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Archiv "Präimplantationsdiagnostik: „Eine Sieger- Besiegten-Stimmung darf nicht aufkommen“" (18.05.2001)

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undesarbeitsminister Riester hat sein Rentenreform-Paket ans Ziel gebracht. Er lässt sich jetzt an der Seite von Kanzler Schröder als „Sieger“

und „erfolgreicher Reformer“ feiern.

Vergessen wird, dass die beiden Geset- zesvorlagen nicht mehr viel mit den

„Eckwerten“ zu tun haben, mit denen er vor mehr als einem Jahr die Reform- diskussion eröffnete. Unter dem Druck der Opposition, der Gewerkschaften und der Rentenversicherungsträger hat Riester seine Gesetzesvorlagen immer wieder nachbessern und korrigieren müssen. Was jetzt Gesetz wird, ist ein bürokratisches Monstrum, das in dieser Form nicht lange Bestand haben wird.

Logik der Demographie

Von weitreichender Bedeutung ist frei- lich die Entscheidung, die durch Bei- tragsumlagen und Steuern finanzierte Sozialrente durch eine staatlich geför- derte und kapitalgedeckte Rente zu er- gänzen. Das Niveau der gesetzlichen Rente wird wegen der Alterung der Ge- sellschaft abgeschmolzen. Die Bürger sollen privat Kapital ansammeln, um im Alter über ein ausreichendes Einkom- men verfügen zu können. Die Logik der demographischen Daten hat sich – viel zu spät – durchgesetzt, sie war aber am Ende doch stärker als das Beharrungs- vermögen und die ideologische Ver- klemmung der klassischen Sozialpoli- tik. Dass Riester diese Weichenstellung eingeleitet und auch durchgesetzt hat, wird sein Verdienst bleiben.

Wer nicht in der gesetzlichen Renten- versicherung pflichtversichert ist, bleibt allerdings von der Förderung der priva- ten Altersvorsorge ausgeschlossen. Das wird damit begründet, dass dieser Perso- nenkreis nicht vom Abbau des Renten- niveaus betroffen wird. Diese Argumen-

tation zielt auch auf die in den berufs- ständischen Versorgungswerken versi- cherten Freiberufler. Diese gehen leer aus. Richtig bleibt zwar, dass die Versor- gungswerke nicht direkt von der Ren- tenreform betroffen werden (DÄ, Heft 9/2001); aber bei den Versorgungswer- ken führt die steigende Lebenserwar- tung und die sich daraus ergebende Ver- längerung der Rentenlaufzeiten automa- tisch zu einer Verringerung der Renten- dynamik. Auch die Rentenerwartung in der Lebensversicherung wird dadurch gemindert. Auf die Dynamik der An- wartschaften und Renten der Versor- gungswerke schlägt auch die über die Ökosteuer finanzierte Herabsetzung der Rentenbeiträge durch. Da in der Renten- versicherung die Leistungen zugunsten der Familien mit Kindern aus Steuermit- teln finanziert werden, gewinnt die For- derung der Freien Berufe an Gewicht, die Angehörigen der berufsständischen Ver- sorgungswerke in diese staatlichen Lei- stungen einzubeziehen. Hinzu kommt, dass sich die Freiberufler als Steuerzah- ler an der Finanzierung der Rentenversi- cherung und deren Leistungen zu betei- ligen haben. Bei der Förderung der priva- ten Altersvorsorge geht es in der 2008 erreichten Endstufe immerhin um ei- nen Betrag von rund 20 Milliarden DM.

Wer von den Pflichtversicherten in der Rentenversicherung Zulagen oder Steuerfreibeträge erhalten will, muss von 2002 an zunächst ein Prozent des Bruttoeinkommens bis zur Beitragsbe- messungsgrenze für die Vorsorge einset- zen. Dieser Prozentsatz erhöht sich alle zwei Jahre um jeweils zwei Prozent- punkte. Der Höchstbetrag von vier Pro- zent wird 2008 erreicht. Ab 2002 sind Anlagen bis gut 1 000 DM steuerlich ab- setzbar. Bezieher kleinerer Einkommen erhalten, wenn dies für sie günstiger ist, Zulagen; diese betragen für Alleinste- hende 75 DM, für Verheiratete 150 DM

und zuzüglich je Kind 90 DM. Diese Be- träge vervierfachen sich stufenweise bis 2008 auf 300, 600 und 360 DM.

Gefördert werden grundsätzlich nur Sparanlagen, aus denen frühestens vom 60. Lebensjahr an lebenslange Renten gezahlt werden. Von den Kapitalsam- melstellen müssen die eingezahlten Be- träge garantiert werden. Das Bundesauf- sichtsamt für die Versicherungswirtschaft prüft, ob die angebotenen Vorsorgepro- dukte die gesetzlichen Kriterien erfüllen.

Mit der Abwicklung der Förderung wird die Bundesversicherungsanstalt für An- gestellte beauftragt, die dazu rund 1 000 neue Arbeitsplätze in Berlin und Cottbus einrichtet. Auch im Rahmen der betrieb- lichen Altersvorsorge werden künftig Pensionsfonds gefördert. Die Sparbeträ- ge werden bis vier Prozent des Bruttoein- kommens nicht versteuert, sie bleiben von Sozialabgaben befreit. Das gilt auch für die Umwandlung von Arbeitsentgelt in Sparleistungen, aber nur bis 2008.

Ziel der Gewerkschaften

Als Arbeitgeber werden Freiberufler von dem Gesetz betroffen. Ihre Ange- stellten können die Umwandlung von Gehaltsanteilen in Sparleistungen ver- langen. Ziel der Gewerkschaften ist es, über Tarifverträge die individuelle Vor- sorge durch eine kollektiv finanzierte Be- triebsrente zu ergänzen oder zu ersetzen, um auch weiterhin die paritätische Fi- nanzierung der gesamten Altersvorsorge zu sichern und über eigene Pensions- fonds Machtpositionen zu erreichen. Das Gesetz lässt dies zu, was jedoch dazu führen könnte, dass es nicht zu der ange- strebten Stabilisierung der betrieblichen Arbeitskosten käme. Die niedergelasse- nen Ärzte werden damit rechnen müs- sen, dass der Druck, zusätzliche Sparlei- stungen für ihre Angestellten zu erbrin- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001 AA1291

Rentenreform

Nicht für Freiberufler

Riesters kapitalgedeckte Privat-Rente soll

Abstriche von der Sozialrente ausgleichen.

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Seit knapp eineinhalb Jah- ren läuft der von der Ärzte- schaft angestoßene gesellschaftliche Dis- kurs über die Präimplantationsdiagno- stik, ausgehend von dem Diskussions- entwurf einer Richtlinie des Wissen- schaftlichen Beirates der Bundesärzte- kammer. Hat die öffentliche Diskussion Sie beziehungsweise die Bundesärzte- kammer in der Entscheidungsfindung vorangebracht?

Hoppe: Wir haben diesen Diskurs ja nicht primär angestoßen, sondern viel- mehr eine mehr im Verborgenen statt- findende Diskussion öffentlich ge- macht. Damals, nach dem Regierungs- wechsel, hatte die neue Bundesregie- rung gesagt, sie wolle das Thema ge- setzlich regeln. Und wir wollten, dass niemand sagen kann, er habe nicht ge- wusst, um was es geht, wenn die Ent- scheidungen des Gesetzgebers gefällt werden. Dieses Ziel haben wir erreicht.

Die Probleme um die Präimplantati- onsdiagnostik, aber auch die weiterge- henden Komplexe wie Stammzellzüch- tung, Embryonenforschung, Embryo- nenverbrauch sind in der Öffentlichkeit mittlerweile sehr bekannt.

DÄ: Wie aber steht es um den Ent- scheidungsprozess innerhalb der Ärzte- schaft?

Hoppe: Auch bei uns selbst ist die Diskussion weitergegangen. Wir sind uns aber klar darüber, dass man über et- liche Konfliktfelder nicht nach Mehr- heitsbildung innerhalb der Ärzteschaft abstimmen kann. Wir können Rat ertei- len, können die Alternativen benennen, die sich ergeben, und können so die Ge-

sellschaft vorbereiten, um eine Mehr- heitsbildung im politischen Raum zu beschleunigen oder überhaupt erst möglich zu machen.

DÄ:Haben diese langen Diskussio- nen und das Abwarten nicht dazu ge- führt, dass das Thema PID schon fast verlassen worden ist und inzwischen über die von Ihnen erwähnten weiterge- henden Möglichkeiten laut nachgedacht wird, siehe die jüngste Stellungnahme der DFG zugunsten der embryonalen Stammzellforschung?

Hoppe:Die Stammzellforschung ist nicht neu und auch nicht mehr aufzu- halten. Es handelt sich um eine weltweit stattfindende Entwicklung, die man da- durch, dass Deutschland sich aus dieser Diskussion heraushalten würde, nicht verhindert. In Hinblick auf die Zielset- zung der Forschung mit embryonalen Stammzellen sehe ich auch keinen di- rekten Zusammenhang mit der PID.

Eine gemeinsame Zielsetzung erkenne ich vielmehr bei Präimplantationsdia- gnostik, Pränataldiagnostik und Repro- duktionsmedizin. Eine losgelöste Dis- kussion um Präimplantationsdiagnostik mit der Zielrichtung, allein diese zu ver- bieten, die PND aber nicht, halte ich für einen logischen Bruch. Bei uns geht es auch um die Frage, ob Präimplantati- P O L I T I K

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A1292 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001

Präimplantationsdiagnostik

„Eine Sieger-

Besiegten-Stimmung darf nicht aufkommen“

Interview mit Professor Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, über PID, PND, Embryonenschutz und die Haltung der Ärzteschaft.

PID= Präimplantationsdiagnostik PND= Pränataldiagnostik IVF = In-vitro-Fertilisation

DFG= Deutsche Forschungsgemeinschaft Frau Däubler-Gmelin= Bundesjustizministerin Frau Fischer= frühere Bundesgesundheitsministerin

DÄ:

gen, zunehmen wird. Ob dies über die Gehaltstarife dauerhaft kompensiert werden kann, ist zweifelhaft.

Mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz sind zwei weitere wichtige Entscheidun- gen gefallen. Die Bezieher kleiner Ren- ten erhalten künftig bei Bedarf eine überwiegend vom Bund finanzierte pau- schale Zusatzleistung, die ihnen den Gang zum Sozialamt erspart. Kinder sol- len in der Regel nicht mehr für ihre El- tern haften. Diese Grundsicherung der Rentner über die Sozialhilfe bleibt um- stritten, weil Versicherte, die annähernd 30 Jahre lang Beiträge entrichtet haben, kaum besser dastehen als andere, die nur geringe Beiträge gezahlt haben.

Der Erwerb eines selbst genutzten Eigenheims soll in die Förderung ein- bezogen werden. Der Begünstigte kann dazu auf das angesparte Altersvermö- gen zurückgreifen, wenn er bis zum 65.

Lebensjahr den entnommenen Betrag in gleichen Raten zurückzahlt. Es han- delt sich also faktisch um einen zinslo- sen, auf das eigene Kapital bezogenen Kredit, der für begrenzte Zeit die Liqui- dität des Eigenheimerwerbers verbes- sert. Das dürfte wenig attraktiv sein.

Hinterbliebenenrente sinkt

Der Freibetrag bei der Anrechnung eige- ner Einkommen auf die Hinterbliebe- nenrenten aus der gesetzlichen Renten- versicherung soll dynamisiert bleiben und nicht festgeschrieben werden. In die Anrechnung auf diese Hinterbliebenen- renten werden aber künftig alle Einkom- men angerechnet. Das ist auch für die Angehörigen der Versorgungswerke von Bedeutung: Sie können beim Tod ihres über die Rentenversicherung versorgten Ehepartners kaum noch mit einer zu Buch schlagenden Hinterbliebenenrente rechnen. In der Rentenversicherung soll die Hinterbliebenenrente künftig nicht mehr 60 Prozent, sondern nur noch 55 Prozent der Rente des verstorbenen Ehepartners betragen. Der Kinderzu- schlag wird nun aber so bemessen, dass auch Frauen mit einem Kind durch diese Kürzung nicht schlechter gestellt wer- den. Es bleibt bei der Übergangsrege- lung, nach der von der Neuregelung nur Versicherte betroffen werden, die noch nicht 40 Jahre alt sind. Walter Kannengießer

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onsdiagnostik denjenigen Paaren an- geboten werden soll, die sonst eine

„Schwangerschaft auf Probe“ eingehen würden.

DÄ: Meine Frage zielte in eine ande- re Richtung. Um sie zu präzisieren: Ist PID nur ein Einfallstor für weitergehen- de Forschung, die zurzeit noch verboten ist?

Hoppe: Nein. Ich denke, dass die PID auch bei denjenigen, die sie ent- wickelt haben und die sie heute in ande- ren Ländern anwenden, nur darauf zielt, den Paaren, die eine Erblast mit sich tragen, zu einem gesunden Kind zu verhelfen. Wenn man diese Diagnostik nicht zulässt, bedeutet das, dass man diese Paare implizit auf Pränataldia- gnostik im Sinne der Schwangerschaft auf Probe verweist. Darin sehe ich das Problem. Wenn man diesen Zusam- menhang verneint und sagt, mit PID solle der Weg zur Stammzellforschung und weiteren genetischen Forschung geebnet werden, und gäbe es dafür Be- weise, dann würde ich sagen: Nehmen wir in Gottes Namen die Pränataldia- gnostik mit Spätabtreibung in Kauf und lassen PID nicht zu. Aber ich sehe den Zusammenhang so nicht.

DÄ: Sind Sie demnach guter Hoff- nung, dass man die PID mit ganz engen Indikationen und unter strengen Kriteri- en einführen kann, ohne dass das zu Weiterungen führt?

Hoppe:Ja, da bin ich sicher – wenn man PID unter Kontrolle hält. Eine sol- che Kontrolle muss gewährleistet sein, andernfalls sehe ich die Gefahr des Miss- brauchs bis hin zur Menschenzüchtung.

DÄ:PID enthält als Grundgedanken die Auswahl nach lebenswertem und le- bensunwertem Leben. Dieser Grundge- danke könnte, wenn er bei der PID ge- sellschaftlich akzeptiert wird, auch auf andere Lebenserscheinungen übertragen werden. Oder ist es ein purer Zufall, dass parallel mit der PID-Diskussion auch ei- ne Diskussion über die Beendigung des Lebens im Alter geführt wird, nicht nur in Holland, sondern auch bei uns?

Hoppe:Die Euthanasiediskussion ist wesentlich älter als die Diskussion über PID. Sie läuft mit wechselnden Höhen und Tiefen schon seit Mitte der 70er- Jahre. Im Moment erleben wir ein be- sonderes Interesse vor allem infolge der Diskussion in Holland. Zweifelhafte

Umfragen heizen die Stimmung zusätz- lich an. Doch wenn die deutschen Bür- gerinnen und Bürger konkret gefragt würden und genau wüssten, was hier ge- meint ist, dann würde in Deutschland mit Sicherheit Euthanasie in dieser Form, wie sie in Holland geübt wird, al- so Einschläferung von Menschen, von denen man meint, dass sie kein lebens- wertes Leben mehr führen, abgelehnt werden. Ich glaube, die Diskussionen um PID und Sterbehilfe werden eben doch unabhängig voneinander geführt.

Die PID sehe ich genauso wie die PND primär nicht als selektive Methode, son- dern als eine Methode, erbbelasteten

Eltern zu einem gesunden Kind zu ver- helfen. Man kann das ablehnen und empfehlen, Paare, die eine schwere erb- liche Belastung mit sich tragen, sollten auf Kinder verzichten. Mir wäre am liebsten, wenn das so wäre. Aber diese Auffassung ist längst nicht mehr gesell- schaftsfähig, seit die IVF zugelassen ist und Pränataldiagnostik durchgeführt wird mit dem Ziel, intrauterin eine Erb- schädigung bei Kindern festzustellen und diese Kinder dann abzutreiben.

Nachdem dazu offensichtlich ein gesell- schaftlicher Konsens besteht, ist PID nur eine Alternative zur PND. Diese ganze Diskussion wäre im Übrigen überflüssig, wenn wir in unserer Gesell- schaft Behinderung ohne Wenn und Aber akzeptieren würden. Damit hät- ten wir eine ganz andere Bewusstseins- lage, dann müssten aber sowohl PID als auch PND mit dieser Zielsetzung in Deutschland verboten werden.

DÄ:Wenn man aus ethischen Erwä- gungen PND ablehnt, müsste man kon- sequenterweise auch gegen PID sein?

Hoppe:Ja, und umgekehrt.

DÄ:Sie verweisen immer wieder auf diesen Zusammenhang von PND und PID und argumentieren: Wenn wir PND zulassen, dann müssen wir auch PID zu- lassen. Ist das nicht eine selbst gebaute Falle? Denn niemand wird PND verbie- ten, nachdem sie einmal eingeführt ist;

konsequenterweise müsste dann auch, wenn man Ihrer Logik folgt, PID zuge- lassen werden.

Hoppe:Ich sehe das nicht als Falle, ich sehe das als eine logische Konse-

quenz. Wenn man allein PID verbie- tet, hat man nicht die Welt in Ordnung gebracht. Ich will nicht alleine PID nicht, ich will auch PND nicht. Denn wenn man nur PID nicht will, dann verstärkt man PND, denn PND ist dann die Methode der Wahl, oder PID-Auslandstourismus wäre dann die Alternative. Und das kann doch nicht richtig sein.

DÄ:Müssten Sie dann nicht sowohl gegen PID als auch gegen PND zu Felde ziehen?

Hoppe:Das tue ich ja. Ich verweise bei allen Gelegenheiten auf den direk- ten Zusammenhang zur PID und PND.

Das darf man nicht getrennt voneinan- der betrachten.

DÄ:Rübergekommen ist: PND und PID sind eng verwandt, und wenn wir PND haben, müssen wir PID zulassen.

Deshalb die Bemerkung von der selbst

gebauten Falle.

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001 AA1293

Hoppe im Gespräch über Präna- taldiagnostik und Embryonen- schutz. Das Gespräch, auf dem das Interview auf diesen Seiten basiert, fand am Rande einer Ta- gung des Weltärztebundes am 4.

Mai in Divonne-les-Bains, Frank- reich, statt. Der Vorstand des Weltärztebundes hatte sich dort soeben gegen die Euthanasiege- setzgebung in den Niederlanden ausgesprochen. Fo- tos: DÄ

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Hoppe: Nein, ich argumentiere so, weil ich nicht nur PND, sondern den ganzen Paragraphen 218 neu diskutie- ren will. Ich halte auch die Argumenta- tion von Frau Däubler-Gmelin für völ- lig richtig, die sagt, wir kommen gar nicht umhin, in diesem Zusammenhang den 218 erneut zu diskutieren. Frau Fi- scher wollte das ja nicht. Frau Fischer wollte ich dazu bringen, PND neu zu überdenken, denn man kann nicht schlüssig der Öffentlichkeit klar ma- chen, dass man gegen PID ist, und PND unberührt lassen. Wenn man es nicht mehr schafft, PND zurückzudrängen, wird sich auch PID etablieren. Das wür- de ich sehr schweren Herzens ertragen wie damals, als PND zugelassen wurde und wie die Entwicklung des 218 über- haupt. Wer allerdings dagegen sagt: Wir verbieten PID, und dann ist unser Ge- wissen entlastet, macht es sich zu ein- fach. Und dieser Switch, PID sei nur das Einfallstor für Stammzellforschung, ist künstlich, ein Stimmungsargument, aber für mich nicht überzeugend.

DÄ:Aber es passt ins Bild, in dem PID nur ein Teil ist; dazu gehört auch verbrauchende Embryonenforschung.

Die DFG hat diese gerade befürwortet.

Wenn sich die Politik dem anschließt, dann muss es zu einer Änderung des Embryonenschutzgesetzes kommen.

Wenn das geändert wird, dann ist vieles frei.

Hoppe: Auch für PID müsste das Embryonenschutzgesetz geändert wer- den.

DÄ:Der Auffassung war der Wissen- schaftliche Beirat der Bundesärztekam- mer aber nicht.

Hoppe:Ja, damals. Ich bin seit ge- raumer Zeit der Meinung, dass man das Embryonenschutzgesetz auf jeden Fall ändern müsste, wenn PID zugelassen werden soll, weil damit rechtliche Klar- heit geschaffen wird.

DÄ:Nehmen wir einmal an, das Em- bryonenschutzgesetz würde geändert, vielleicht im Sinne von PID, vielleicht aber auch zugunsten verbrauchender Embryonenforschung. Glauben Sie, dass es dann zu einer Stellungnahme der Ärzteschaft kommen wird, oder bleibt die Ärzteschaft dabei, wie Sie eben sag- ten, Alternativen und deren Folgen auf- zuzeigen und die Diskussion zu mode- rieren?

Hoppe:Ich glaube, dass wir als Ärzte immer wieder klarstellen müssen, dass es nicht so sein darf, dass Menschen selbst im frühesten Stadium ihrer Ent- wicklung, also von der Verschmelzung der Gameten an, für andere Menschen verfügbar gemacht werden dürfen. Es darf nie sein, dass Menschen für den Heilungsprozess anderer ausgenutzt werden. Deswegen müssen wir die For- schung mit adulten Stammzellen för- dern oder die ja auch in der Diskussion befindliche Variante einer Umlenkung der Entwicklung des noch nicht be- fruchteten und noch nicht verschmolze- nen Eies in Richtung der Produktion von Stammzellen. Es gibt Wissenschaft- ler, die sagen, es sei möglich, im Vor- kernstadium, ohne Erzeugung eines Embryos im Sinne unserer Definition, bereits Stammzellen zu produzieren, die funktionstüchtig

sind. Das wäre dann keine verbrauchen- de Embryonenfor- schung. Wenn die Technik gelingen sollte, bliebe zwar unser Verständnis vom menschlichen Leben unverändert, wie wir das bei adul- ten Stammzellen er- reichen wollen, näm- lich ohne die Pro- duktion von mensch- lichem Leben verur-

sacht zu haben, das nur als Organbank dient.

DÄ: Demnach wäre es vorschnell, wenn der Gesetzgeber durch Änderung des Embryonenschutzgesetzes die Ge- winnung von embryonalen Stammzellen fördern würde. Er würde dann solche al- ternativen Forschungen behindern, indem er jetzt den einfacheren Weg eröffnet.

Hoppe: Man sollte alles unterneh- men, um die beiden alternativen Wege zu fördern und alles andere gesetzgebe- risch erst einmal nicht zuzulassen, da- mit man den Druck nicht herausnimmt, in die beiden anderen Richtungen wei- terzukommen.

DÄ: Zwei eher praktische Fragen:

Was wird aus dem Richtlinienentwurf des Wissenschaftlichen Beirates, kommt er als Richtlinie, oder bleibt er als Dis- kussionsentwurf liegen?

Hoppe: Wenn die PID zugelassen wird, also das Embryonenschutzgesetz so geändert wird, dass diese Methode erlaubt wird, dann sind wir bereit, bei der späteren Operationalisierung eine entsprechend adaptierte Richtlinie aus- zuarbeiten, ähnlich wie bei der Präna- taldiagnostik. Wenn PID in Deutsch- land eindeutig verboten bleibt, dann wird der Entwurf als Diskussionsgrund- lage zurückgezogen, das Thema hat sich damit erübrigt.

DÄ: Beim kommenden Deutschen Ärztetag werden die Themen PID und Embryonenforschung sicher zur Spra- che kommen. Nehmen wir an, der Ärzte- tag wollte dazu Beschlüsse fassen. Sollte er oder sollte er es bleiben lassen?

Hoppe:Ich glaube, wir müssen auf dem Ärztetag erst einmal die Zusam- menhänge klarstellen und dort, wo sich aus ärztlicher Sicht eine klare Meinung und auch eine klare Hilfe für die Entscheidungs- findung in der Öf- fentlichkeit formu- lieren lässt, sollte der Ärztetag sich äußern. Eine Ab- stimmung über ethi- sche Themen auf dem Ärztetag, und das werden die De- legierten-Kollegin- nen und -Kollegen auf dem Ärztetag sicher selbst wissen, darf niemals dazu führen, dass es eine Sieger-Besiegten-Stimmung gibt.

DÄ: Eine abschließende Frage: In Schröders Nationalem Ethikrat ist die Ärzteschaft als gesellschaftliche Gruppe nicht vertreten. Stört Sie das?

Hoppe:Nein, das stört mich nicht.

Ich sehe den Ethikrat auch nicht so sehr als aus gesellschaftlichen Grup- pen zusammengesetzt, sondern mehr aus Professionen, und die Ärzteschaft ist insofern auch fachkundig vertreten.

Wenn die Ärzteschaft dort quasi als Körperschaft vertreten wäre, wären derjenige oder diejenige, die dort tätig sein würden, ja an Gremienentschei- dungen gebunden und damit in einer Konfliktsituation, die man dem oder der Betreffenden nicht wünschen kann. DÄ-Fragen: Norbert Jachertz P O L I T I K

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A1294 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001

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