SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 11/02 267 PETERWEISSENBACH,
EIDGENÖSSISCHEFORSCHUNGSANSTALTWÄDENSWIL
E
s wird heute viel von Strukturproblemen gespro- chen und in diesem Zusammenhang von einer Re- duktion der Rebfläche. Auch wenn diese Massnahme in Randlagen eine gewisse Berechtigung haben mag, ist es sicher keine zukunftsträchtige Lösung. Auch ri- gorose Mengenregulierungen (500 Gramm pro m2 werden in Fachkreisen immer wieder diskutiert) können nicht die Stossrichtung sein, wenn man die Produktionskosten mit in Betracht zieht. Eine Reduk- tion der im Inland produzierten Weinmenge hinter- lässt ein Vakuum auf dem Weinmarkt. Welche Weine dieses Vakuum auffüllen werden, ist nicht schwer vorauszusagen.Der Konsumanteil von inländischen Weinen in der Schweiz betrug im Jahr 1999/2000 rund 42%. Bei sol- chen Anteilen kann nicht generell von Strukturprob- lemen gesprochen werden. Aufgrund der tiefen Ab- satzzahlen muss die Marketingstrategie der vergange- nen Zeit hinterfragt werden. Neue Konzepte und Strategien wurden in den letzten Monaten auch vor- gestellt. Eine Marktstrategie muss natürlich auch um- gesetzt werden. Dies kostet Geld – Geld, das vielen Rebbauern im Moment nicht zur Verfügung steht.
Doch wer in schwierigen Zeiten nicht die Flucht nach vorne wagt, wird in einem immer mehr liberali- sierten Markt nicht lange überleben.
Produktionskosten
Die jährlichen Produktionskosten werden von Phi- lippe Droz im Service romand de vulgarisation agri- cole (SRVA) erhoben. Aus Abbildung 1 ist klar er- sichtlich, dass einerseits durch die zunehmende Me- chanisierung und andererseits durch die extensivere Bestockung die Produktionskosten in der Tat abneh- men. Abbildung 2 verdeutlicht, dass die Anzahl Hand- arbeitsstunden praktisch die gleiche Tendenz auf- weist wie die Produktionskosten. Das heisst, dass die Höhe der Produktionskosten direkt abhängig ist von den Handarbeitsstunden, die pro Hektare aufge- wendet werden.
Klar ersichtlich ist auch, dass Terrassenanlagen wohl angenehmer zu bewirtschaften sind als Hangla- gen, aber bedingt durch den Mehraufwand auch mehr kosten. Es fragt sich, ob mit der heutigen Me- REBBAU
chanisierung Anlagen im Grenzbereich (Terras- sen/Direktzug), die aber im Direktzug bearbeitet wer- den können, wirklich auf Terrassen umgestellt wer- den sollen. Diese Entscheidung sah vor zwanzig Jah- ren noch anders aus. In den Grenzsteillagen und Steil- lagen musste viel Handarbeit verrichtet werden. Das mühsame Stehen im Hang konnte durch die Terras- sierung aufgehoben werden. Die Mechanisierung hat in der Zwischenzeit grosse Fortschritte gemacht.
Selbstverständlich gibt es auch heute noch Arbeiten,
Hat der Schweizer Rebbau eine Zukunft?
Die finanzielle Situation für die Rebbauern und -bäuerinnen ist angespannt. Der Druck auf die Erzeugerpreise nimmt zu, während die Kosten für die Hilfsmittel weiter steigen. Oft ist die Sen- kung der Handarbeitsstunden die einzige Möglichkeit um Kosten einzusparen. Leider reichen diese Massnahmen in den meisten Fällen nicht aus.
enger Drahtbau, keine Mechanisierung
Stickelbau enger Drahtbau, leichte Mechanisierung mittlerer Drahtbau, leichte Mechanisierung mittlerer Drahtbau Traktoreinsatz mittlerer Drahtbau, starke Mechanisierung weiter Drahtbau, starke Mechanisierung enger Drahtbau Überzeilentraktor Querterrassen, leichte Mechanisierung
Kosten Fr./ha Querterrassen Traktoreinsatz
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
enger Drahtbau, keine Mechanisierung
Stickelbau enger Drahtbau, leichte Mechanisierung mittlerer Drahtbau, leichte Mechanisierung mittlerer Drahtbau Traktoreinsatz mittlerer Drahtbau, starke Mechanisierung weiter Drahtbau, starke Mechanisierung enger Drahtbau Überzeilentraktor Querterrassen, leichte Mechanisierung
Handarbeitsstunden/ha Querterrassen Traktoreinsatz
0 200 400 600 800 1000 1200 1400
Abb. 1: Vergleich der Kosten von verschiedenen Erziehungssystemen. (Quelle: SRVA, Pro- duktionskosten im Weinbau 2000)
Abb. 2: Vergleich der Handarbeitsstunden von verschiedenen Erziehungssystemen.
(Quelle: SRVA, Produktionskosten im Weinbau 2000)
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die angenehmer auf einer ebenen Terrasse als im Hang zu verrichten sind.
Änderungen am Design einer bestehende Anlage zu machen ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Das sollte uns aber nicht davon abhalten, bei Neuan- lagen die Situation zu überdenken. In vielen Betrie- ben werden in diesem Bereich Entscheidungen für die nächste Generation von Bewirtschaftern getrof- fen.
Wie setzen sich die Kosten zusammen? Die Auflis- tungen der Tabelle 1 zeigen, wie die Kosten sich bei gleichem Zeilenabstand zwischen leichter Mechani- sierung und starker Mechanisierung unterscheiden.
Die unterschiedlichen Kosten bei den Abschreibun- gen und dem Zins des Pflanzenkapitals deuten darauf hin, dass wohl die gleichen Reihenabstände gewählt wurden, die Besatzzahl in der Reihe aber unter- schiedlich ist. Der Unterschied in den Produktions- kosten (Fr. 41'000.– zu Fr. 30'000.–) ist frappant und zeigt Möglichkeiten, aber auch Grenzen in der Wahl der Produktionsmethode auf.
Traubenpreis
Auf Grund der Produktionskosten kann der effektive Traubenpreis berechnet werden. Die Ernüchterung ist gross. Vor allem bei den weissen Hauptsorten sieht
das Bild düster aus. Mit anderen Worten, die Produk- tion von Riesling uSilvaner Trauben lohnt sich mit den bestehenden Anlagen und den zur Zeit mögli- chen Absatzmengen in den meisten Fällen nicht (sie- he Tab. 2). In manchen Fällen können sogar die ef- fektiven Sachkosten nicht gedeckt werden.
Welche Chancen hat der Rebbauer?
Reduktion des Produktionsaufwands
Sicher bringt die Reduktion der Produktionskosten eine gewisse Entlastung. Doch einzelne Sorten sind auch dann nicht in der Gewinnzone, wenn alle Mög- lichkeiten der Rationalisierung ausgeschöpft werden (siehe Tab. 2).
Rationalisierung heisst meistens auch Mechanisie- rung. Dort liegt tatsächlich ein Strukturproblem vor.
Die meisten Schweizer Betriebe sind flächenmässig zu klein und ausserdem viel zu stark parzelliert, als dass eine gewinnbringende Mechanisierung denkbar wäre. Maschinenringe, Maschinengenossenschaften und Maschinenmieten würden die Auslastung der Maschinen verbessern (Musterverträge sind bei der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau LBL erhältlich). Dies ist zwar keine neue Erkenntnis, die Praxis zeigt aber, dass diese Möglichkeiten viel zu we- nig genutzt werden.
Zur Produktionskostensenkung gehören aber auch andere Überlegungen. Neuanlagen müssen so erstellt werden, dass die Investitionen möglichst tief sind und eine rationelle Bewirtschaftung auch in der Zukunft sicher gestellt ist. Investitionskosten senken heisst natürlich nicht, schlechtere Materialien einzusetzen!
Vielmehr muss dem Design der Anlage vermehrt Be- achtung geschenkt werden. Eine Anlage, in der Halbli- terqualität produziert werden soll, darf nicht gleich aussehen wie eine Anlage, in der Flaschenqualität er- zeugt werden soll. Fragen wie: «Was soll produziert werden (Qualität, Menge, Sorte usw.)? » «Wie soll pro- duziert werden?», «Wie lange soll produziert werden?»
– stehen im Zentrum.
Tiefe Erträge?
Die Höhe der Erträge wird immer wieder diskutiert.
Was ist für die Weinqualität am besten? In der Deutschschweiz liegen die Absatzmöglichkeiten von Trauben auf einem sehr tiefen Niveau. Auf dieser Stufe sind Senkungen der Produktionserträge kaum gross qualitätsbestimmend. Sortenunterschiede wer- den in solchen Diskussionen meist nicht gemacht.
Um die Rebproduktion langfristig aufrecht erhalten zu können, muss die Erntemenge oder der Trauben- preis so erhöht werden können, dass die Produkti- onskosten gedeckt werden.
Interessiert sich der Konsument für die Höhe der Erträge? Für die grosse Masse der Konsumenten ist diese Frage sicher nicht relevant. Die Erntemengen von Weinen aus Australien, Amerika, Südafrika usw.
sind für den Konsumenten auch nicht kaufentschei- dend. Weswegen sollte die Erntemenge pro Hektare ausgerechnet beim Schweizer Wein eine solche Rolle spielen?
REBBAU
Tab. 1: Kosten Weinbau 2000 (Quelle SRVA) Mittlerer Drahtbau, leichte Mechanisierung
Handarbeit Maschinen u. Hilfsstoffe Total
Fr. Transporte, Fr. Fr. Fr./ha
Zins der Immobilien 2623
Zins des 2638
Pflanzenkapitals
Abschreibung der 572
Immobilien
Abschreibung des 6445
Pflanzkapitals
Verfahrenskosten 18'063 3334 2470 23'867
Hagelversicherung 1226
Berufliche Beiträge 644
Allg. Unkosten 681
Verwaltungskosten 1000
Zins des umlaufenden 613
Betriebskapitals
Betriebsleiterzuschlag 780
Total 18'063 3334 2470 41'089
Total ohne Arbeit 23'026
Mittlerer Drahtbau, starke Mechanisierung
Handarbeit Maschinen u. Hilfsstoffe Total
Fr. Transporte, Fr. Fr. Fr./ha
Zins der Immobilien 1920
Zins des 2368
Pflanzenkapitals
Abschreibung der 666
Immobilien
Abschreibung des 5382
Pflanzkapitals
Verfahrenskosten 10'071 4011 1636 15'718
Hagelversicherung 1167
Berufliche Beiträge 671
Allg. Unkosten 517
Verwaltungskosten 1000
Zins des umlaufenden 431
Betriebskapitals
Betriebsleiterzuschlag 677
Total 10'071 4011 1636 30'517
Total ohne Arbeit 20'446
SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 11/02 269 Als Marketinginstrument kann die Erntemenge
sehr wohl eingesetzt werden. Nur wird es dann, wenn der Markt wieder mehr Schweizer Wein ver- langen sollte, schwierig zu kommunizieren, weswe- gen die Erntemengen wieder gesteigert werden.
Marktanteile
Die beste Möglichkeit die Produktionskosten zu decken, besteht darin, den Anteil der Schweizer Wei- ne beim Schweizer Weinkonsumenten zu erhöhen.
Das passiert natürlich nicht einfach so. Ein starker Marktauftritt, ein gutes Image und eine gute Portion Selbstvertrauen («Wir haben die besten Weine.») gehören dazu. Das bedingt qualitativ gute Weine und vor allem ein gutes Marketing. Dazu braucht es aber auch Geld. Wenn dieses Geld nicht aufgebracht wer- den kann, so wird Schweizer Wein noch mehr Markt- anteile verlieren. Die Folgen werden gravierend sein.
Das Verschwinden von Rebbergen bedroht nicht nur zahlreiche Existenzen, sondern würde auch das Land- schaftsbild der Weinregionen nachhaltig verändern.
Literatur
Droz P.: Produktionskosten im Weinbau 2000, SRVA (Service ro- mand de vulgarisation) 2000.
REBBAU
Y a-t-il un avenir pour la viticulture suisse ?
Un volume de production trop bas ne couvre plus les coûts de revient dans la viticulture. C'est dans une interaction ju- dicieuse de la prestation sur le marché et de la ratio nalisation qu'il faut chercher le salut. Si les vins suisses ne trouvent pas plus de débouchés, on verra bientôt les paysages des régions viticoles s'altérer à leur détriment.
R
ÉSUMÉTab. 2: Traubenpreis 2000 bei verschiedenen Erziehungssystemen.
Franken pro kg Trauben bei entsprechendem Ertrag/m2
Total 500 550 600 650 700 750 800 850 900 950 1000 1050 1100 1150 1200 1250 1300 1350 1400
Fr./ha g g g g g g g g g g g g g g g g g g g
Stickelbau 56597 11.32 10.29 9.43 8.71 8.09 7.55 7.07 6.66 6.29 5.96 5.66 5.39 5.15 4.92 4.72 4.53 4.35 4.19 4.04 Drahtbau eng 55224 11.04 10.04 9.20 8.50 7.89 7.36 6.90 6.50 6.14 5.81 5.52 5.26 5.02 4.80 4.60 4.42 4.25 4.09 3.94 keine Mechanis.
Drahtbau eng 52249 10.45 9.50 8.71 8.04 7.46 6.97 6.53 6.15 5.81 5.50 5.22 4.98 4.75 4.54 4.35 4.18 4.02 3.87 3.73 leichte Mechanis.
Drahtbau mittel 41089 8.22 7.47 6.85 6.32 5.87 5.48 5.14 4.83 4.57 4.33 4.11 3.91 3.74 3.57 3.42 3.29 3.16 3.04 2.93 leichte Mechanis.
Drahtbau mittel 37381 7.48 6.80 6.23 5.75 5.34 4.98 4.67 4.40 4.15 3.93 3.74 3.56 3.40 3.25 3.12 2.99 2.88 2.77 2.67 Traktoreinsatz
Drahtbau mittel 30517 6.10 5.55 5.09 4.69 4.36 4.07 3.81 3.59 3.39 3.21 3.05 2.91 2.77 2.65 2.54 2.44 2.35 2.26 2.18 starke Mechanis.
Drahtbau weit 27574 5.51 5.01 4.60 4.24 3.94 3.68 3.45 3.24 3.06 2.90 2.76 2.63 2.51 2.40 2.30 2.21 2.12 2.04 1.97 starke Mechanis.
Drahtbau eng 33328 6.67 6.06 5.55 5.13 4.76 4.44 4.17 3.92 3.70 3.51 3.33 3.17 3.03 2.90 2.78 2.67 2.56 2.47 2.38 Überzeilentraktor
Querterrassen 43000 8.60 7.82 7.17 6.62 6.14 5.73 5.38 5.06 4.78 4.53 4.30 4.10 3.91 3.74 3.58 3.44 3.31 3.19 3.07 leichte Mechanis.
Querterrassen 32407 6.48 5.89 5.40 4.99 4.63 4.32 4.05 3.81 3.60 3.41 3.24 3.09 2.95 2.82 2.70 2.59 2.49 2.40 2.31 Traktoreinsatz
Effizientes Bearbeiten der Laubwand mit dem Laubhefter.