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Auswahl eines geeigneten ärztlichen Gutachters durch die Fahrerlaubnisbehörden

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Titel:

Auswahl eines geeigneten ärztlichen Gutachters durch die Fahrerlaubnisbehörden Normenketten:

StVG § 3 Abs. 1 S. 1

FeV § 11 Abs. 2 S. 3, Abs. 8, § 43 Abs. 1, Abs. 3 Leitsätze:

1. Den Fahrerlaubnisbehörden steht ein Auswahlermessen dahingehend zu, dem Pflichtigen verbindlich vorzugeben, von welchem der in § 11 Abs. 2 S. 3 FeV aufgeführten Ärzte ein beizubringendes Gutachten erstellt werden muss. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

2. Erfahrungsgemäß sind bei der Begutachtung durch Ärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation iSd § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 FeV Ungenauigkeiten bei der Begutachtung festzustellen. (Rn. 28)

(redaktioneller Leitsatz)

3. Der Kreis der Ärzte, die ein Verfahrensbeteiligter mit der verkehrsmedizinischen Begutachtung betrauen darf, ist deshalb auf Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (§ 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 FeV), auf Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Facharzt für Rechtsmedizin“ (§ 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 FeV) und auf Ärzte in Begutachtungsstellen für Fahreignung, die die Anforderung der Anlage 14 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfüllen (§ 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 FeV), zu beschränken (VGH München BeckRS 2013, 45300). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Entziehung der Fahrerlaubnis, Nichtvorlage eines geforderten ärztlichen Gutachtens, Auswahl des geeigneten Gutachters, Arzt, aufschiebende Wirkung, Diabetes, Facharzt, Fahreignung,

Fahrerlaubnisentziehung, verkehrsmedizinische Begutachtung, Begutachtungsstellen für Fahreignung Rechtsmittelinstanz:

VGH München, Endurteil vom 15.02.2019 – 11 BV 18.2403 Fundstelle:

BeckRS 2018, 51074  

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand 1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer zeitweisen Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

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1. Der Kläger ist an Diabetes mellitus erkrankt und Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, L, M und S. Am 11.12.2015 wurde beim Kläger ein HbA1c-Wert von 8,4% festgestellt. Das

Landratsamt … (Landratsamt) forderte den Kläger deshalb mit Schreiben vom 25.01.2016 auf, bis zum 25.03.2016 ein (fach-)ärztliches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Wegen des HbA1c-Werts von über 8% sei nicht von einer stabilen Stoffwechsellage

auszugehen, was Zweifel an der Fahreignung des Klägers begründe. Der Kläger werde darauf aufmerksam gemacht, dass aus einer Verweigerung der Untersuchung oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werde.

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In einem Telefonat am 11.04.2016 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Landratsamt mit, dass der Kläger ein Gutachten habe erstellen lassen, jedoch mit negativem Ergebnis. Nach erfolgter Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis erklärte der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22.04.2016, dass er auf seine Fahrerlaubnis nicht freiwillig verzichte, aber bereit sei, eine

Begutachtung durch einen Internisten/Diabetologen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation durchführen zu lassen. Zudem legte der Kläger dem Landratsamt das Gutachten über die Psychologische

Zusatzuntersuchung vom 04.04.2016 (ohne das eigentliche ärztliche Gutachten) vor, das im Rahmen seiner bei der TÜV S. L. Service GmbH in … durchgeführten ärztlichen Begutachtung erstellt wurde.

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Mit Bescheid vom 27.06.2016 entzog das Landratsamt dem Kläger die Fahrerlaubnis (Ziffer 1). Der Führerschein sei innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Dieser Bescheid werde in den Ziffern 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3). Falls die in Ziffer 2 genannte Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt werde, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 750,00 Euro zur Zahlung fällig (Ziffer 4). Die Kosten des Verfahrens habe der Kläger zu tragen (Ziffer 5). Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 200,00 Euro festgesetzt (Ziffer 6). Dem Kläger sei die

Fahrerlaubnis zu entziehen, da er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei. Der Kläger sei aufgefordert worden, ein ärztliches Gutachten gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV i.V.m. Nr. 5 der Anlage 4 zur FeV zur Klärung von Eignungszweifeln bis zum 25.03.2016 vorzulegen. Auf Grund der Weigerung des Klägers, der behördlichen Anordnung fristgerecht Folge zu leisten, werde von der Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgegangen.

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2. Gegen den Bescheid vom 27.06.2016 erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15.07.2016 Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte am gleichen Tag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen (Az. B 1 S 18.514). Mit der Klageerhebung bzw.

Antragstellung legte der Kläger auch das im Rahmen seiner Begutachtung bei der TÜV S. L. Service GmbH in … erstellte ärztliche Gutachten von Herrn Dr. … vor.

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Den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 04.08.2016 ab. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 11 CS 16.1717) erging am 29.09.2016 ein richterlicher Hinweis dahingehend, dass Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Begutachtungsaufforderung des Landratsamts vom 25.01.2016 bestünden. Die weiter angeregte erneute Begutachtung des Klägers durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation führte zu einer positiven Feststellung der in Rede stehenden Fahreignung des Klägers. Daraufhin hob das Landratsamt mit Bescheid vom 15.12.2016 die Ziffern 1 und 2 seines Bescheids vom 27.06.2016 mit Wirkung für die Zukunft auf. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 02.01.2017 insoweit Widerspruch ein, als die Aufhebung des Bescheids (nur) für die Zukunft erfolgt sei. Das vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren erklärten Kläger und Beklagter übereinstimmend für erledigt. Der Bayerische

Verwaltungsgerichtshof stellte mit Beschluss vom 03.01.2017 das Verfahren ein.

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3. Mit Schriftsatz vom 02.01.2017 beantragte der Kläger,

die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 27.06.2016 hinsichtlich dessen Ziffern 1, 2, 5 und 6 festzustellen.

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Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass dieser Bescheid nicht auf § 11 Abs. 8 FeV hätte gestützt werden dürfen, weil die zugrunde liegende Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 rechtswidrig sei. Zu beanstanden sei insbesondere, dass der Beklagte bereits von Anfang an die Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin oder Diabetologie hätte anordnen müssen. Auch sei die Begutachtungsaufforderung zu unbestimmt, weil in der Begutachtungsaufforderung (zu Beginn und am Ende) von einer „fachärztlichen“ Begutachtung gesprochen, aber ein (einfaches) ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle verlangt werde.

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genannten Gutachter eingeräumt. § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV fordere für die zu klärenden Fragen die

Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und Beachtung der Anlagen 4 und 5, was naturgemäß auch eine sachgerechte Prüfung der hinreichenden Eignung des benannten Gutachters für das

Untersuchungsthema voraussetze. Bereits in der rechten Spalte der Anlage 4 zur FeV werde unter Ziffer 5.3 und 5.4 für die Überprüfung der Auswirkungen einer Diabetes-Erkrankung jeweils eine fachärztliche

Begutachtung bzw. fachärztliche Nachbegutachtung benannt, was letztlich durch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung dahingehend ergänzt/konkretisiert werde, dass die gutachterliche Untersuchung von einem Facharzt für Innere Medizin und/oder Diabetologen vorgenommen werden solle.

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Das Feststellungsinteresse des Klägers ergebe sich aus einer Belastung mit Kosten sowie im Hinblick auf Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB für den Zeitraum der Fahrerlaubnisentziehung. Dem Kläger seien jedenfalls Kosten in Höhe von 561,00 EUR für die Begutachtung bei der TÜV S. L. Service GmbH

entstanden. Eine Enthaftung des Beklagten wegen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.08.2016 sei nicht möglich, weil es sich hierbei nicht um eine verwaltungsgerichtliche

Kollegialentscheidung in einer Hauptsache, sondern nur um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gehandelt habe.

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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 10.04.2017, die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage schon nicht zulässig sei.

Soweit man, wie der Kläger, davon ausgehe, dass der Bescheid vom 27.06.2016 noch Rechtswirkungen entfalte, was nicht der Fall sei, sei eine Gestaltungsklage vorrangig. Als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog fehle es an einem Feststellungsinteresse. Ein

Amtshaftungsanspruch sei ausgeschlossen, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.08.2016 für eine Enthaftung des Beklagten ausreichend sei.

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Zur Begründetheit sei hilfsweise auszuführen, dass der Kläger ein Gutachten bis zum - rechtlich allein maßgeblichen - Zeitpunkt des Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht vorgelegt habe. Es habe daher davon ausgegangen werden müssen, dass der Kläger nicht fahrtauglich sei.

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Die Auswahl des Gutachters sei nicht fehlerhaft gewesen. § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV überlasse der Fahrerlaubnisbehörde die Auswahl zwischen den dort genannten Gutachtern. Auch wenn man die

Begutachtungsleitlinien (dort Nr. 3.5), welche im Falle eines Diabetes mellitus die Untersuchung von einem Facharzt für Innere Medizin und/oder Diabetologen empfehlen, insgesamt als „antizipierten Sachverstand“

betrachte, sei dies dort nicht gerechtfertigt, wo sich die Leitlinien, wie hier, gerade nicht abschließend festlegten und eben nur eine Empfehlung abgäben. Denn eine endgültige Festlegung sei von einem Sachverständigengutachten gerade zu erwarten. Unabhängig davon seien die Anordnungen in den Begutachtungsleitlinien jedenfalls nicht geeignet, den klaren Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV zu ändern. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass eine fehlerhafte Gutachteranordnung die

streitgegenständliche Entscheidung in der Sache beeinflusst habe.

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4. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - der Kläger mit Schriftsatz vom 14.03.2017 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.04.2017 - erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten - auch des hinzugezogenen, vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth geführten Verfahrens B 1 S 16.514 - gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte aufgrund der Einverständniserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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1. Die Klage hat keinen Erfolg. Die Frage nach der statthaften Klageart (hierzu unter Buchst. a) kann offen bleiben, weil sich der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts vom 27.06.2016 als rechtmäßig erweist (hierzu unter Buchst. b), so dass die Klage in jedem Fall zumindest unbegründet ist. Die Klage ist daher abzuweisen.

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a) Zwar spricht viel dafür, dass die vorliegende Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig ist, da eine Enthaftung des Beklagten aufgrund des Beschlusses des

Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.08.2016 (Az.: B 1 K 16.514) nicht möglich sein dürfte. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der sogenannten Kollegialgerichtsrichtlinie ist nämlich, dass das Kollegialgericht das beanstandete Verhalten eines Amtswalters nicht nur aufgrund einer überschlägigen, summarischen Prüfung, wie etwa in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern auf der Grundlage einer vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage gebilligt hat (vgl. BeckOK, VwGO, § 113 Rn. 87.3 unter Verweis u.a. auf BGHZ 117, 240). Aber auch wenn man diesbezüglich die Fortsetzungsfeststellungsklage - weder direkt noch analog - gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und ggf. auch die allgemeine

Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht als statthaft ansehen wollte, verbliebe jedenfalls das Begehren des Klägers sich (auch) gegen die durch den Bescheid vom 15.12.2016 nicht aufgehobenen Ziffern 5 und 6 des Bescheids vom 27.06.2016 (Kostengrund- und -Kostenhöheentscheidung) zur Wehr setzen zu wollen. Trotz der Umstellung des Klagebegehrens auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag durch den Kläger im Schriftsatz vom 02.01.2017 würde eine sachgerechte Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) dann dazu führen, dass eine Anfechtungsklage gegen die nach wie vor wirksame

Kostenentscheidung statthaft wäre. Im Rahmen einer solchen wäre dann ebenfalls gemäß Art. 16 Abs. 5 des Kostengesetzes (BayKG) die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Verfügungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 zu prüfen. Im Ergebnis wäre also in jedem Fall in der Sache die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 zu prüfen. Da sich letzterer aber als rechtmäßig erweist (siehe hierzu sogleich unter Buchst. b) bedarf es keiner Entscheidung des Gerichts über die statthafte Klageart. Denn in jedem Fall hätte die Klage wegen der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 in der Sache keinen Erfolg, so dass es auf die Frage der statthaften Klageart nicht in streitentscheidender Weise ankommt.

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b) Der Bescheid des Landratsamts vom 27.06.2016 erweist sich als rechtmäßig. Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung dieses Bescheids und führt hierzu noch Folgendes aus:

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aa) Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und

Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, U.v. 27.09.1995 - 11 C 34.94), hier also den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids des Landratsamts am 27.06.2016. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger dem Landratsamt lediglich das psychologische Zusatzgutachten zu seiner bei der TÜV S. L. Service GmbH in … durchgeführten

Begutachtung vorgelegt. Das „eigentliche“ ärztliche Gutachten von Herrn Dr. … legte der Kläger aber erst mit Klageerhebung als Anlage zur Klageschrift vom 15.07.2016 vor. Das Gutachten von Herrn Dr. … kann deshalb im Entziehungsverfahren und damit auch bei der hier vorzunehmenden Prüfung der

Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 keine Berücksichtigung mehr finden. Auf die Frage, ob dieses Gutachten inhaltlich richtig ist, kommt es deshalb nicht an.

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bb) Die Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 erweist sich als hinreichend bestimmt. Zwar wird in der Begutachtungsaufforderung an mehreren Stellen auch von einer „fachärztlichen“ Begutachtung gesprochen.

Dies ist aber im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb unschädlich, weil sowohl der Kläger als auch das Landratsamt davon ausgingen, dass mit der Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 die Vorlage eines

„einfachen“ ärztlichen (und keines fachärztlichen) Gutachtens eines Arztes einer anerkannten

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aus dem Zivilrecht herrührenden Rechtsgrundsatz „falsa demonstratio non nocet“ sind daher im vorliegenden Fall die „sprachlichen Ungereimtheiten“ in der Begutachtungsaufforderung unbeachtlich.

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Im Falle des Landratsamts ergibt sich dieses Verständnis der Begutachtungsaufforderung aus der

Begründung seines Bescheids vom 27.06.2016, in der das Landratsamt ausdrücklich ausführt, zur Vorlage eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV aufgefordert zu haben. Zudem sind auch regelmäßig in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung keine (spezialisierten) Fachärzte tätig. Nach einer vom

erkennenden Gericht eingeholten Auskunft (Bl. 81 der Gerichtsakte) befindet sich unter den für die in der bzw. für die Begutachtungsstelle … des TÜV S. L. Service GmbH tätigen Ärzten weder ein Facharzt für Innere Medizin noch ein Diabetologe.

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Dass dem Kläger ebenfalls bewusst war, dass von ihm ein „einfaches“ ärztliches Gutachten - und kein Facharztgutachten - einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung verlangt wurde, ergibt sich aus Folgendem:

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Der Kläger hat das von ihm geforderte Gutachten in einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung - der TÜV S. L. Service GmbH in … - erstellen lassen. Dies zeigt, dass dem Kläger klar war, dass das von ihm geforderte Gutachten in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV zu erstellen war. Andernfalls hätte der Kläger für seine Begutachtung keine Begutachtungsstelle für Fahreignung ausgewählt.

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Nach Erstellung des Gutachtens hat der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22.04.2016 gegenüber dem Landratsamt erklärt, dass er auf seine Fahrerlaubnis nicht freiwillig verzichte, aber bereit sei, eine Begutachtung durch einen Internisten/Diabetologen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation durchführen zu lassen. Der Kläger war dabei der Meinung, dass ein solches Gutachten eines

(spezialisierten) Facharztes die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Fahreignung besser beurteilen könne als ein Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle.

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Der Kläger hat damit angeboten, ein weiteres Gutachten eines (auf Diabetes spezialisierten) Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV beizubringen. Dies zeigt aber auch, dass dem Kläger bewusst gewesen war, dass er in der Begutachtungsstelle lediglich ein

„einfaches“ ärztliches Gutachten erhalten hatte und vom Landratsamt auch nur ein solches verlangt wurde.

Wäre dies dem Kläger nicht bewusst gewesen, hätte er keinen Anlass gehabt, eine fachärztliche Begutachtung wegen der aus seiner Sicht besseren Eignung eines Facharztes für seine Begutachtung anzubieten. Hätte der Kläger hingegen die Begutachtungsaufforderung so verstanden, dass von ihm kein

„einfaches“ ärztliches Gutachten, sondern ein fachärztliches Gutachten verlangt werde, das in einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen sei, so hätte der Kläger gegenüber dem Landratsamt wohl darauf hingewiesen, dass in der von ihm aus den Vorschlägen des Landratsamts ausgewählten Begutachtungsstelle kein entsprechender Facharzt tätig sei, aber sich nicht generell gegen die Begutachtung durch einen Arzt einer Begutachtungsstelle nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV gewandt und eine weitere Begutachtung durch einen (externen) Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV angeboten.

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cc) Die getroffene Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer anerkannten

Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV ist inhaltlich nicht zu beanstanden.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV legt die Behörde fest, von welchem der in den Nummern 1 bis 5 genannten Gutachtern das Gutachten erstellt werden soll. Den Fahrerlaubnisbehörden steht also ein

Auswahlermessen dahingehend zu, dem Pflichtigen verbindlich vorzugeben, von welchem der in § 11 Abs.

2 Satz 3 FeV aufgeführten Ärzte ein beizubringendes Gutachten erstellt werden muss (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 43). Unabhängig von der Frage, ob die Nummern 5.3 und 5.4 der Anlage 4 zur FeV und die Begutachtungsleitlinien der

Bundesanstalt für Straßenwesen für den Fall einer Erkrankung an Diabetes mellitus die Begutachtung durch

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einen Facharzt mit verkehrsmedizinscher Qualifikation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV überhaupt inhaltlich verbindlich anordnen wollen und dies rechtlich können, ist die Begutachtungsaufforderung des Landratsamts vom 25.01.2016 jedenfalls auf Grund der (damaligen) Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als rechtmäßig anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung sind nämlich

erfahrungsgemäß bei der Begutachtung durch Ärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV Ungenauigkeiten bei der Begutachtung festzustellen. Andere Gutachtergruppen arbeiten genauer und sorgfältiger. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschränkt deshalb in ständiger Rechtsprechung den Kreis der Ärzte, die ein Verfahrensbeteiligter mit der verkehrsmedizinischen

Begutachtung betrauen darf, auf Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 FeV), auf Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Facharzt für Rechtsmedizin“ (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 FeV) und auf Ärzte in Begutachtungsstellen für Fahreignung, die die Anforderung der Anlage 14 zur Fahrerlaubnis- Verordnung erfüllen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), so dass die Begutachtungsaufforderung nicht zu beanstanden ist (BayVGH, B.v. 29.11.2012 - 11 CS 12.2276 - juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 45).

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dd) Da der Kläger das geforderte ärztliche Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht fristgerecht beigebracht bzw. dem Landratsamt vorgelegt hat, durfte und musste das Landratsamt nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen; hierauf hat das Landratsamt den Kläger in der Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 auch gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen. Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV räumt der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 29.11.2012 - 11 CS 12.2276 - juris, Rn. 13. m.w.N.). Vielmehr ist der Widerruf in einem solchen Fall zwingend.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen vorläufig

vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

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4. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. In Abweichung von seiner unter Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc der

Entscheidungsgründe angeführten (bisherigen) Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im richterlichen Hinweis vom 29.09.2016 in dem zu dieser Sache gegen die Ablehnung des gestellten Eilantrags durch das Verwaltungsgericht Bayreuth geführten Beschwerdeverfahren (Az. 11 CS 16.1717) eine erneute Begutachtung des Klägers durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation angeregt. Insoweit steht eine Fortentwicklung bzw. Änderung der bisherigen Rechtsprechung im Raum, die das erkennende Gericht als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht.

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