Bericbte und kleine Mitteilungen 87 kritischen Profilen von Ottobeuren und Obergunzberg
fluvioglaziale und periglaziale Horizonte (iiber die Methode vgl. Tricart, J. et Schaeffer, R.y Uindice
d'emoussee des galejs. Revue de Geomorphologie Dy
namique, I, No. 4, Paris 1950). C. Troll Gemeinsame Tagung der Deutscherv Geophysikali
schen Gesellschaft und der Meteorologischen Gesell schafl im Hamburg am 23.?28. Oktober 1950' Anlafilich des 70. Geburtstages des Meteorologen und Geophysikers Alfred Wegener hielten die beiden Gesellschaften an dem langjahrigen Wirkungsort des
unvergefilichen Forschers eine gemeinsame wissen
schaftliche Tagung ab. In einer Alfred-Wegener-Ge denkfeier am 25. 10. in der Hamburger Universitat gedachten beide Gesellschaften des grofien Forschers.
Der Vorsitzende der Meteorologischen Gesellschaft, Professor Kuhlbrodt, ein langjahriger Mitarbeiter Wegeners, konnte unter den Ehrengasten Frau Else Wegener (Graz), die Tochter des Altmeisters der Klimatologie W. Koppen, begriifien.
In einem umfassenden und in sehr warmen Wor
ten gehaltenen Vortrag entwarf Geheimrat Prof.
Schmaufi, Munchen, ein eindrucksvoiles Bild vom Le ben und Schaffen A. Wegeners, dessen Verlust die deutsche Meteorologie und Geophysik, aber auch die Geographie und Geologie kaum ersetzen konnte. Die Reichhaltigkeit und Ergiebigkeit dieses Forscherlebens
kann hier in wenigen Worten nicht wiedergegeben werden. Mit seinen Forschungen in Gronland und auf
den Meteor-Fahrten war Wegener auch fiir die Geo graphic bedeutend.
Professor Cloos, Bonn, schilderte den Impuls, den die Geologie, speziell die Geotektonik, durch den
Wegenerschen Gedanken der Kontinentalverschie
bung erhalten hat. Wenn sich diese Wegenersche Theorie auch nicht mehr in der urspriinglichen Form
aufrechterhalten lafit, so hat sie doch fiir sehr viele
Forschungen die Anregung gegeben. In einem aus
fiihrlichen Vortrag zum dynamischen Erdbild konnte der Redner viele Einzelbilder zeigen, die erst durch
Wegeners Anregung entdeckt wurden.
Die wissenschaftliche Tagung begann mit Vortragen aus dem Gebiet der Geophysik, welche die grofie
praktische Bedeutung dieser Wissenschaft erneut be statfgten. Neue Mefimethoden und Instrumente, prak
tische Messungen und Aufschlufiverfahren im Gelande, neue Deutungen geophysikalischer Erscheinungen wur den erlautert. Die wissenschaftlichen Vortrage wurden von Clofl, Celle, mit einem Bericht iiber ?Neues aus dem Gebiet der angewandten Geophysik" eingeleitet, danach sprach O. Rosenbach, Bonn, iiber das Problem
der Isostasie. Prof. W. Hiller, Stuttgart, berichtete
iiber die Auswertungen der Sprengungen auf Helgo land und einiger Sprengungen sowie der Nahbeben in Siiddeutschland. Diese ergaben fiir die Dicke der Erdkruste bis zur Peridotitschicht in Norddeutsch
land 25?27 km (10?12 km Granit und Sedimente, 15?17 km Gabbro). Bis auf einzelne Abweichungen gelten fiir Siiddeutschland ahnliche Werte. Ein An
wachsen der Erdkruste zur ?Alpenwurzel" ist daraus
nicht erkennbar. H. Martin, Jena, befafite sich mit
der Realitat von Seismogrammeinsatzen und anschlie
fiend mit Untersuchungen von Briickenschwingungen
auf seismischer Grundlage. H. v. Helms, Hannover,
berichtete iiber die Methode der refraktionsseismi schen Bestimmung der Flanken von Salzstocken und
erlauterte diese an mehreren Beispielen aus Nord
westdeutschland. Weitere Beispiele der praktischen Seismik brachten R. Kohler, Otterndorf (Praxis der Geschwindigkeitsbestimmungen aus Reflexionen) und Ropke (Beispiele der Untertageseismik). Das Erdbe ben bei Euskirchen am 8. 3. 50 schilderte H. Berg, Koln, der die enge Anlehnung der Isoseismen an die Geologie der Kolner Bucht und des devonischen Ge
birges nachweisen konnte. Prof. K. Jung, Clausthal,
machte kritische Bemerkungen iiber den Zusammen hang der Verteilung der radioaktiven Stoffe im Erd
innern und den Temperaturgradient in der Tiefe.
/. B. Ostermeyer, Mering, eroffnete mit einem Be
richt iiber laufende Erdstrommessungen die Vortrage aus dem Gebiet des Erdmagnetismus. Macht, Kiel, definierte ein planetarisches erdmagnetisches Feld, welches nach Abzug vom wirklichen erdmagnetischen
Feld die ?krustalen" Effekte der Feldanteile besser zur Geltung kommen lafit und eine bessere Zuord nung zur Geotektonik ermoglicht. Erdmagnetische Vermessungen in der Lausitz (W. Hesse, Leipzig),
erdmagnetische Registrierungen in Wingst (O. Mey er, Wingst), ein Doppelregistriersystem fiir Erdstrom und Horizontalintensitat (K. Burkhart, Miinchen) und eine Schilderung des erdmagnetischen Normal
feldes durch R. Bock, Riihle/Meppen, waren weitere Vortrage aus diesem Spezialgebiet.
H. Haalck, Potsdam, brachte neue Ansichten iiber die Ursachen des magnetischen Feldes des festen Erd korpers, das er in ein ?Kernfeld" und ein ?Rinden
feld" zerlegte, wobei das erstere vom molekularen
%Zustand der Materie im Erdkern und das zweite von den Gesteinen der Erdrinde abhangt.
/. Joseph, Hamburg, leitete mit einem Referat iiber Durchsichtigkeitsregistrierungen im Meere die ozeano
graphischen Vortrage ein. R. Dolezal, Biisum, sprach
iiber Methoden der geodatischen Hohenbestimmung iiber Watt und Meer. Die Unbestimmtheit der Strah lenbrechung iiber See erlaubt keine genaue Hohen
messung von Inseln. Durch laufende Hohenmessungen bekannter Inseln konnte ein eindeutiger Zusammen
hang der Refraktion und der Differenz der Wasser und Lufttemperatur ermittelt werden, welcher die
Hohenmessungen nunmehr ermoglicht. Im Zusam menhang mit der Bestimmung des Warmeumsatzes
zwischen Ozean und Atmosphare diskutierte G. Diet rich, Hamburg, die Mefifehler der Temperaturmes sungen auf See, die bei der Bestimmung des Warme
umsatzes zwischen Ozean und Atmosphare Fehler bis zu 25 % des Umsatzes an Verdunstungswarme
zur Folge haben konnen. Die Entstehung von Was serwellen und deren Zusammenhang schilderte H. U.
Roll, Hamburg, an Hand von zahlreichen Messungen bei Neuwerk. Eine theoretische Betrachtung iiber die
winderzeugten Meeresstromungen in aquatorialen Breiten brachte W. Hansen, Hamburg.
Von Bedeutung war auch ein neuer Feindruckho henmesser fiir barometrische Hohenmessungen von A. Graf, Miinchen. W. Kertz, Gottingen: Gezeiten
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artige Luftschwingungen leitete schon zur Meteorolo gie iiber, und vier Vortrage aus dem Gebiet der Ionen
spharenforschung von H. Berg, Koln, E. A. Lauter, Warnemiinde, W. Menzel, Darmstadt, K. Brocks,
Hamburg, schlossen den geophysikalischen Teil der
Tagung ab.
Die meteorologischen Vortrage wurden mit dyna
mischen und Problemen der Zirkulation eingeleitei:
R. Holzapfel, Kissingen, ?Ober den taglichen Gang der Lufttemperatur in den Stockwerken der Atmo
sphare", R. Miigge, Frankfurt, ?Uber das Wesen der taglichen Doppelwelle des Luftdrucks" und W. Rud loff, Hamburg, ?Der atmospharische Drehimpuls als
Zirkulationsmafi". Rudlotf konnte einen Zusammen
hang des Drehimpulses der Atmosphare mit den Son nenflecken wie audi mit den Polschwankungen nach
weisen.
H. Flohn, Kissingen, berichtete iiber die allgemeine Zirkulation und natiirliche Klimaeinteilung (s. Erd
kunde Bd. IV, 1950, Heft 3?4). In seinem Vortrag iiber das planetarische Zirkulationssystem kam P.
Raethjen, Hamburg, teilweise zu anderen Ansichten als Flobn. Die allgemeine Zirkulation der Atmosphare
enthalt ?Planetarische" Komponenten (unabhangig
von der Verteilung Land und Wasser) und ?monsu nale" Komponenten, welche durch die Verteilung von Land und Wasser bedmgt sind. Beide Komponenten
lassen sich empirisch trennen und wurden mit ihren treibenden Kraften geschildert. Der Vortragende
kommt dabei zu ganz neuen Gesichtspunkten in der
Betrachtung der Zirkulation.
Mit Problemen der synoptischen Meteorologie und Vorhersagemethoden befafken sich sieben Referenten.
R. Scherhag, Kissingen, zeigte neue Wege zur Mittel fristvorhersage, die erst auf Grund der in den letzten Jahren zur Verfiigung stehenden aerologischen Mel dungen des Atlantiks moglich wurden. H. Brezowsky, Kissingen, Simila, Stockholm, befafken sich mit kurz
fristigen Prognosen.
Die Bedeutung der tropospharischen Grundschicht
erlauterte K. Schneider-C'arms, Kissingen. Nach einer kritischen Betrachtung der Langfristvorhersage (A.
Hofmann, Kissingen) schllderten K. Hinkelmann und E. Lingelbach, Kissingen, die Moglichkeit, Rechenma
schinen fiir die Prognosen einzusetzen. Von dieser Moglichkeit ist man heute aber immer noch weit ent
fernt. Probleme der Thermoaynamik der Atmosphare brachten H. Wichmann, Hamburg, (Hagel in Gewit
terwolken), F. Roftmann, Miinchen, (Ober Wolken tromben), E. Kleinschmidt, Gottingen, (Untersuchung eines Tropopausentrichters), /. Reineke, Kissingen,
(Abweichungen vom Gradientwind in der oberen Tro
posphare).
Die Reihe der klimatischen Vortrage eroffnete F.
Moller, Mainz, mit einer Darlegung der Ermittlung der Landesverdunstung durch den Grofi aus tausch. Die Verdunstung V vermehrt den Wasserdampfgehalt der Atmosphare, der Niederschlag N vermindert ihn.
Die laufende Verfolgung von V?N der Anderung des Wasserdampfgehaltes durch die aerologischen
Messungen ermoglichen bei bekanntem N, wenigstens fiir langere statistische Zeitraume die Verdunstung zu
bestimmen.
Solche Verdunstungsbestimmungen wurden fiir
Nordamerika und Westeuropa gegeben. W. Haude,
Hannover, befafite sich mit der Abschatzung des Was
serhaushaltes bei agrarmeteorologischen Untersuchun gen.
t)er Anteil des Schnees am Gesamtniederschlag des
Harzes wurde in einem Oberblick von L. Roux, Ham burg, gebracht, Der Prozentanteil des Schnees am Ge
samtniederschlag des Harzes ergab sich als lineare Funktion der Seehohe. Der Prozentanteil am Jahres niederschlag ist im Mittel in 200 m NN 10%, in 500 m 17 ?/o und in 1000 m 28 ?/o.
Auf Grund des nun in viel grofierem Umfange vor liegenden Beobachtungsmaterials konnte H. Mark
graf, Hamburg, neue atlantische Windkarten vorle
gen, welche bei der Neubearbeitung des ?Dampfer handbuches fiir den Nordatlantik" die alten Koppen
schen Karten ersetzen sollen.
Neue Methoden der Klimatologie fiir die Land wirtschaft fiihrte F. Schnelle, Kissingen, vor. Die von der Landwirtschaft benotigten Klimaangaben diirfen
nicht durch Kalendermonate abgegrenzt werden, son dern miissen in einem naturlichen Zusammenhang zu
den wichtigen Wachstumsabschnitten der landwirt schaftlichen Kulturpflanzen stehen. Die Phanologie
liefert die Daten der auffalligen Wachstumserschei
nungen, welche die Wachstumsabschnitte begrenzen.
An Hand einiger Beispiele wurde die Methode der phanologischen Klimatologie erlautert.
F. Effenberger3 Hamburg, (Luftchemie und Medizin Meteordlogie), R. Schulze, Hamburg, (Abhangigkeit
des Globalstrahlenspektrums von der Sonnenhohe)
und H.Koppe, Braunschweig, (Sonnenaktivitat, Grofi
wetter und wetterbezogene Reaktionen) streiften das Gebiet der Biometeorologie. F.Steinhauser, Wien, (Ab
hangigkeit der Sonnen- und Himmelsstrahlung von der Hohe in den Ostalpen) erganzte die Vortrage
iiber Strahlung. Nach einigen Referaten zur meteoro
logischen Instrumentenkunde (J. Georgi, Hamburg, M. Hinzpeter, Hamburg, und Chr. ]ungey Frankfurt)
wurden Fragen des Kleinklimas behandelt. W. Hesse, Leipzig, fiihrte eine Karte der Staubverteilung in der Stadt Leipzig vor, die auf Grund von zahlreichen
Staubmessungen entstand. Eine kleinklimatische Ge
landeaufnahme der Gemarkung Quickborn/Holstein
wurde durch /. van Eimern, Hamburg, vorgefiihrt.
Auf Grund zahlreicher Meftfahrten entstand eine Karte der Frostgefahrdung im Mafistab 1 : 10 000.
W. Paulsen, Reinbeck, referierte neuere auslandische
Arbeiten iiber den Einflufi des Baumwuchses auf das Grofiklima, besonders in den Trockengebieten Afri
kas und Amerikas, und besprach russische und ameri kanische Aufforstungsergebnisse. Den Abschlufi der Tagung bildeten zwei Vortrage iiber meteorologischen Unterricht (F.Beck, Hamburg, und H. Voigts, Liibeck).
/. van Eimern