Manufaktur
Liebstöckel
Dieser kleine Betrieb in der Feldberger Seenlandschaft wartet mit
vielfältigen Kräuterprodukten und raffinierten Gerichten auf. Die Zutaten dafür wachsen direkt auf
Britta Daedelows Grundstück
I
n einer der schönsten ländlichen Regionen Mecklenburg-Vorpom- merns macht Britta Daedelow das Beste aus ihrem Garten: Ihre innovative Kräuterküche sowie ihre außergewöhnlichen Fruchtauf- striche, feurigen Chutneys und leckeren Limonaden begeistern selbst Gourmets. Ihr Plattdeutsch hat sie gut versteckt. Es lagert in der Schublade eines antiken Schranks und passt auf eine winzige, selbst gestaltete Karte: „Sabbel nich, dat geiht!“ („Nicht lange reden, das geht schon!“) steht darauf – ein Spruch, der bestens zu Brittas Firmen- philosophie und Lebensmotto passt. Denn für ihr Unternehmen, die Manufaktur „Liebstöckel“ im winzigen Ort Kodenhof in der Feldberger Seenlandschaft, gab sie ihren sicheren Job auf.Der Ursprung für den Neustart liegt in ihrem Garten, einer einstigen
„Großbauern-Scholle“, auf der sie aufwuchs. Hier pflanzten schon ihre Eltern Kartoffeln und Kohl, pflückten Beeren, Äpfel und Pflau- men. Natürlich half Britta bei der Gemüse- und Obsternte sowie beim Einkochen und Mosten in der Bauernküche mit. Die im Keller gelagerten Schätze aus Mutter Natur stammten nicht nur aus dem Garten – im Wald fanden sich reichlich Pilze und Beeren, auf den Wiesen manch leckeres Küchenkraut. Bis heute sind der Garten und seine dörfliche Umgebung das Zuhause der Mecklenburgerin geblie- ben, aus dem sie niemals wegwollte. Verständlich, scheint doch die Region mit ihren klaren Seen, tiefen Buchenwäldern, romantischen Dörfern und alten Landsitzen ein Stück heile Welt zu sein.
1 Für Britta Daedelow bedeutet Heimat, „wenn einem zu jedem Ort etwas einfällt“. Ihre Heimat ist ihr Garten, in dem sie frische Kräuter, vergessene Heil- und seltene Gemüsepflanzen erntet. 2 Die Manufaktur im Örtchen Koldenhof mutet modern an, schmiegt sich mit ihrer Holzkonstruktion aber harmonisch ins zauberhafte Grün des Gartens ein. 3 + 5 Die leckeren Liköre,
Kräutertees, Öle und Chutneys sowie würzigen Salze und Brühen entstehen hier selbstverständlich ohne künstliche Aromen und Geschmacksverstärker. 4 Ein Teil der Ernte kommt direkt frisch auf den Küchentisch und anschließend im Café auf die Teller der Gäste – wobei die Lust der Gastgeberin am Experimentieren kaum Grenzen kennt
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Fotos: MLK/Margit Wild
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Zur liebenswerten Bodenständigkeit der Leute hier gehört auch das Plattdeutsch, das Britta von ihren Großeltern und Eltern gelernt hat.
Schließlich lässt sich mit Platt Kompliziertes prima auf den Punkt bringen – Zweifel und Sorgen kapitulierten stets vor dem bestimmten
„Dat geiht!“ des Vaters. Von ihm hat sie auch eine Vorliebe für schöne, alte Dinge geerbt: „Wenn wir Schrott zur Schrottkuhle bringen sollten, kamen wir stets mit vollen Händen zurück. Immer fanden wir etwas, das uns faszinierte: alte Töpfe, Küchengeräte, Werkzeug.“ Gerne hätte die tatkräftige Frau in einem Museumsdorf gearbeitet, wäre über Flohmärkte gezogen und hätte von dem gelebt, was Hof und Garten hergaben. Doch daran war in der DDR nicht zu denken, ein hand- fester Beruf musste her. Mit einem Herz für Kinder und Händchen für Pädagogik arbeitete sie 22 Jahre lang als Erzieherin und Kita- Leiterin. So oft wie möglich ging sie dabei mit den Kleinen ins Grüne und Essen wurde stets frisch gekocht. Doch bei aller Liebe zu Kindern und Beruf – etwas fehlte. „Ich vermisste das Spontane, die Lust am Experimentieren, die Unabhängigkeit.“
Bei der Frage angekommen, ob sie ihr Leben nochmals umkrempeln könnte, erinnerte sich Britta an ihr altes Motto „Dat geiht!“ und schritt zur Tat: Sie kündigte 2012 ihre Anstellung, besuchte ein Existenz- gründer-Seminar und nahm einen Kredit auf. Von nun an sollte der 3 000 Quadratmeter große Garten die Grundlage ihrer Existenz werden. Ihr Traum waren eine eigene Manufaktur, um die Ernte zu verarbeiten, und eine eigene Küche, um Gäste bewirten zu können.
Kurz darauf standen die ersten Einmach-Gläser in der Küche, in den Töpfen köchelten die Zutaten für Gelees, Marmeladen und Schmalz.
„Die ersten Gläser habe ich auf Stadtfesten in der Nachbarschaft angeboten“, erinnert sich die Inhaberin. Mit Erfolg: Auf den Rück- fahrten war sie regelmäßig ausverkauft.
1 Liebe zum Detail: Außergewöhnliche Köstlich- keiten wie Aufstriche aus gelben Kürbissen und Birnen, Wilden Pflaumen und Mandeln, Äpfeln und Mädesüß entstehen in Handarbeit in kleinen Chargen.
Was gut schmeckt, sieht auch ansprechend aus:
Alle Eti ketten hat die Chefin von Hand gestaltet.
2 Getrocknete Kräuter bereichern nicht nur Tees und Gewürz mischungen, sondern schmücken auch die Räume. 3 Die Beete, in denen die meisten Zutaten für die Schätze der Manufaktur reifen, sind sorgfältig angelegt und gepflegt, während es in anderen Gartenbereichen durchaus etwas wuchern darf
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B andnudeln
mit W alnuss - K räutersosse
r eissalat mit W ildKräutern
Für 4 Personen
2 fein gehackte Knoblauchzehen, 2 EL Olivenöl, 200 g gehackte Walnüsse, 100 ml Weißwein, 80 ml Gemüsebrühe, 200 g Sahne, 80 g Crème fraîche, 2 EL gehackte Petersilie, Salz, Pfeffer, 400 g Bandnudeln. Außerdem: gehackte Peter- silie, zerkleinerter Rucola
1. Knoblauch in heißem Öl anschwitzen.
Walnüsse zugeben, kurz anrösten. Wein zu‑
gießen und die Flüssigkeit fast vollständig einkochen lassen. Brühe hinzufügen, einmal aufkochen und Sahne angießen. Bei milder Hitze stark einkochen lassen. Crème fraîche und Petersilie unterrühren. Salzen und pfef‑
fern. 2. Nudeln in Salzwasser bissfest garen (Packungsangabe). Soße dazureichen und mit Petersilie und Rucola bestreut servieren.
Für 4 Personen
125 g Basmati-Vollkornreis, Salz, 3 EL Olivenöl, 4 EL Kräuteressig, Pfeffer, 3 Frühlingszwiebeln, 3 getrocknete Tomaten in Öl, 1 Birne, 1 Apfel, 2 Handvoll Giersch, 1 Handvoll Wildkräuter (z. B. Schafgarbe, Spitz-Wegerich, Vogelmiere, Löwenzahn, Sauerampfer), 4 Löwenzahnblüten.
Außerdem: 10 Gänseblümchenköpfe, Holunderblütendolden
1. Reis in kochendem Salzwasser garen (Packungsangabe). Gut abtropfen lassen und in eine große Salat schüssel geben. Öl, Essig, Salz und Pfeffer unterrühren. Frühlingszwie‑
beln, Tomaten, Birne und Apfel klein schneiden und zum Reis geben. 2. Alle Kräuter waschen, putzen und in feine Streifen schneiden. Löwen‑
zahnblüten auszupfen und mit den Kräutern zum Reis geben. Alles gut vermischen und abschmecken. Mit Gänseblümchen und Holun‑
derblütendolden verziert servieren.
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Fotos: MLK/Margit Wild
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H olunderblüten - M ilcHsuppe
Für 4 Personen
Für die Suppe: 1 l Milch, 6 – 8 Holunder‑
blütendolden, 2 EL Kartoffelstärke, 3 Eigelb, 1 Pck. Vanillezucker, 15 g Zucker, Salz.
Für die Schneeklößchen: 3 Eiweiß, 35 g Zucker, Salz.
Außerdem: Holunderblüten zum Garnieren 1. Für die Suppe Milch mit Holunderblüten ‑ dolden im Topf etwa 10 Min. oder länger köcheln lassen, bis sie den gewünschten Geschmack der Dolden angenommen hat. Durch ein Sieb gießen und die Milch wieder auf den Herd stellen. Kartoffel‑
stärke in 50 ml Milch anrühren, in die heiße Flüssigkeit rühren und kurz aufkochen lassen.
2. Eigelbe in einer Schüssel verquirlen und die heiße Suppe unter kräftigem Rühren dazugeben.
Mit Vanillezucker, Zucker und einer Prise Salz abschmecken. Die Suppe wiederum kurz erhitzen, aber nicht auf kochen lassen. 3. Für die Schnee- klößchen Ei weiße mit Zucker steif schlagen. Einen breiten Topf mit reichlich siedendem Salz wasser bereit‑
stellen. Klößchen abstechen, auf das Wasser setzen und in ca. 5 Min. mit schräg aufgelegtem Deckel gar ziehen lassen. 4. Herausnehmen, auf die Suppe setzen und sofort servieren. Mit Holunderblüten garnieren.
Heute stehen in den Regalen der 2016 / 2017 neu gebauten Manu- faktur die Ergebnisse von Brittas Experimentier-Lust: fruchtige Apfel- Mädesüß-, Brombeer-Mandel- und Johannisbeer-Kokos-Aufstriche, aber auch so abenteuerliche wie leckere Kombinationen aus Gelben Kürbissen und Birnen, Wilden Pflaumen und Mandeln. Die Sirupe aus Gartenkräutern sind ebenso verführerisch wie die Holunder- Würzsoßen und frischen Gemüsebrühen. Dass die Anbieterin bei ihren Produkten auf künstliche Aromen, Farbstoffe und Geschmacks- verstärker verzichtet, ist für sie ebenso selbstverständlich wie die handwerkliche Zubereitung in kleinen Chargen.
Klein und fein sind auch die Gerichte, die sie im bezaubernd mit antiken Möbeln eingerichteten Café serviert. Auch sie sind Kombina- tionen aus neuen Ideen und alten Familienrezepten – wie etwa die Holunderblüten-Milchsuppe, die schon ihre Oma zubereitete. Auf der Karte stehen, je nach Jahreszeit, Pastinaken-, Gurken-Joghurt- oder Kürbis-Apfel-Chili-Suppen, Schwarzwurzel-Salate oder Birnen- Feldsalate, aber auch gefüllte Pilze oder Gemüsesticks mit Frisch- käse. Alle Gerichte bereitet Britta Daedelow selbst zu, die meisten Zutaten erntet sie im Garten hinter dem Haus.
Überhaupt der Garten: Hier gedeihen neben Gemüse und Beeren auch Heilpflanzen wie Beinwell und Lungenkraut, Küchenkräuter wie Beifuß und Thymian, Duft- und Gewürzpflanzen wie Lavendel sowie Gewächse mit essbaren Blüten wie Ringelblumen und Malven.
Einen besonderen Platz in diesem üppigen Grün hat eine prächtige Staude, die der Manufaktur ihren Namen verlieh: Liebstöckel. Dass der Garten mit all seinen Wildkräutern heute nicht mehr überall so akkurat gejätet wirkt wie früher, quittierten Brittas Eltern mit gele- gentlichem Kopfschütteln. Doch ihre Tochter hat ein unschlagbares
Argument parat: „Dat geiht!“ Lars Herde
1 Frische Kräuterli mo na den
serviert die Hausherrin ihren Gästen gern auch gleich im Gar- ten. 2 Ein lautes Klingeln
genügt, falls sie gerade zwischen den Beeten unterwegs sein sollte.
Der Besuch lohnt sich für alle, die eine frische Kräuterküche schät- zen und die Vielfältigkeit der nord- deutschen Region entdecken möchten
Adresse
„Liebstöckel“
Manufaktur und Kräutergarten, Britta Daedelow,
Lindenallee 65,
17258 Feldberger Seenlandschaft – Ortsteil Koldenhof,
Telefon: 03 98 20/3 01 77, www.liebstoeckel.info
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Diesen und weitere Beiträge über die kulinari‑
sche Vielfalt in Deutschlands Regionen finden Sie in der Zeitschrift „meine gute Landküche“.
Das sechsmal jährlich erscheinende Magazin präsentiert auf 116 Seiten Reportagen über lokale Küche, ländliche Cafés und gemüt‑
liche Gasthöfe. Passend zur Saison machen bewährte und neue Rezepte mit regionalen Produkten Lust aufs Nachkochen: Rouladen und leckere Spargelgerichte sind ebenso dabei wie frische Salate und köstliche Erd‑
beerkuchen. Die aktuelle Ausgabe ist ab dem 26. April im Zeitschriftenhandel erhältlich.
Lese- Tipp:
Fotos: MLK/Margit Wild
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