A K T U E L L
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A3216 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 47⏐⏐25. November 2005
Hochschulmedizin
An der
Untergrenze
Stellungnahme des Wis- senschaftsrates vergleicht Leistungsfähigkeit
E
rhebliche Unterschiede bei den 34 Standorten der Uni- versitätsmedizin in Deutsch- land stellt der Wissenschafts- rat in seiner aktuellen Stel- lungnahme „Leistungsfähig- keit, Ressourcen und Größe universitätsmedizinischer Ein- richtungen“ fest. Die Stel- lungnahme vergleicht erst- mals systematisch Input- und Outputgrößen der Univer- sitätsmedizin. Ziel der Analy- se ist es, den Bundesländern Orientierungspunkte für eine effizientere Ausrichtung der hochschulmedizinischen Ein- richtungen zu geben.„An den meisten Universi- tätsklinika herrscht ein Inve- stitionsrückstand“, sagte Prof.
Dr. med. Karl Max Einhäupl am 14. November in Berlin.
Der Vorsitzende des Wissen- schaftsrates befürchtet zudem, dass die Zukunft von Wissen- schaft, Forschung und Lehre im Zuge der Föderalismusre- form „nicht einfacher“ werde.
Um jedoch im internationa- len Vergleich den Sprung in eine andere Liga zu schaffen, müssten an besonders lei- stungsfähigen Standorten der Universitätsmedizin al- le Kräfte mobilisiert und Mittel fokussiert werden, erklärte Einhäupl.
Mit Blick auf die neue Ärztliche Approbations- ordnung hält der Wissen- schaftsrat als Untergrenze für eine medizinische Fa- kultät etwa 60 humanmedi- zinische Professoren für er- forderlich. Mit diesen könn- ten jährlich 200 Studienan- fänger ausgebildet werden.
Dafür sollten mindestens 1 100 Planbetten zur Verfü- gung gestellt werden, 850 davon sollten im Klinikum angesiedelt sein. Univer- sitätskliniken, die unter die-
se Grenze fielen, sollten jedoch nicht geschlossen, sondern ver- mehrt mit Mitteln ausgestattet werden, betonte Einhäupl.
Bei seiner Herbstsitzung beschäftigte sich der Wissen- schaftsrat gleichzeitig mit der Medizin an der Ludwig-Maxi- milians-Universität München (LMU). Ihr bescheinigte er zwar eine hohe Leistungs- fähigkeit, hält jedoch zahlrei- che Reformen für erforderlich, unter anderem die Verlage- rung der Innenstadtkliniken nach Großhadern. Zur geplan- ten Privatisierung des Univer- sitätsklinikums Gießen und Marburg definierte der Rat die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um als Univer- sitätsklinikum im Sinne des Hochschulbauförderungsge- setzes gelten zu können. ER
Bundesausschuss
Ausnahmeliste erweitert
Entscheidungen fielen auch zu Festbeträgen und künstlicher Befruchtung.
F
ür Patienten, die unter schwe- ren Formen eines allergi- schen Schnupfens leiden, kön- nen Ärzte künftig nichtver- schreibungspflichtige Antihi- staminika auf Kassenrezept verordnen. Voraussetzung da- für sei aber, dass eine Behand- lung mit kortisonhaltigen Nasensprays allein nicht aus- reicht, heißt es in einem Be- schluss, den der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 15. November in Siegburg ge- fasst hat. Zudem werden die Krankenkassen künftig auch die Kosten für rezeptfreie Harnstoff-Präparate für Pati- enten mit Ichthyose überneh- men, wenn es keine therapeu- tische Alternative gibt. Zur Begründung sagte der Vorsit- zende des Gemeinsamen Bun- desausschusses, Dr. jur. Rainer Hess: „Die künftige Verord- nungsfähigkeit von Antihista- minika und harnstoffhaltigen Salben entlastet vor allem Fa- milien mit Kindern, die diese Medikamente zurzeit selber zahlen müssen, ohne dass bei Ausgaben für rezeptfreie Me- dikamente eine soziale Härte- fallregelung vorgesehen ist.“Ebenfalls am 15. November haben sich die Mitglieder des G-BA darauf verständigt, die Arzneimittel-Festbetragsgrup- pen zu ergänzen. Der Be- schluss betrifft ACE-Hem- mer, Kalzium-Antagonisten, Antidiabetika, Antiasthmati- ka und Prostaglandin-Synthe- tase-Hemmer. Die Spitzen- verbände der Krankenkassen können nun Festbeträge für die Wirkstoffgruppen be- schließen. Allein im Jahr 2005 würden durch die Einbezie- hung von Scheininnovationen in die Festbetragsgruppenbil- dung Einsparungen von vor- aussichtlich rund 400 Millio- nen Euro erreicht, sagte Hess.
Ferner hat der Ausschuss den Anspruch gesetzlich krankenversicherter verhei- rateter Paare auf Maßnah- men zur künstlichen Befruch- tung klargestellt. Die Kassen finanzieren unter Berücksich- tigung der jeweiligen Metho- de nur eine bestimmte Höchstzahl von erfolglosen Versuchen. Die Zahl erfolg- reicher Versuche ist hingegen nicht begrenzt. Der Bundes- ausschuss hat jetzt beschlos- sen, dass der Versuch einer künstlichen Befruchtung als erfolgreich gilt, wenn eine Schwangerschaft klinisch nach- gewiesen wurde, unabhängig davon, ob es nachfolgend zur Geburt eines Kindes ge- kommen ist.
Die Beschlüsse des G-BA treten in Kraft, wenn das Bundesgesundheitsministeri- um sie nicht beanstandet. SR Fünf Ärztekammern haben im Rahmen der
Medica erstmals funktionsfähige elektroni- sche Heilberufsausweise an Ärzte aus den Pilotregionen Nordrhein-Westfalen, Rhein- land-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein ausgegeben. Sichtlich stolz präsentieren Vertreter der Ärztekammern (ÄK) im Beisein von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsmi- nister Karl-Josef Laumann die neuen Aus- weise. „Mit den jetzt anlaufenden Tests der Arztausweise haben alle Heilberufe gemein- sam einen wichtigen Teil der Telematikinfra- struktur für das Gesundheitswesen fertigge- stellt“, betonte Prof. Dr. Ingo Flenker, Präsident der ÄK Westfalen-Lippe (von links: Dr. Eckhard
Kampe,Allgemeinarzt aus Bochum; Laumann; Jörg-Erich Speth, Hauptgeschäftsführer der ÄK Westfalen-Lippe; Dr. Robert Schä- fer, ärztlicher Geschäftsführer der ÄK Nordrhein; Flenker; Prof. Dr. Frieder Hessenauer, Präsident der ÄK Rheinland-Pfalz). KBr
Foto:Johannes Aevermann
LMU: Innenstadtkliniken sollen nach Großhadern verlagert werden.
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