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Musen und Mäzeninnen (5/5)

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SWR2 Musikstunde

Musen und Mäzeninnen (5/5)

Folge 5: Nicole Bru Von Ines Pasz

Sendung vom: 10. Dezember Redaktion: Dr. Bettina Winkler Produktion: SWR 2021

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„Musen und Mäzeninnen“, darum geht es in dieser Woche, heute treffen wir Nicole Bru, Ärztin, Chemikerin und große Mäzenin. Sie zählt zu den zehn reichsten Frauen Frankreichs und lebt in der Schweiz. Über sie persönlich ist kaum etwas bekannt, sie hält sich sehr zurück mit Informationen über ihr Leben, ihr Name steht in der Musik vor allem für ihr Projekt Palazzetto Bru Zane.

Seit 12 Jahren investiert Nicole Bru in dieses Erfolgsmodell nicht nur Millionen von Euro, sondern auch ihre ganze Leidenschaft. Kein Musikpreis, keine CD-Auszeichnungen, oder Verkaufshitliste kommen inzwischen vorbei an dieser Einrichtung, oder Stiftung, oder diesem Forschungsprojekt.

Was genau das ist, wo es sitzt, was Nicole Bru damit bezweckt, das ist Thema in dieser SWR2 Musikstunde. Ich bin Ines Pasz, und freue mich, dass Sie dabei sind.

Musik 1 Charles Lecocq: La fille de Madame Angot, Ouvertüre 4’53 DJM/LuP, Bestell-Nr. BZ 1046

Musik von Charles Lecocq, 1873 wird seine Operette „Die Tochter der Madame Angot“ in Paris zum ersten Mal aufgeführt. Es wird ein Riesenerfolg, mit über 400 Vorstellungen. Danach tourt sie durch mehrere, französische Städte, und dann durch die ganze Welt. Wiederentdeckt wird die Operette vom „Zentrum der romantischen französischen Musik“ in Venedig, in der SWR2 Musikstunde war das daraus die Ouvertüre, mit dem Orchestre de Chambre de Paris unter Sébastien Rouland.

Das ist so ein Beispiel für die Arbeit dieses Zentrums, oder dieser Forschungsstelle, oder dieses Projekts Plazzetto Bru Zane. Finanziert jedenfalls wird es von Nicole Bru, Ärztin und Chemikerin, und Miteigentümerin des französischen Pharmaunternehmens Laboratoires UPSA. 2006 kauft sie in Venedig ein kleines Stadtschlösschen, das Palazzetto Zane. Einst, im frühen 18. Jahrhundert ist es ein adeliges Vergnügungspalais, dann eine Weile lang nichts, zuletzt eine Sportschule, dementsprechend runtergekommen sieht es aus. Drei Jahre später ist der Bau fertig restauriert und wird Sitz des „Centre de la musique romantique francaise“, des „Zentrums der romantischen französischen Musik“. Zweifellos der Beginn einer großen Entwicklung. Bis heute wurden unzählige CDs produziert worden, Bücher veröffentlicht, Forschungsarbeiten abgeschlossen. Selbst Nicole Bru hätte das niemals erwartet, dass in dem ganzen Projekt so viel kreatives Potenzial steckt. Am Anfang ist da einfach nur ihre Liebe zur Barockmusik. Schon zusammen mit ihrem Mann Jean Bru fördert sie das Ensemble Le Concert Spirituel, und damit seinen Leiter Hervé Niquet. Er steht auch heute noch an vorderster Front des Projekts. Aber dann wird Nicole Bru von allen Seiten überredet noch ein bisschen weiterzugehen, weiter vorzustoßen in der Musikgeschichte, bis eben ins romantische Frankreich. Und sie macht mit.

Musik 2 Reynaldo Hahn: Die Trauminsel, Duo Mahénu, Loti, (2. Akt) 4‘04 DJM/LuP, Bestell-Nr. BZ 1042

Die Sopranistin Hélène Guilmette und der Tenor Cyrille Dubois mit dem Duo Mahénu, Loti aus dem 2. Akt der Oper „Die Trauminsel“ von Reynaldo Hahn, zusammen mit dem Chor von Concert Spirituel und dem Münchner Rundfunkorchester unter Hervé Niquet.

Polynesische Idylle, heißt das Werk im Untertitel, ein französischer Marineoffizier verliebt sich in ein einfaches polynesisches Mädchen, muss es aber aus gesellschaftlichen Gründen wieder verlassen. 1898, im Alter von 17 Jahren schreibt Reynaldo Hahn diese einstündige Oper, und verarbeitet darin Einflüsse von Debussy, Massenet, Bizet und Puccini. Trotzdem kommt es etwas

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3 ganz Eigenes dabei heraus, musikalischer Symbolismus, der die Poesie der Sprache in Töne fasst.

Als Jules Massenet die Partitur sieht, schaut er den jungen Kollegen an und sagt: „Um das zu schreiben, musst du eigentlich ein Dichter sein“.

Bei Palazzetto Bru Zane ist ein ganzer Zyklus geplant mit den Werken von Reynaldo Hahn, erschienen sind inzwischen acht CDs, Lieder, Opern, Divertissements.

Efferalgan, eine Brausetablette gegen Schmerzen, vergleichbar unserem Aspirin, sie hat das Pharmaunternehmen von Jean Bru so reich gemacht, mitbeteiligt an der Entwicklung ist seine Frau Nicole Bru. Als ihr Mann 1989 stirbt, erbt sie das ganze Vermögen, 250 Millionen Dollar. Was macht sie damit? Sie investiert es in die Kultur. In ihr kleines Paradies, den Palazzetto Zane in Venedig, 2006 kauft sie ihn, 2009, nach aufwändiger Restaurierung wird er eröffnet, als Konzerthaus und als Forschungsstätte, samt einem ganzen Team von Musikwissenschaftlern. Die machen sich auf die Suche nach vergessenen Partituren von noch mehr vergessenen Stücken, bereiten sie neu auf, gehen Kooperationen mit Theatern ein, bringen die Werke auf die Bühne, oder nehmen sie auf CD auf, so wie „Maria Stuart et Rizzio“, eine Kantate für Sopran, Tenor und Orchester von Charles Gounod. Komponist bekannt, Werk absolut gar nicht.

Zwischen 1837 und 1839 nimmt Charles Gounod dreimal am Prix de Rome teil, dem wichtigsten französischen Musikwettbewerb. Dafür schreibt er mehrere Kantaten, bislang allesamt unveröffentlicht. „Maria Stuart et Rizzio“ hat Gounod sogar selbst nie gehört. Palazzetto Bru Zane hat die Partitur entdeckt und die Kantaten eingespielt, und wir staunen über die große Vorliebe des jungen Komponisten für lyrische Musik.

Musik 3 Charles Gounod: Marie Stuart et Rizzio, Kantate, Duett 3‘48 EDICIONES SINGULARES, Bestell-Nr. ES1030

Ein Duett aus der Kantate „Maria Stuart et Rizzio“ von Charles Gounod, mit der Sopranistin Gabrielle Philiponet und dem Tenor Sébastien Droy, Tenor, begleitet wurden sie von der Brüsseler Philharmonie unter Hervé Niquet, herausgegeben und eingespielt von Palazzetto Bru Zane, um dieses Projekt und um seine Mäzenin Nicole Bru geht es heute in der SWR2 Musikstunde.

Das Palazzetto Bru Zane ist übrigens nicht das erste und einzige Projekt, das Nicole Bru unterstützt. Sie engagiert sich auch für burmesische Klöster, marokkanische Dörfer und Mädchenwohnheime in Frankreich.

Nun also Musik, spezielle Musik, unentdeckte Schätze des 19. Jahrhunderts aus ihrer Heimat.

Nicole Bru ist Wissenschaftlerin, was sie anpackt, ist fundiert und gut recherchiert, und so geht sie auch hier vor, beim Palazzetto Bru Zane: akribisch, systematisch und neugierig.

Ursprünglich hatte sie in Frankreich angefragt, ob vielleicht jemand Interesse habe an einem solchen Forschungsprojekt, aber Paris winkt ab, französische Musik der Romantik, kein Thema.

Als dann aber die Arbeit konkret wird, und erste Ergebnisse dastehen, wird Nicole Bru plötzlich umworben vom französischen Kulturminister. Aber es ist zu spät, sie geht lieber ihren eigenen Weg.

„Der Staat soll sich um seine Sachen kümmern“, sagt sie, „und privates Mäzenatentum sollte ganz privat bleiben“.

Inzwischen hat die Forschungsstelle aus Venedig einen Ableger in Versailles, hier gibt es auch immer wieder Konzerte und Festivals, mit Musikern, Sängerinnen und Dirigenten aus der internationalen A-Liga der Musik, nur größte Namen. Palazzetto Bru Zane hat inzwischen weltweit einen so guten Ruf, dass jeder und jede sich damit schmücken will. 2013 ist es der Dirigent Christophe Rousset mit seinem Orchester Les Talens Lyriques. Antonio Salieri haben sie sich

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4 vorgenommen, seine Oper „Die Danaiden“. Darin geht es um glitzernde Paläste in dunklen Höhlen, und um eine Welt aus Dämonen und Furien. Zuerst aber wird getanzt, eine Air de Danse.

Musik 4 Antonio Salieri: Les Danaides, Air de Danse 2‘31 EDICIONES SINGULARES, Bestell-Nr. ES 1019

Tanzmusik, eine Air de Danse aus der Oper „Die Danaiden“ von Antonio Salieri, Christophe Rousset leitete sein Orchester Les Talens Lyriques, eine Aufnahme aus dem Jahr 2015, herausgegeben von Palazzetto Bru Zane, um dieses Projekt und seine spendable Mäzenin Nicole Bru geht es heute in der SWR2 Musikstunde.

Gerade diese Aufnahme ist ein Paradebeispiel für die kunstvollen CD-Editionen von Palazzetto Bru Zane. „Les collections de livres-disques“, also Buch-CDs nennen sie die. Von einer normalen CD ist man da meilenweit entfernt. In einer Zeit, die gerne vom Ende der CD spricht, setzt das Label auf geradezu bibliophile Schmuckstücke, in festem Karton, mit aufwändigem Titelbild. Darin jede Menge Informationen über das Werk, den Komponisten, die Entstehungsgeschichte und die Uraufführung, inklusive Fotos, Graphiken und einer Abhandlung über die originalen Bühnenbilder, dazu Briefwechsel aus der Entstehungszeit, Zitate, und das komplette Libretto. Man braucht Zeit und Muße, um solch eine CD durchzuarbeiten, aber zuletzt ist man klüger und glücklicher.

Palazzetto Bru Zane, was ist das eigentlich nun genau, und was bedeutet dieser Name? Ganz primär ist es erst mal ein Haus, ein kleiner Palast, ein Palästchen mitten in Venedig, in einem kleinen Gässchen im Sestiere Polo, um die Ecke die Chiesa di San Giovanni Evangelista.

Eine Gartenmauer, ein Tor, dahinter Putten, Pflanzen, Hecken und dann der Palast, oder eben besser gesagt, das Palästchen. Gebaut wurde es 1697 von Marino Zane, Spross einer ganz alten venezianischen Familie. Gegenüber, auf der anderen Seite des Kanals steht ihr Haupt-Wohnsitz, der große und edle Palazzo Zane.

100 Jahre lang bleibt der Palazzetto im Besitz der Familie Zane, ein schmuckes, intimes Refugium für Bücher und Musik. Danach wechselt er immer wieder den Besitzer. Als Nicole Bru ihn 2006 entdeckt, ist er mehr als runtergekommen. Aber sie verliebt sich sofort in den verwunschenen Ort, und hat eine klare Vorstellung davon, wie er mal aussehen soll.

Für uns heute ist dieser kleine Palast ein Prachtbau, allein der zentrale Saal hat 800 Quadratmeter.

Vom Kanal aus, dem Rio-Marin-Kanal gibt es für den Palazzetto einen eigenen Zugang. Das bedeutet, wenn man aus dem Innenhof nach draußen blickt, fährt auch schon gerade eine Gondel vorbei, sehr malerisch. Im Inneren dann Marmor, Stuck und vor allem herrliche Fresken.

Ursprünglich sind sie alle gnadenlos übermalt, Nicole Bru lässt sie für viel Geld restaurieren und jetzt erstrahlen sie in frischem Glanz. Selbst das Treppenhaus ist fantastisch ausgemalt.

Sebastiano Ricci heißt der Künstler, einer der wichtigsten venezianischen Maler der Barockzeit.

Als Nicole Bru das Haus kauft, weiß das aber noch niemand, zum Glück, sonst hätte vielleicht noch nicht mal sie das bezahlen können.

Musik 5 Camille Saint-Saëns: Extase 3’43 ALPHA, Bestell-Nr. ALPHA 445

„Extase“ heißt dieses Lied von Camille Saint-Saens, Sandrine Piau wurde begleitet vom Concert de la Loge unter Julien Chauvin.

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5 Französische Lieder mit Orchesterbegleitung, das „Centre de Musique Romantique Francaise“

ahnt zuerst gar nicht, dass es da so viel gibt in den Archiven. Aber einmal mit der Suche begonnen, ist das Ergebnis verblüffend. So entsteht diese CD mit der Sopranistin Sandrine Piau und Liedern von französischen Komponisten, von denen man gar nicht wusste, dass sie überhaupt welche geschrieben haben.

Dieses „Zentrum der französischen romantischen Musik“ mit Sitz im Palazzetto Bru Zane untersteht direkt seiner Mäzenin Nicole Bru. Ihr liegt es enorm am Herzen, und die Musikwelt kann sich darüber freuen. Denn Tatsache ist: wenn ich Sie bitte, mir französische Opernkomponisten Mitte des 19. Jahrhunderts aufzuzählen, oder französische Opern aus dieser Zeit, dann ergeben sich da vielleicht eine Handvoll, und immer dieselben: Bizet, Berlioz, Massenet, Gounod, Saint-Saens, das sind die Komponisten. Bei den Werken sind es die unvermeidliche Carmen, Werther, Faust, und Samson und Dalila.

Natürlich gibt es aber noch Unmengen weiterer Komponisten und auch Opern, nur kennt sie kaum jemand, nicht nur hier bei uns in Deutschland, sondern auch in Frankreich.

Auch dort leiden die Spielpläne an einer Dauerschmelze des Repertoires.

Das Forschungsteam vom Palazzetto Bru Zane will das ändern. Olivier Lexa, der Chef- Wissenschaftler hat eine Menge zu tun. Erst mal gilt es zu klären, was ist überhaupt französische Oper, oder französische Romantik, oder eben sogar französische Musik. Den Zeitraum setzt das Team an von Ludwig XVI., das ist der, der sein Leben auf der Guillotine verlor, bis zum Ersten Weltkrieg.

Und dann: was ist das Charakteristische dieser Musik, was macht sie aus, wo liegen ihre Unterschiede zu anderen Nationen?

Gefühl, das ist unendlich wichtig für die französische Musik, sagt Monsieur Lexa, und auch die Auflösung der klassischen Formensprache. Dann die Erweiterung, ja sogar Überschreitung der traditionellen Harmonik, denken wir an Claude Debussy, und auch die Verbindung mit außermusikalischen, auch literarischen Themen.

Musik 6 Etienne-Nicolas Méhul: „Ariodant“, Arie des Edgard (3.Akt) 4‘20 ERATO, Bestell-Nr. 19029515666

Der Tenor Michael Spyres mit der Arie des Edgard aus der Oper „Ariodant“ von Etienne-Nicolas Méhul, zusammen mit dem Philharmonischen Orchester Straßburg unter Marko Letonja.

Méhul, der Komponist der französischen Revolution ist auch beliebtes Objekt musikwissenschaftlicher Recherchen des Forschungsteams aus dem Team von Palazzetto Bru Zane, Bücher, Aufsätze, mehrere Opern und Sinfonisches findet man da auf der Homepage.

Aber es stellt sich natürlich auch die Frage, warum sind eigentlich so viele Musikschätze in Frankreich verschüttet? Schuld ist wohl Paris. Seit ewigen Zeiten ist die Hauptstadt das Zentrum, der Mittelpunkt. Wie ein Magnet zieht Paris alles an sich. Wer oder was hier nicht aufschlägt, war und ist zum Scheitern verurteilt. Ein weiteres Problem ist die Oper. Wer in Frankreich im 19.

Jahrhundert als Komponist Geld verdienen will, muss Opern schreiben. Wenn die dann aber in Bordeaux oder Lyon rauskommen, also in der Provinz, sind sie in Paris schon untendurch, bevor sie da jemals gelandet sind.

Durch alle Raster fällt auch Theodore Gouvy. Er stammt aus Lothringen, lebt dort und schreibt auch noch Kammermusik. Mehr Pech geht kaum, Aber jetzt hat ihn Palazzetto Bru Zane entdeckt und zu neuem Leben erweckt, ihn und seine wunderschönen Klaviertrios.

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6 Musik 7 Théodore Gouvy: 3. Satz aus dem Klaviertrio F-Dur Nr. 4 op. 22 4‘54

EDICIONES SINGULARES, Bestell-Nr. ES 1014

Der 3. Satz, das Menuetto, aus dem Klaviertrio F-Dur Nr. 4 op. 22 von Théodore Gouvy mit dem Trio Arcadis.

„Musen und Mäzeninnen, um sie geht in dieser Woche in der SWR2 Musikstunde, heute ist es die französische Ärztin und Unternehmerin Nicole Bru und ihr Projekt Palazzetto Bru Zane mit seinem Forschungszentrum der romantischen Musik Frankreichs.

Das klingt etwas akademisch, aber tatsächlich wird da nicht nur geforscht, entdeckt und veröffentlicht, sondern auch aufgeführt.

Ein großer Teil der Finanzen von Nicole Bru fließt in Konzerte und CD-Produktionen, aus dem stillen Kämmerlein der Musikwissenschaftler mitten hinein in den Kammermusiksaal im Palazzetto.

Der hat zwar nur 75 Sitzplätze, ist aber ein Schmuckstück venezianischer Baukunst. Für Touristen, etwa die Hälfte der Besucher, ist das ein echter Geheimtipp, für Venezianer wegen seiner Intimität eher "wie zu Hause", und außerdem bezahlbar.

Die Opern und größeren Orchesterwerke laufen natürlich woanders, in Versailles, und immer öfter auch an europäischen großen Häusern. Echte Quotenbringer sind diese Ausgrabungen inzwischen, großartige Musik, hervorragend ediert und endlich mal was Anderes, als immer nur dieselben Stücke, die jeder schon x mal gehört hat.

Das alles funktioniert aber eben nur, weil keiner hier dem Geld hinterherjagen muss, weil alle zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in Ruhe um ihre Arbeit kümmern können. Fünf ständige Pumpen halten den Palazzetto trocken, das Team arbeitet im Akkord, und zwar mit größter Begeisterung. "Es ist ein Traum", sagt Alexandre Dratwicki, der wissenschaftliche Leiter. "Ehe es losging, bin ich in Paris jeden Morgen aufgewacht und dachte, da gibt es dieses Zentrum in Venedig, du wirst da arbeiten und bekommst Geld dafür, Gouvy, Duboit und Godard zu entdecken - das ist unmöglich!"

Musik 8 Benjamin Godard: „Dante“, Romanze der Gemma 3‘12 EDICIONES SINGULARES, Bestell-Nr. ES 1029

Diese Oper handelt von Dante Alighieri und sie ist ihm auch gewidmet, geschrieben hat sie 1890 Benjamin Godard, in der SWR2 Musikstunde war das daraus die Arie der Gemma mit der Mezzosopranistin Rachel Frenkel, begleitet vom Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer.

„Was im Leben zählt, ist die Fähigkeit, den Lauf der Dinge zu beeinflussen!“ sagt Nicole Bru, die große Mäzenin der Forschungsstelle Palazzetto Bru Zane.

Es ist kaum etwas bekannt über sie, außer dass sie sehr, sehr reich ist und in der Schweiz lebt.

Sie nimmt sich komplett zurück, möchte nichts über ihr Leben verraten, äußert sich auch öffentlich kaum und legt ihr Projekt weitgehend in die Hände ihrer Mitarbeiter. Man findet nichts über ihr Alter, über ihren Geburtstort oder über ihre Familie. Sie möchte das nicht, und wir sollten es respektieren.

Wenn sie sich mal öffentlich äußert, dann geht es meist um grundlegende Dinge: „Die Pharmaindustrie hat mich von Anfang an fasziniert wegen der vielen unterschiedlichen Disziplinen, die es zu beherrschen gilt“, so Nicole Bru, „Forschung, Marketing, Produktion, Recht, Ethik … und der Mensch und die Möglichkeit, menschliches Leiden zu lindern, stehen im Mittelpunkt.“

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7 Um ihr Medizinstudium finanzieren zu können, wird Nicole Bru 1971 Mitglied der Ausbildungsabteilung des französischen Pharmariesen UPSA. Bald ist sie Direktorin der Forschungsabteilung, und heiratet 1980 Jean Bru, den Direktor der Firma. Als er neun Jahre später stirbt, wird sie Vorsitzende des Unternehmens. Innerhalb kurzer Zeit verdoppelt sich der Umsatz, das macht sie 1994 in Frankreich zur „Geschäftsfrau des Jahres“.

Mit ihrem Projekt Palazzetto Bru Zane hat Nicole Bru eine Menge angestoßen. Wie sehr das alles in dieser Form geplant war, wissen wir nicht. Für die Musik ist es jedenfalls ein Segen, Teile der französischen Musikgeschichte kann man heute tatsächlich neu schreiben, auf jeden Fall wird sie bunter und vielseitiger. Denn auch Frauen haben im 19. Jahrhundert in Frankreich komponiert, Nadia Boulanger, Henriette Renié und Marie Jaell, von ihr gibt es inzwischen schon fünf Veröffentlichungen, und man kann nur gespannt sein, was alles noch auf uns wartet.

Musik 9 Marie Jaëll: Cellokonzert, 1. Satz 6‘46 ALPHA, Bestell-Nr. ES 1022

Xavier Phillips war der Solist im Cellokonzert von Marie Jaell, zusammen mit der Brüsseler Philharmonie unter Hervé Niquet.

Musen und Mäzeninnen, das war das Thema in dieser Woche in der SWR2 Musikstunde, heute ging es um die französische Mäzenin Nicole Bru.

Alle Sendungen dieser Woche können Sie, wie immer, auf unserer Homepage hören, unter SWR2.de, oder in unserer SWR2 App, im Internet finden Sie auch die Manuskripte zur Sendung.

Hier im Programm geht es nach den Nachrichten weiter mit Treffpunkt Klassik.

Morgen in der Musikstunde dann das Rätsel mit Katharina Eickhoff, und nächste Woche erwartet Sie Christian Möller in der SWR2 Musikstunde zum Thema „Der Himmel voller Gitarren“.

Ich bin Ines Pasz, ich sage danke fürs Zuhören.

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