerer Zukunft, die vorhandenen Schwierigkeiten geho- b e n , u n d dann das grosse Project in seiner ganzen A u s d e h n u n g zur A u s f ü h r u n g k o m m e n w ü r d e . N u r unter dieser V o r a u s - setzung ist, wie w i r sehen w e r d e n , die eigenthümliche G e - stalt des S. W . Flügels zu erklären. Das Vorhandensein der grossen pelasgischen Festungsmauer, welche zugleich die G r e n z m a u e r des Bezirkes der Artemis Brauronia bildete,machte die E r b a u u n g der projectirten S ü d w a n d u n m ö g l i c h . Es hätte n u n nahe gelegen,dem S . W . Flügel dieselbe Tiefe zu geben wie der Vorhalle der P i n a k o t h e k . D i e s geschah aberiiicht,sondern die W a n d w u r d e genau in die A x e der zweiten Säule der pro- jectirten W e s t w a n d gelegt u n d mit einer Ante abgeschlossen,

welche auf diese Säule R ü c k s i c h t n i m m t . Der Architekt hoffte also die E r l a u b n i s s zur E r b a u u n g der W e s t w a n d mit ihren 4 Säulen und 2 Pfeilern noch nachträglich zu erhalten, u n d d a n n w ü r d e die provisorische S ü d w a n d in organischem Z u - s a m m e n h a n g m i t dieser Säulenstellung gestanden haben.

Diese H o f f n u n g hat sich aber weder während des Baues noch später j e m a l s erfüllt, und so hat denn der S. W . Flügel bis zu seiner Zerstörung die seltsame F o r m behalten müssen, die anfänglich n u r ein P r o v i s o r i u m sein sollte.

Ich habe die Frage nach dem Alter des Niketempels u n d des Nikepyrgos hierbei unberührt gelassen, weil sie für unser T h e m a irrelevant ist. Indem ich m i r vorbehalte, in einem an- deren Aufsatze auf dieselbe z u r ü c k z u k o m m e n , bespreche ich hier n u r einen P u n k t , der für unsern Gegenstand von W i c h -

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N 47 tigkeit ist. J u l i u s u n d Bohn nehmen a n , dass w ä h r e n d des

Baues der Propyläen der Beschluss zur E r r i c h t u n g des Nike- tempels gefasst, und durch diesen Beschluss die P l a n v e r ä n - derung des südwestlichen Propyläenflügels herbeigeführt wor- den sei. A u s der obigen Darstellung geht schon hervor, dass ich diese A n n a h m e nicht für richtig halle. D a thatsächlich in den u n t e r s t e n F u n d a m e n t e n des S. W . Flügels die R e - duction schon eingetreten ist, so kann sie nicht erst w ä h - r e n d des Baues, sondern muss schon v o r B e g i n n dessel- ben vorgenommen w o r d e n sein. Hierbei ist es vollständig gleichgültig,ob der jetzige Niketempel d a m a l s schon existirte, oder ob ein älterer Tempel oder ein Altar an seiner Stelle stand. Irgend ein H e i l i g t h u m hat jedenfalls schon vor E r b a u - ung der Propyläen auf dem N i k e p y r g o s gestanden, sonst würde ja die A n o r d n u n g von Intercolumnien in der W e s t -

wand des S. W . Flügels schwer verständlich sein.

Ausser den beiden westlichen Flügelbauten sollten auch im Osten, also im Innern der A k r o p o l i s zwei Flügel und zwar zwei grosse Hallen errichtet werden. D i e M e r k m a l e , welche diese Absicht des Mnesikles erkennen lassen, sind schon viel- fach erkannt, aber erst von Robert und T h ü r ( K y d a t h e n S.

190) und später von B o h n ( P r o p y l ä e n S. 31) eingehend ge- würdigt w o r d e n . Betrachten w i r zunächst d e n N . O . F l ü g e l . Unmittelbar neben der grossen N . 0 . A n t e des Mittelbaues der Propyläen springt nach N. ein schmaler Pfeiler vor, w e l - cher deutlich als A n t e charakterisirt ist und zwar als eine solche, welche einen von N. k o m m e n d e n Architrav a u f n e h - men sollte. In der Verlängerung des Pfeilers war also eine Säulenstellung projectirt. Obgleich weder von diesen Säulen noch von ihrem Stylobate j e m a l s irgend ein Stück fertig ge- worden ist, genügt doch allein der antenförmige Pfeiler, um die Existenz einer grossen N. 0 . Säulenhalle im Projecte des Mnesikles zu erweisen. Man hat allerdings den Pfeiler auch in andrer W e i s e erklärt; man glaubte, dass er bis ans H a u p t - gesimse des Mittelbaues habe h i n a u f g e f ü h r t werden sollen, damit sich an i h m die in verschiedenen H ö h e n liegenden Ge-

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48 DIE PROPTLAEEN DER AKROPOLIS VON ATHEN

simse des Mittelbaues todt laufen könnten. Allein diese E r - k l ä r u n g könnte n u r dann A n s p r u c h auf Richtigkeit m a c h e n , w e n n der Pfeiler erstens grade in der Verlängerung der F ü n f - t h o r w a n d stände, denn hier stossen die Gesimse der beiden T h e i l e des Mittelbaues in hässlicher W e i s e z u s a m m e n , u n d wenn er zweitens nicht im G r u n d r i s s unabweislich als A n t e charakterisirt wäre.

F ü r die Existenz einer grossen N . 0 . HaJle spricht aber weiter noch der U m s t a n d , dass die S ü d - und W e s t w a n d die- ser Halle an ihrer Innenseite mit einem Gesimse versehen s i n d , w i e es n u r bei Innenräumen v o r k o m m t , u n d wie es auch die beiden westlichen Flügelbauten der P r o p y l ä e n im Innern besitzen. D a dieses Gesimse sich an der ganzen W e s t w a n d , selbst an dem über die P i n a k o t h e k nach N . vorspringenden Stück beündet, so ist dargethan, dass die Säulenhalle sich nach N . über die P i n a k o t h e k h i n a u s erstrecken sollte. D e r jetzige nördliche A b s c h l u s s der VVestwand ist wie sich n a c h -

weisen lässt, ein provisorischer; nach dem ursprünglichen E n t w ü r f e sollte sich diese W a n d noch weiter nach Norden a u s d e h n e n , denn ihre F u n d a m e n t e reichen noch jetzt bis un- mittelbar an die B u r g m a u e r heran- Die nördliche Grenze der N- 0 . Halle sollte also, ebenso w i e bei der P i n a k o t h e k , von dem R a n d e des Burgfelsens gebildet werden. Dies w i r d b e - stätigt durch die projectirte S. 0 . H a l l e ; dieselbe erhielt, wenn sie ebenfalls bis z u m R a n d e des Burgfelsens reich- te, grade dieselbe Länge w i e die N. 0 . Halle, w e i l , wie m a n a u f Tafel II erkennen k a n n , die E n t f e r n u n g vom Mittelbau bis zur B u r g m a u e r im Süden u n d Norden gleich gross ist.

Die A x e der Propyläen ist also so gelegt w o r d e n , dass an bei- den Seiten des Mittelbaues Säulenhallen von gleicher Länge erbaut werden konnten. Die Länge einer jeden Stoa lässt sich hiernach a u f r u n d 23ra b e s t i m m e n .

W i e v i e l e Säulen werden an der Ostfront einer jeden dieser grossen Hallen gestanden h a b e n ? U m diese Frage beantwor-»

ten zu k ö n n e n , müssen w i r zunächst die Axweite der Säulen b e s t i m m e n . Das einzige sichere Mittel hierzu bieten uns die

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N 49 D i m e n s i o n e n der w i r k l i c h ausgeführten Ante. Bei dem Mittel- bau und bei den westlichen Flügeln stehen n ä m l i c h die A b - messungen der A n t e n in einem bestimmten Verhältniss zur A x w e i t e der Säulen. So ist bei beiden Bauten die A x w e i t e d e r Säulen ( 3 , 6 3 resp. 2,51m) ziemlich genau das 2 */2 fache der Antenbreite (1,43 resp. l , 0 1m) und das 0 , 4 1 resp. 0 , 4 3 fache der A n t e n h ö h e (8,85 resp.5,85'"). D a nun die zur A u s f ü h r u n g gelangte A n t e eine Breite von 0,87'" hat, und ihre H ö h e , w e n n wir ausser den erhaltenen Quaderschichten noch eine Schicht fürs Kapitell rechnen, circa 5 , 4 0m beträgt, so berechnet sich hieraus nach obigen Verhältnisszahlen die A x w e i t e auf 2 , 1 8 - 2,32'°, w o f ü r w i r i m Mittel 2 , 2 5m nehmen dürfen. Bei Z u - grundelegung dieser Z a h l können an der Front der Halle g e - rade 9 Säulen angesetzt werden.

Noch eine andre A r t von M e r k m a l e n , welche schlagend für die Existenz einer grossen N. 0 . Halle im E n t w ü r f e des Mne- sikles spricht, lässt sich a n f ü h r e n , n ä m l i c h die für die H o l z - construction des Daches bestimmten Löcher- Erstens befin- det sich an der S ü d w a n d , genau in der Mitte zwischen V o r - d e r - und R ü c k w a n d der Halle, etwa 0 , 8 4m über dem oberen W a n d g e s i m s e , ein grosses Loch von 0,76'n Breite, 0 , 6 4m Höhe und 0 , 3 8m Tiefe, welches unzweifelhaft eine mächtige h ö l - zerne Firstpfette a u f n e h m e n sollte1. Von dieser Pfette, welche fast dieselben A b m e s s u n g e n wie die als Pfetten dienenden Epistylia in der Skeuothek des P h i l o n hatten, sollte das Dach nach beiden Seiten, d. h. nach W . und 0 . , in g l e i c h m ä s s i - ger Neigung abfallen und über der nördlichen S c h l u s s w a n d wahrscheinlich in einem Giebel endigen.

Zweitens erkennt man an der W e s U v a n d unmittelbar über dem W a n d g e s i m s e eine Reihe grosser Löcher, welche in A b - ständen von 0 . 6 1m liegen und 0,61m breit, 0 , 4 9m hoch und 0,36™ tief s i n d ; sie waren entweder zur A u f n a h m e von

1 Durch die Existenz dieser Firstpfette wird Bohn's Annahme wider- legt, dass in dieser Ecke ein ollener Hof mit einer ringsherum laufenden Halle projectirt sei.

M1TTH. 1). AUCH. I.NST. X . A

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D I E P R O P t X A E E N D E f t A K R O P O L I S V O N A T H E t f

horizontalen Balken oder von schrägen Sparren b e s t i m m t . Bei der grossen Tiefe der Halle ( 12,90™ im L i c h t e n ) ist die1

A n n a h m e , dass horizontale Balken ohne mittlere Unter- stützung von der V o r d e r w a n d bis zur R ü c k w a n d hätten rei- chen sollen, so gut w i e ausgeschlossen. E i n e horizontale Decke Iiess sich n u r so construiren, dass entweder ein starker T r ä - ger quer unter den B a l k e n lag u n d dieselben in der Mitte un- terstützte, oder dass die Balken an einem über ihnen liegen- den Träger aufgehängt waren. D i e erstere L ö s u n g , welche die einfachere gewesen wäre, k a n n nicht beabsichtigt gewesen sein, weil an der S ü d w a n d der H a l l e kein Loch zur A u f n a h m e eines Unterzuges vorhanden ist. Bei der zweiten Construction konnte die gewaltige Firstpfette, deren Existenz gesichert ist, als Träger d i e n e n , an w e l c h e m die D e c k b a l k e n m i t Eisen aufgehängt werden sollten (vergl. die xepxiSe? in der S k e u o - thek des P h i l o n ) . E i n e solche Decke setzte natürlich I n n e n - säulen voraus, welche die Firstpfette oder einige der Balken unterstützten. Diese Construction habe ich auf Tafel III F i g u r 3 gezeichnet w o zwischen der Firstpfette und den D e c k b a l - ken noch ein besonderes Z w i s c h e n h o l z angeordnet ist. Die Aussensäulen müssen in diesem Falle um eine Quadratschicht (0,49™) h ö h e r sein, als w i r oben a n g e n o m m e n haben.

E s ist noch eine andre Dachconstruction m ö g l i c h , n ä m l i c h eine solche ohne horizontale B a l k e n . A u f T a f e l III ist sie in dem Querschnitt (Fig.2) d u r c h punctirte Linien "angegeben. Sie w a r eine sehr einfache. E i n e hölzerne Firstpfette von 0 , 7 6m Breite u n d 0,64m H ö h e , welche in das beschriebene Loch der S ü d w a n d eingriff, reichte von der Mitte der S . W a n d bis zur N . W a n d ; sie m u s s t e v o n mehreren schlanken Säulen unterstützt w e r d e n , w e i l sie sich auf eine Distanz von 23m nicht freitragen konnte. Von dieser Pfette reichten siehende Sparren (c<pw<i*oi) nach W . b i s zur R ü c k w a n d und nach O . b i s zur V o r d e r w a n d . D i e Breite der- selben sollte nach den D i m e n s i o n e n der vorhandenen Löcher 0ß\m und ihre Distanz von Mitte zu Mitte l,22m betragen.

Ihre projectirte Höhe lässt sich nicht ermitteln, kann aber bei der grossen Spannweite nicht gut kleiner als 0,25m gewesen

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N 51 sein. Ueber den Sparren sollten jedenfalls Querhölzer (I^VTE?) parallel zur Firstpf'ette und über diesen Deckbretter (»OCXüJA-

j j t « T a ) parallel zu den eynxiireoi liegen.

Dass eine solche A n o r d n u n g des Daches wahrscheinlich die beabsichtigte w a r , dafür liefert einen ziemlich siche- ren Beweis die A b s c h r ä g u n g der an der nördlichen A u s s e n - wand des Mittelbaues vorhandenen A u s k r a g u n g . Der Zweck dieser A u s k r a g u n g ist schon von T h ü r und ß o h n richtig er- kannt w o r d e n : die Erbreiterung der N . W a n d des Mittelbaues sollte nicht im Inneren der N . 0 . Halle sichtbar sein und da- her musste sie gerade da stattfinden, w o sie v o m Dache der Säulenhalle verdeckt war. Bei unserer Reconstruction trifft nun die " consolartige " A b s c h r ä g u n g der vorgekragten E c k e genau mit der Oberkante des Sparrens überein, in der W e i s e , dass der u n m i t t e l b a r an der W a n d liegende Sparren gerade unter der schrägen Quader liegt und diese für den i m I n n e - ren der Halle Stehenden verdeckt. D i e A b s c h r ä g u n g der a u s - gekragten Ecke giebt also genau die D a c h n e i g u n g u n d zwar speziell die Lage des Sparrens an. Dass sie übrigens keine zwecklose A n a r b e i t u n g ist, w i r d durch das V o r k o m m e n einer ganz gleichen A b s c h r ä g u n g in der projectirten S. 0 . Halle zur Genüge erwiesen. Bei der zuerst erwähnten D a c h c o n - st,-uction (Tafel III, F i g u r 3 ) trifft die A b s c h r ä g u n g des v o r - gekragten Steines mit der Unterkante des Sparrens überein, es kann daher in diesem Falle unmittelbar an der S ü d w a n d un- möglich ein Sparren gelegen haben, was mit den an der W e s t - wand vorhandenen Löchern nicht in E i n k l a n g zu b r i n - gen ist.

Beide Lösungen des Daches bieten noch eine andre Schwie- rigkeit. D a s Tranfgesimse der W e s t w a n d k a n n bei ihnen nicht in der Höhe des östlichen Traufgesimses gelegen haben, weil in derjenigen H ö h e , w o über den östlichen Säulen das Gesimse liegt, in der W e s t w a n d noch eine resp. zwei glatte Quaderschichten erhalten s i n d . W i e diese Schwierigkeit über- wunden werden sollte weiss ich nicht. Man könnte an ein nach W . ansteigendes P u l t d a c h an Stelle des Satteldaches denken,

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6 2 D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O M S V O N A T H E N

w e n n nicht der über der S. W . E c k e der Halle vorhandene T r i g l y p h des Mittelbaues einer solchen A n n a h m e w i d e r s p r ä - ' che. D i e F o r m eines solchen Pultdaches ist in F i g u r 3 auf Tafel III durch punktirte Linien angegeben.

Z u r Unterstützung der grossen Pfelte mussten jedenfalls i n der Mitte der Halle Säulen aufgestellt werden, w e l - che v o m Fussboden bis zur Pfette hinaufreichen sollten. I r - gend welche Spuren solcher Säulen oder F u n d a m e n t e d e r - selben haben sich nicht gefunden. A u f Tafel II habe ich d e s - h a l b die 4 I n n e n s ä u l e n , welche ich jeder Halle gegeben habe, n u r durch punktirte Kreise bezeichnet. Die Zahl der- selben ergab sich aus der bei anderen Säulenhallen b e o b - achteten T h a t s a c h e , dass die Innensäulen g e w ö h n l i c h die doppelte A x w e i t e der äusseren haben. Ihre H ö h e ist n a - mentlich bei dem Dache ohne horizontale Balken auffallend gross im Verhältniss zu derjenigen der A u s s e n s ä u l e n ; da sie j e d o c h sicherlich j o n i s c h oder korinthisch sein sollten, w ä h - rend für die letzteren unzweifelhaft der dorische Stil vorge- sehen w a r , so konnten ihre Durchmesser noch kleiner sein als die der Aussensäulen. A u c h erreicht ihre Höhe (c. 8,25°) noch lange nicht das Maass der jonischen Säulen in der Mit- telhalle (10,30m).

lieber die F u s s b o d e n h ö h e habe ich noch einige W o r t e h i n - z u z u f ü g e n . W i e der Querschnitt a u f Tafel III zeigt, liegen der Stylobat und die Orthostaten der zur A u s f ü h r u n g gelangten S. 0 . Parastas der Halle mit den entsprechenden Schichten der daneben stehenden grossen Ante des Mittelbaues in g l e i - cher Höhe. An der südlichen und westlichen I n n e n w a n d der Stoa reichen dagegen die Orthostaten um fast lr a tiefer herab.

Trotzdem braucht der Fussboden der Halle nicht tiefer als ihr östlicher Stylobat gelegen zu haben, denn die grosse T i e f e d e r Orthostaten ist lediglich dadurch veranlasst, dass die beiden Mauern an der Aussenseite ( i n der vorderen Mittelhalle und in der P i n a k o t h e k ) ihre Orthostaten gerade in solcher Höhe haben mussten. Ein ä h n l i c h e r Fall k o m m t bei der N . W a n d des Erechtheion vor. W i e nehmen daher an, dass der F u s s -

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I B V O N A T H E N 53 boden der N. 0 . Halle genau in der H ö h e ihres ostlichen Sty- lobates liegen sollte.

Von der projectirten grossen nordöstlichen Säulenhalle w i s - sen wir also, dass sie 12,90m tief und c. 23m l a n g w a r , dass an ihrer Ostseite 9 dorische Säulen und 2 Anten u n d im I n - neren v e r m u t h l i c h 4 jonische Säulen standen, u n d dass der ganze Bau mit einem hölzernen Dach überdeckt w a r . Aber diese geräumige Stoa, in welcher mehrere hundert Menschen Platz gefunden hätten, ist nie zur A u s f ü h r u n g gelangt. D e n n o b - wohl ihre S. 0 . Parastas, die Löcher für Firstpfette und Spar- ren, das innere Deckengesimse u n d die consolartige Abschrä- gung an der S ü d w a n d schon ausgeführt waren und noch jetzt vorhanden s i n d , so hat doch nachweislich weder der östliche Stylobat noch die nördliche W a n d j e m a l s bestanden. O b für die Innensäulen schon einzelne Fundamentpfeiler hergestellt waren, lässt sich nicht b e s t i m m e n , da sie bei E r b a u u n g der grossen Cisterne, welche jetzt diese Ecke der Propyläen e i n - n i m m t , zerstört w o r d e n sein können-

W e s h a l b hat m a n aber diese grosse Säulenhalle, die ein prächtiger S c h m u c k der Akropolis gewesen wäre, nicht a u s - geführt? Ist es auch hier irgend ein H e i l i g t h u m gewesen, des- sen E i n s c h r ä n k u n g dem Architekten nicht erlaubt w u r d e , o d e r hat der A u s b r u c h des peloponnesischen Krieges und der d a - mals eingetretene G e l d m a n g e l dem Architekten Halt geboten?

Möglicher W e i s e haben hier ähnliche H i n d e r u n g s g r ü n d e vor- gelegen, wie beim S. W . Flügel, denn d u r c h die neuesten Ausgrabungen sind die starken F u n d a m e n t e eines antiken Ge- bäudes z u m Vorschein g e k o m m e n , welches in den Bauplatz der N. 0 . Halle hineinreicht und daher bei einer w i r k l i c h e n A u s f ü h r u n g des ganzen Projectes hätte zerstört werden m ü s - sen (vergl. Tafel II links oben). Allein der jetzige T h a t b e - stand an der im S. 0 . projectirten zweiten Halle weist, wie wir sehen werden, darauf h i n , dass die E r b a u u n g der n ö r d - lichen Säulenhalle lediglich d u r c h den A u s b r u c h des grossen Krieges verhindert worden ist.

Dass südlich v o m Mittelbau eine der N . 0 . Halle ganz

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54 D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N

gleiche Stoa errichtet werden sollte, haben w i r früher schon e r w ä h n t . Die Existenz ihrer nordöstlichen Parastas u n d der consolartigen A b s c h r ä g u n g an der S ü d w a n d des Mittelbaues"

beweist dies zur Genüge (vergl. die Z e i c h n u n g von T h ü r bei R o b e r t , K y d a t h e n ) . D a s innere Deckengesimse und die Löcher für Firstpfette und Sparren, welche wir in der N. 0 . Halle fanden, fehlen aber hier vollständig. Dürfen w i r etwa h i e r - aus schliessen, dass im S. 0 . überhaupt keine Halle p r o j e c - tirt w a r , u n d dass die vorspringende Parastas n u r der S y m - metrie halber hergestellt w a r ? Keineswegs. V i e l m e h r lehrt uns dieser Thatbestand n u r , dass die S. 0 . Halle f r ü h e r aus dem B a u p r o g r a m m gestrichen ist als die N. 0 . Halle.

U n d der G r u n d hierfür liegt ja klar zu Tage. D u r c h die E r - b a u u n g der S. 0 . Halle wäre die Terrasse der brauronischen A r t e m i s mindestens auf die Hälfte ihrer jetzigen A u s d e h n u n g eingeschränkt w o r d e n . Gegen eine solche A b s i c h t hat n a t ü r - lich die Priesterschaft energisch prolestirt u n d z w a r , wie w i r sehen, m i t Erfolg. Bei Beginn des Baues hat der Architekt noch gehofft, er werde trotz des E i n s p r u c h e s der Priesterschaft die S. 0 . Halle nachträglich noch ausführen k ö n n e n ; dess- h a l b liess er die Parastas errichten, u m bei einer späteren H i n z u f ü g u n g der Halle keine technischen Schwierigkeiten zu haben. Als aber der B a u der Propyläen bis zur halben H ö h e gediehen w a r , erkannte er die Nichtigkeit seiner Hoffnungen u n d entfernte s o w o h l das innere VVandgesimse wie die ß a l - kenlöcher aus den Bauplänen der S. 0 . Halle. Die n ö r d l i c h e Stoa glaubte er damals noch fertigstellen zu k ö n n e n , denn hier liess er nicht nur das ganze Gesimse a n b r i n g e n , sondern a u c h schon die Löcher für die Hölzer des Daches aussparen.

Dieser Unterschied zwischen der südlichen und nördlichen Säulenhalle berechtigt uns zu der A n n a h m e , dass es ganz ver- schiedene Momente w a r e n , welche den Bau der beiden S ä u - lenhallen verhindert h a b e n ; bei der südlichen w i r d es der E i n s p r u c h der Priesterschaft, bei der nördlichen der B e g i n n des peloponnesischen Krieges gewesen sein.

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D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N o o

Fassen w i r z u m Schlüsse die Ergebnisse unserer U n t e r s u - chung k u r z z u s a m m e n : D e r Plan des Mnesikles zu einem Festthore der A k r o p o l i s war bei weitem umfangreicher als die wirklich ausgeführten P r o p y l ä e n , deren R u i n e n erhalten s i n d . Zu beiden Seiten des grossen Mittelbaues, welcher die f ü n f Thore enthält, sollten im Inneren der B u r g geräumige, bis an die B u r g m a u e r n reichende Säulenhallen erbaut werden, und im Westen waren zwei vorspringende Flügelbauten von gleicher Grösse projectirt. Der Zweck der einzelnen Bauten ist nicht sicher zu b e s t i m m e n ; wahrscheinlich sollten sie alle als offene Hallen dienen, in denen das V o l k gegen S o n n e n - schein, Regen u n d W i n d Schutz finden konnte. Der S. W . Flügel w u r d e ausserdem als D u r c h g a n g z u m H e i l i g t h u m e der Athena N i k e benutzt.

Das grossartige Project war ohne jede R ü c k s i c h t n a h m e auf ältere Bauten oder heilige Bezirke, ausschliesslich nach künst- lerischen Gesichtspunkten entworfen. D a s neue Festthor sollte ein dem Parthenon ebenbürtiges B a u w e r k werden und die ganze Westseite der Burg e i n n e h m e n . V o r Beginn des Baues w i r d w o h l ein heftiger K a m p f entbrannt sein zwischen P e r i - kles, der gewiss das Project seines Architekten eifrig d u r c h - zusetzen suchte, und der Priesterschaft,welche die E i n s c h r ä n - kung oder V e r n i c h t u n g der H e i l i g t h ü m e r nicht zulassen wollte'1] Perikles u n d Mnesikles unterlagen z w a r in diesem K a m p f e , denn das Project ist reducirt u n d den bestehenden Heiligthümern angepasst w o r d e n ; allein sie Messen den e i n - mal gefassten Plan doch nicht ganz fahren, sondern richteten den Bau so ein, dass die abgeschnittenen Theile später leicht hinzugefügt werden konnten. Der Bau war noch nicht ganz fertig, als sich der peloponnesische Krieg am Horizonte zeig- te. Schnell mussten die angefangenen T h e i l e vollendet und

' Ob die Inschrift aus Eleusis über die neue Abgrenzung der Heiligthü- mer im Pelasgikon mit diesem Kampfe in Verbindung gebracht werden kann (Kekulö, Balustr. d. Ath. Nike, S.25 und Löschke, Dorp. Progr. 1883, S- 19), vermag ich nicht zu entscheiden.

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56 D I E P R O P Y L A E E N D E R A K R O P O L I S V O N A T H E N

weitere Reductionen v o r g e n o m m e n werden. Der A u s b r u c h des traurigen Krieges setzte den Arbeiten a m Bau für i m m e r ein E n d e . Gewiss hoffte der Architekt, in besseren Zeiten seinen P l a n noch vollenden zu k ö n n e n ; allein diese H o f f n u n g hat sich nicht erfüllt. Bis zu ihrer Zerstörung sind die P r o - pyläen unvollendet geblieben.

W I L H . D O E R P F E L D .

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