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B R E N N P U N K T

22 Physik Journal 16 (2017) Nr. 2 © 2017 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

W

assertropfen erhalten ihre charakteristische Form durch die Oberflächenspannung, die durch kohäsive Kräfte zwischen den Molekülen zustande kommt.

Ein ähnlicher Effekt hält Helium- tröpfchen zusammen, die in den vergangenen Jahrzehnten großes Interesse auf sich gezogen haben.

Denn sie bieten die Möglichkeit, das besondere Verhalten eines mesoskopischen Superfluids zu studieren. Während diese Flüssig- keiten eine hohe Dichte besitzen, haben neueste Experimente mit ultrakalten Atomen in der Grup- pe von Tilman Pfau in Stuttgart eine fundamental neue Form von extrem verdünnten Quantentröpf- chen offenbart [1]. Im Gegensatz zu Wasser- oder Heliumtröpfchen hat deren Oberflächenspannung einen rein quantenphysikalischen Ursprung.

Bosonen tendieren aufgrund ihrer Quantenstatistik dazu, sich unterhalb einer kritischen Tempe- ratur in einem einzigen Quanten- zustand zu sammeln, der als Bose- Einstein-Kondensat (BEC) bekannt ist. Dessen Eigenschaften sind seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Untersuchungen und lassen sich typischerweise durch eine semi- klassische Molekularfeldtheorie gut beschreiben. In dieser charak- terisiert ein komplexes Feld ψ, die Wellenfunktion des Kondensats, die kondensierten Teilchen.

Aufgrund der Wechselwirkun- gen zwischen den Teilchen gibt es auch am absoluten Temperaturnull- punkt eine endliche Anzahl nicht- kondensierter Teilchen, welche die Zustandsgleichung des Kondensats modifizieren. Das ist bereits seit einem halben Jahrhundert bekannt [2]. Diese Quantenfluktuationen sind nicht in der Molekularfeld- näherung enthalten. In den meisten BEC-Experimenten sind die Fluk- tuationen vernachlässigbar klein ge- genüber dem Molekularfeldbeitrag.

Die Situation ändert sich aber in Quantengasen mit starken Dipol-

Dipol-Wechselwirkungen, wie neue Experimente mit Dysprosium- und Erbiumatomen in den Gruppen von Tilman Pfau in Stuttgart [1] und von Francesca Ferlaino in Innsbruck [3]

zeigen. Im Gegensatz zu ihren nicht dipolaren Gegenstücken, in denen die Teilchen nur über kurzreich- weitige und isotrope Wechselwir- kungen miteinander interagieren, besitzen diese stark magnetischen Atome zusätzliche langreichweitige und anisotrope Wechselwirkungen.

Interessanterweise können sich die- se gegenseitig aufheben, wodurch der Molekularfeldbeitrag anormal klein wird. Die Quantenfluktuati- onen verschwinden jedoch nicht, sondern erlangen entscheidende Bedeutung für die Eigenschaften des Kondensats. Insbesondere führen genügend schwache kurz- reichweitige Wechselwirkungen zu einem attraktiven Molekularfeld- term, der proportional zur Dichte

n ist und eine Implosion des Kon- densats verursacht. Quantenfluktu- ationen bewirken einen repulsiven Term proportional zu n3/2, der den durch den Molekularfeldbeitrag induzierten Kollaps bei einer kri- tischen Dichte stoppt.1)

Eine solche reine Quantensta- bilisierung eines dipolaren Kon- densats zeigte sich erstmals 2015 in einem grundlegenden Experiment in Stuttgart [1]. Dabei wurde ein molekularfeldstabiles Dysprosium- kondensat destabilisiert, indem die Stärke der kurzreichweitigen Wechselwirkung abrupt reduziert wurde. Während das Kondensat bei ähnlichen Experimenten mit Chromatomen einige Jahre zuvor kollabierte, bildeten sich in den Dysprosiumkondensaten lang- lebige Quantentröpfchen, die bis zu einigen hundert Millisekunden überlebten. Diese ordneten sich in einer quasi-kristallinen Struktur an,

Gewöhnliche Weintropfen (unten) und ein Quantentröpfchen (ganz oben)

T. Pfau

1) Die erhöhte Bedeu- tung der Quantenfluktu- ationen in Systemen mit konkurrierenden Wech- selwirkungen wurde zu- erst im Kontext von bi- nären BEC gezeigt [4].

Schwebende Quantentröpfchen

Bei extrem verdünnten Quantentröpfchen beruht die Oberflächenspannung auf rein quantenphysikalischen Prozessen.

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B R E N N P U N K T

© 2017 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 16 (2017) Nr. 2 2

Dr. Falk Wächtler und Prof. Dr. Luis Santos, Institut für Theoretische Physik, Leibniz Universität Hannover Abb. 1 Ablauf des Experiments mit

Dysprosiumatomen: Ein Tröpfchen wird zuerst in einer optischen Falle herge- stellt (a); nach dem Abschalten der Falle wird das Tröpfchen magnetisch zum Schweben gebracht und nach einer festen Zeit tlevit abgebildet. Ein Tröpf- chen mit einer großen Teilchenanzahl N

(b) bleibt länger selbst gebunden als ein Tröpfchen mit geringer Teilchenanzahl (c). Nach etwa 70 ms sinkt bei großem N die Teilchenzahl durch Atomverluste unter den kritischen Wert Nkrit, und die Teilchen des Tröpfchens fliegen abrupt auseinander.

a b

Levitation time in ms 40 μm

N >> Nkrit N > Nkrit

N ~ Nkrit

N ~ Nkrit

y x

40 μm Überlebenswahrscheinlichkeit in Prozent

t = 90 mst = 70 mst = 50 mst =20 mst = 0 ms

B = 6,831 (5) G B = 6,779 (5) G B = 6,727 (5) G B = 6,676 (5) G B = 6,624 (5) G B = 6,572 (5) G B = 6,520 (5) G B = 6,469 (5) G

0 20 40 60 80

a

b

c

t = 0 ms mg μ∆B z II Bext

t = tlevit

t = 0 ms t = 20 ms t = 50 ms t = 70 ms t = 90 ms N ~ Nkrit

N ~ Nkrit

N > Nkrit

N > Nkrit

40 μm y

x

x y

40 μm aus []

die den charakteristischen Stacheln der Rosensweig-Muster magne- tischer Fluide ähneln. Das Ergeb- nis war innerhalb der damaligen prävalenten Molekularfeldtheorie unerwartet und initiierte in den vergangenen Monaten viele expe- rimentelle und theoretische Unter- suchungen solcher Systeme. Erste Modelle setzten auf anormal große Dreikörper-Wechselwirkungen als Stabilitätsmechanismus. Tilman Pfaus Gruppe zeigte jedoch, dass nur Quantenfluktuationen mit den experimentellen Ergebnissen in Einklang zu bringen sind [].

Detaillierte theoretische Arbeiten bestätigten dies [].

Neueste Experimente mit Bose- Einstein-Kondensaten aus Erbium- atomen in Innsbruck belegten, dass die Stabilisierung durch Quanten- fluktuationen eine allgemeine und qualitativ neu entdeckte Eigen- schaft stark dipolarer Gase ist und nicht etwa eine Besonderheit von Dysprosium [3]. Bei diesen Expe- rimenten kam eine andere Fallen- geometrie zum Einsatz. Wurde die Stärke der kurzreichweitigen Wech- selwirkung reduziert, zeigte sich ein Übergang von einem regulären molekularfeldstabilen Kondensat zu einem einzigen Makrotröpfchen.

Simulationen stimmten sehr gut mit den Messergebnissen überein und unterstrichen quantitativ die wesentliche Rolle der Quantenfluk- tuation.

Theoretische Überlegungen offenbarten zudem einen Para- meterbereich, in welchem die Oberflächenspannung zu selbst gebundenen Tröpfchen führt. In Experimenten mit Dysprosium gelang es kürzlich, diese Voraussage zu bestätigen []. Dazu wurde die

zugrundeliegende Falle entfernt.

Ein magnetisches Feld diente dazu, die Gravitation zu kompensieren und die Atome zum Schweben zu bringen. Während das Kondensat typischerweise nach Entfernen der Falle schnell in alle Richtungen expandiert, bilden genügend große Dysprosiumtröpfchen aufgrund der Quantenstabilisierung aber das erste dreidimensionale selbst ge- bundene Kondensat überhaupt.

Diese Experimente haben fun- damental neue Physik im Feld der ultrakalten dipolaren Gase offen- bart, die sich qualitativ von nicht- dipolaren Systemen unterscheiden.

Theorie und Experiment stehen dadurch vor einer Vielzahl neuer faszinierender Fragen und Heraus- forderungen. Dazu zählen die Un-

tersuchung der Eigenschaften von selbst gebundenen Tröpfchen und von Quantentröpfchen in niedrig- dimensionalen Systemen sowie die Erzeugung extrem niedriger Tem- peraturen.

Falk Wächtler und Luis Santos [1] H. Kadau et al., Nature 530, 1 (201) [2] T. D. Lee, K. Huang und C. N. Yang,

Phys. Rev. 106, 115 (15) [] L. Chomaz et al., Phys. Rev. X ,

010 (201)

[] D. S. Petrov, Phys. Rev. Lett. 115, 15502 (2015)

[5] I. Ferrier-Barbut et al., Phys. Rev.

Lett. 116, 21501 (201) [] F. Wächtler und L. Santos, Phys.

Rev. A 93, 010(R) (201); R. N. Bisset et al., Phys. Rev. A 94, 01 (201) [] M. Schmitt et al., Nature 539, 25 (201)

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