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Beitrag: Hoffnung für mehr Tierwohl Umbau der Nutztierhaltung gefordert

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Beitrag: Hoffnung für mehr Tierwohl –

Umbau der Nutztierhaltung gefordert

Sendung vom 26. Oktober 2021

von Jörg Göbel und Christoph Peters

Anmoderation:

Die Deutschen sind sehr tierlieb, heißt es. Liebe geht durch den Magen, heißt es auch. Man könnte also hoffen, die Tiere, die wir essen, werden gut gehalten. So gut wie möglich eben, auch wenn sie am Ende ihrer Tage nur eine Ware sind. Da könnte man es auch als gutes Zeichen sehen, dass in

manchen Bundesländern nur selten amtlich kontrolliert wird, wie Nutztiere gehalten werden. Man könnte - aber die Realität sieht oft ganz anders aus, erschreckend anders. Seien Sie also bitte vorbereitet auf das, was Ihnen Jörg Göbel und Christoph Peters im Film zeigen.

Text:

Er macht seit Jahren öffentlich, was andere gern verbergen würden: Verstöße gegen den Tierschutz in Schlachthöfen, Ställen und Laboren. Friedrich Mülln sieht sich als Ermittler, sein Verein heißt "SOKO Tierschutz". Mülln erinnert sich an einen Fall in Sachsen-Anhalt:

O-Ton Friedrich Mülln, SOKO Tierschutz:

Man geht da durch die Stallungen, es ist dunkel, man hat ein Nachtsichtgerät und sieht dann halt einen Kadaver nach den anderen da liegen, teilweise schon total verwest, mumifiziert.

Bei manchen tropfte noch das Blut raus, dazwischen verletzte Tiere. Also, das war ein Eindruck, ja, der halt mal wirklich gezeigt hat, was für Probleme in der Industrie vorherrschen und wie man die auf die Spitze treiben kann.

Müllns Verein schickte die Bilder an Journalisten vor Ort.

O-Ton Thomas Pusch, Lokaljournalist:

(2)

Wir bekamen eine Mail von einem Tierschutzverein, der SOKO Tierschutz heißt. Von dem hatte ich zuvor nie gehört. Es gäbe da einen Fall im Landkreis Stendal, wo gegen den Tierschutz verstoßen würde. Und weil das zu unserer journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, wandte ich mich an die Besitzer des Betriebes. Die waren bereit, sich mit mir noch am selben Nachmittag zu treffen. Die Besitzer der Milchviehanlage sagten, einerseits seien das gar nicht Aufnahmen aus ihren Stallungen, andererseits erschien ihnen die Aufnahmen an sich auch noch mal manipuliert.

Doch der Fälschungsvorwurf entpuppte sich als Ausrede. Die Aufnahmen dagegen zeigten die grausame Realität im Stall, die offenbar keiner Behörde, keinem Amtstierarzt aufgefallen war.

O-Ton Friedrich Mülln, SOKO Tierschutz:

So was war, ist unvorstellbar, dass man im Prinzip von einem toten Rind zum nächsten gehen kann. Das ist ja das

Schreckliche, bei den versteckten Kameras kann man ja nicht direkt eingreifen.

Die Bilder zeigen: Der automatische Kotschieber reißt ein Kalb mit.

O-Ton Friedrich Mülln, SOKO Tierschutz:

D versucht halt, mit dem Maul irgendwie ihr Kälbchen bei sich zu behalten. Und dieses Kalb ist höchstwahrscheinlich in der Güllegrube geendet.

O-Ton Thomas Pusch, Lokaljournalist:

Also, es wurde Dienstaufsichtsbeschwerde erlassen gegen den Amtstierarzt. Der ist letztlich zum Ende des Jahres von seinem Posten zurückgetreten.

O-Ton Friedrich Mülln, SOKO Tierschutz:

Das ist totales Behördenversagen. Dieser Stall hätte innerhalb von ein, zwei Tagen dichtgemacht werden können. Das

Beweismaterial war eindeutig. Die Behörden hatten alle Informationen und die Behörden haben auch die

Möglichkeiten, so was zu tun. Das Veterinäramt ist nicht zahnlos. Und es hat dann im Endeffekt zwei Jahre gedauert, bis dieser Stall dann langsam abgewickelt werden konnte. - Ich bin jetzt seit 27 Jahren im Tierschutz und seit 27 Jahren begleiten mich die gleichen Probleme: verstümmelte Hühner, verstümmelte Schweine, Sauen in ihren Käfigen, Hühner in ihren Käfigen. Und die Agrarindustrie schafft es immer wieder, die Politik, selbst wenn sie es mal versucht, völlig auszumanövrieren.

(3)

Immer wieder sind Tierschützer unterwegs und filmen Missstände in Ställen. Einzelfälle oder flächendeckendes Problem?

Fest steht: Die amtlichen Stallkontrollen sind lückenhaft. Bis ein Betrieb kontrolliert wird, vergehen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte, so etwa im Agrarland Niedersachsen 21 Jahre und in Bayern sogar mehr als 48 Jahre.

O-Ton Mahi Klosterhafen, Präsident Albert Schweitzer Stiftung:

Dieser Mythos von "das wird ja alles kontrolliert", der ist der ist halt so nicht haltbar, weil im Schnitt werden alle was - zehn, 20, 30 Jahre je nach Bundesland unterschiedlich - Ställe überhaupt nur kontrolliert. Also, wir kriegen zum größten Teil auch gar nicht mit, was da läuft.

Die Bundesregierung hatte eine Kommission eingesetzt.

Experten sollten die Probleme in der Landwirtschaft klar benennen und Lösungen aufzeigen. Die sogenannte Borchert- Kommission bekam parteiübergreifend Lob für ihre Arbeit.

Das Ergebnis eindeutig:

Zitat:

„Es zeigt sich ein erheblicher Handlungsbedarf zur

Verbesserung des Tierwohlniveaus in der Nutztierhaltung …“

Selbst in den Ställen, wo alle Gesetze eingehalten werden, kann es den Tieren schlecht gehen:

Zitat:

„Aber auch dort, wo spezifische Haltungsvorschriften vorliegen und eingehalten werden, bestehen teilweise erhebliche Tierwohldefizite.“

Irgendwo in Brandenburg: eine Schweineaufzucht. Von der Tierschutzorganisation "Animals Rights Watch" bekommen wir diese Aufnahmen aus einem Stall zugespielt, wenige Wochen alt:

O-Ton Sandra Franz, Animals Rights Watch:

In der Anlage waren viele Sauen mit blutigen Wunden an den Klauen, und diese Wunden waren teilweise auch schon

entzündet. Und man hat gesehen, dass die nicht erst seit gestern bestehen.

Die Aufnahmen zeigen auch einen Ferkelwurf im Stall. Die Tiere sind mitten in der Nacht sich selbst überlassen.

(4)

O-Ton Sandra Franz, Animals Rights Watch:

In den letzten Jahrzehnten wurden die Sauen so gezüchtet, dass sie immer mehr Ferkel zur Welt bringen. Und eine Folge davon ist, dass viele schwache Ferkel und kleine Ferkel auch zur Welt kommen, die es vielleicht nicht schaffen, sich direkt aus der Fruchtblase zu befreien, die es nicht schaffen, die Zitzen zu erreichen.

Ohne Hilfe sterben einige Ferkel bereits kurz nach der Geburt - Probleme in der Tierhaltung.

Die, die bald regieren wollen haben bisher dazu wenig gesagt - im Sondierungspapier nur zwei Sätze,

Zitat:

„Wir wollen die Bäuerinnen und Bauern darin unterstützen, die Nutztierhaltung tiergerecht umzubauen. Für Transparenz beim Einkaufen soll eine Haltungskennzeichnung sorgen.“

Gero Hocker ist im Landwirtschaftsteam für die FDP bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Ein großer Streitpunkt: Woher soll das Geld kommen für mehr Tierwohl? Bisher haben die Liberalen eine sogenannte Tierwohlabgabe stets abgelehnt - also, ein paar Cent mehr pro Kilo Fleisch, für mehr Tierschutz im Stall bisher nicht mit der FDP. Das hört sich inzwischen anders an:

O-Ton Gero Hocker, FDP, MdB, Agrarpolitischer Sprecher der Fraktion:

Es kann im Grunde nur eine Tierwohlabgabe sein, die

zweckgebunden ist. Und ich glaube, wir müssen dahin, dass tatsächlich am Ende die Standards, die gefordert werden, auch einen transparenten, aber dann auch einen

angemessenen Preis an der Ladentheke erhält, der auch bezahlt wird. Das wäre die Musterlösung, die wir hinkriegen müssen in den nächsten vier Jahren.

Bisher kann allerdings kein Verbraucher erkennen, woher sein Schweinefleisch stammt. Auch das will die FDP mit den neuen Partnern ändern:

O-Ton Gero Hocker, FDP, MdB, Agrarpolitischer Sprecher der Fraktion:

Es muss für den Verbraucher quasi auf einen Blick erkenntlich sein, woher auch die Vorprodukte in dem Endprodukt

stammen, ansonsten werden nationale Alleingänge nicht dazu führen, dass wir mehr Tierwohl erreichen.

(5)

Vielen Tierschützern geht das nicht weit genug. Für sie ist nur der Verzicht auf Fleisch konsequent.

O-Ton Sandra Franz, Animals Rights Watch:

Wenn man sich anschaut, was erlaubt ist, was legal ist, diese Tiere haben nichts für ein gutes Leben. Sie haben nur

Schmerzen, Leid und Elend. Und wir sind es halt gewohnt, Fleisch zu essen, Milch zu essen, Eier zu essen, aber genau so kann man sich auch an was anderes gewöhnen.

Klaus Geiser ist sich sicher, Würstchen müssen nicht aus Fleisch sein. Sein Familienbetrieb, südlich von Stuttgart, ist Marktführer in Europa für bio-vegane Produkte. Dazu gehören zum Beispiel Veggie-Wiener aus Seitan.

O-Ton Klaus Gaiser, Firmengründer "Wheaty":

Ich habe schon immer alles Fremdartige viel, viel

interessanter gefunden als die eingefahrenen Wege. Seitan ist das Mehl um die Stärke bereinigt, zurück bleiben die Sehnen.

Deswegen sagen die Chinesen traditionell dazu auch

„Mienzin“. Das heißt: Sehnen des Mehls.

Geiser verzichtet seit 1979 auf Fleisch.

O-Ton Klaus Gaiser, Firmengründer "Wheaty":

Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich habe immer den

Fleischgenuss vermisst. Es ist eine Riesen-Herausforderung, diesen an sich relativ geschmacksarmen Seitan so hin zu trimmen, dass er eine Fleisch-Assoziation erweckt.

Immer mehr junge Menschen verzichten auf Fleisch. Und so stieg der Umsatz von Fleischersatzprodukten 2020 auf 375 Millionen Euro - trotzdem: eine Nische. Fleisch bleibt beliebt.

Umsatz 2020: mehr als 38 Milliarden Euro. Es wird produziert in Ställen, die Fabriken gleichen, mit Millionen Tieren.

Eine neue Bundesregierung hat es in der Hand, ob das Wohl der Tiere in Zukunft eine größere Rolle spielt als bisher.

Abmoderation:

Mit Verzicht auf Fleisch die Welt retten? Schauen Sie in die ZDFmediathek! In der Dokumentation "Achtung, Essen!"

finden Sie Hintergründe zur Fleischproduktion und Perspektiven für mehr Tierwohl.

Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt,

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verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.

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