KURZBERICHTE
der Begründung abgelehnt, es wahre nicht mehr die dienstrecht- liche Unahhängigkeit der ärzt- lichen Gutachter in der gesetzli- chen Krankenversicherung. Die Beibehaltung der Zuordnung des VäD zu den Landesversicherungs- anstalten sichere die erforder- liche Unabhängigkeit gegenüber den Krankenkassen als den Auf- traggebern für die gutachterliehe Tätigkeit einerseits und den be- handelnden Ärzten andererseits.
Zwar berührt die jetzt vorgesehe- ne Neustrukturierung -:11e dienst- rechtliche Unabhängigkeit und Einbindung des VäL... in die LVAs formal nicht, doch darf- vor allem in Anbetracht der Mehrheitsver- hältnisse sowohl im Koordinie- rungsausschuß auf Bundesebene als auch den einzelnen VäD-Aus- schüssen bei den Landesversi- cherungsanstalten -die Neurege- lung auch nicht zu einer Unter- höhlung der von der ärztlichen Berufsordnung (§ 1) geforderten Freiheit und Unabhängigkeit in der Berufsausübung des Vertrau- ensarztes führen. Hintergrund für diese mögliche Gefahr: Nach dem Vereinbarungs- und Vertragsent- wurf stellt der Koordinierungsaus- schuß "zur Koordinierung, Gestal- tung und Förderung des VäD Grundsätze auf, insbesondere zur Sicherstellung einer ausreichen- den, zweckmäßigen und gleich-
mäßigen Begutachtung ... "; dem
VäD-Ausschuß obliegen für den VäD neben Beschlüssen und Vor- gaben über Haushaltsplan, Jah- resrechnung, Personalangelegen- heiten und laufende Verwaltungs- geschäfte insbesondere auch
"Grundsatzentscheidungen für die Tätigkeit" des Vertrauensärzt- lichen Dienstes.
..,.. Kassenärztliche Bundesverei- nigung und Bundesärztekammer fordern daher die Vereinbarungs- partner auf, dafür Sorge zu tra- gen, daß bei der ab 1986 gelten- den Neuregelung die notwendige Unabhängigkeit des Vertrauens- ärztlichen Dienstes bei der Aus- übung seiner Tätigkeit gewahrt bleibt. Dr. Hans-Jürgen Maas
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Sterbebeistand Sterbehilfe
"Sterbehilfe ist und bleibt für die deutsche Ärzteschaft indiskuta- bel." Diese Auffassung vertrat Prof. Dr. Werner Ohler, Wissen- schaftlicher Direktor der Akade- mie für Ärztliche Fortbildung in Rheinland-Pfalz, bei einer Diskus- sionsveranstaltung in Mainz. ln Anspielung auf den Fall Hackethai sagte er mit Nachdruck, die Ent- scheidung zur Hilfe zum Sterben sei unärztlich, inhuman und wi- derspreche dem medizinischen Auftrag, Leben zu erhalten. Die Rechtsprechung aber, so Straf- rechtler Prof. Dr. Ernst-Walter Ha- nack (Universität Mainz), werde auch in Zukunft der freien Gewis- sensentscheidung des Arztes ver- trauen: "Recht und ärztliche Stan- desethik laufen hier parallel."
Um medizinische, ethische und juristische Fragen zum Thema Sterbebeistand - Sterbehilfe auf- zuhellen, hatten die Landesregie- rung und die Akademie für Ärzt- liche Fortbildung in Rheinland- Pfalz namhafte Fachleute gela- den. Gut 100 in der Seelsorge und im Gesundheitswesen engagierte Bürger nutzten die Gelegenheit zum Gespräch.
Die Verantwortung des Arztes ei- nem Sterbenden gegenüber, sag- te Prof. Ohler in seinem Referat, habG oft tragische Ausmaße und entziehe sich zu Recht weitge- hend der Rechtsprechung. Wich- tigste Grundlage im Verhältnis zum Patienten sei das Vertrauen zum Arzt, das nicht durch spekta- kuläre Tötungsakte untergraben werden dürfe. Ohler räumte ein, daß es zwar Grenzsituationen ge- be, wo sich die Frage stelle, ob die Entscheidung des Arztes auch im Interesse des Patienten sei. Doch vor den Zweifeln über den Einsatz aller technischen Möglichkeiten müsse der Wille zum Leben ste- hen. Prof. Dr. Walter Kreienberg, Präsident der Landesärztekam- mer Rheinland-Pfalz, schloß sich
in der Diskussion der Stellung- nahme Ohlers an. Die passive Sterbehilfe sei zwar juristisch nicht strafbar, verstoße aber ge- gen den Ärztekodex. Auch die ärztliche Aufklärungspflicht habe Grenzen, "sie endet da, wo dem Patienten Schaden zugefügt wird".
Die Wurzel der Sterbehilfe-Dis- kussion liegt nach Ansicht von Dr.
Josef Mayer-Scheu, klinischer Seelsorger aus Heidelberg, in der modernen Krankenhaustechnik.
Der eigentlich ganzheitliche Dienst am Patienten habe sich in über 300 Berufe im Krankenwe- sen aufgesplittert Mehr Zeit für den Sterbenden, keine Scheu vor unbequemen Gesprächen forder- te Mayer-Scheu von den Medizi-
nern. Im übrigen betonte auch der
Seelsorger den Vorrang der Ge- wissensentscheidu ng des Arztes.
Die Rechtsprechung läßt der ärzt- lichen Seite grundsätzlich einen breiten Spielraum. in seiner Stel- lungnahme aus der Sicht des Strafrechtlers griff Prof. Hanack den Fall der passiven Sterbehilfe auf, wie ihn Hackethai praktiziert hat. Zwar sei Beihilfe zum Selbst- mord nach herrschender Rechts- meinung nicht strafbar, "doch es bleibt die sehr ernste Frage, ob Hackethai berufsordnungswidrig gehandelt hat". Wie wenig die Ju- stiz in die ärztliche Gewissensent- scheidung eingreife, zeige die Tatsache, daß es bisher keinerlei Verurteilungen im Bereich der Sterbehilfe gegeben habe. Vor- rangiger Maßstab sei die ärztliche Standeseth i k.
Die ärztliche Ethik aber, so Dr.
Martin Rock, Professor der Katho- lischen Theologie in Mainz, müs- se mehr in den Vordergrund der Medizinerausbildung treten. ln 15 Thesen nannte der Theologe un- ter anderem den Anspruch des Menschen, in Würde und Freiheit zu sterben. So verurteilte er
"krampfhafte und gleichsam ge-
waltsame Eingriffe", um den Tod zu verzögern. Daß Schmerzlinde-
rung, erklärte Rock, nicht strafbar
2234 (14) Heft 31/32 vom 2. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KURZBERICHTE DIE GLOSSE
sei, auch wenn sie um den Preis einer Lebensverkürzung verord- net werde. Gegen die Befürworter der aktiven Sterbehilfe gerichtet fragte Rock: „Welcher Mensch wollte über die Kompetenz verfü- gen, eine stichhaltige Aussage zu machen, ob das Leben noch sinn- voll ist oder nicht?"
Der Mainzer Bischof Lehmann gab in der Diskussion seiner Be- sorgnis Ausdruck, daß durch die Erörterung der Sterbehilfe das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient strapaziert wer- de. Die Sicherheit des Patienten —
„der Arzt wird mir nie Schaden zu- fügen" — könne so einen großen Bruch erleiden. AC
Kampf gegen
den Drogen-Mißbrauch soll intensiviert werden
Der Deutsche Bundestag hat ei- ner Beschlußempfehlung seines Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zugestimmt, nach der die Bundesregierung und die Länder im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesre- gierung zur Bekämpfung des Dro- gen- und Rauschmittelmiß- brauchs insbesondere folgende Maßnahmen zur besseren Umset- zung des Betäubungsmittelgeset- zes und zur verstärkten Bekämp- fung von Drogenmißbrauch und Drogenkriminalität ergreifen sol- len:
I> Unterstützung der Bemühun- gen der Gerichte und Staatsan- waltschaften, drogenabhängige Straftäter mit Hilfe der §§ 35 bis 38 Betäubungsmittelgesetz verstärkt einer Drogenentwöhnungsthera- pie anstelle von Straf- und Unter- suchungshaft zuzuführen;
> weitere Differenzierung des stationären, teilstationären und ambulanten Therapieangebots;
> stärkere Ausrichtung der ge- sundheitlichen Aufklärung und
sonstiger Suchtprophylaxemaß- nahmen auf Problem- und Risi- kogruppen;
• Beseitigung der Finan- zierungsprobleme in der Sucht- therapie;
> Erweiterung der Datenerfas- sung durch Vereinbarung mit den Ländern über eine bundesweite Mitteilung aller Entscheidungen nach §§ 35 ff. Betäubungsmittel- gesetz;
I> Prüfung einer Verbesserung der Vorschriften über den Verfall, die Einziehung und die Sicherstel- lung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit Rauschgift- delikten;
E> Verbesserung der Kontrolle von Chemikalien, die zur illegalen Drogenherstellung verwendet werden;
I> beträchtliche Erhöhung der Mittel für den Suchtstoff-Kontroll- fonds der Vereinten Nationen; Er- höhung des Betrages zur Ausrü- stungs- und Ausbildungshilfe des Bundeskriminalamtes für Drittlän- der, die bei der Bekämpfung der internationalen Rauschgiftkrimi- nalität kooperativ sind.
Die Ärzte werden es begrüßen, daß ihre nach dem 87. Deutschen Ärztetag in Aachen eingeleiteten Maßnahmen nun auch durch die Anstrengungen der Bundesregie- rung und der Länder gegen das Suchtproblem eine Verstärkung erfahren. KHK
ZITAT
Wasserrohrbruch
„Man kann einen Wasser- rohrbruch im Keller eines Hauses nicht einfach da- durch bekämpfen, daß man die Möbel in den oberen Stockwerken immer etwas höher rückt."
Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow, Bonn, vor dem Marburger Bundes in einer Anspielung auf die „Ärz- teschwemme".
„Kleinere Übel"
Im Juni fand beim Bundesgesund- heitsamt in Berlin wieder eine Sondersitzung wegen eines „Arz- neimittel"problems statt. Sie stell- te in mehrfacher Hinsicht eine Be- sonderheit dar:
Das „Arzneimittel", um das es sich handelte, wird von etwa 600 Patienten mit sogenannter ery- thropoetischer Protoporphyrie benötigt, damit sie sich ohne Schaden dem Sonnenlicht ausset- zen können; es kann Pigmentan- omalien bei einer größeren Pa- tientengruppe kaschieren.
Zur gleichen Zeit kauft eine halbe Million Bundesbürger ein identi- sches Präparat als „Lebensmittel"
rezeptfrei in Apotheken und Dro- geriemärkten — um braun auszu- sehen!
Wie so oft bei früheren Anhörun- gen dieser Art stellte sich heraus, daß Hersteller und Rohstoffliefe- ranten ihre „Hausaufgaben" nicht sorgfältig gemacht und daß über Pharmakodynamik, Pharmakoki- netik und Toxikologie des kriti- schen Inhaltsstoffs so gut wie nichts bekannt war.
Die Gründe, die zur Sondersit- zung führten: Morphologische und funktionelle Veränderungen am Auge wurden von mehreren Hochschullehrern, auch aus dem Ausland, souverän belegt. Die
„Datenlage" beim Risiko war also im Vergleich zu früheren Sonder- sitzungen ausgesprochen gut.
Auch dem unbefangenen Zuhörer
— Presse und Fernsehen waren reich vertreten — konnte nicht ent- gehen, daß die von den Herstel- lern vorgelegten Studien sowohl im Ansatz als auch von der Quali- tät her den von den Sachverstän- digen des BGA vorgetragenen Fakten nichts wesentliches entge- genzusetzen hatten. Zugegeben, es ist für einen Hersteller in dieser Situation nicht leicht, Sachver- ständige zu finden, die einerseits qualifiziert sind und andererseits Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 31/32 vom 2. August 1985 (15) 2235