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Archiv "Mögen Roboter Erdbeeren mit Schlagsahne?" (19.02.1986)

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von Roboter R2D2, einige seiner eigenen Drähte als Transplantat für seinen beschädigten Robo- terfreund, C3PO, zur Verfügung zu stellen.

Seit etwa drei Jahrzehnten ver- suchen Computerwissenschaft- ler, den Universalmaschinen

„künstliche Intelligenz" beizu- bringen, das heißt durch sie Ei- genschaften simulieren zu las- sen, die als rein menschliche

Von

Maschinen, Menschen und

Maschinen- menschen

Zwei moderne Roboter, die ausgesprochen „menschlich" reagieren, aus dem Science-Fiction-Film „Krieg der Sterne" von George Lucas. CeDreipeo (links) und Erzwo-Dezwo sorgen für Spaß und Unterhaltung im Weltraum

truist, vorstellen: im erfolgrei- chen Science-fiction-Film

„Krieg der Sterne" empfindet das Publikum Rührung über das so „menschliche" Anerbieten

gelten: Computer finden mathe- matische Beweise, verstehen natürliche Sprachen, spielen Schach, „erkennen" Gegen- stände, lernen, sich zielgerich-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Kulturmagazin

Manfred Tietzel

Mögen Roboter Erdbeeren mit Schlagsahne?

Eine „Universalmaschine", der Computer, beeinflußt das priva- te Leben, den wirtschaftlichen Erfolg, ja selbst die Phantasie der Menschen offenbar immer stärker: Der Home-Computer, heißt es, war im letzten Jahr das beliebteste aller Weihnachtsge- schenke; der „Hacker", eine Person, die süchtig danach ist, mit einer dieser „Universalma- schinen" zu kommunizieren, ist nicht nur ein inzwischen weit- verbreiteter Menschentyp, son- dern interessiert als Untersu- chungsgegenstand auch schon die Sozialwissenschaftler. Und ein Sciene-fiction-Film kann heutzutage auf die Stars aus Me- tall und Kunststoff, die Roboter, ebensowenig verzichten wie auf jene aus Fleisch und Blut. Die Beziehungen der Menschen zu diesen „Universalmaschinen"

sind dabei durchaus ambivalent.

Einerseits werden sie gefürchtet als Ersatz des Menschen am Ar- beitsplatz: Noch vor kurzem prophezeite der Nobelpreisträ- ger Herbert Simon, der Compu- ter werde den Menschen in Zu- kunft in zahlreichen Funktionen ersetzen, und zwar den Profes- sor eher noch als den Bagger- führer. Andererseits werden sie geschätzt als „Verstärker"

menschlicher Fähigkeiten: als zeitsparende und irrtumsfreie Rechenhilfe oder als Instrument der präzisen Steuerung kompli- zierter Abläufe; ja, man kann sich den Computer selbst in den menschlichsten aller Verhal- tensweisen, als Freund und AI-

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 8 vom 19. Februar 1986 (77) 487

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Roboter

Dieser Android vermochte zu schreiben; er wurde um 1770 von der Schweizer Uhrmacher-Familie Jaquet-Droz konstruiert

tet zu bewegen; ja man könnte sie, wie einer der Väter der Er- forschung „künstlicher Intelli- genz", Alan Turing, schrieb, da- zu bringen, sich zu verhalten, als ob sie Erdbeeren mit Schlagsah- ne mögen, aber, so Turing, „je- der Versuch dazu wäre idio- tisch".

Stimmt die Prämisse der Erfor- schung „künstlicher Intelli- genz", daß es bezüglich der kognitiven Fähigkeiten keine prinzipiellen Unterschiede zwi- schen Mensch und Universalma- schine gibt, dann ist damit, wie J. H. Siekmann, einer der nicht allzu zahlreichen deutschen Forscher auf diesem Gebiet, schrieb, „eine weitere Relativie- rung der Position des Menschen verbunden, vergleichbar der An- nahme des heliozentrischen Weltbilds im siebzehnten oder der Darwinschen Evolutions- theorie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts".

Dabei handelt es sich bei der Simulation menschlicher Ei- genschaften, der Erschaffung

„künstlicher Menschen", um ei- ne uralte Idee, welche die Phi-

Auf der Schriftprobe des „Schrei- bers" von Jaquet-Droz ist in Fran- zösisch zu lesen: „Je ne pense pas ne serais-jedonc point?"

losophie, Theologie, Literatur, Physik und Mechanik seit vielen Jahrhunderten fesselte.

Androiden am Hof von Versailles

Die Androiden des achtzehn- ten Jahrhunderts waren Maschi- nen, dazu bestimmt, gewisse menschliche Leistungen nach- zuahmen. Die Androiden des Jacques de Vaucanson oder der Schweizer Uhrmacherfamilie Ja- quet-Droz versetzten die Zeitge- nossen in tiefstes Staunen. Der

„Flötenspieler" etwa, den Vau- canson dem vornehmen Pariser Publikum im Jahr 1738 im Hötel de Longueville vorstellte, war äußerlich dem „Faun" des Bild- hauers Coysevox nachgebildet und blies, indem eine Mechanik Zunge, Lippen, Finger und Arme bewegte und den Luftstrom do- sierte, zwölf verschiedene Wei- sen auf der Querflöte. Von den Fähigkeiten seiner „mechani- schen Ente", die trank, paddel- te, sich bewegte und sogar Ha- fer „verdaute", war Ludwig XV.

so begeistert, daß der Vaucan- son fragte, ob er „auf diese Wei-

se auch die Blutzirkulation dar- stellen" könne. Die Jaquet-Droz stellten 1774 am Hof von Versail- les — übrigens in Anwesenheit von Vaucanson — ihre drei kla- vierspielenden, schreibenden und zeichnenden Androiden vor, die noch heute — hervorra- gend offenbar auch in ihrer Halt- barkeit — jeden ersten Sonntag im Monat im Museum von Neu- chätel vorgeführt werden. Deren

„Menschenähnlichkeit" galt als so groß, daß sich Legenden um sie bildeten: die Automaten sol- len bei einem Aufstand in Prag beinahe füsiliert worden sein, weil man sie für lebende Wesen hielt, und Henri-Louis Jaquet- Droz, heißt es, sei bei einer Vor- führung in Spanien nur knapp einer Verhaftung durch die In- quisition wegen Ketzerei ent- gangen.

Die Androiden kommen uns Heutigen als sehr unvollkom- men und weniger „menschen-"

als vielmehr „puppenähnlich"

vor; die Faszination, die sie auf das Publikum des 18. Jahrhun- derts ausübten, ist aber zu erklä- ren durch das damals herr- schende Weltbild: Descartes hatte in seiner mechanistischen Philosophie alle Tiere und La- mettrie darüberhinaus alle Men- schen zu Automaten erklärt. Wa-

Eine (Pseudo-)Rekonstruktion des Innenlebens der „mechanischen Ente" von Vaucanson

488 (78) Heft 8 vom 19. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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Die Zeichnung eines Roboters von Jaquet-Droz;

noch heute werden diese Androiden jeden ersten Sonntag im Monat im Museum von Neuchätel vorgeführt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Roboter

ren aber alle Lebewesen Ma- schinen, dann unterschieden sie sich nur nach der Kunstfertig- keit ihrer Schöpfer, und die voll- kommene maschinelle Imitation des Menschen war nur eine Fra- ge des technischen Fortschritts.

Diese naiven Erwartungen vor dem Hintergrund des klassi- schen Mechanismus sind natür- lich mit der Entwicklung der Na- turwissenschaften im 19. und 20.

Jahrhundert zerstoben.

Auf rein äußerliche und mög- lichst weitgehende Ähnlich- keiten dieser modernen Andro- iden mit dem Menschen kommt es, anders als im 18. Jahrhun- dert, überhaupt nicht mehr an;

Geoff Simons: „Einen Roboter, der sein Hirn (den steuernden Computer, M. T.) in einem ent- fernten Raum aufbewahrt, kann man kaum in anthropomorphen Worten beschreiben. Es ist so, als ob wir Menschen mit leerem Schädel die Straßen entlanggin- gen und unser Hirn in einem Handwagen vor uns herschö- ben". Heutzutage ist die maschi- nelle Simulation weniger, be- stimmter menschlicher Fähig- keiten wichtig.

Jene Automatentheoretiker, die den Computern intelligentes Verhalten zubilligen, ja, die mit ihnen eine neue Spezies sich entwickeln sehen, unterstellen — wenn sie menschliche und ma- schinelle Leistungen verglei- chen — die Gültigkeit einer Art behavioristischer Roboter-Psy- chologie: Irgendein (mensch- liches) Verhalten, sagen wir: ein

Auto zu lackieren oder einen Schachgroßmeister zu schla- gen, gilt danach dann als erfolg- reich simuliert, wenn es gelingt, dieses Verhalten auch mit ma- schinellen Mitteln zu realisieren.

Auf die Struktur des Systems, das diese Leistung vollbringt, bestehe es nun aus elektroni- schen Schaltkreisen oder Neu- ronenverbindungen, kommt es — nach dieser Annahme — nicht an.

Mensch ärgere dich nicht Zwar ist richtig, daß irgendein Verhalten durch ganz verschie-

Um 1920 wurde dieser Roboter mit dem Namen

„Barbarossa"

konstruiert

dene Systeme, Hirne wie Com- puter, erzeugt werden kann, aber es ist ein krasser Fehl- schluß, aus einzelnen derartigen Leistungen auf eine viel tiefer liegende Gleichartigkeit dieser Systeme zu schließen, etwa dar- auf, „daß die organischen Syste- me genau denselben Gesetzen gehorchen wie die technischen Systeme" (Karl Steinbuch), oder darauf, daß man aus dem Ver- halten von Maschinen etwas über den Menschen lernen könne.

Aber wir können weit mehr als dies: wir verfügen über ein Hin- tergrundwissen, das es uns er- laubt, unscharfe oder mehrdeu- tige Probleme richtig zu identifi- zieren und auch zu lösen. Der Sinn der Aussage „Er folgte Marx" erschließt sich uns aus dem Hintergrundwissen über die Situation, in der sie geäußert wurde. Der Computer steht hier vor einem für ihn unlösbaren Problem: Denn je nachdem, welchen Gegenstand der Aus- druck „Marx" bezeichnet, kann

„folgen" ideologisch, vielleicht

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 8 vom 19. Februar 1986 (81) 489

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Die Unterseite einer Hand der Klavierspielerin von Jaquet-Droz, der seine Androiden 1774 am Hof

von Versailles vorstellte

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Roboter FEUILLETON

auch chronologisch (Karl Marx), oder aber räumlich (Harpo läuft hinter Groucho Marx her) ge- meint sein. Da keine Maschine den Sinn der Zeichenmengen versteht, die sie verarbeitet, wird sie das Problem, sagen wir: die- sen Satz in die arabische Spra- che zu übersetzen, nicht (oder nur zufällig) lösen können. Un- ter Linguisten kursiert die Ge- schichte, beim Versuch, durch Computer den Satz „aus den Augen, aus dem Sinn" zuerst ins Englische übersetzen und dann ins Deutsche zurückübertragen zu lassen, sei auf dem letzten Computerausdruck zu lesen ge- wesen: „unsichtbarer Idiot".

Die Gleichsetzung menschlicher und maschineller „informations- verarbeitender Systeme" ist aber nicht nur im Hinblick auf die Art der Informationsverar- beitung verfehlt. In einem be- stimmten und sehr bedeutsa- men Sinn sind nämlich nur die Menschen, nicht aber Maschi- nen, „informationsverarbeiten- de Systeme".

Diese physikalischen Zustände können nun als Zeichen für an- dere Gegenstände und deren Merkmale gedeutet werden, al- so etwa als Zahlen oder Wörter.

Die physikalischen Zustände von Maschinen weisen aber nicht über sich selbst hinaus, haben also keinerlei semanti- sche „Bedeutung"; erst ein menschlicher Interpret kann ih-

nen einen semantischen Gehalt, eine Bedeutung, verleihen, in- dem diese Zustände als physi- sche Repräsentanten für etwas anderes stehen, zum Beispiel für Zahlen oder Worte. Compu- tern ist die Bedeutung der physi- kalischen Zustände, die sich ver- arbeiten, nicht bewußt: Maschi- nen „denken" nicht. Daher

„schreibt" auch der Automat der Jaquet-Droz nicht, er verteilt vielmehr Tinte auf einen Bogen Papier derart, daß Folgen von Tintenkrümelchen entstehen, die Menschen als Zeichen für Worte zu interpretieren ge- wohnt sind.

Das menschliche Denken ist auch keineswegs nur auf wenige bestimmte Leistungen, etwa die logische Deduktion, beschränkt;

Träumen, Fühlen, Vorstellen, Be- werten gehören ebenso dazu wie die Entwicklung ganz neuer Ge- danken. Sofern letzteres zum Be- ruf des Professors gehört, hat, ganz im Gegensatz zur Meinung Simons, niemand dieses Standes um seinen Broterwerb zu fürch- ten. Der Mensch ist und bleibt — wie ein Menschenkenner einmal sagte — „die leichteste, zuverläs- sigste, am billigsten zu unterhal- tende und anpassungsfähigste

Allzweck-Computervorrichtung, die in großen Mengen durch un- gelernte Arbeit hergestellt wird".

Professor Dr. Manfred Tietzel Am Stadion 17

5300 Bonn 3

Zwei Farbradierungen von Emil Schumacher für die Bürgerak- tion „Erweiterungsbau Kieler Kunsthalle" — Am 15. Juni 1986 wird in Kiel der Erweiterungs- bau der Kunsthalle eingeweiht.

Um diesen Bau mitfinanzieren zu können, haben Kieler Bürger eine Initiative gegründet. Unter anderem hat der informelle Ma- ler Emil Schumacher der Bür- geraktion zwei Radierungen zum Wiederverkauf zur Verfü- gung gestellt. Nähere Informa- tionen und Bestellungen bei:

Birgit Comberg, Luisenweg 25, 2300 Kiel 1, Telefon: 04 31/

56 18 35. PJ Hommage von Horst Janssen an die russische Literatur Das Landesmuseum Oldenburg zeigt bis zum 16. März Farbstift- zeichnungen und Graphik aus der Suite „Tocka" (Schwermut) von Horst Janssen. Der Hambur- ger hat die großen russischen Literaten wie Puschkin, Gogol, Turgenjew, Tolstoi und Dosto- jewski gezeichnet. Nach Aus- stellungen in Nowosibirsk und Moskau sind diese Blätter jetzt erstmals in Deutschland zu se- hen. OL Die Geschichte eines medizini- schen Verlages — Zum hundert- jährigen Bestehen des Georg Thieme Verlages (Bericht im Deutschen Ärzteblatt Nr. 5/86) ist eine Festschrift mit dem Titel

„Spurensuche" erschienen. Auf Spurensuche hat sich Christian Staehr begeben, Leiter des Be- reichs „Zeitschriften und Neue Medien" im Thieme Verlag. In seinem lebendig geschriebenen Buch hat der Autor nicht nur Verlagsgeschichte aufgezeich- net, sondern auch eine Fülle be- merkenswerter Ereignisse und Entwicklungen aus der Ge- schichte der Medizin, der ärzt- lichen Standespolitik und der Medizinpublizistik dokumen- tiert. Erschienen im Thieme Ver- lag, Stuttgart, 1986, 48 DM. TV

Aktuelle Kulturnotizen

490 (82) Heft 8 vom 19. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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