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Die Mär von der Stromlücke | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Wirtschaftspolitische Stellungnahmen

22 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2008

Weshalb hat sich der Stromverbrauch seit 1970 mehr als verdoppelt, obschon die Be- völkerungszahl nur um ein Fünftel zunahm?

Weil es in der Schweiz an einer echten Strom- politik fehlt und weil die Elektrizität viel zu billig ist. Dank längst abgeschriebenen Was- serkraftwerken und dem lukrativen Strom- handel sanken die Schweizer Strompreise in den letzten 25 Jahren teuerungsbereinigt um 27%. Im gleichen Zeitraum nahm der Strom- verbrauch um mehr als ein Drittel zu.

Dieser Anstieg hat drei Gründe: Erstens haben die grossen Elektrizitätswerke bisher die Strompolitik weit gehend selber bestimmt.

Allein im Ständerat sitzen nicht weniger als elf Verwaltungsräte von Elektrizitätswerken.

Zweitens ist Strom nach wie vor sehr billig. Pro Kopf und Monat kostet der Haushaltstrom durchschnittlich nur 30 Franken. Und drittens hat der sorglose Umgang mit dieser hochwer- tigen Energie auch psychologische Gründe.

Strom aus der Steckdose ist geruchlos und in vielen Anwendungen sogar geräuschlos. Die Verschwendung von Strom wird also kaum wahrgenommen.

Massnahmenbündel sichert Vollversorgung

Umso wichtiger ist es, dass es in der Schweiz endlich zu einem Paradigmenwechsel kommt:

weg von einer rein produktionsorientierten Sichtweise (Motto: «Wir müssen jegliche Nachfrage befriedigen»), hin zu einer verbrauchsorientierten Effizienzpolitik. Der von der «Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik» erstellte Klima-Masterplan zeigt Instrumente auf, wie der Verbrauch bis 2025 um über 15% gegenüber heute gesenkt werden kann, selbst wenn die Zahl der Stro- manwendungen weiter steigt:

– Die Strompreise mit Hilfe einer Lenkungs- abgabe verdoppeln. Das sorgt für einen genügend grossen Steuerungseffekt, ohne dass dadurch die Kaufkraft sinkt – die Ein- nahmen werden ja vollständig rückverteilt.

Stromintensive Industrien profitieren von Sonderregelungen, welche die Stromeffizi- enz erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten.

– Die Zahl ineffizienter Geräte der Energie- klassen C bis G limitieren und mit speziel- len Verkaufslizenzen auktionieren.

– Energieetiketten auf möglichst viele Strom- verbraucher anwenden und sie alle drei Jahre der technischen Entwicklung anpas- sen.

– Für bereits gekaufte, aber ineffiziente Geräte einen Gutschein zum verbilligten Kauf eines A-Gerätes abgeben, wenn das alte Gerät dafür aus dem Verkehr gezogen wird.

– Elektrowiderstandsheizungen in Neubau- ten verbieten und für über 20-jährige Elek- troheizungen eine Substitutionspflicht einführen.

– Den durchschnittlichen Standby-Verlust mittels Branchenvereinbarungen unter 0,5 Watt senken.

Mehr Effizienz heisst nicht mehr Stromverbrauch

Selbst die Vertreter der Stromindustrie anerkennen meist die Bedeutung der effizien- ten Verwendung von Energie, behaupten dann aber, dass dies zwingend mit einem massiv höheren Stromverbrauch einhergehe. Das ins Feld geführte Lieblingsbeispiel ist der Ersatz von Ölheizungen durch Wärmepumpen.

Dies wäre richtig, wenn der heutige Gebäu- debestand ohne jede Sanierung auf Wärme- pumpen umgerüstet würde. Faktisch werden die Altbauten aber zuerst besser isoliert und dann mit der jeweils sinnvollsten Technologie beheizt. Berechnungen zeigen, dass bereits die geforderte Substitutionspflicht für alte Elek- troheizungen ausreichen würde, um den Mehrbedarf durch Wärmepumpen zu de- cken, denn energetisch sanierte Bauten brau- chen weniger Heizenergie – und damit auch deutlich weniger Strom.

Das Schönste zum Schluss: Wirtschafts- wachstum und Stromsparen schliessen sich nicht aus, wie etwa das Energie-Modell Zürich – ein Zusammenschluss von 16 umweltbe- wussten Grossfirmen – zeigt. Die Unterneh- men wollen ihre Energieeffizienz bis 2010 um 13% steigern sowie den CO2-Ausstoss um mehr als ein Drittel reduzieren – und das mit Massnahmen, die sich innert kurzer Zeit zu- rückzahlen, wie die Firmen auf ihrer Home- page schreiben. Bei steigenden Strompreisen lohnen sich solche Investitionen erst recht – auch bei bis jetzt weniger fortschrittlichen

Firmen.

Die Mär von der Stromlücke

Dr. Hans-Peter Fricker Geschäftsleiter des WWF Schweiz, Zürich

Der Schweiz drohe eine Strom- lücke, warnen Vertreter der Elek- trizitätswirtschaft und fordern den schnellen Bau von neuen Atomkraftwerken. Die damit ver- bundenen Risiken muss die Schweiz nicht in Kauf nehmen:

Alles, was es für die Zukunft braucht, ist eine umfassende Effizienzpolitik und einen geziel- ten Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn die «Stromlücke»

ist genau betrachtet nur eine Politik-Lücke. Allein mit einer Lenkungsabgabe auf Strom und der konsequenten Förderung effizienter Geräte könnten wir den Stromverbrauch um 15 TWh oder einen Viertel des heutigen Wertes reduzieren. Zum Ver- gleich: Die drei Atomkraftwerke, welche bis 2020 abzuschalten sind, produzieren weniger als 9 TWh.

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