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Untersuchungen zum Ladungsträgertransport in multikristallinem Silizium

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Untersuchungen zum Ladungsträgertransport in multikristallinem Silizium

Sven Seren Diplomarbeit

Konstanz, April 2002

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(3)

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Motivation 3

2 Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium 5

2.1 Grundgleichungen der Halbleiterphysik 5

2.1.1 Hall-Koeffizient 5

2.1.2 Hall-Beweglichkeit und Streumechanismen 6

2.1.3 Temperaturabhängigkeit der Majoritätsladungsträgerkonzentration 7

2.2 Ladungs-Transporttheorie 8

2.2.1 Bändermodell der geladenen Korngrenze 8

2.2.2 Ladungstransport durch thermische Emission 9

2.2.3 alternative Transportmechanismen 10

2.2.4 Bändermodell der ungeladenen Korngrenze 12

2.2.5 Korngrenzenmodell mit akzeptorartigen Trapzuständen 13

3 Messungen 21

3.1 Untersuchte Materialien 21

3.1.1 String Ribbon - Silizium 22

3.1.2 Edge defined Film fed Growth - Silizium 23

3.1.3 Ribbon Growth on Substrate - Silizium 24

3.2 Lebensdauermessungen der Minoritätsladungsträger 27

3.2.1 Lebensdauermessungen von String Ribbon 28

3.2.2 Lebensdauermessungen von Oktagon-EFG 29

3.2.3 Lebensdauermessungen von Zylinder-EFG 30

3.2.4 Lebensdauermessungen von RGS 31

3.3 Probengeometrie und Probenpräparation 31

3.4 Messapparatur 34

3.5 Wasserstoff-Passivierung 35

4 Messergebnisse 41

4.1 elektrische Transporteigenschaften schlechter und guter Waferbereiche 41

4.1.1 elektrische Transporteigenschaften von SR 41

4.1.2 elektrische Transporteigenschaften von „altem“ EFG 45 4.1.3 elektrische Transporteigenschaften von „neuem“ EFG 47 4.1.4 elektrische Transporteigenschaften von Zylinder-EFG 49 4.1.5 elektrische Transporteigenschaften von RGS 51 4.2 Vergleich der verschiedenen Folienmaterialien bezüglich ihrer elektrischer

Transporteigenschaften 53

(4)

Inhaltsverzeichnis

4.3.4 Einfluss der Wasserstoffpassivierung auf Zylinder-EFG 60 4.3.5 Einfluss der Wasserstoffpassivierung auf RGS 61 4.4 Vergleich der verschiedenen Folienmaterialien bezüglich der

Wasserstoffpassivierung 63

4.4.1 Vergleich der schlechteren Waferbereiche 63

4.4.2 Vergleich der guten Waferbereiche 64

4.5 Einfluss der Passivierparameter auf die elektrischen Transporteigenschaften 66

4.5.1 Einfluss der Passivierparameter auf SR 66

4.5.2 Einfluss der Passivierparameter auf „altes“ EFG 68 4.5.3 Einfluss der Passivierparameter auf „neues“ EFG 70 4.5.4 Einfluss der Passivierparameter auf Zylinder-EFG 72

4.5.5 Einfluss der Passivierparameter auf RGS 73

4.6 Vergleichende Zusammenstellung 74

4.6.1 Eigenschaften der Folienmaterialien bei Raumtemperatur 76

5 Zusammenfassung 79

6 Literaturangaben 81

7 Danksagung 83

(5)

Kapitel 1: Einleitung und Motivation

1 Einleitung und Motivation

Multikristalline Halbleiter und vor allem multikristallines Silizium finden großes Interesse und breite Anwendung in der Halbleiterphysik. Selbst in der Fertigung von integrierten Schaltungen haben diese Materialien große Bedeutung erlangt. Beispielsweise werden auf der MOSFET-Technologie basierende Elektroden [1] oder Schaltungen in der Chipindustrie, bei denen die Abscheidung zusätzlicher Leiterbahnen bzw. ganzer Schaltungslayouts aus der Gasphase notwendig sind [2], aus polykristallinem Silizium hergestellt.

Für einen gezielten Einsatz dieser Materialien sind weitgehende Kenntnisse über die elektrischen Eigenschaften notwendig, die von den stets vorhandenen Korngrenzen entscheidend bestimmt werden [3]. Diese sind mitunter verantwortlich für den höheren elektrischen Widerstand multikristalliner Schichten, der in einem Bereich von mehr als acht Größenordnungen variieren kann [4].

Obwohl der starke Einfluss der Korngrenzen auf die elektrischen Eigenschaften der zahlreichen multikristallinen Materialien schon länger untersucht wird [7], sind deren Eigenschaften im Detail noch nicht vollständig verstanden [8].

Korngrenzen sind ebenfalls mitverantwortlich für den geringeren Wirkungsgrad von Solarzellen aus multikristallinem Silizium verglichen mit Zellen auf monokristalliner Basis [5]. Dieser Nachteil wird jedoch durch die geringeren Herstellungskosten multikristallinen Siliziums ausgeglichen.

Foliensilizium, ein multikristallines Siliziummaterial, das direkt aus der Schmelze gezogen wird, vermag die Materialkosten noch weiter zu reduzieren. Durch die Möglichkeit, Folien und damit Wafer, den Ausgangspunkt für die Herstellung von Solarzellen, in der gewünschten Dicke aus der Schmelze zu ziehen, fallen keine weiteren Sägeschritte mehr an. Hingegen wird bei der konventionellen Herstellungstechnik von multikristallinem Material Silizium in Blöcke gegossen, aus denen anschließend Wafer gesägt werden. Es entsteht dabei ein Materialverlust von bis zu 50%.

Doch bringen diese Folien-Ziehverfahren auch Nachteile mit sich. Die elektrischen Eigenschaften solcher Materialien, wie Leitfähigkeit oder Beweglichkeit der Ladungsträger, unterscheiden sich mitunter sehr stark von denen monokristallinen Siliziums.

Folienmaterialien enthalten eine sehr hohe Anzahl an Kristalldefekten, die neutrale oder geladene Störstellen bilden. Mit diesen sind Zustände in der Bandlücke des Halbleiters verbunden, die für Rekombination und den Aufbau von Potentialbarrieren für die Ladungsträger sorgen.

Um diese Effekte zu untersuchen, werden in dieser Arbeit die Temperaturabhängigkeiten der Größen Hallbeweglichkeit und Majoritätsladungsträgerkonzentration betrachtet, die über Hallmessungen bestimmt werden. Sie geben Aufschluss über Streumechanismen und Aktivierungsenergien der Defekte in den untersuchten Materialien.

Der qualitative Verlauf dieser Transportgrößen zeigt außerdem ein charakteristisches Verhalten, das eine gesonderte Betrachtung der energetischen Verhältnisse erfordert. Aus diesem Grund werden Bändermodelle von geladenen sowie neutralen Korngrenzen und deren kristallographische Ursache diskutiert. Verschiedene Leitungs- und Streumechanismen

(6)

Kapitel 1: Einleitung und Motivation

Einige negative Auswirkungen der Kristalldefekte lassen sich in ihrer schädlichen Wirkung reduzieren. Wird atomarer Wasserstoff in das Material eindiffundiert, können elektrisch aktive Defekte passiviert werden. Dies hat je nach Material und Art des Defektes eine unterschiedlich starke Verbesserung der elektrischen Transporteigenschaften zur Folge.

Um die Wechselwirkung des atomaren Wasserstoffs mit den verschiedenen Foliensiliziummaterialien der diversen Hersteller zu untersuchen, werden in einem ersten Schritt die einzelnen Ausgangswafer mit Hilfe von ortsaufgelösten Lebensdauermessungen der Minoritätsladungsträger charakterisiert. Anhand der gewonnenen graphischen Darstellungen werden Bereiche hoher und niedriger Güte sichtbar, was eine gezielte Probenauswahl ermöglicht. Aus den interessanten Regionen können so einzelne Proben entnommen werden, die dann gezielt auf ihre elektrischen Transporteigenschaften hin untersucht werden, um mögliche Zusammenhänge mit den unterschiedlichen Volumenlebensdauern nachzuweisen. Zusammen mit den gemessenen Transporteigenschaften liefert die Variation der Parameter Passiviertemperatur und -dauer Information über den Einfluss atomaren Wasserstoffs auf die in den Proben jeweils vorhandenen Defekte. Die Messergebnisse lassen einerseits den Vergleich zwischen verschiedenen charakteristischen Proben eines Materials zu. Andererseits können die verschiedenen Materialien bezüglich ihrer elektrischen Transporteigenschaften untereinander verglichen werden.

Mit Kenntnis der Transporteigenschaften der unbehandelten Probe wird eine erste unvollständige Wasserstoffpassivierung durchgeführt. Nach erneutem Messen der Transportgrößen können erste Verbesserungen nachgewiesen und diskutiert werden.

Nachfolgende Passivierungen mit unterschiedlichen Parametern erhöhten diesen Effekt bis hin zu einer Sättigung des Materials mit Wasserstoff.

(7)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

2 Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

2.1 Grundgleichungen der Halbleiterphysik

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Gleichungen, die für ein physikalisches Verständnis der gemessenen charakteristischen Größen der verschiedenen Materialien von Bedeutung sind, kurz vorgestellt.

2.1.1 Hall-Koeffizient

Die elektrischen Transporteigenschaften, über welche die verschiedenen Foliensiliziummaterialien charakterisiert werden, können unter anderem bestimmt werden über die Messung der Hallspannung UH, die entsteht, wenn ein Magnetfeld B die Probe, durch die der Strom I fließt, durchsetzt. Bei der verwendeten Anlage bilden angelegtes Magnetfeld und der die Probe durchsetzende Strom einen rechten Winkel. Für diesen Fall gilt:

d B R I UH = H

Gl. 2.1 mit der Hallkonstanten RH und der Probendicke d.

Die Hallspannung UH selbst hängt jedoch auch von B ab, allerdings kann diese Abhängigkeit bei dem bei der Messung angelegten Feld von 0,575 T vernachlässigt werden.

Es gilt hier [20]:

p

B µ

<< 1

Gl. 2.2 Unter der Annahme, dass Elektronen und Löcher denselben Streumechanismen unterliegen, also

r p = rn = r,

kann folgender Zusammenhang zwischen der Hallkonstanten, den Beweglichkeiten µn und µp

der Elektronen und Löcher, sowie den Ladungsträgerkonzentrationen n und p der Elektronen und Löcher und dem Streufaktor r hergeleitet werden [21]:

2 2 2

)

( p n

n p

H e p n

n r p

R µ µ

µ µ

⋅ +

= ⋅

Gl. 2.3 Darin bezeichnet e die Elementarladung. In den untersuchten p-dotierten Materialien liegen die Bor-Konzentrationen in der Größenordnung 1016 cm-3, so dass die intrinsische Ladungsträgerdichte von 1,5·1010 cm-3 in Silizium vernachlässigt werden kann. Das bedeutet:

n

p n

p⋅µ >> ⋅µ

Gl. 2.4 Damit vereinfacht sich dieser Ausdruck zu:

(8)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Der temperaturabhängige Streufaktor hängt ebenfalls von der Magnetfeldstärke ab und ist mit der Relaxationszeit τ der gestreuten Ladungsträger über

2 2

τ

r

Gl. 2.6 verknüpft und variiert je nach Streuzentrum [21]. Mögliche Streuzentren stellen akustische oder optische Phononen, neutrale oder ionisierte Störstellenatome, strukturelle Defekte wie Fehlstellen, besetzte Zwischengitterplätze, Korngrenzen, Versetzungen, Oberflächen und die Ladungsträger selbst dar. Da in einem realen Kristall mehrere der genannten Streumechanismen gleichzeitig wirksam sind, muss versucht werden, die dominantesten Beiträge der Streueffekte zu identifizieren und deren Beiträge zu ermitteln.

Beispielsweise beträgt für reine Phononenstreuung nach [20] der Streufaktor r = 3π/8, bei Streuung an ionisierten Störstellen r = 315π/512 und an neutralen Störstellen erhält man r = 1.

Liegt hingegen ein n-Typ Halbleiter vor, schreibt sich die Hallkonstante RH mit

p

n p

n⋅µ >> ⋅µ : n e RH r

− ⋅

=

Gl. 2.7 Damit kann über das Vorzeichen der Hallkonstanten direkt der dominierende Leitungsmechanismus identifiziert werden.

2.1.2 Hall-Beweglichkeit und Streumechanismen

Über die Hallkonstante ist die Hallbeweglichkeit µH wie folgt definiert:

σ µH = RH

Gl. 2.8 Die Leitfähigkeit σ setzt sich additiv aus den Leitfähigkeiten der Majoritätsladungsträger und Minoritätsladungsträger zusammen:

)

(n n p p

e µ µ

σ = ⋅ + ⋅

Gl. 2.9 Daraus folgt nach Einsetzen von RH für nicht entartete p- bzw. n-Typ Halbleiter in Analogie zu Gl. 2.5 und Gl. 2.7:

p

H r µ

µ = ⋅ und µH =r⋅µn

Gl. 2.10 Die Temperaturabhängigkeit von µH enthält Information über die Art der Streuprozesse, der die Ladungsträger unterliegen. Für die meisten Streumechanismen kann näherungsweise für µH ein Ansatz der Form

x H =const.⋅T µ

Gl. 2.11 gemacht werden. Wird also die Temperaturabhängigkeit von µH gemessen, kann (bei doppelt logarithmischer Darstellung) der Exponent x bestimmt werden und somit Information über den vorliegenden Streumechanismus gewonnen werden.

(9)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Charakteristische Exponenten der wichtigsten Streumechanismen im Überblick [21]:

Tabelle 1: Charakteristische Exponenten der wichtigsten Streumechanismen

Bei den hier untersuchten polykristallinen Folienmaterialien sind die dominierenden Streuzentren vor allem Korngrenzen, ionisierte Störstellen, Kristallfehler und akustische Phononen. Die Streuung an Korngrenzen variiert in einem relativ großen Bereich, je nach Art, Größe, Ladung und statistischer Verteilung der Korngrenzen im Material.

2.1.3 Temperaturabhängigkeit der Majoritätsladungsträgerkonzentration

Im p-leitenden Material werden schon bei sehr kleinen Temperaturen die Bor- Akzeptorniveaus mit thermisch aktivierten Elektronen aus dem Valenzband besetzt. Damit steigt die Konzentration der Löcher im Valenzband an. Wenn alle Akzeptorniveaus mit steigender Temperatur besetzt sind, erreicht die Löcherkonzentration einen Sättigungswert.

Für einen nicht entarteten p-Typ Halbleiter kann für diesen Temperaturbereich (Reservegebiet des Halbleiters) aus der Fermi-Dirac-Statistik folgende Temperaturabhängigkeit hergeleitet werden [21], [22]:

T k

E E

A A

V B

V A

g e N T N

p

⋅ ⋅

= 2

) (

Gl. 2.12 Darin ist NV die effektive Zustandsdichte im Valenzband, NA die Konzentration der Akzeptorniveaus, kB die Boltzmannkonstante und gA der Entartungsfaktor des Akzeptorniveaus (gA = 4 für Silizium [23]).

EA – EV = EA stellt den Abstand des Akzeptorniveaus von der Valenzbandkante dar. Durch die Hallmessung ist die Löcherkonzentration p(T) über Gl. 2.5 zugänglich und damit auch ∆EA über Gl. 2.12.

Für Bor in Silizium beträgt ∆EA = 45 meV [24].

Streuzentrum Abhängigkeit ionisierte Präzipitate x = ½

neutrale Präzipitate x = 0 akustische Phononen x = -3/2 Kristallfehler

(dislocation)

x = 1 Korngrenzen x = 1,3 … 2

(10)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

2.2 Ladungs-Transporttheorie

Die elektrischen Eigenschaften der in der vorliegenden Arbeit untersuchten Proben aus multikristallinem Folien-Silizium werden stark von den Grenzflächen zwischen den kristallinen Bereichen beeinflusst. Nicht abgesättigte Bindungen (dangling bonds) an diesen Korngrenzen werden für die veränderten elektrischen Eigenschaften verantwortlich gemacht, genauso wie der Einfluss von Fremdatomen, die eine Bildung von Störstellen zur Folge haben. Deshalb soll in diesem Kapitel auf die verschiedenen Arten von Korngrenzen und Störstellen näher eingegangen werden.

In Bor-dotiertem Silizium werden voneinander unabhängige Typen von Störstellen beobachtet. Zum einen gibt es Störstellen, die nur als Rekombinationszentren für Überschussladungsträger wirksam sind und keine Potentialbarrieren aufbauen. Dieser Typ von Störstellen wird als neutrale Störstelle bezeichnet. Zum anderen findet man tiefe, geladene Störstellen, die je nach energetischer Position des Fermi-Niveaus in der Lage sind, Majoritätsladungsträger einzufangen und zu lokalisieren. Dies hat die Bildung einer elektrostatischen Potentialbarriere an der Grenzfläche, also an der Korngrenze, zur Folge.

Dieser Typ Störstelle beeinflusst somit das elektrische Transportverhalten des Materials. In Silizium haben diese Art Störstellen „amphoteren“ Charakter, da sowohl in n- als auch in p- dotiertem Silizium an den Grenzflächen Potentialbarrieren beobachtet werden [6]. Ein Modell wurde erstmals von Taylor, Odell und Fan 1952 aufgestellt [25]. Darin wird die Korngrenze als doppelter Schottky-Kontakt beschrieben, der Stromtransport über die Potentialbarriere findet gemäß der Drift-Diffusionstheorie statt.

Das gebräuchlichste Modell zur Beschreibung des Stromtransports ist die thermische Emission von Majoritätsladungsträgern über die Potentialbarriere [26]. Dieses Modell kann den Transport über einzelne Korngrenzen in moderat dotierten Kristallen quantitativ beschreiben.

2.2.1 Bändermodell der geladenen Korngrenze

Das Bänderschema für die geladene Korngrenze in einem p-dotierten Halbleiter wird ausgehend von der Lösung der Poisson-Gleichung in einer Dimension berechnet, wobei eine homogene Dotierung im gesamten Kristall angenommen wird [25]. Ausgangspunkt ist die Annahme von eingefangenen, lokalisierten Löchern der positiven Gesamtladung QT+ in einer kristallographisch gestörten Ebene der Weite wT = wf + wr (die im Gleichgewicht willkürlich gewählten Indizes f und r stehen dabei für die Polungsrichtung der Kristallbereiche beim Anlegen einer Spannung).

Da Ladungserhaltung gilt, induziert die eingefangene Ladung eine Potentialbarriere mit entsprechender Raumladungszone. Zur Berechnung des Bändermodells wird angenommen, dass in der Raumladungszone keine freien Ladungsträger vorhanden sind [27]. Die zur Ladungskompensation nötige negative Ladung wird von ionisierten, also ehemals abgesättigten Akzeptoren der Konzentration NA-

geliefert [6]. Tiefe Störstellen in den einkristallinen Bereichen und in der Raumladungszone werden in erster Näherung vernachlässigt. Ebenfalls nicht betrachtet wird die Rekombination von Ladungsträgern in der Raumladungszone. Das resultierende Bändermodell sieht dann in einer Dimension wie folgt aus:

(11)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Abbildung 1: Eindimensionales

Bändermodell einer Korngrenze im p-Typ Halbleiter mit tiefer geladener Störstelle im thermischen Gleichgewicht. Die positiv geladene Korngrenze und die daraus resultierende Raumladungszone führt zu einer Bandverbiegung unterhalb der Valenzbandkante des Bulk-Niveaus und verhindert das weitere Auffüllen der Niveaus in der Bandlücke.

Die eingezeichneten Ladungen beziehen sich nicht auf energetische Niveaus.

Die Breite der kristallographisch gestörten Zone, in der die Ladungsträger lokalisiert sind, bewegt sich in der Größenordnung von einigen Atomlagen, die der Raumladungszone dagegen im µm-Bereich und ist damit wesentlich größer [6]. Daher kann die Korngrenze als Ebene angesehen werden und wT kann gegenüber der Weite der Raumladungszone vernachlässigt werden. Die Weite der Raumladungszone ist im thermischen Gleichgewicht zu beiden Richtungen hin gleich groß.

Die eingefangene Ladung QT+ ist aufgrund der Ladungsneutralität gleich der Summe der Ladungen der Raumladungszonen in beide Richtungen. Die Höhe der Potentialbarriere (Φf , Φr) lässt sich aus der gesamten eingefangenen Ladung QT+ berechnen und die Dichte der tiefen Störstellen abschätzen, die nach Maßgabe des Fermi-Niveaus geladen sind [6]:

r A f

A

T e N e N

Q+ = 2⋅ ⋅ε⋅ε⋅0 ⋅Φ + 2⋅ ⋅ε⋅ε⋅0 ⋅Φ

Gl. 2.13

2.2.2 Ladungstransport durch thermische Emission

Das gebräuchlichste Modell zur Beschreibung des Stromtransportes über die Grenzfläche oder Korngrenze beruht auf der thermischen Emission von freien Löchern über die Potentialbarriere [26], die durch Einfang von Löchern in tiefe Störstellen an der Grenzfläche gebildet wurde. Die Potentialbarriere behindert den Fluss von Majoritätsladungsträgern über die Grenzfläche und führt so zu einem erhöhten elektrischen Widerstand bzw. einer verminderten elektrischen Leitfähigkeit.

Abbildung 2: Eindimensionales Bändermodell einer Korngrenze im p- Halbleiter mit tiefer geladener Störstelle unter angelegter Spannung U0.

Die kristallographisch gestörte Ebene hat eine Weite von wT = wf + wr.

Die eingezeichneten Ladungen beziehen sich nicht auf energetische Niveaus.

(12)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Die Stromdichte jth kann, ausgehend von einem Schottky-Kontakt (zweiter Term) [28] und thermischer Emission von Ladungsträgern, angegeben werden:

) 1

( )

, (

) 0

( 2

* k T

U e T

k e th

B B

f

e e

T A T U

j

Φ +

=

ϕ

Gl. 2.14 Hierbei ist die Richardson-Konstante für freie Löcher:

3 2

*

* 4 e m k /h

A = ⋅π ⋅ ⋅ ⋅ B

Gl. 2.15 Darin ist m* die effektive Löchermasse und h das Planck’sche Wirkungsquantum.

ϕ ist die Lage des Fermi-Niveaus in den benachbarten Kristalliten:

) ln(

V

B N

T p k e⋅ϕ = ⋅ ⋅

Gl. 2.16 NV ist dabei die effektive Zustandsdichte im Valenzband und p die Konzentration der freien Löcher in den Kristalliten, die aus der Majoritätsladungsträgerkonzentration der Hall- Messung folgt. Eine alternative Beschreibung gelingt mit der Drift-Diffusionstheorie, die für die Stromdichte lediglich einen anderen Vorfaktor liefert [25].

Zu einer ersten Charakterisierung der Korngrenzen kann der Gleichgewichtsleitwert σ0 in Abhängigkeit der Temperatur gemessen werden. Unter der Annahme, dass die Höhe der Potentialbarriere sich für kleine Spannungen e⋅U << kBT nicht ändert, liefert eine Entwicklung der Potenzfunktion in Gl. 2.14:

T k e

B

e B

k T A

e +Φ

⋅ ⋅

= ⋅

)

* ( 0

ϕ

σ

Gl. 2.17 Aus der Messung von σ0 und der Kenntnis von ϕ aus Gl. 2.16 kann somit die Höhe der Potentialbarriere Φ und die gesamte lokalisierte Ladung bestimmt werden.

2.2.3 alternative Transportmechanismen

Messungen des Leitwertes an polykristallinem Silizium ergeben jedoch Abweichungen von dem nach Gl. 2.17 beschriebenen Verhalten. Für tiefe Temperaturen findet man eine zweite, niedrigere Aktivierungsenergie des Leitwertes, was in [29], [30] durch Tunnel- bzw.

Hopping-Prozesse erklärt wird. Wesentliche Beiträge dieser Transportmechanismen zur Stromdichte ergeben sich jedoch erst bei höheren Dotierungen über 1018 cm-3 und bei Temperaturen unter 100 K.

Nach Temperbehandlungen heilen mitunter inhomogene Lokalisierungen von Fremdatomen an der Korngrenze, die zu einer stark temperaturabhängigen Höhe der Potentialbarriere führen, aus. Es stellt sich eine thermische Aktivierung ein, weil durch das Tempern eine homogenere Lokalisierung an den Korngrenzen stattfinden kann, was wiederum homogenere Potentialbarrieren zur Folge hat.

Von der Leitung in „extended states“ spricht man bei höheren Temperaturen, bei denen Elektronen durch Phononen angeregt werden können und somit von lokalisierten Zuständen beim Fermi-Niveau in die ausgedehnten Zustände des Leitungsbandes angehoben werden.

(13)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Diese Art des Leitungsmechanismus gewinnt vor allem bei sehr inhomogenen Gittern an Bedeutung, d.h., wenn die Blochwellenfunktion des periodischen Gitters ihre Bedeutung verliert und ein kontinuierliches ungeordnetes räumliches Netzwerk vorliegt, wie z.B. bei amorphem Silizium, bei dem sich die Wellenfunktionen dann aber über einen makroskopischen Bereich ausdehnen können.

Der Beitrag zur Leitfähigkeit hat dabei die Form [11]:

T k

E E es

B F C

e

T

= 0

)

( σ

σ

Gl. 2.18 Bei der Leitung durch Hopping-Prozesse reicht die thermische Energie der Ladungsträger nicht mehr aus, um in das Leitungsband zu gelangen. Entsprechend dem räumlichen und energetischen Abstand der einzelnen lokalisierten Stellen tunneln Majoritätsladungsträger, thermisch angeregt, von einem Potentialminimum (Haftstelle) zum Folgenden, wie bei der Störstellenleitung eines rein kristallinen Halbleiters. Dabei nimmt die Leitfähigkeit mit der Dichte der Haftstellen zu. Die Temperaturabhängigkeit ist auch hier exponentiell, enthält als zusätzlichen Term jedoch die so genannte Hopping-Energie EH [11]:

T k

E E E h

B H F A

e

T

+

=

) (

) 0

( σ

σ

Gl. 2.19 Des Weiteren wird bei tiefen Temperaturen eine differenzierte Variante, das so genannte variable-range-hopping am Fermi-Niveau, beobachtet. Hierbei finden die Sprünge nicht immer zum nächstgelegenen Zustand, sondern zum energetisch günstigsten Zustand, also zu einem bei dem die Energiedifferenz zum Sprungziel minimal wird, statt. Hier lautet die Temperaturabhängigkeit nach Mott [11]:

4 / 1 0

) 0

( 



= T

T

vrh T σ e

σ

Gl. 2.20

Abbildung 3: Darstellung verschiedener Transportmechanismen am Bänderschema.

(14)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

2.2.4 Bändermodell der ungeladenen Korngrenze

Zur Erklärung einer hohen Rekombination an einer Korngrenze ohne vorhandene Potentialbarriere (Φ ≤ 20 meV), also einer ungeladenen Korngrenze, wird angenommen, dass der Stromtransport durch die Korngrenze von Minoritätsladungsträgern aufrechterhalten wird.

Das hat zur Folge, dass die Potentialbarriere durch diesen Transportmechanismus kurzgeschlossen wird und dennoch die Rekombination von Überschussladungen zu beobachten ist.

Eine solche Rekombination von Überschussladungen an einer ungeladenen Korngrenze wurde z. B. mit EBIC-Aufnahmen nachgewiesen [6]. Dieser Effekt tritt sowohl an Korngrenzen auf, an denen nach Tempern tiefe Störstellen nachweisbar sind, als auch an solchen, die nach Tempern keine Potentialbarrieren zeigen. Während die Potentialbarrieren durch Tempern erzeugt und durch Wasserstoff passiviert werden können (siehe Kapitel 3.5), ändern sich die Rekombinationseigenschaften an derselben Probe nur unwesentlich.

Rekombination und Existenz einer Potentialbarriere können demzufolge in Grenzen als unabhängig voneinander betrachtet werden.

Bei einer Höhe der Potentialbarriere von der Hälfte des Bandabstandes beträgt die Konzentration von Minoritätsladungsträgern in der Grenzebene etwa die der intrinsischen Dichte. Noch höhere Potentialbarrieren, die vor allem durch stark gestörte Grenzebenen hoher Defektdichte induziert werden und in denen eine hohe thermische Generation und Rekombination von Elektron-Loch-Paaren möglich ist [39], könnten eine Inversionsschicht in der Korngrenzenebene produzieren. Gegen diese Vorstellung spricht jedoch, dass in Silizium, im Gegensatz zu Germanium oder InSb, keine Inversions-Korngrenzen beobachtet werden [40].

Es scheint daher zweckmäßig, rekombinationsaktive Defekte mit Kristallbaufehlern wie z. B.

Versetzungen zu korrelieren [6]. In der Literatur findet man Messungen von hohen Rekombinationsraten an vollständig rekonstruierten Versetzungen [41]. Von Bedeutung ist hierbei, dass Versetzungen in Silizium, theoretischen Rechnungen zufolge, vollständig rekonstruiert sein sollten, da bereits ab einer angenommenen Energie von 0,5 eV für eine gebrochene Bindung eine Rekonstruktion der Bindung energetisch günstiger als ein Alternativprozess ist [42], was experimentell bestätigt werden konnte [43]. Die Struktur der Rekonstruktion hat jedoch starken Einfluss auf die Lage der von den Versetzungen induzierten Niveaus in der Bandlücke. Dabei ist Berechnungen einzelner Niveaus, Subbändern und Bandausläufern gemeinsam, dass die über dem Valenzband liegenden Niveaus als donatorartig, die unter dem Leitungsband liegenden als akzeptorartig gefunden werden. [44].

Demzufolge wäre an Korngrenzen in Silizium eine Rekonstruktion von gebrochenen Bindungen denkbar. Dieser Prozess hätte dann veränderte Bindungslängen und -winkel zur Folge, die zu Spannungsfeldern an der Grenzebene der Korngrenze und zu Bandausläufer- Zuständen führen könnten, ähnlich wie bei amorphem Silizium. Experimentell konnten solche Bandausläufer in polykristallinem Silizium und an einzelnen Korngrenzen nachgewiesen werden [45]. In [6] wird gefolgert, dass aus Versetzungen Bandausläufer-Zustände (Silizium- artige Zustände) resultieren, die donator-ähnlichen Charakter für die Valenzband-Ausläufer und akzeptor-ähnlichen für die Leitungsbandausläufer besitzen. Weiter wird gefolgert, dass diese Zustände deshalb nicht in der Lage sind, Potentialbarrieren aufzubauen, aber als Rekombinationszentrum dienen können.

(15)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Abbildung 4: Bänderschema der rekombinationsaktiven Korngrenze mit akzeptor- und donatorähnlichen Zuständen unter bzw. über Leitungs- und Valenzband und zugehörige Zustandsdichte.

An der Korngrenze sind vorhandene donatorartige Zustände über dem Valenzband und akzeptorartige unter dem Leitungsband nicht geladen. Daher bildet sich auch keine Potentialbarriere an der Grenzfläche aus. Wird ein Elektron-Loch-Paar erzeugt (zum Beispiel thermisch), werden die Minoritätsladungsträger, in p-dotiertem Material also Elektronen, von den akzeptorartigen Zuständen unter dem Leitungsband eingefangen. Damit sind diese Zustände jedoch besetzt und können Majoritätsladungen einfangen, um Ladungsneutralität zu erreichen.

2.2.5 Korngrenzenmodell mit akzeptorartigen Trapzuständen

Die Modelle der geladenen und ungeladenen Korngrenze und die Rekombination an ihnen sind jedoch nicht in der Lage, ein anomales Temperaturverhalten in der gemessenen Hallbeweglichkeit µH, das an verschiedenen untersuchten Proben gefunden wurde, zu erklären. Wie in Kapitel 2.1.2 erwähnt (siehe Tabelle 1), folgt die Temperaturabhängigkeit der Streumechanismen in einem nicht entarteten Halbleiter normalerweise einfachen exponentiellen Gesetzen (Gl. 2.11). Die Hallbeweglichkeit µH durchläuft hier jedoch in Temperaturbereichen zwischen 100 und 250 Kelvin ein charakteristisches Minimum. Dieser Verlauf wurde bereits bei verschiedenen multikristallinen Siliziummaterialien beobachtet und scheint mit der Korngröße verbunden zu sein [12], [46], [34], [47], [48].

Ein Modell, das die beobachtete anomale Temperaturabhängigkeit der Hallbeweglichkeit erklärt, wird in [34] ausführlich vorgestellt. Im Folgenden sollen daher nur die wesentlichen Gesichtspunkte dieses Modells betrachtet werden.

Aufgrund der räumlichen Inhomogenität der multikristallinen Materialien, ist eine separate Betrachtung des Ladungstransports erforderlich. Ausgangspunkt ist, die Transporteigenschaften der Kristallite und die der Grenzschichten (Korngrenzen), durch

(16)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Grenzschicht und Volumenelement haben hierbei unterschiedliche elektrische Eigenschaften wie Beweglichkeit, spezifischer Widerstand und Ladungsdichte. Beim Stromtransport durch ein solches System ergeben sich vier verschiedene Regionen unterschiedlichen Widerstandes und Stromdichte, die sich durch ein Ersatzschaltbild beschreiben lassen [50]. Aus diesem kann dann der effektive spezifische Widerstand der Anordnung berechnet werden.

Über ein weiteres Ersatzschaltbild lässt sich der effektive Hall-Koeffizient der Anordnung berechnen. Dazu werden die in den verschiedenen Regionen, also im Kristallit und in der Korngrenze, auftretenden Hallspannungen in einem angenommenen Magnetfeld in geeigneter Weise aufsummiert und einige Näherungen gemacht. Als wichtigste Näherung wird angenommen, dass der Widerstand der Grenzschicht sehr viel größer ist, als der des kristallinen Bereichs. Außerdem wird die laterale Ausdehnung der Grenzschicht (lGrenzschicht) gegenüber der Kantenlänge eines Kristallits (lKristallit) als klein angenommen. (Die entsprechenden Größen dieses geometrischen Modells („Volger-Modell“) sind in der Titelgrafik auf dem Deckblatt dieser Arbeit mit 1 (Kristallit) und 2 (Grenzschicht) indiziert.) Diese Beschränkungen führen zu folgenden Formeln für die Transportgrößen spezifischer Widerstand ρ und Hallkonstante RH :

ht Grenzschic

Kristallit ht

Grenzschic Kristallit

eff l

l +

=ρ ρ

ρ

Gl. 2.21

ht Grenzschic

Kristallit ht

Grenzschic Kristallit ht

Grenzschic H

Kristallit H eff

H l

R l R

R = + ⋅ ⋅ ⋅

ρ ρ

, ,

, 2

Gl. 2.22 Die effektive Beweglichkeit µ* ist dann der Quotient aus RH,eff und ρeff.

Entsprechendes erhält man auch bei Annahme einer sphärischen Geometrie mit einer dünnen, schlecht leitenden Grenzschicht und sogar unterschiedlichen Korngrößen.

Unter der Annahme, dass die Hallspannung im Wesentlichen im Korn selbst und nicht in der Korngrenze generiert wird, kann der effektive Hallkoeffizient RH,eff dem des Kristalliten RH,Kristallit gleichgesetzt werden und die gemessene Ladungsträgerdichte wird hauptsächlich durch die Ladungsträgerdichte im Korn bestimmt.

Bei gleichen Leitfähigkeiten von Kristalliten und Korngrenzen sind Gl. 2.21 und Gl. 2.22 noch gültig, wenn ρKristallit = ρGrenzschicht gesetzt wird.

Im anderen Fall, also unter der Annahme, dass die Leitfähigkeit entlang der Grenzschicht sehr viel größer als die im Kristallit ist, dominiert ab einem gewissen Volumenanteil die Hallspannung der Grenzschicht. Der Stromtransport wird im Wesentlichen nur noch von den Korngrenzen getragen und man misst die Transporteigenschaften der Grenzschicht.

Im realen multikristallinen Kristall kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass einer der drei Grenzfälle allein vorliegt, sondern es wird sich bei einer solchen geometrischen Überlegung immer um eine Mischung aus den hier aufgeführten Fällen handeln und diese werden zusätzlich inhomogen im Kristall verteilt sein.

Bei der energetischen Betrachtung dieses Modells wird von einer positiv geladenen Korngrenze ausgegangen, die zu einer Potentialbarriere für Majoritätsladungsträger führt (siehe Abbildung 1). In diesem Fall ist der Stromtransport über eine solche Barriere hauptsächlich durch Streuung der Ladungsträger an dieser Potentialbarriere bestimmt. Die Mobilität der Ladungsträger kann durch ein Arrhenius-Gesetz beschrieben werden, wenn thermische Emission über die Barriere angenommen wird (siehe Abbildung 2).

(17)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Ausgehend vom oben beschriebenen geometrischen Modell, in dem angenommen wurde, dass das polykristalline Material aus gleichgroßen Kuben besteht, die von gleichartigen Korngrenzen getrennt werden, und dass die Korngrenzen einen sehr viel höheren Widerstand als die Körner selbst besitzen, erhält man für die Beweglichkeit der Majoritäten [51]:





⋅

 

= ⋅ k T

E

B B

B B

e k T

m l

e 21

* 2 2

2 π µ

Gl. 2.23 wobei l die durchschnittliche Korngröße, m* die effektive Masse der Löcher und EB die Höhe der Potentialbarriere sind.

Wenn die Potentialbarriere positiv geladen ist, führt eine Temperaturerhöhung zu einer Verschiebung des Fermi-Niveaus durch die Mitte der Bandlücke, was eine abnehmende oder konstante Ladungsdichte (positive Raumladungszone) an der Korngrenze zur Folge hat. Unter Annahme einer konstanten oder fallenden Potentialbarrierenhöhe kann damit eine mit der Temperatur steigende Hallmobilität erklärt werden (siehe Abbildung 8).

Um aber das beobachtete Minimum erklären zu können, muss nach [35] eine negativ geladene Korngrenze angenommen werden. Der Einfachheit halber wird eine einzige akzeptorartige Störstelle (Trapzustand) der Energie Et über der Valenzbandkante angenommen.

Abbildung 5: Negativ geladene Korngrenze im Bänderschema mit akzeptorartiger Störstelle (Trapzustand) der Energie Et nach [35].

Die Höhe der Potentialbarriere EB berechnet sich aus der Poisson-Gleichung unter Annahme eines exponentiellen Abfalls der positiven Abschirmladung [35].

D t

B e n L

E ⋅ ⋅

= ⋅

0 2

2 ε ε

Gl. 2.24 mit der Permittivität ε in Silizium, der Flächenladungsdichte n-t an der Korngrenze und der Debye’schen Abschirmlänge, die hier wie folgt definiert ist [35]:

)

2 (

0

T p e

T LD kB

= ε⋅ε

Gl. 2.25 Dabei ist p(T) die temperaturabhängige Ladungsträgerkonzentration im Korn.

Die Flächenladungsdichte n-t an der Korngrenze hängt über die Fermi-Energie von der

(18)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Nt ist die Dichte aller verfügbaren Zustände in der Grenzfläche. Die Fermi-Energie EF kann dabei aus der gemessenen Ladungsträgerkonzentration berechnet werden, unter der Annahme, dass viel mehr Strom durch die Kristallite als durch die Korngrenzen fließt.

Wenn die Bedingung EF-Et >> EB nicht mehr gilt, wie in Abbildung 5 dargestellt, hängt n-t

auch von EB ab [35]:

T k

E E t E

t

B F B t

e N n

+

+

= 1

1

Gl. 2.27 Die Potentialbarriere EB ergibt sich mit Gl. 2.24 zu:

T k

E E E

t D

B

B F B t

e N T

L E e

+

+

⋅ ⋅

= ⋅ 2 1

) (

0 2

ε ε

Gl. 2.28 Setzt man EB in Gl. 2.23 ein, erhält man die Temperaturabhängigkeit der Hallmobilität µB(T).

Abbildung 6: Temperaturabhängigkeit der Hallmobilität berechnet aus

Gl. 2.23 - Gl. 2.28 nach [35]. Parameter sind Nt = 1013 cm-2 und Et = 0,3 eV.

Qualitativ wurde dieselbe Temperaturabhängigkeit bei einigen der untersuchten Proben gefunden. Die Absolutwerte der Hallbeweglichkeiten sind jedoch bei polykristallinem Silizium um ungefähr eine Größenordnung höher. Die Simulationsrechnung wurde für eine auf Quarz rekristallisierte Siliziumschicht durchgeführt.

Abbildung 7: Temperaturabhängigkeit der Hallmobilität von Probe 37 (EFG aus schlechtem Wafer-Bereich) ohne Wasserstoffpassivierung.

(19)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Um die Temperaturabhängigkeit der Hallmobilität µB nach Gl. 2.23 - Gl. 2.28 berechnen zu können, muss die Temperaturabhängigkeit der Fermi-Energie EF(T) bestimmt werden. Dazu kann eine Boltzmann-Verteilung angenommen werden, da die Fermi-Energie im Vergleich zur Energie der Valenzbandkante sehr viel größer als kB·T ist [35]:



 

⋅ 

= ( )

) ln (

)

( p T

T T N

k T

EF B V

Gl. 2.29 NV(T) ist hierbei die effektive Zustandsdichte im Valenzband [34]

2 3

2

2 4 ) 1

( 



= ⋅

h T k T m

NV p B

π

Gl. 2.30 und p(T) die Ladungsträgerkonzentration im Korn.

Unter Annahme einer temperaturunabhängigen, konstanten Mobilität der Majoritäts- ladungsträger innerhalb des Korns, durchläuft die Fermi-Energie nach Gl. 2.29 im Temperaturbereich, in dem die Hallmobilität µB ein Minimum aufweist, ein Plateau.

Dies deutet auf die Besetzung eines Energieniveaus in der Bandlücke hin. Mit weiter ansteigender Temperatur nimmt die Fermi-Energie wieder zu.

Im Energieintervall, in dem sich die Fermi-Energie der Energie des Trapniveaus Et nähert, ändert sich der Ladungszustand der akzeptorartigen Störniveaus.

Die damit verbundene Verbiegung der Valenzbandkante ist abhängig von der Anzahl Nt der zur Verfügung stehenden Zustände, wie auch vom Energiewert Et der angenommenen Trapniveaus in der Korngrenze.

Der Energiewert Et bestimmt die Anzahl der besetzten Niveaus bei einer bestimmten Temperatur und beeinflusst somit die Position des Minimums der Hallmobilität.

Im Bänderschema stellt sich dieser Zusammenhang wie folgt dar:

(20)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

Abbildung 8: Schematische Darstellung nach [35] der Energieverhältnisse eines polykristallinen p-Typ Halbleiters. Eingezeichnet sind zwei Korngrenzen mit akzeptorartigen Trapzuständen der Energie Et, die mit steigender Temperatur vollständig aufgefüllt werden.

Bei niedrigen Temperaturen befindet sich die Fermi-Energie nahe an der Valenzbandkante, sowohl in den Kristalliten, als auch in den Korngrenzen. Die Trapzustände der Korngrenzen sind noch unbesiedelt und damit elektrisch neutral.

Steigt die Temperatur an, verschiebt sich die Fermi-Energie durch die Mitte der Bandlücke und die akzeptorartigen Zustände im Kristallit und die akzeptorartigen Trapzustände der Korngrenzen werden mit Elektronen besetzt und werden so negativ aufgeladen.

(21)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium Die negative Überschussladung an den Korngrenzen führt zu der Ausbildung eines Potentialtopfes der Tiefe EB (siehe Abbildung 8). Ist die Tiefe dieses Potentialtopfes höchstens gleich kB·T, können die Ladungsträger, die zum Ladungstransport beitragen, die Korngrenze thermisch aktiviert passieren (unter Annahme eines Ladungstransportes senkrecht zur Grenzfläche). Dies wird durch Gl. 2.23 beschrieben.

Bei weiter steigender Temperatur können die Grenzflächenzustände vollständig mit Elektronen besetzt werden und die Tiefe des Potentialtopfes EB sollte daraufhin konstant bleiben. Andererseits führt eine Temperaturerhöhung zu einer Zunahme der thermischen Energie der Löcher, welche nach Gl. 2.23, wegen der höheren Wahrscheinlichkeit für Löcher, nicht in den Potentialtopf zu fallen oder daraus zu entweichen, die Mobilität der Ladungsträger erhöht.

Aufgrund dieses Verhaltens wird ein Minimum im Temperaturverlauf der Hallmobilität erwartet.

Dieses Modell beinhaltet einige Einschränkungen [35]. Mit der Verschiebung des Fermi- Niveaus durch die Bandlückenmitte kann nur eine konstante oder abfallende Korngrenzenladung erklärt werden. Ein Ladungsabfall in der festen Grenzebene führt zu einer Verminderung der Potentialbarrierenhöhe, die wiederum zu einer Steigerung der Hallmobilität führt. Eine Erhöhung der thermischen Energie der Ladungsträger, die zum Ladungstransport beitragen, verstärkt dieses Verhalten noch. Außerdem wurde in der geometrischen Überlegung angenommen, dass der Widerstand der Barriere (Korngrenze) viel höher als der des Kristalliten ist (aufgrund erhöhter Streuzentren an den Zuständen der Korngrenze). Dies gilt jedoch nur für einen Stromfluss senkrecht zur Korngrenze, weil der Potentialtopf den Stromfluss eher behindert als verstärkt. Für einen Stromfluss entlang einer Korngrenze könnte man einen ungehinderten Stromfluss erwarten, da dort Ladungsträger eingefangen wurden.

Ferner ist von einer isotropen Verteilung gleichgroßer Kristallite, getrennt von gleichartigen Korngrenzen ausgegangen worden, die in dieser Form im realen polykristallinen Material nicht vorkommt. Weiter beträgt die Größe der Kristallite, die mit Gl. 2.23 zur Simulation von Abbildung 6 führt, nur 0,01 µm und ist im Vergleich zu den hier betrachteten Materialien mit Korndurchmessern im Millimeterbereich um rund eine Größenordnung zu klein.

Trotzdem gibt Abbildung 6 qualitativ den gemessenen Temperaturverlauf der Hallmobilität einiger der untersuchten Proben beachtlich gut wieder. Es scheint daher gerechtfertigt, dieses Modell zur Diskussion der gemessenen Minima in der Hallbeweglichkeit heranzuziehen.

(22)

Kapitel 2: Theorie der elektrischen Transporteigenschaften in multikristallinem Silizium

(23)

Kapitel 3: Messungen

3 Messungen

3.1 Untersuchte Materialien

In diesem Kapitel werden die Ausgangsmaterialien, aus denen die eigentlichen Proben hergestellt wurden, vorgestellt. Es handelt sich um multikristalline Foliensiliziummaterialien mit den Bezeichnungen

• SR (String Ribbon),

• Oktagon - EFG (Edge defined Film fed Growth) alter und neuer Qualität,

• Zylinder - EFG,

• RGS (Ribbon Growth on Substrate) mit und ohne Inversionskanälen,

• FZ (Floatzone) Silizium (monokristallin) als Referenz.

Der eigentliche Vorteil dieser Folienmaterialien liegt in ihrer Produktionsweise und den damit verbundenen Kostenvorteilen. Im Gegensatz zu anderen Siliziummaterialien, kann Foliensilizium in der gewünschten Dicke direkt als Folie (Wafer) aus der Schmelze gezogen werden. Es sind somit keine Prozessschritte, wie Sägen der gegossenen oder gezogenen Blöcke in Wafer mehr nötig, die einen sehr hohen Materialverlust mit sich bringen.

Durch den Herstellungsprozess bedingt weisen Foliensiliziummaterialien jedoch eine mitunter deutlich niedrigere Materialqualität als blockgegossenes multi- oder monokristallines Silizium auf. Das heißt insbesondere, dass die Verwendbarkeit in der Halbleiterindustrie stark eingeschränkt ist. Solarzellen mit günstigen Watt-Peak-Kosten sind jedoch realisierbar und auch wirtschaftlich herstellbar, sofern eine großtechnische Produktion zugrunde liegt [12].

Bei allen hier vorgestellten multikristallinen Siliziummaterialien handelt es sich um durch Bor p-dotiertes Foliensilizium mit einer Bor-Konzentration in der Größenordnung von 1016 cm-3. Die einzelnen Proben der verschiedenen Materialgruppen wurden jeweils unbehandelt gemessen, dann dekontaktiert und nach Reinigung einer Wasserstoffpassivierung (siehe Kapitel 3.5) unterzogen, erneut kontaktiert und wieder vermessen. Insgesamt wurde so jede einzelne Probe unbehandelt und nach jeder von insgesamt 3 Passivierungen vermessen.

Als Referenz wurden Proben aus monokristallinem FZ-Silizium angefertigt und gemessen, um einen direkten Vergleich zum idealen elektrischen Transportverhalten zu bekommen. Das einkristalline Silizium beinhaltet sehr wenig Verunreinigungen (also sehr wenig Sauerstoff und Kohlenstoff, sowie andere Fremdatome und außerdem wenige ausgedehnte Kristalldefekte wie Versetzungen). Der spezifische Widerstand beträgt 1,25 Ohm⋅cm.

An dieser Stelle soll folgende Übersicht einen Vergleich der Kenndaten der verschiedenen Materialien erleichtern. Es handelt sich dabei um typische Werte, die nur eine Größenordnung vermitteln sollen.

(24)

Kapitel 3: Messungen

Zieh- Geschwindigkeit

gängige

Wafergröße Waferdicke Korn- Durchmesser

mittlere Versetzungs

-dichte

Defekt- Konzentration

SR 1-2 cm·min-1 15·8 cm2 100-300 µm 1-3 cm2 5·105 cm-2 [52]

Oi < 5·1016 cm-3 CS = 4·1017 cm-3 EFG 1,7 cm·min-1 10·10 cm2 250-350 µm 1-3 cm2 105-106 cm-2 Oi < 5·1016 cm-3

CS = 1018·cm-3 RGS 600 cm·min-1 120⋅80 cm2 300-400 µm < 1 mm2 105-107 cm-2 Oi = 2·1018 cm-3

CS = 1018 cm-3 Tabelle 2: typische Daten der gemessenen Materialien [53]. Es handelt sich um typische Werte, die nur eine Größenordnung vermitteln sollen.

3.1.1 String Ribbon - Silizium

Hersteller: Evergreen Solar Company

Dieses Silizium Folienmaterial wird hergestellt, indem zwei Führungsdrähte, welche die Kanten der herzustellenden Folie bilden, durch einen Tiegel mit geschmolzenem Silizium gezogen werden. Dabei wächst das Silizium der Schmelze an eine Keimfolie an. Zwischen den Ziehdrähten, die Bestandteil der produzierten Folie bleiben und somit die Materialeigenschaften zumindest am Rand mitbestimmen, bildet sich aufgrund der Kapillarkräfte ein Meniskus aus, der die Breite der so erhaltenen Siliziumfolie bestimmt, während die Dicke der Folie auch durch den Abstand der Ziehdrähte variiert wird. Dadurch ist die Folienbreite nicht direkt von der Temperatur des geschmolzenen Siliziums abhängig, was eine gewisse Unempfindlichkeit gegenüber eventuellen Temperaturschwankungen der Schmelze mit sich bringt (bis zu ± 10°C).

Abbildung 9: Herstellungsprinzip von String Ribbon Foliensilizium.

(25)

Kapitel 3: Messungen Darüber hinaus ist bei diesem Ziehverfahren die Segregation von Verunreinigungen am Kristallisationsort möglich. Die mittlere Dicke der Folie wird durch die Ziehgeschwindigkeit bestimmt, das Dickenprofil von der Temperatur der Schmelze am Kristallisationsort. Die typische Dicke einer solchen Folie beträgt 100 bis 300 µm, was auch den hier verwendeten Hall-Proben entspricht. Industriell werden so 15 cm lange Wafer einer Breite von 5,6 cm und mittlerweile schon 8 cm produziert, umhüllt von einer SiO2 Schicht einer Dicke von typischerweise 5 bis 20 nm, die zu Solarmodulen weiterverarbeitet werden [32].

Durch den Herstellungsprozess bedingt, erhält man eine polykristalline Folie kleinerer Körner im Randbereich und größerer Körner zur Mitte hin (von 1 bis 3 cm2), da die an den Ziehdrähten kristallisierenden Körner sich vorzugsweise in Richtung Folienmitte ausdehnen.

Dabei entstehen in der Folienmitte vorzugsweise elektrisch inaktive Zwillingskorngrenzen, am Rand jedoch elektrisch aktive Großwinkelkorngrenzen, also ein elektrisch inhomogenes Material [32]. Durch thermische Verspannungen beim Abkühlungsprozess (Temperaturgradient von 500 bis 1000 °C an der Grenzfläche fest / flüssig) entstehen ferner Unebenheiten auf der Waferoberfläche, die durch die Ziehgeschwindigkeit und das Abkühlprofil direkt bestimmt werden. Es wird daher versucht, über eine Nachheizeinheit an der Kristallisationsfront diesen Temperaturgradienten abzuschwächen, um so plastischen Verformungen vorzubeugen und Verspannungen relaxieren zu lassen.

3.1.2 Edge defined Film fed Growth - Silizium

Hersteller: RWE Solar

Der Herstellungsprozess von EFG hat mit dem von String Ribbon gemeinsam, dass auch hier direkt aus der flüssigen Siliziumschmelze das fertige Material gezogen wird. In diesem Fall wird jedoch anstelle der Ziehdrähte ein Formteil aus Graphit (beschichtet mit SiC) verwendet, das im Inneren hohl ist (Breite ca. 1 bis 5 mm). Es entsteht aufgrund der auch bei dieser Methode wirkenden Kapillarkräfte ein Meniskus, durch den das flüssige Silizium aus der Schmelze an die Oberkante des Formteils steigt. Von oben wird eine Siliziumfolie auf das Formteil gebracht, die als Kristallisationskeim dient und an der die Schmelze über einen Meniskus kristallisieren kann. Oben wirkt die Siliziumfolie, unten das Formteil (edges) begrenzend.

Abbildung 10: Herstellungsprinzip von EFG Foliensilizium.

(26)

Kapitel 3: Messungen

Die hier gemessenen Proben stammen entweder aus so genanntem Oktaeder EFG oder aus dem zu Versuchszwecken hergestellten Zylinder EFG. Dabei hat das verwendete Formteil eine geschlossene oktaedrische bzw. zylindrische Form. Erstere bietet den Vorteil gerader Stirnflächen, was zur Folge hat, dass flache Scheiben produziert werden können.

Die Temperaturregelung muss bei dieser Produktionsweise besonders genau sein (± 1 °C) [32], da sonst Abweichungen in der Dicke des produzierten Materials auftreten. Die Siliziumschmelze darf nicht zu kalt sein, da an der Oberseite des Formteils sonst bereits die Kristallisation einsetzen würde, und gleichzeitig muss sie gerade so kalt sein, dass an der Keimfolie eine Erstarrung des Materials erfolgen kann. Die so gezogenen Oktaeder haben eine Länge von 4,6 m. Die Breite einer Oktaederfläche beträgt 10 cm. Die Materialdicke ist mit ca. 300 µm vergleichbar zu String Ribbon [33].

Durch den Herstellungsprozess bedingt wird mit 1018 cm-3 [13] ein hoher Anteil an substitionellem Kohlenstoff (das Formteil besteht aus Graphit und ist mit SiC beschichtet) in das produzierte Siliziummaterial eingelagert. EFG Folienmaterial enthält eine relativ hohe Anzahldichte elektrisch inaktiver Zwillingskorngrenzen und enthält inhomogen verteilte Versetzungen der Dichte 106 pro cm2. Die Korngrößen betragen 1 bis 3 cm2. EFG hat außerdem eine hohe Affinität, Verunreinigungen einzulagern. Die Anzahl der eingelagerten Verunreinigungen kann jedoch durch Sauerstoffeinbringung während des Ziehvorganges reguliert werden [13].

Die zur Verfügung stehenden Proben wurden im Fall von Oktagon-EFG aus zwei unterschiedlichen Materialien gewonnen. Diese werden in der Übersicht (Tabelle 3) als „alt“

und „neu“ bezeichnet. Die Herstellerfirma (RWE Solar) dieses Materials hat zu Testzwecken ihre Produktionsparameter variiert. Bei dem mit „alt“ bezeichneten Material handelt es sich um Foliensilizium, welches mit den konventionellen Parametern produziert wurde. Das mit

„neu“ bezeichnete Material wurde mit modifizierten Parametern hergestellt.

3.1.3 Ribbon Growth on Substrate - Silizium

Hersteller: Bayer AG (jetzt ECN)

Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Silizium-Folienmaterialien, bei deren Herstellung die Siliziumfolie vertikal aus der Schmelze gezogen wurde, wird bei diesem Verfahren, welches sich ebenfalls noch im Versuchsstadium befindet, die Schmelze von oben auf ein Substrat aufgebracht:

Abbildung 11: Herstellungsprinzip von RGS Silizium.

(27)

Kapitel 3: Messungen Ein Substrat wird unter einem Gießrahmen hindurch gezogen, der mit geschmolzenem Silizium gefüllt ist. Dabei definiert das Substrat die Abmessung des so entstehenden RGS Siliziums und führt die Kristallisationswärme ab. Die wichtigsten Parameter für die Waferdicke sind die Substrattemperatur (regelbar über die Vorheizeinheit) und die Ziehgeschwindigkeit, mit der das Substrat unter dem Gießrahmen weggezogen wird (typischerweise 600 cm/min).

Um die Oberflächenspannung des noch flüssigen Siliziums herabzusetzen, wird über die Begasungseinheit ein oxidierendes Gasgemisch aufgebracht, was eine glattere Oberfläche der RGS Folie zur Folge hat. Unter der darauf folgenden Tempereinheit präzipitieren im bereits kristallisierten Material Verunreinigungen (vor allem interstitieller Sauerstoff). Wegen der Verweildauer unter der Tempereinheit wird dieses Material als Haltepunkt-Material bezeichnet, im Gegensatz zum so genannten Rapidmaterial, bei dem die Temperstufe ausgelassen wird. Die Dicke des so produzierten RGS Siliziums bewegt sich zwischen 300 und 400 µm.

Der typische Korndurchmesser von RGS Silizium beträgt ca. 0,4 mm. Aus dem schnellen Herstellungsprozess resultieren mittlere Versetzungsdichten von 106 pro cm2. Defekte in RGS können entweder aus dem Rohmaterial stammen oder werden während der Herstellung eingebracht. Das sind ein hoher Gehalt an substitionellem Kohlenstoff im Bereich von 1018 pro cm3 und eine hohe Konzentration interstitiellen Sauerstoffs von 2·1018 pro cm3, der im RGS aktive Donatoren bilden kann: thermische und neue Donatoren [12]. Thermische Donatoren entstehen bei Temperaturen zwischen etwa 350 und 550°C, werden jedoch durch hohe Konzentration an substitionellem Kohlenstoff in ihrer Bildung behindert und heilen bei Temperaturen größer 550°C wieder aus. Neue Donatoren hingegen entstehen erst bei Temperaturen ab 600°C bis hin zu 900°C und werden sowohl durch einen hohen Gehalt an substitionellem Kohlenstoff als auch von interstitiellen Sauerstoff, der in RGS in hohen Konzentrationen vorkommt, begünstigt. Um die Bildung dieser neuen Donatoren während der Waferproduktion zu vermeiden, kann zum einen der Temperaturbereich, in dem die neuen Donatoren vorzugsweise entstehen, möglichst schnell durchfahren werden, um so einer Entstehung entgegenzuwirken. Das so entstandene Material wird als Rapid RGS bezeichnet und enthält nahezu den gesamten Sauerstoff gelöst auf interstitiellen Gitterplätzen. Dieser bildet bei folgenden Hochtemperaturprozessen, zum Beispiel in der Solarzellenproduktion, aktive neue Donatoren.

Zum anderen können die Wafer nach der Kristallisation zunächst auf Temperaturen über 1000 °C gehalten werden, wobei sich Sauerstoffatome an Korngrenzen oder Versetzungen anlagern können und somit größere Sauerstoffcluster bilden, was zur Folge hat, dass der interstitielle Sauerstoffgehalt im Kristall auf unter 1018 pro cm3 sinken kann. Damit ist die Neubildung neuer Donatoren bei folgenden Hochtemperaturprozessen entsprechend gebremst.

Diese Art des RGS wird als Haltepunkt RGS bezeichnet. Eine ausführliche Betrachtung dieses Materials, vor allem in Hinblick auf die Verwendbarkeit und Produktion von Solarzellen auf Basis der vorgestellten RGS Materialien findet sich in [12].

Ferner wurde gefunden, dass RGS Materialien so genannte Inversionskanäle aufweisen können. Dabei wurde bei Solarzellen auf RGS Basis, die Wirkungsgrade > 12% aufweisen

(28)

Kapitel 3: Messungen

Dieses ungewöhnliche Verhalten lässt sich durch die Existenz eines dreidimensionalen Netzwerkes von Inversionskanälen erklären [14], die von lokalen Verunreinigungen hoher Dichte an Versetzungen im RGS Material herrühren (Präzipitate).

Diese Kanäle sind in der Lage, Minoritätsladungsträger in ihrer Umgebung einzusammeln und sie zum p-n-Übergang zu leiten. Damit ist trotz einer kleinen Diffusionslänge das Sammelvolumen erheblich vergrößert. Diese Kanäle können mit EBIC (electron beam induced current) Aufnahmen unter spezieller Probengeometrie sichtbar gemacht werden [15].

Der Grund, weshalb Versetzungen in RGS Material dieses bei anderen Siliziummaterialien unbekannte Verhalten aufweisen, ist in den oben erwähnten sehr hohen Anteilen an Sauerstoff und Kohlenstoff (beide über 1018 pro cm3) zu suchen. Während des Herstellungsverfahrens von RGS werden die eingelagerten Versetzungen mit den Präzipitaten, also SiO2 und / oder SiC Partikeln quasi ummantelt, die einen Durchmesser von 20 bis 50 nm haben können [16].

Da SiO2 positive Oxidladungen enthält, fördert es somit die Ausbildung einer Inversionsschicht zwischen SiO2 und p-Typ Silizium. Weiter ist auch der Leitungsbandkantenabstand zwischen SiC und Si ausreichend, um eine Inversionsschicht an der Grenze zum p-Typ Silizium zu ermöglichen. Ein physikalisches Modell dieser Inversionskanäle wird in [15] dargestellt. Darin werden die Inversionskanäle durch unendlich ausgedehnte homogene Zylinder konstanter Radien rox approximiert. Die Grenzfläche zwischen den Zylindern und dem Silizium wird durch eine konstante Oxidladungsdichte Qox und einer homogenen und energetisch kontinuierlichen Ladungsdichte Di charakterisiert.

Damit erhält man folgendes Bänderschema im thermischen Gleichgewicht:

Abbildung 12: Bänderschema eines zylinderartigen Inversionskanals bei RGS Silizium im thermischen Gleichgewicht.

Wobei rsc der Radius der zylinderförmigen Raumladungszone, EF das Fermi-Energieniveau von der Valenzbandkante an und Φb die Potentialbarrierenhöhe sind. Positive Oxidladungen und Löcher, die von den Grenzflächen-Zuständen (interface states) eingefangen werden, führen zur Ausbildung einer zylinderförmigen Raumladungszone um die Versetzung herum.

Wird die Oxidladungsdichte hoch genug, kann eine Inversionsschicht an der Grenzfläche zwischen Silizium und dem Zylinder aus SiO2 bzw. SiC entstehen.

In [14] wird gezeigt, dass die effektive Inversionskanalbreite für Barrierenhöhen von 0,2 bis 0,8 eV, also in einem Bereich, in dem die Inversionsladungsträgerdichte wichtig wird, 1 bis 2 nm erreicht.

Die Inversionskanäle in der prozessierten Solarzelle können quasi als Kurzschlüsse wirken, da eine zusätzliche Strominjektion in die Inversionskanäle die offene Klemmenspannung erniedrigt.

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