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Archiv "Nebenwirkungen und Kontraindikationen der Glukokortikoide" (25.09.1975)

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Aspirationskürettage

Aspirationskürettage gewonnene Saugmaterial zeigt makroskopisch kleine bis mittelgroße fetzige und streifenförmige Gewebeformatio- nen. Die früher bei der nach Durchspülung mit physiologischer Kochsalzlösung entstandenen Arte- fakte im histologischen Schnittbild lassen sich bei der Durchspülung mit Aqua destillata vermeiden. Eine vollständige Gewebegewinnung ist möglich und eine sichere Funk- tions- und Karzinomdiagnostik gewährleistet.

0 Verträglichkeit ohne Narkose Die Verträglichkeit der Aspirations- kürettage auch ohne Narkose ist gut. Das Verfahren ist praktisch schmerzlos; dies zeigt sich daran, daß objektive Nebenerscheinungen wie Pulsanstieg, Blutdruckanstieg oder -abfall, Schweißausbruch, subjektive Erscheinungen wie Angst und Schmerz nur sehr selten auftreten. Das ließ sich in einer eingehenden Untersuchung nach- weisen. Subjektive Angaben wie Angst und Schmerz waren nur bei wenigen Patientinnen vorhanden;

diese gaben dieselben Empfindun- gen im allgemeinen bereits bei der vorausgehenden bimanuellen gynä- kologischen Untersuchung an. Das spricht dafür, daß bei sehr nervö- sen und psycholabilen Patientinnen eine Aspirationskürettage nicht ohne Narkose durchgeführt werden sollte, sofern nicht zwingende Gründe dafür sprechen. Für eine psychisch nicht belastete Patientin ist der Eingriff ohne Narkose — wenn auch nicht ohne jede unan- genehme Empfindung — absolut zumutbar und nicht belastend. Ob die Aspirationskürettage unter Se- dierung der Patientin vorgenom- men werden soll, hängt wohl im einzelnen von der Erfahrung des Operateurs, von der Reaktionslage der Patientin und nicht zuletzt von der Umgebung (Untersuchungszim- mer, Operationssaal etc.), in der die Patientin dem Eingriff unterzogen wird, ab.

Die Patientinnen können eine hal- be bis zwei Stunden nach dem Ein- griff nach Hause entlassen werden.

0 Fraktionierte Aspiration

Einziger Nachteil des verwendeten Einmalinstrumentariums war bis jetzt die Unmöglichkeit der fraktio- nierten Materialgewinnung aus Zervix und Cavum uteri. Die Zervix- kürettage mußte dabei mit einer kleinen scharfen Kürette durchge- führt werden. Da letztlich jede Kü- rette, die nicht ausschließlich zum Zwecke der Funktionsdiagnostik durchgeführt wird, im Hinblick auf die — wenn auch je nach Lebens- alter variable — Möglichkeit eines malignen Prozesses erfolgt, muß die Forderung nach Fraktionierung jeder diagnostischen Kürettage aufrechterhalten werden. Dem hat die Herstellerfirma Rechnung ge- tragen und eine Zervixspitze kon- struiert, welche nach erfolgter Aspiration der Endozervix von der Kanüle abgestreift wird, damit an- schließend das Korpus aspiriert werden kann. Nachdem auch der Sammelbehälter zur getrennten Aufbewahrung der Aspirate abge- ändert wurde, ist die fraktionierte Aspirationskürettage mit dem glei- chen Einmalset möglich.

0 Komplikationen während und nach Aspirationskürettagen Wesentliche Komplikationen sind im Zusammenhang mit der diagnosti- schen Aspirationskürettage nicht zu erwarten. Aus den wichtigsten bis jetzt bekannten Publikationen, die über insgesamt 1994 Aspira- tionskürettagen referieren, sind drei Uterusperforationen bekannt, welche aber keine klinischen Kon- sequenzen hatten.

Eine andere Komplikation, welche vereinzelt aufgetreten ist, stellt die vasovagale Reaktion dar:

Bradykardie, Hypotonie, Schweiß- ausbruch, in einzelnen Fällen kom- biniert mit Ohnmacht. Von dreizehn bekannten Fällen dieser Komplika- tion haben sich alle Patientinnen

nach Kopftieflagerung und eventu- eller Behandlung mit Atropin und Sauerstoff im Laufe einer halben Stunde erholt. Die Frequenz dieser

Komplikation beträgt somit ca.

ein Promille, ein Wert, welcher im übrigen auch bei Einlegen von In- trauterinpessaren in etwa erreicht wird. In unserem Patientengut ha- ben wir diese Reaktion nie beob- achtet.

Indikationen

Auf Grund der erwähnten Erfahrun- gen läßt sich ein weiter Indika- tionsbereich für die diagnostische Aspirationskürettage abstecken. Es kommen in erster Linie Fälle mit er- höhtem Operationsrisiko in Frage (Tabelle II), bedeutungsvoller aber noch dürfte die Tatsache sein, daß durch Wegfall der Narkose das Verfahren als „office procedure" in Frage kommt, also entweder in der Praxis oder in der Klinik ambulant durchgeführt werden kann. Dies bedeutet für die Patientin Vermin- derung des Arbeitsausfalles und der damit sowie mit den Klinikko- sten verbundenen finanziellen Be- lastungen. Ebenso kann die Tatsa- che, daß die Patientin nicht aus ih- rem sozialen Milieu herausgenom- men wird, von entscheidender Be- deutung sein. Auf diesem Wege kann das Verfahren möglicherwei- se auch einiges zur Frühdiagnose des Korpuskarzinoms beitragen, da der Entschluß zu einer diagnosti- schen Kürettage unter diesen Be- dingungen leichterfallen und ra- scher gefaßt werden wird.

Literatur

(1) Haller, U., Kubli, F., Müller, H., Bräunig, G., Almendral, A.: Die diagnostische Aspi- rationskürettage, Gebfra 33 (1973) 1-13 — (2) Holt, E. M.: Out-patient diagnostic cu- rettage, J. Obstet. Gynaec. Brit. Cwlth. 77 (1970) 1043 — (3) Jensen, J. A., Jensen, J.

G.: Abrasio mucosae uteri e aspiratione Ugeskr. Laeg. 130 (1968) 2124 — (4) Saun- ders, P.: Vacuum curettage of the uterus without Anesthesia, J. Obstet. Gynaec. Brit.

Cwlth. 79 (1972) 168 — (5) Seidl, S.: Dia- gnostische Aspirationskürettage. In: Prak- tische Karzinomfrühdiagnostik in der Gynäkologie, S. Seidl. Thieme Verlag (1974) 116

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. med. Urs Haller (Oberarzt)

Universitäts-Frauenklinik 69 Heidelberg

Voßstraße 9

2688 Heft 39 vom 25. September 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Therapie mit Glukokortikoiden*) ist mit einer Reihe von Nebenwir- kungen belastet. Zahlreiche von ih- nen sind vom Morbus Cushing be- kannt: Mondgesicht, Stiernacken, Akne, Hirsutismus, Striae, Men- struationsstörungen, erhöhter Ap- petit, Gewichtszunahme, Hyperto- nie, Kopfschmerzen, Hyperhidrosis, Schwindel, Schwächegefühl, chro- nische Pankreatitis, Hyperlipidämie, ferner auch Ekchymosen, Leukozy- tose, Polyzythämie und andere für Morbus Cushing charakteristische Blutveränderungen.

Jeder Versuch, ein Glukokortikoid mit guter antiphlogistischer bezie- hungsweise antirheumatischer Wir- kung ohne eine diabetogene Ne- benwirkung herzustellen, ist bisher gescheitert. Auch ist bei allen Sub- stanzen dieser Gruppe mit einer negativen Stickstoffbilanz, also ei- nem eiweißkatabolen Effekt zu rechnen.

Gefahren der Rindenatrophie Wie bereits in der Übersicht über die Pharmakotherapie der Gluko- kortikoide dargelegt wurde, führt jede Zufuhr höherer Dosen dieser Substanzen auf dem Umweg über Hypothalamus und Hypophyse zu einer Hemmung der Eigenproduk- tion von Cortisol (Hydrocortison).

So kommt es zu einer Atrophie der Nebennierenrinde. Wird die Zufuhr von Glukokortikoiden nach länge-

rer Therapie, besonders mit großen Dosen, plötzlich unterbrochen,

dauert es je nach dem Grad der Atrophie Tage, Wochen oder Mo- nate, bis die normale Sekretion von Cortisol wieder erreicht wird.

■ Wenn der Patient im Laufe eines Jahres nach der Unterbrechung der Zufuhr großer Dosen in einen schweren Streß gerät, muß unbe- dingt wieder Glukokortikoid zuge- führt werden.

In vielen Fällen sind aber hochdo- sierte Gaben von Glukokortikoiden erforderlich. Die Atrophie der Rin- de ist dann nicht zu verhindern, allerdings müssen die hohen Dosen möglichst bald reduziert werden.

Tägliche Erhaltungsdosen von fünf bis sieben oder acht (bis zehn) Mil- ligramm Prednison sind anzustre- ben. Zur Anpassung an den zirka- dianen Rhythmus ist es zweckmä- ßig, die Tageserhaltungsdosis mor- gens zwischen sechs und acht Uhr zu geben. Oft kommt man auch mit der Gabe einer doppelten Tages- dosis (etwa zehn Milligramm) aus, wenn diese nur jeden zweiten Tag gegeben wird.

Mineralokortikoidwirkungen Einige wichtige Glukokortikoide haben Mineralokortikoidwirkungen.

In dieser Beziehung haben sie qua- litativ ähnliche, quantitativ aber schwächere Effekte als Aldosteron oder Desoxycorticosteron. Das Hormon Cortisol (Hydrocortison) selbst und auch das nicht mehr ge-

Die Glukokortikoide, die in höheren als den von Neben- nieren normalerweise se- zernierten Dosen verabreicht werden, sind stark wirksame Substanzen. Die Nebenwir- kungen liegen auf der Linie der physiologischen Hormon- wirkungen; sie werden aller- dings durch Höhe und Dauer der Zufuhr mehr oder weni- ger akzentuiert oder sogar karikiert. Zahlreiche Neben- wirkungen entsprechen den bei Morbus Cushing beob- achteten Symptomen. Die Nebenwirkungen bei systemi- scher und bei lokaler Appli- kation werden im einzelnen beschrieben, Kontraindika- tionen genannt.

bräuchliche Cortison sind noch ziemlich stark wirksam, während die Wirkung von Prednison bezie- hungsweise Prednisolon zwar vor- handen, aber deutlich schwächer ist als bei Cortisol.

Bei jeder Therapie mit den genann- ten Substanzen ist mit Retention von Natrium und Verlusten von Ka- lium zu rechnen. Dies kann zu Ödembildung führen und bei ohne- hin bestehender Neigung zu Hypo- kaliämie bedenklich werden, wie etwa bei einer Therapie mit Herz- glykosiden. Gerade wenn versucht wird, die Natrium- und Wasserre- tention durch Saluretika auszuglei- chen, wird die Gefahr der weiteren Steigerung der renalen Kaliumver- luste erhöht. In diesen Fällen ist für eine Substitution von Kaliumsalz zu sorgen.

Diabetogene Wirkungen

Ein bestehender Diabetes mellitus kann durch Glukokortikoide ver- schlimmert und ein latenter mani-

*) Ober Pharmakotherapie mit Glukokorti- koiden siehe DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT Heft 25/1975, Seite 1875. In Ta- belle 1 wurde versehentlich Beta- methason (Betnesol®, Celestan®) nicht erwähnt.

Nebenwirkungen

und Kontraindikationen der Glukokortikoide

Gustav Kuschinsky

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Mainz

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 25. September 1975 2689

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Glukokortikoide

fest werden. Die Krankheit ist meist mit den üblichen Methoden zu beherrschen, zumal nur selten Neigung zur Ketose besteht, beson- ders wenn die Stoffwechselstörung vorher latent war. Bei vorher gut auf Insulin eingestellten Patienten ist es notwendig, die Insulindosis nach Kortikoid:zufuhr zu steigern.

Ulzerationen und Blutungen in Magen und Darm

Daß ein Zusammenhang zwischen Glukokortikoidtherapie und Ulkus- bildung im Magen-Darm-Kanal be- steht, ist gesichert. Es ist aller- dings nicht entschieden, ob Ulzera durch die Therapie neugebildet oder ob sie aus einem subklini- schen Stadium reaktiviert werden. Manches spricht dafür, daß bei ih- rer Entstehung die Beeinträchti- gung der Schleimhautfunktion und ihre Restitutionsfähigkeit eine Rol- le spielen; vielleicht gilt das auch für die mitunter beobachtete Erhö- hung der Salzsäureproduktion. Die routinemäßige Gabe von Antazida sowie die periodische Kontrolle des Stuhls auf okkultes Blut wird daher empfohlen.

Bei Colitis ulcerosa ist gerade wegen der beträchtlichen Gefahr der Perforation die Therapie mit Glukokortikoiden nur dann indi- ziert, wenn andere Mittel versagt haben. Sie kann andererseits in vielen Fällen lebensrettend sein.

Infektionen

..,.. Jede Therapie mit Glukokorti- koiden erhöht das Risiko von Infek- tionen.

Die Abwehr des Oraanismus aeaen jede Art von Infektionserregern wird durch diese Substanzen un- terdrückt. Zu Beginn der Therapie ist häufig bereits eine Infektion vor- handen, die aber nicht bemerkt wird, weil die Symptome maskiert sind. Auch sonst unqewöhnliche Infektionen können auftreten, wie Candidiasis und andere Pilzinfek- tionen.

Eine Tuberkulose, die vorher latent oder bereits geheilt war, kann akti- viert beziehungsweise reaktiviert werden. Patienten mit positivem Tuberkulin-Hauttest sollten bei je- der länger als zwei Wochen dau- ernden Therapie prophylaktisch lsoniazid in Tagesdosen von 300 Milligramm erhalten.

Infektionen mit Herpes simplex können unter Kortikoidtherapie ge- neralisieren und zum Tode führen.

Dasselbe gilt für Impfungen mit Pockenvirus.

Der Verlauf einer Virushepatitis wird durch Glukokortikoide nicht verkürzt, sondern möglicherweise soqar verlängert. Bei schweren In- fektionen mit stark beeinträchtig- tem Allgemeinbefinden können die- se Mittel aber gegeben werden, weil sie die Dyspepsie und das Krankheitsgefühl oft mindern. Es ist aber noch nicht auszuschließen, daß die Behandlung der akuten Hepatitis mit Kortikoiden die späte- re Entstehung einer Zirrhose be- günstigt.

Leberzirrhose

Bei einer schon bestehenden Le- berzirrhose lassen sich die Allge- meinbeschwerden oft durch Gaben von Prednison in Tagesdosen von 12,5 bis 15 Milligramm günstig be- einflussen. Der Verlauf der Krank- heit selbst wird wohl kaum beein- flußt. Bei den so häufig zur "Leber- schutztherapie" angebotenen Prä- paraten handelt es sich um Place- bos.

Osteoporose

Besonders gefährlich kann sich die durch Glukokortikoide hervor- gerufene Störung des Kalziumstoff- wechsels auswirken. Da die entera- le Kalziumresorption vermindert, die renale Kalziumausscheidung

vermehrt und die Einlagerung von

Kalzium in den Knochen reduziert wird, ist die besonders häufige Ent- stehung einer Osteoporose ver- ständlich. Kranke mit einge-

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schränkter Beweglichkeit, wie bei rheumatischen Erkrankungen, sind besonders betroffen; sie sind es gerade, die besonders häufig Glu- kokortikoide erhalten.

Die Osteoporose ist meistens ge- neralisiert. Die Körpergröße wird unter Umständen vermindert. Wenn die Osteoporose auch an allen Knochen zu beobachten ist, gibt es doch em1ge besonders folgen- schwere Lokalisationen, die zu Spontanfrakturen von Femur, Hu- merus, Rippen und Wirbelkörpern führen. Eine aseptische Nekrose des Femurkopfes kann zwar auch einmal ohne diese Therapie auftre- ten, sie ist aber in den weitaus meisten Fällen vorausgegangen.

Auch Frakturen der Wirbelkörper können bei über fünfzigjährigen Frauen spontan vorkommen, wer- den aber gleichfalls durch Kortiko- idtherapie begünstigt. Die Korn- pressionsfrakturen der Wirbelkör- per können eventuell ohne Schmerzen und neurologische Symptome auftreten.

Verhinderung der Osteoporose?

Man nimmt an, daß die Osteoporo- se nicht allein mit den Verschie- bungen der Kalziumbilanz, sondern teilweise auch über die Hemmung des Knochenbaus und der Kno- chenmatrix zustande kommt und so irgendwie mit der negativen Stickstoffbilanz, also der eiweißka- tabolen Wirkung zusammenhängt.

Deshalb wird versucht, der Osteo- porose mit Anabolika zu begegnen . Es gibt aber keinen experimentel- len oder klinischen Anhaltspunkt dafür, daß eine kortikoiderzeugte Gewebsatrophie und Osteoporose durch Anabolika verhindert oder beseitigt werden können.

..,.. Sehr sorgfältiges Abwägen des Risikos der Osteoporose ist bei je- der chronischen Therapie notwen- dig, besonders bei chronischen Ar- thritiden und Frauen, die über 50 Jahre alt sind.

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Verzögerung des Wachstums der Kinder

Im Zusammenhang mit den katabo- len Wirkungen der Kortikoide ist auch die Unterdrückung des Wachstums bei Kindern zu erwäh- nen. Diese wichtige Nebenwirkung ist bei chronischer Therapie etwa von Asthma bronchiale oder ne- phrotischem Syndrom zu beden- ken. Bei der Wachstumshemmung kann der Epiphysenschluß verzö- gert werden.

Durch die Kortikoide wird der Plas- maspiegel des Wachstumshormons erniedrigt; möglicherweise geht diese Senkung parallel mit dem Plasmaspiegel des Cortisol.

Schwangerschaft

Die Kortikoidbehandlung während der Schwangerschaft führt an- scheinend zu ungenügender Pla- zentabildung. Infolgedessen kann es zu vermindertem Geburtsge- wicht, Totgeburt und einigen kon- genitalen Anomalien kommen. Dies wurde nach Tagesgaben von nicht mehr als 15 Milligramm Predniso- Ion beobachtet.

Auge

Nach langer systemischer Zufuhr von Glukokortikoiden und Cortico- tropin wurde das Auftreten von subkapsulären Katarakten und von Glaukom beschrieben.

Myopathie

Entsprechend der auch bei sponta- nem Cushing-Syndrom auftreten- den Muskelschwäche wird diese auch bei der Therapie mit Gluko- kortikoiden beobachtet. Myopathie und Atrophie der Muskeln kommen nach Gabe von allen Vertretern der Glukokortikoidgruppe vor, wurden aber bei den Verbindungen, die in 9-a-Stellung fluoriert waren, am häufigsten beobachtet (Triamcino- Ion, Dexamethason, Betamethason, Fluocortolon). Die Atrophie der

Muskeln verschwindet nach Abset- zen der Medikation erst nach Mo- naten.

Wirkungen auf die Psyche

Glukokortikoide verändern häufig das Verhalten und die psychische Verfassung der Patienten. Das Aus- maß der Stimmungsänderung hängt von der Dosis und der Per- sönlichkeitsstruktur des Patienten ab. Meist kommt es zu Euphorie, aber auch Nervosität, gesteigerte Erregbarkeit, Hyperkinesie und Schlaflosigkeit werden beobachtet.

Ferner ist mit psychotischen Episo- den zu rechnen. Dabei kommen so- wohl manische als auch depressive und paranoide Zustandsbilder vor;

in seltenen Fällen auch akute toxi- sche Psychosen.

Neurologische Symptome

Eine latente Epilepsie kann durch eine Therapie mit Glukokortikoiden manifest werden. Bei Kindern kön- nen Krämpfe auftreten. Sie werden dann meist durch einen erhöhten intrakraniellen Druck hervorgeru- fen. Gleichzeitig ist am Augenhin- tergrund ein Papillenödem zu be- obachten.

Die genannten Erscheinungen können auch nach Reduzierung der vorher sehr hohen Glukokorti- koiddosen auftreten und bei ihrer Erhöhung wieder verschwinden.

Auch dieser Befund spricht für die Notwendigkeit des langsamen Aus- schleichens nach längerer hoher Dosierung.

Blutgerinnung

Während der Therapie mit Gluko- kortikoiden ist mit einer gestei- gerten Gerinnbarkeit des Blutes zu rechnen. Thromboembolische Komplikationen sind beschrieben worden. In einschlägigen Fällen ist eine Prophylaxe mit Antikoagulan- tien indiziert.

Hautsymptome

Während der Therapie mit Gluko- kortikoiden kann es, unabhängig vom Zufuhrweg, zu Infektionen der Haut kommen. Die Erreger können Bakterien, Pilze oder Viren sein.

Die Haut kann atrophieren. Wie bei Morbus Cushing können Striae auf- treten, die Haut kann papierdünn werden, wie eine Altershaut. Mit Akne und Hirsutismus ist zu rech- nen. Das Hautkollagen wird ver- mindert. Nach intramuskulärer In- jektion kann die Haut lokal atro- phieren.

Bei lokaler äußerlicher Anwendung von Glukokortikoiden kommt es in Anbetracht der verhältnismäßig ge- ringen resorbierten Mengen nicht so leicht zu resorptiv bedingten Nebenwirkungen; die lokale Infek- tionsgefahr ist aber vorhanden.

Ferner ist immer mit Resorption in die Haut selbst zu rechnen mit den bereits geschilderten Fol- gen, wie lokaler Atrophie und Auf- treten von Striae. Auch allgemeine resorptive Wirkungen sind möglich, besonders bei längerer Anwen- dung von Salben, vor allem wenn diese mit einem Okklusivverband kombiniert werden. In diesen Fäl- len kann es sogar zu einer Neben- nierenatrophie kommen.

Auch bei rektaler Applikation kön- nen Kortikoide Nebenwirkungen an der Haut auslösen. Nach längerer Zufuhr wurden Fälle von beträchtli- cher Atrophie des Gewebes be- schrieben.

Inhalation von Kortikoiden

Bei der Inhalation zur Therapie des Asthma bronchiale kann es im Ver- gleich zu systemischer Zufuhr vielleicht in erhöhtem Maße zu In- fektionen der Atemwege, vor allem mit Pilzen, kommen.

Intraartikuläre Injektion

Intraartikuläre Injektionen von Kor- tikoiden können Knorpel und Kno- chen zerstören. Die Elastizität des

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 39 vom 25. September 1975 2691

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Glukokortikoide

Gelenkknorpels und seine post- traumatische Regenerationsfähig- keit sind beeinträchtigt. Mit sogar schweren, eitrigen Infektionen der Gelenke ist zu rechnen, wenn die Injektionen nicht unter aseptischen Kautelen vorgenommen wurden.

Bei jeder intraartikulären Injektion sollten Risiko und Nutzen abgewo- gen werden.

Kortikoide am Auge

Wie auf der Haut, kann auch am Auge eine bestehende Infektion durch Kortikoide maskiert werden;

die Reepithelisierung von Horn- hautdefekten ist gehemmt. Bei Hornhautläsionen kann es daher zu einer Perforation der Hornhaut kommen. Die Resistenz gegen In- fektionen wird selbst bei Kombina- tion der Glukokortikoide mit to- pisch anzuwendenden Antibiotika vermindert.

Bei einem Teil der Fälle wird, so- wohl unter systemischer als auch lokaler Kortikoidmedikation, der Augeninnendruck erhöht. Das ent- stehende Glaukom kann zur Erblin- dung führen. Diese Wirkung ist nach allen Glukokortikoiden, auch denen mit fehlender Mineralokorti- koidwirkung zu beobachten. Das Glaukom kann schon nach kurzer Zeit oder erst nach jahrelanger Be- handlung auftreten. Die Empfind- lichkeit der einzelnen Patienten scheint genetisch bedingt zu sein.

Deshalb ist eine Drucküberwa- chung schon in den ersten Wochen zweckmäßig.

Nach längerer lokaler Applikation am Auge können Glukokortikoide ebenso wie nach systemischer Zu- fuhr Katarakte erzeugen. Meistens handelt es sich wohl um subkapsu- Iäre Katarakte. Das Risiko ist von Dauer der Therapie und Höhe der Dosis abhängig.

Allergische Reaktionen

Glukokortikoide haben selbst an- tiallergische Wirkungen. Es ist des- halb unwahrscheinlich, daß allergi-

sche Reaktionen auftreten. Gleich- zeitig gegebene Allergene könnten allerdings trotz der Gegenwart von Kortikoiden eine Reaktion auslö- sen.

In seltenen Fällen sind aber auch allergische und sogar ana- phylaktische Reaktionen nach rei- nen Glukokortikoiden beschrieben worden.

„Entziehungssyndrom"

Außer den bisher beschriebenen Nebenwirkungen, die vor allem durch die meist längere Zufuhr mittlerer und höherer Dosen aus- gelöst werden, können auch Ne- benwirkungen vorkommen, die als

„Steroidrheumatismus" bezeichnet worden sind.

Die Symptome können entstehen, wenn die Kortikosteroide nach lan- ger Zufuhr plötzlich abgesetzt wer- den. Dieses „Entziehungssyndrom"

besteht aus Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie allgemei- nem Krankheitsgefühl. Es ist nicht einfach, diese Erscheinungen von der echten Reaktivierung einer rheumatoiden Erkrankung zu un- terscheiden.

Lebensbedrohendes Risiko der Therapie

Es ist schwer zu sagen, in einem wie hohen Prozentsatz die oben geschilderten Nebenwirkungen auftreten und wie oft sie tödliche Folgen haben können. Zu den häu- figsten bedrohlichen Wirkungen gehören nach den meisten Unter- suchungsreihen psychische Stö- rungen, peptische Ulzera und Pneumonien. In gewissem Abstand folgen dann Wirbelfrakturen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ob die Therapie tödliche Folgen hat, hängt oft von der genauen Überwa- chung des Patienten ab. Jedenfalls sollte das Risiko stets gegen den Nutzen abgewogen werden. Bei chronischer Therapie dürfen die üblichen Erhältungsdosen nicht überschritten werden.

Kontraindikationen

Aus den vorstehenden Ausführun- gen sind eine Anzahl von Kontrain- dikationen erkennbar. Die wichtig- sten sollen stichwortartig zusam- mengefaßt werden: Frische Opera- tionswunden, Magen-Darm-Ulzera, bestehende oder drohende throm- boembolische Prozesse, Herzinsuf- fizienz, Hypteronie, chronische Ne- phritis, Psychosen, Osteoporose, Knochenbrüche, Myasthenia gravis, aktive oder auch lange zurücklie- gende Tuberkulose (dabei in drin- genden Fällen unter chemothera- peutischem Schutz und Röntgen- kontrolle).

Auch bei anderen Infektionen sind nur bei gleichzeitiger wirksamer antimikrobieller Therapie die Ga- ben von Kortikoiden gestattet. Für Hepatitis gibt es gewisse Ausnah- men.

Absolut kontraindiziert sind diese Substanzen bei Herpes corneae, Varizellen und anderen primär in- fektiösen Dermatosen, nach Pok- kenschutzimpfungen sowie bei eit- rigen Augenerkrankungen und Kor- neaprozessen mit Substanzverlu- sten.

Literatur

Goodman, L. S. and A. Gilman: The phar- macological basis of therapeutics. 4. Aufl.

1970. Macmillan. London — AMA Drug Evaluations. 2. Aufl. 1973. — Kaiser, H.:

Cortisonderivate in Klinik und Praxis. 6.

Aufl. 1973. G. Thieme Verlag — Tausk, M.:

Pharmakologie der Hormone. 2. Aufl. 1973.

G. Thieme Verlag Über Nebenwirkungen allein: Meyler, L., A. Herxheimer: Side Ef- fects of drugs, Bd. 7, 1972, S. 516-539, Ex- cerpta Medica Foundation, Amsterdam

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Gustav Kuschinsky 65 Mainz

Obere Zahlbacher Straße 67 2692 Heft 39 vom 25. September 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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